Beiträge von martinkaizer im Thema „[Filmtipp] Kinotipp der Woche“

    Ich war heute auch mal wieder im Kino und habe the Ordinaries gesehen. Ein Film über das Filmsein. Oder: Ein Film von FilmemacherInnen für FilmemacherInnen (und FilmkritikerInnen). Alles total meta - was ich eigentlich so gar nicht mag. Hier hat es mich aber phasenweise doch echt super unterhalten, insbesondere am Anfang und am Ende. Den Twist zum Schluss fand ich berührend. Die Mitte hingegen hatte ziemliche Längen, da wäre weniger einfach mehr gewesen. Wüsste gern, was die echten Filmkenner hier im Forum zu diesem Film zu sagen haben.

    Mal eine kurze Zwischenfrage an die Kinosaalexperten hier im Forum: Ich bin die Woche in Wien. Was wäre dort denn das beste Kino bzw. der beste Saal, um mir Dune II (im englischen Original, evtl. mit Untertiteln) anzuschauen?

    Der Film zeigt, was Oppenheimer sieht.

    Nein, zeigt er eben nicht. Er zeigt nicht das Bildmaterial, mit dem er im Briefing zu den Abwürfen selbst konfrontiert wird. Da kann man ihm auch nicht mal über die Schulter gucken. Er zeigt auch nicht die historischen Bilder der Bomben-Folgen, die in den 50ern, also der späteren Zeitebene des Films, schon kursierten und allen Protagonisten bekannt waren und zur 'moralischen' Dimension der gesamten Debatte beigetragen haben. Was man sieht: Wie sich Nolan vorstellt, wie ein idealtypisch konstruiertes wissenschaftliches Genie in einem Anflug von Wahnsinn irgendwie doch ein schlechtes Gewissen bekommt, weil ihm plötzlich ein Licht aufgeht, wie es in SEINEM Umfeld aussehen würde, wenn da eine solche (nur eben sowjetische) Bombe explodieren würde. In der Bombe steckt vielleicht noch ein bisschen Frankensteins Monster drin, aber ganz sicher keine Empathie mit dessen Opfern.

    In Sachen Kritik hab ich jetzt schon wirklich alles gelesen: Dem einen war es zu verworren, dem anderen zu linear, beim Deutschlandfunk hätten sie gerne die komplette letzte Stunde weggelassen (also alles, was der Film an Katharsis und Downer zu bieten hat), und ein "Bilderverbot" zu Hiroshima gibbet nicht, da ja nicht nur im Ton, sondern auch in Oppenheimers Vision Menschen in Hautfetzen durchaus zu sehen sind (wenn man mehr sehen will, eignen sich dann wohl eher die japanischen Filme zum Thema wie Hiroshima und Schwarzer Regen). Ich fand die Truman-Szene mit die schwächste, obwohl sie historisch verbürgt ist, aber da werden die Abgründe in den damaligen menschenverachtenden Einstellungen doch recht deutlich.

    'Bilderverbot' ist natürlich ein zu starkes Wort. Aber trotzdem wirkt das Abschieben des konkreten menschlichen Leidens in die reine Vision Oppenheimers schon sehr abstrahierend, wenn nicht gar tabuisierend, und damit an die frühe Haltung der US-Filmproduktion zu Bildern aus Japan erinnernd. Oder habe ich da irgendwann mal was falsch abgespeichert (kenne mich ja in der Filmgeschichte selbst nicht gut aus)? Zumindest in der Szene, in der Oppenheimer über die Folgen der Atombombenabwürfe informiert wurde, hätte man ja die Zuschauer ja leicht auch an Oppenheimers Blick teilhaben lassen - worauf aber bewusst verzichtet wurde. Dass der Film in Japan gerade auch deswegen so schlechte Publicity bekommt, weil er die Opfer der Schattenmacher nicht sichtbar macht, sondern hinter reine amerikanisch-wissenschaftliche 'Gewissensspiele' zurücktreten lässt, ist da ja nur konsequent und spricht in dieser Hinsicht halt auch Bände. Der mit dieser inhaltlichen Perspektive des Films einhergehende, fast schon kolonialistische Subtext wird ja mitunter auch recht scharf kritisiert.


