[Filmtipp] Kinotipp der Woche

  • Kann es sein, dass finnische Filme immer "over the top" sein müssen? Gestern Big Game gesehen und da sind genau solche Übertreibungen wie bei Iron Sky oder auch den Kaurismäiiki Filmen?

    Ich versuche mich Mal an einer ernsten Antwort: Big Game ist eine europäische Produktion (die übrigens in Bayern gedreht wurde), da steckt ebenso wenig wie in Iron Sky (der ja auch per Crowdfunding Geld eingesammelt hat) Geld der finnischen Filmförderung drin. Das kann man insoweit unterscheiden, als dass "echte" finnische Filme sich eines dezidiert finnischen Themas annehmen müssen, um förderfähig zu sein. Iron Sky und Big Game sind also in etwa so finnisch wie Der Name der Rose und Das Geisterhaus deutsche Produktionen sind (sind sie wirklich, von Bernd Eichinger finanziert, aber das würde man jetzt nicht unbedingt denken). Dieses "over the top"-sein der beiden hat mE. eher etwas damit zu tun, dass sie ihre 1-Satz-Prämisse auch möglichst brachial im Marketing rüberbringen können müssen, und dazu sind One-Liner und überzogene Actionszenen natürlich bestens geeignet.



    "Typisch finnisch" im Sinne eines nationalen Kinos wäre für mich eher eon Blick in finnische Vergangenheit oder schwelende Sozialkritik der Gegenwart, die zumeist durch eine dicke Schicht lakonischen Humors überdeckt wird, düstere entfärbte Bilder, oft auch ein Spiel mit Genrekonventionen und kaum Emotionen, so dass schon einzelne Worte wie ein Gefühlsausbruch wirken können. Dazu noch finnische Schlager der 1950er und 1960er, und Du hast 90% aller finnischen Filme beschrieben die ich kenne.

  • Da sieht man wieder wie wenig Ahnung ich habe. Dann muss ich genauer sein und von "Filmen von finnischen Regisseuren und Drehbuchautoren" sprechen? Passt meine Prämisse dann?

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Da sieht man wieder wie wenig Ahnung ich habe. Dann muss ich genauer sein und von "Filmen von finnischen Regisseuren und Drehbuchautoren" sprechen? Passt meine Prämisse dann?

    Ich glaub man muss das als Dialektik verstehen: Die finnischen Produzent*innen und Regisseur*innen haben die Wahl: kleine Filme für ein primär skandinavisches Publikum mit ein paar Arthouse-Hits, oder lieber auf die große internationale Kasse schielen und wie dereinst Renny Harlin das Sprungbrett ins internationale Filmgeschäft suchen. Raus kommt im besten Fall Stirb langsam 2, wo ja bekanntlich am Ende die Finnlandia zur Rettung der Flugzeuge gespielt wird. In letzterem Fall bleibt dann aber nicht viel Finnisches übrig, und da man in Sachen Budget nicht unbedingt mithalten kann, entstehen kleine (hoffentlich originelle) B- und C-Filme wie die von dir genannten. Wobei ich Big Game als Guilty Pleasure ja echt mag.


    Gleiches gilt übrigens für viele kleinere Filmländer, man denke aktuell an Island oder Norwegen, oder in den 80ern an die Niederlande (Paul Verhoeven, Dirk Maas) oder Belgien (George Sluizer) etc.



  • Trotzdem in der Summe ein absolut verunglückter Streifen. :/

    Ich bin im Kern bei Dir (schrieb ich ja schon), aber irgendwie ist der bei mir im Kopf erstaunlich hängen geblieben. Sheridan wollte den Film ja unbedingt machen, ich ahne dass Jolie (ohne die der Film nicht zustande gekommen wäre) einiges an Einfluss genommen hat. Die Art wie sie Ton und verbrannte Erde als Mascara trägt ist schon grotesk. Ansonsten gibt es eigentlich viel Gutes: Das Killerpärchen finde ich richtig originell und gut gespielt, die Flammenszenen sind beeindruckend, der Plot schreitet schnell voran (viel zu schnell eigentlich, da ist eindeutig hinterher von Warner massiv gekürzt worden). Also irgendwie einer dieser misslungenen Filme, mit denen man etwas machen kann, so wie Red Lights, Avengers (der mit Sean Connery), Solace etc.

  • Wie würdest Du denn Kaurismäki einordnen? Schielt er auf die internationale Kasse oder ist er nicht weiterhin Arthouse?