    Interessant ist da ja z.B. Slavoj Zizeks Beobachtung zum Orientalismus im Oppenheimer-Material. Bei ihm heißt es z.B.: "Nolans (ansonsten hervorragender) Film versäumt es, deutlich zu machen, dass die Beschwörung jeglicher Art von „spiritueller Tiefe“ den Schrecken der neuen, von der Wissenschaft hervorgebrachten Realität vernebelt. Um der „nackten Apokalypse“, die die Grundkoordinaten unserer Realität erschüttert, wirksam zu begegnen, braucht es das Gegenteil von spiritueller Tiefe." Wo Zizek klar auf die Komödie abzielt, wäre ein in das Drama einbrechendes Element nüchterner Dokumentation wohl ähnlich gangbar gewesen. Auch bei Hiroshima mon amour wirken ja die dokumentarischen Elemente gerade trotz des eher poetischen Rahmens extrem stark. Stattdessen scheint Nolan nur eine für ihn recht typische Mischung aus Pathetik und Sterilität zu bemühen, eine Mischung, die ich persönlich halt langsam öde finde.


    P.S.: Danke für die Erläuterung zum Drehbuch. Scheint ja, als sei es bislang noch nicht geleakt.

    Kurz dazu: Oppenheimer lief in Woche 3 besser als in Woche 1 und nur 13% schlechter als letzte Woche (die historisch stark war). Das spricht dafür, dass der Großteil des Word of mouth so schlecht nicht sein kann. Was ich aber immer wieder lese sind enttäuschte Reaktionen auf den teuren Imax-Besuch, weil es gar kein visuelles Spektakel gebe...

    Reviews, die dem Film seinen Unterhaltungswert absprechen, habe auch ich nur sehr sehr wenige gesehen. Die Kritik bezieht sich oft eher auf inhaltliche Elemente, wie z.B. eben auch das 'Bilderverbot' bzw. Tabu der Darstellung des menschlichen Leidens ins Hiroshima/Nagasaki und der damit verbundenen Abstraktion der 'Schuldfrage'.


    Und noch eine Frage, die du vielleicht beantworten kannst: Gibt es eigentlich online eine Möglichkeit, an das Drehbuch zu Oppenheimer ranzukommen? Da würde ich wirklich gerne mal reinlesen...

    Ich habe gestern doch mal wieder den Weg in ein größeres Kino gewagt und mir Oppenheimer angeschaut. Der Film hat mich etwas ratlos zurückgelassen. Spätestens mit Interstellar hatte das Nolan'sche Überwältigungskino bei mir ja irgendwie an Wirkung verloren; bei Oppenheimer hingegen hat mich zumindest die audiovisuelle 'tension machine' wieder in Ansätzen ergriffen. Die Verschränkungen der Zeitebenen in einem zwar stark fragmentierten, aber assoziativ stets konsequenten Bewusstseinsstrom funktioniert hier hervorragend. Einmal im Film ‚drin‘, kommt man da nicht mehr so schnell raus. Die 3 Stunden fühlten sich eher wie 2 Stunden an – das spricht ja erstmal für sehr gute Unterhaltung.


    Nun ja, andere Eigenheiten des Films haben mich nicht so überzeugt. Das ‚Kino der Gesichter’ mit seiner Fokussierung auf langanhaltende mimische Nahaufnahmen wurde zumindest für mich durch das viel zu prominente ‚Star-Ensemble‘ verdorben. Cillian Murphy ist für in dem Film über jeden Zweifel erhaben; auch A-Riege-Schauspieler wie z.B. Casey Affleck, Rami Malek und Kenneth Branagh haben hier gut gepasst. Aber insb. die Weltstars, also Robert Downey Jr., Matt Damon und Gary Oldman, haben mich hier doch immer wieder aus der historischen Immersion gerissen. In meinen Augen wären gerade in diesem geschichtlichen Setting unverbrauchte Gesichter sehr viel passender gewesen… aber klar: so funktioniert Blockbuster-Monumentalkino nunmal nicht!