    Aki hat ein paar kommerziellere Filme gedreht, zumindest das was er dafür gehalten hat (Leningrad Cowboys), und der ist ja eh dauerdepressiv und glaubt dass seine Filme nicht gut sind. Der wird international dennoch denke ich eindeutig als Arthouse wahrgenommen. Da ist eher das Problem dem faulen Kerl einen neuen Film aus den Rippen zu leiern ;). Bei Mika ist das anders, der hat von Anfang an auch kommerziellere Projekte paneuropäisch produziert und realisiert. Die werden aber dann allein qua Herkunft in Deutschland trotzdem eher noch im Arthouse-Sektor vermarktet (der Begriff ist ja eh aufgeweicht, Arthouse ist heute ja auch oft einfach Unterhaltungskino, das nicht aus Deutschland oder Hollywood stammt).

  • So...einmal etwas einfachere Unterhaltung: Neulich hatte ich mit meiner Tochter (7J) 2 Animationsfilme gesehen, die es bereits auf DVD gibt:

    • Zoomania
    • Everest - ein Yeti will hoch hinaus

    Beide Filme haben uns beiden sehr gut gefallen. Zoomania war vielleicht etwas gruselig, aber ich fand, dass alles noch im Rahmen war.

    Anbei einmal einen kurzen Ausschnitt von Zoomania (auf der Zulassungsstelle), den ich wirklich witzig fand:

    Beides sind aber mE sehr schöne Familienfilme. Gut, ich geb`s zu: Ich bin ja ebenfalls ein Zeichentrick- und Animationsfilm-Fan mit Vayana und Monster AG an der Spitze, aber wenn die Tochter solche Filme ebenfalls gerne schaut, dann kommt man einmal wieder öfters zum Schauen von den Dingern ,).

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  • Du schaust keine Trailer, oder? :)

    Hilf mir…. Ich stehe auf dem Schlauch…!?

    Ich wollte ja explizit nur die beschriebene Szene verlinken, da ich sie sehr witzig fand….

    PowerPlant wollte Dir nur subtil sagen, dass die Szene jeder, aber auch wirklich jeder kennt, der älter als 10 Jahre ist und nicht von der medialen Außenwelt abgeschottet existiert. Die Erwähnung des Faultiers reicht da schon. Das ist ein bisschen wie "Butter schmeckt auf frischen Brötchen richtig gut, wenn die noch warm sind".

  • PowerPlant wollte Dir nur subtil sagen, dass die Szene jeder, aber auch wirklich jeder kennt, der älter als 10 Jahre ist und nicht von der medialen Außenwelt abgeschottet existiert. Die Erwähnung des Faultiers reicht da schon. Das ist ein bisschen wie "Butter schmeckt auf frischen Brötchen richtig gut, wenn die noch warm sind".

    Außenwelt? Es gibt eine Außenwelt außerhalb meines Vaults? Moooment, das muss ich checken….. :sos:

    Aber im Ernst: Animationsfilme schaue ich wirklich extrem gerne, aber Zoomania war bisher, wie Pets oder Minions, in meinem persönlichen Filter gelandet und hat es erst jetzt in mein Gehirn geschafft.

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  • ...also um ganz genau zu sein: es war der überdimensionierte Teaser. Der Trailer kam erst danach, da war dann die Szene auszugsweise immer noch drin. Aber tatsächlich hat Disney damals quasi die komplette Szene als teaser im Kino gespielt.

  • Außenwelt? Es gibt eine Außenwelt außerhalb meines Vaults? Moooment, das muss ich checken….. :sos:

    Aber im Ernst: Animationsfilme schaue ich wirklich extrem gerne, aber Zoomsnia war bisher, wie Pets oder Minions, in meinem persönlichen Filter gelandet und hat es erst jetzt in mein Gehirn geschafft.

    Sorry falls das überheblich rüber kommt. Komm mir mit Fußball oder Autos, da kenn ich dann auch die selbstverständlichsten Dinge nicht. Aber die Szene hat es parallel auch als Meme ins Netz geschafft, daher auf mehreren wegen verbreitet.

  • Sorry falls das überheblich rüber kommt. Komm mir mit Fußball oder Autos, da kenn ich dann auch die selbstverständlichsten Dinge nicht. Aber die Szene hat es parallel auch als Meme ins Netz geschafft, daher auf mehreren wegen verbreitet.

    Alles gut. Wie gesagt, mir war nicht bewusst, dass der Film oder die Szene so erfolgreich war, da unsere Kleine erst jetzt 7 Jahre alt ist und wir zuvor (=in den letzten 7 Jahren) solche Filme wenig bis gar nicht dann Abends geschaut haben. Jetzt, wo unsere Kleine in das Alter kommt, schauen wir auch gerne wieder diese Filme….

    Der Film war daher bislang nicht so präsent für mich… ;)

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  • Boandlkramer und die ewige Liebe


    Der letzte Film des verstorbenen Joseph Vilsmaier, der die deutsche Kinolandschaft mit einigen Perlen wie Herbstmilch und Schlafes Bruder bereichert hat. Boandlkramer ist sicherlich keine dieser Perlen, aber immerhin eine richtig charmante Komödie mit Bully Herbig als über beide Ohren verliebter Tod. Dramaturgisch wird einem nicht viel mehr geboten als ein Bauernschwank in 3 Akten, aber das Ensemble ist extrem gut aufgelegt, allen voran Bully Herbig mit fieser Frisur und kalkweißer Maske und Hape Kerkeling als Teufel. Der Film ist leider nicht ins Kino gelangt, wir aber momentan auf Amazon Prime gestreamt.

    we are ugly but we have the music

    3 Mal editiert, zuletzt von Lighthammel ()

  • Boandlkramer und die ewige Liebe


    Der letzte Film des verstorbenen Joseph Vilsmaier, der die deutsche Kinolandschaft mit einigen Perlen wie Herbstmilch und Schlafes Bruder bereichert hat. Boandlkramer ist sicherlich keine dieser Perlen, aber immerhin eine richtig charmante Komödie mit Bully Herbig als über beide Ohren verliebter Tod. Dramaturgisch wird einem nicht viel mehr geboten als ein Bauernschwank in 3 Akten, aber das Ensemble ist extrem gut aufgelegt, allen voran Bully Herbig mit fieser Frisur und kalkweißer Maske und Hape Kerkeling als Teufel. Der Film ist leider nicht ins Kino gelangt, wir aber momentan auf Amazon Prime gestreamt.

    Gesehen habe ich Boandlkramer und die ewige Liebe leider noch nicht, aber 2008 hat Bully schonmal den Tod gegeben in Die Geschichte vom Brandner Kaspar. Hat mir gut gefallen.

    Übersetzt & lektoriert Spiele für div. Verlage und probiert Spiele in allen möglichen Stadien aus.

    Einmal editiert, zuletzt von Peer ()

  • Der Brandner Kaspar war ebenfalls von Vilsmaier und sollte zunächst nur in den süddeutschen Kinos anlaufen. War dann aber wohl so erfolgreich, der Film nachher in ganz Deutschland lief.

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  • Ich muss ja zugeben, dass ich Vilsmaier nicht ertrage. Ich sehe gewisse Qualitäten bei Herbstmilch, die aber vorrangig im Stoff lagen. Alles danach fand ich banal bis unerträglich (Stalingrad war Geschichtsklitterung der übelsten Art, Schlafes Bruder überspielt die "alle um unseren Helden sind Inzestopfer"-Karte hoffnungslos, und auch Comedian Harmonists und Leo und Claire haben echte dramaturgische Probleme, auch wenn sie historisch gesehen in Ordnung gehen). Daher hab ich die beiden "bayerischen" Filme von ihm und Nanga Parbat bisher nicht gesehen, muss ich vielleicht mal nachholen.


    Gerade wieder ein paar US-Streams geguckt, und nix davon hat sich wirklich gelohnt:


    - Conjuring 3. Ich bin kein übertrieben großer Fan der Reihe, aber der war jetzt echt müde und nur noch auf dem Niveau eines der Spinoffs (ist auch vom gleichen Regisseur wie La Llorona, den ich hiergegen allerdings dann besser fand). Interessant ist die Verheldung, die das Ehepaar jetzt durchmacht, vor allem der Mann darf hier mal richtig den Superhelden raushängen lassen - das hab ich bisher so nicht empfunden. Kein großer Spoiler, aber sicherheitshalber:



    - Spiral (Saw 9): Chris Rock hatte ja angeblich eine geniale Idee, wie man Saw wieder relevant machen könnte. Tja, man sieht auch was die Idee war (Anbindung an black lives matter und Polizeigewalt), aber was der Film dann damit macht ist absolut Banane und sinnbefreit, schade drum. Dafür sind Chris Rock und Samuel L. Jackson richtig gut, aber im Kern ist das hier immer noch das gleiche Saw wie die Teile 3-7 eben auch. Da waren wir bei Jigsaw eigentlich schon weiter, was eine mögliche Neuausrichtung der Reihe angeht.