    Was mich am meisten gestört hat: Inhaltlich wirkte der Film auf mich eher bieder und - nach allem, was ich hier im Forum vorher schon über ihn gelesen habe – schon sehr sehr 'safe'; zumindest für einen Film über 'uncertainty & entanglement'. Das kulturelle Setting der ‚neuen Physik‘ wird im Film über moderne Kunstformen und Polyglottie zumindest angedeutet, die zeitgenössischen Verschränkungen zwischen wissenschaftlichem, militärischem und später auch politischem Komplex recht ausführlich ausgearbeitet. Umso antiquierter erschien mir hingegen, wie stark der Film im Geniekult des vergangenen Jahrhunderts verhaftet war. Nervöse Augen, zittrige Hände, geniale Gedanken, schwitzende Haut, ambigue Motive, bedrohliche Konsequenzen… und moralisch lautere Gegeninstanzen. Puh. Da werden mir die pathetischen Effekte irgendwie zu formelhaft erzeugt. Vielleicht hätte das für mich sogar funktionieren können, wenn die Einbindung der nicht vom ‚rechten Weg‘ abgekommenen Nebenfiguren (wie insbesondere des von Tom Conti extrem hölzern verkörperten Albert Einstein) hier nicht schon zur Karikatur verkommen wäre. Oder die metaphorische Aufladung bestimmter Elemente des Films (z.B. des vergifteten Apfels der Newton’schen bzw. Bohr’schen Erkenntnis) etwas weniger platt und konstruiert. Auch habe ich mich als Zuschauer durch einige allzu didaktische Zirkelelemente (wie z.B. die späte Wiederkehr des Plackett-Apfels) gelegentlich für dumm verkauft gefühlt. Nolans Wille zur Form ist mir da irgendwie zu funktionell aufgeladen. Etwas mehr formelle Unsicherheit hätte zumindest MIR den Film da attraktiver gemacht.


    Was bleibt noch zu sagen? Nicht mehr viel. Selbst die Zündung der Bombe ist an mir ziemlich spurlos vorbeigegangen. Die Wucht der Zerstörung schien mir eher oberflächlich zu sein. Selbst hier bleibt Nolans Film halt übermäßig (und altersgerecht) steril. Zudem empfand ich die filmische Konzentration auf die ‚subjektive Verinnerlichung‘ der humanitären Katastrophen von Hiroshima und Nagasaki in ihrer amerikozentrischen Banalität fast schon als moralisch grenzwertig. Selbst die finale Schlüsselszene hatte dadurch für mich kaum mehr 'emotionale' Wucht als die entsprechenden Szenen aus der Terminator-Reihe. Schade.


    Klar, das ist jetzt viel Gemeckere dafür, dass meine Zeit im Film so schnell verflogen ist. Wie es sich für einen ordentlichen Blockbuster gehört, habe ich mich über 3 Stunden hinweg auch sehr gut unterhalten gefühlt. Nur sollte man halt wirklich nicht mit der Erwartung in den Film gehen, hier wirklich tiefsinniges bzw. seinem Gegenstand gerecht werdendes Reflexionskino zu bekommen. Gerade in Anbetracht des schwierigen Themas (!) agiert der Film dann doch inhaltlich ziemlich platt und vorhersehbar. Ist halt deswegen auch völlig zu Recht ab 12 Jahren freigegeben. Und bei seinem eigentlichen Zielpublikum wird der Film sicherlich auch nachdenklich stimmen. Mein Fazit: Handwerklich gut gemachtes Blockbuster-Kino, das seinem Gegenstand leider nur in einzelnen Passagen gerecht wird. Kann man mal gesehen haben.

    Ich selbst habe ein nicht so kleines Problem damit, Geld und Zeit in einen so mainstreamigen Produktfilm zu stecken, der halt vor allem von kluger Marktforschung, viel Kapital und noch mehr Marketing getragen wird. Ich weiß zwar nicht, inwiefern der Spielzeuggigant Mattel an der Produktion des Films mitgewirkt hat, aber irgendwie abgesegnet wird deren Marketingabteilung das Projekt ja schon haben.... Der Vorwurf der reinen 'Kulturindustrie' rüttelt zwar nicht an den Qualitäten des Films an sich, verringert aber doch meine Lust, für ihn ins Kino zu gehen. Am Ende ist es halt doch Produktwerbung und Imagepflege, wenn auch ungewohnt clevere, oder sehe ich das (ohne den Film gesehen zu haben) falsch?