    - Chaos Walking: Ähhh ja. So etwas wie der finale Beweis dass die Studios die guten Filme weiterhin zurückhalten, in der Hoffnung, dann damit die Kinos fluten zu können. Was für ein immenser Haufen Mist, und das trotz Tom Holland, Daisy Ridley und Mads Mikkelsen und dem Regisseur von Edge of Tomorrow. Es geht ja um einen Planeten voller Männer, wo man alle Gedanken hören kann, und auf dem nun eine junge Frau notlandet und vom "Helden" vor dem Bösewicht in Sicherheit gebracht werden muss. Schon die ganze Umsetzung der Dauertelepathie der Figuren ist absolut idiotisch auf digitales Celluloid übertragen worden. Ridley und Holland geben ein ziemlich grauenhaftes Liebespaar ab (da ist eher Antipathie zwischen den beiden), und die Filmhandlung bricht einfach mehr oder weniger mittendrin ab - sind ja auch wie gewohnt drei Bücher, die hier verfilmt werden sollen (wobei ich glaube, dass da nach diesem Schrottwichtelgeschenk nichts mehr nachkommen dürfte, so blöd ist hoffentlich in Hollywood niemand). Tom Holland versucht hier übrigens unbedingt, einen auf "ich bin jetzt auch erwachsen und kann nicht nur Spiderman" zu machen, was kläglich misslingt.

  • Spiral: From the Book of Saw werde ich mir auf jeden Fall ansehen, erwarte da aber überhaupt nichts. Der erste Teil war klasse, aber danach ging es einfach nur noch bergab.

    Übersetzt & lektoriert Spiele für div. Verlage und probiert Spiele in allen möglichen Stadien aus.

  • Chaos Walking

    Leider hörte man schon vorab ja nichts Gutes über den Film. Die Hauptfiguren in den Büchern sind übrigens ungefähr 14 Jahre alt, da verwunderte das Casting von Holland und Ridley schon. Die Buchtrilogie von Philipp Ness kann ich aber durchaus empfehlen, die stellt ein paar gute Fragen zu Themen wie Loyalität und Terrorismus. (Und das, obwohl es sich deutlich um Young Adult-Literatur handelt. Aber als Autor muss man heute wohl in dem Segment schreiben - das erhöht stark die Chancen, dass man Filmrechte verkaufen kann.)


    Bei der Gelegenheit und auch wenn es eine Serie wird und kein Film - ich bin einigermaßen hoffnungsvoll hinsichtlich der angekündigten Verfilmung der ebenfalls als YA vermarkteten (allerdings kaum Teenager enthaltenden) Wool-Trilogie von Hugh Howey, mit der großartigen Rebecca Ferguson aus den Mission Impossible-Filmen in der Hauptrolle. Mal ein dystopisches Zukunftbild mit einer kreativen Idee im Zentrum (vielgeschossige unterirdische Wohnsilos für die letzten Überlebenden der Menschheit) und einer erwachsenen Hauptfigur.

  • Dass die Bücher besser sind glaube ich sofort. Das könnte ein wirklich guter SF-Western sein, wenn da nicht ein paar grundsätzliche Entscheidungen falsch getroffen worden wären, und die hypervirile Sektenwelt a la Alien3 fand ich schon ziemlich spannend. Und David Oyelowo ist großartig. Nutzt halt nur nix, wenn man sich dann alle 5 Minuten wünscht, dass jemand Ridley endlich von ihrem Elend erlöst...

  • Der gute Klaus_Knechtskern kommt aus Bayern. Für den ist nordisch-emotionale Kühle, traurige Augen bei finnischem Tango, die berühmte "Sack-Salz"-Mentalität und 30minütige Stille gefolgt von "Das war ein gutes Gespräch" eher verwirrend.

    Der normale Gruß in Norddeutschland lautet "Moin" (und hat rein gar nichts mit der Tageszeit zu tun), grüßt man mit "Moin moin", gilt man als extrovertiert.

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  • Zugegeben, es ist über 20 Jahre her, seitdem ich Stalingrad gesehen habe. Ich mochte ihn damals nicht sonderlich, aber geschichtsklitternd kam er mir nicht vor.


    Magst Du vielleicht etwas erläutern, warum Du das so empfindest, Archibald Tuttle ?

    Oha, das ist bei mir 28 Jahre her ;). Damals gab es da mehr als genug Kritiken, die dem Film ein relativ unreflektiertes Geschichtsbild vorwarfen, ich erinnere mich (damals mitten im Geschichts-Abi) vorrangig daran, dass Verbrechen der Wehrmacht zwar kurz Vorkamen, aber der Befehlsdruck bei der Erschießung im Vordergrund stand (das war die Zeit der Wehrmachtsausstellung). Und dass irgendwie nirgendwo im Film Faschismus thematisiert wird - die Soldaten sind dann halt in Stalingrad, weil sie von einer höheren macht hinbefördert wurden ohne dass man ihnen gesagt hat wie schlimm das wird. Aber ich muss ihn nochmal gucken um mein damaliges Gefühl zu belegen.


    Und ja, das Grüßen ist bekannt, Lighthammel . Das Norddeutsche Temperament durfte ich 10 Jahre vor Ort an der Nordseeküste erleben. Ich bin mir ziemlich sicher, im Winter 2004 mit niemandem auch nur ein Wort gewechselt zu haben, nicht einmal im verzehrkino.

  • Und dass irgendwie nirgendwo im Film Faschismus thematisiert wird - die Soldaten sind dann halt in Stalingrad, weil sie von einer höheren macht hinbefördert wurden ohne dass man ihnen gesagt hat wie schlimm das wird.

    Was ist daran denn unrealistisch? Sicherlich gab es auch Soldaten, die keine glühenden Nazis waren, sondern eben Soldaten zur Regimezeit. Schlimm genug natürlich, nicht falsch verstehen. Das Ergebnis ist dasselbe, ob nun jemand glühender Anhänger ist oder schlicht Soldat, der seine „Pflicht tut“, die ihm von diesen Leuten befohlen wird.

    Dünnes Eis, bitte nicht falsch verstehen, ich will da gar nicht Schuld absprechen.

    Ich denke mir dabei nur, dass sicherlich auch nicht jeder Ami-Soldat Trump- oder Bush-Fan ist oder der NRA angehört.

    Ich könnte es mir eher wie in Black Hawk Down dargestellt vorstellen: Im Gefecht geht es nicht mehr um warum oder wofür. Da will jeder nur überleben.

    Aus der Reihe tanzen ist immer schwierig, gerade zwischen überzeugten Anhängern - und wenn darauf die Todesstrafe droht erst recht.

  • Was ist daran denn unrealistisch?

    Aus der Sicht des einzelnen Soldaten mag das sein (in das moralische Dilemma der Soldaten will ich lieber nicht einsteigen), aber aus Sicht eines großen deutschen Geschichtsfilms fand ich das damals schon fatal, dass der komplette historische Hintergrund, wieso Deutschland da gerade kämpft, warum die Russen sich so verzweifelt verteidigen etc fehlt. Bei BHD würde wohl niemand argumentieren dass die Truppen da zurecht angegriffen werden, da fehlt mir bei Stalingrad die Rahmung dann doch.


    Aber ich will den Film lieber nochmal sehen, bevor ich ihn endgültig vorwerfe, das gleiche Geschichtsbild wie Hunde wollt ihr ewig leben zu haben.

  • Ja ok, wenn es ein Geschichtsfilm sein soll, dann sicherlich. Du habe ich ihn aber auch nie verstanden.

    ich hab da nur noch Erinnerungen an Panzerlöcher und Kartoffelstampfer. Und daran, dass Krieg nicht schön ist.

  • Aus der Sicht des einzelnen Soldaten mag das sein (in das moralische Dilemma der Soldaten will ich lieber nicht einsteigen), aber aus Sicht eines großen deutschen Geschichtsfilms fand ich das damals schon fatal, dass der komplette historische Hintergrund, wieso Deutschland da gerade kämpft, warum die Russen sich so verzweifelt verteidigen etc fehlt. Bei BHD würde wohl niemand argumentieren dass die Truppen da zurecht angegriffen werden, da fehlt mir bei Stalingrad die Rahmung dann doch.

    Ich finde, Stalingrad verfolgt da eher einen impressionistischen Ansatz als einen historisch akkuraten: Die Soldaten haben ebensowenig eine Rahmung wie der Zuschauer, man wird in die große Schlacht geworfen, ohne zu wissen, warum eigentlich. Man hat die gleichen Wissenslücken wie die Soldaten, man verliert die Übersicht, dadurch kommt es nachher zu Plotholes. Die linientreuen Fanatiker findet man im Film eigentlich ebenso wie auch den "normalen" Soldaten, die vor einem moralischen Dilemma stehen. Stalingrad bleibt dabei sehr dicht an der Figur des Dominik Horwitz, so dass sich bei mir der Eindruck aufdrängt, dass man versucht hat, "Im Westen nichts Neues" in den Zweiten Weltkrieg zu verlegen. Trotz aller Brutalität wird erreicht man allerdings zu keinem Zeitpunkt die gleiche Intensität von IWNN, dazu wirkt mir Stalingrad viel zu distanziert.

    we are ugly but we have the music

  • and now for something completely different:


    Als 18jähriger führte mich mein erster Gang in die lokale, gut sortierte Videothek (wohlgemerkt noch am Geburtstag selbst). Familienvideotheken gab es damals schon, und natürlich hatte ich auch in der Stadtbücherei mich schon durch die dort vorhandene Filmkunst geliehen (und FSK 18 war in den frühen 90ern nichts, was einen ernsthaft interessierten Menschen vom Kinobesuch abhalten konnte, dafür gab es im Kino zuviele Notaus- und eingänge). Trotzdem war das damals natürlich eine Offenbarung, jetzt wirklich an Tausende Filme gleichzeitig herankommen zu können, sowas wie ein vorsintflutliches Streamingangebot, und sehr viele dieser Filme waren damals auch noch nicht im Fernsehen gezeigt worden, oder wenn dann nur stark gekürzt (von den kruden Ausnahmen wie einer David-Cronenberg-Retro Ende der 80er im Nachtprogramm bei RTL mal abgesehen).


    Aber was mich dann wirklich, wirklich fasziniert hat, war der Verkaufsstapel: In einer Art riesigem Springbrunnen in der Mitte des Ladens lagen Tausende ausgelutschter VHS-Verleihtitel zum Verkauf, von 2-10 DM. Da waren sehr viele sehr schlechte Filme dabei, aber auch so mancher Klassiker (etwa "Der Kopfgeldjäger", ein offenkundiges Bootleg der Kinofassung von "Der Gehetzte der Sierra Madre" mit derart schlecht gezeichnetem Cover, dass ich das Bild heute noch vor Augen habe - leider kann ich es im Internet nicht finden). Und wenn die Ausleihe 3 DM kostet, der Kauf aber nur 2 DM, liegt der Schluss nahe, dass ich irgendwann anfing, auch diesen Kaufstapel zu sichten.


    Warum schreibe ich das alles? Weil ich in den letzten Jahren beobachten konnte, wie viele dieser damaligen "Kauffunde" heutzutage komplett in Vergessenheit geraten sind. Sei es "Harte Pfeile - mitten ins Herz", ein wahnsinnig gutes, heute unbekanntes Krimidrama mit Martin Donovan, sei es die wirklich gute Horrorkomödie "Scary - Horrortrip in den Wahnsinn", bei dem ein Mann rund um sein neues Haus einen mörderischen Obdachlosen aufschreckt, oder sei es - und den habe ich gestern endlich wiedersehen dürfen - "Things Change" von David Mamet mit Don Ameche und Joe Mantegna. Things Change handelt vom kleinen italienischstämmigen Schuhputzer gesetzten Alters, der vom Mafiaboss dafür bezahlt wird, einen Mord auf sich zu nehmen. Als er nach Zögern zustimmt, fährt ihn ein Mafioso aufs Land - wo er durch eine Reihe von Missverständnissen für einen echten Mafiaboss gehalten wird. Klingt erstmal wie eine durchschnittliche US-Komödie, ist aber so derart gut geschrieben, dass man ganz lange gar nicht glaubt, wirklich in einer Komödie gelandet zu sein. Die beiden Hauptfiguren schweben in akuter Lebensgefahr, falls der Irrtum entdeckt wird, und das einzige Mittel dagegen ist - konstant die Wahrheit zu sagen. Ich wusste noch, dass schon mein 18jähriges Ich den Film mochte, aber wie unglaublich gut der ist, sehe ich tatsächlich jetzt erst. Klar ist der nicht so unbekannt wie viele der anderen Filme damals (immerhin gibt es mittlerweile eine BluRay des Films im Ausland), aber trotzdem ermutigt mich das, weitere Filme von damals aufzutreiben und noch einmal zu sehen.


    Was sind denn Eure weithin unbekannten Filme aus der Vergangenheit?