[Filmtipp] Kinotipp der Woche

  • Die UCI Unlimited Card kann ich wärmstens empfehlen. Ansonsten wäre mir Kino auch viel zu teuer. Durch die Karte gucke ich zudem viele Filme, die ich normalerweise nicht gucken würde, unter anderem die meisten MCU Filme. Es ist einfach entspannteres Kino, weil ich mir keinen Kopf mehr mache, ob ein Film gut oder schlecht ist, Geld habe ich dafür nicht rausgeschmissen, da ich monatlich nur den Betrag für die Karte bezahle.

    Übersetzt & lektoriert Spiele für div. Verlage und probiert Spiele in allen möglichen Stadien aus.

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  • Ein bisschen teurer gibt es das auch vom Cinemaxx. Vielleicht ist das eine Alternative.

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  • Naja, dafür hast Du es halt landschaftlich schöner als 90% der Deutschen. Aber tatsächlich, wenn die eigene Kinoauswahl aus dem "CinePark Krumbach" und dem "Filmhaus Huber" besteht, dann wird das auch mit den Kinobesuchen und dem Experimentieren natürlich auch schwierig - Kino ist eigentlich der Hauptgrund, warum ich noch in der Großstadt lebe.

  • Ein bisschen teurer gibt es das auch vom Cinemaxx. Vielleicht ist das eine Alternative.

    Wir haben ein Eigentümergeführtes Kino und ein Cineplex. Beide bieten sowas leider nicht an. Aber ich bleib da am Ball. :)


    Naja, dafür hast Du es halt landschaftlich schöner als 90% der Deutschen.

    Da kann ich dir nur Recht geben. :)

    Aber deswegen ist Streaming für mich dann eben ein adäquater Ersatz... Einfach aus Mangel an wirklich guten Alternativen.


    Aber dafür habe ich andere Experimente hinter mir... Ich war sogar schon in einem Kino in dem ein Film gezeigt wurde, in dem ich einen kurzen Gastauftritt hatte... Das war ein episches Meisterwerk des neuen deutschen Arthouse... Oder so ähnlich... ;)

  • Disney's Dinger sind einfach nicht meine Vorstellung von "Kino", da kommt nix Gutes mehr.

    Sagt doch schon alles. Besser einfach ignorieren, als in eine selbstbestimmte Prophezeihung reinzulaufen. Egal wie gut der Film ist, du wirst im Kino sitzen und rufen: "Ich habs doch gleich gesagt!"


    Nicht böse gemeint. Ich handhabe das mit anderen Filmen auch. Dabei werden mir bestimmt Perlen entgehen, aber wenn ich mich innerlich bereits gegen sie entschieden habe, werde ich sie auch nicht erkennen...

    Fairerweise sei angemerkt, dass ich regelmäßig durchaus überrascht werde, gerade wenn ich Schlechtes erwarte.

    Ich gucke Hausfriedensbedingt eine MENGE Horrorzeug und eigentlich alles, wo die Buchstabengruppe S, H, A, R und K in beliebiger Reihe im Titel vorkommt, erwarte jedes Mal den Bodensatz der Augen- und Hirnkrätze und werde nicht selten wirklich gut unterhalten.


    Im Kino war DUNE der letzte Film, in den ich mit der Erwartung einer Vollkatastrophe reingegangen bin, und hatte ein Jahreshighlight.


    Disney ist aber das Bayern München der miesen Franchise-Filme - die gewinnen immer, weil sie nunmal ihre Erfolgsformel festzementiert haben.

    AVENGERS war der letzte Disneyfilm, der mir wirklich Spaß gemacht hat, und GUARDIANS 1 der letzte, den ich nicht kacke fand. Das Dutzend danach war nix. Nicht mal Spidey (ich schlaf ja heut noch in Spidey-Bettwäsche (plus Brotdose!!) und Star-Wars-Pyjama ...) hat mich abgeholt. Mir liegt halt diese Mischung aus Recycling, Animationsfilm, Weltzerstörung und vier Oneliner pro Minute bei minimaler Figurenentwicklung und maximaler Nostalgie nicht, aus denen die inzwischen jeden Film von Star Wars bis Hulk zusammenzimmern.


    Von daher ist das mit der selbsterfüllenden Prophezeiung zwar nicht verkehrt, aber vor allem geht es mir darum, keine Filme gucken oder unterstützen zu wollen, die schon in ihrer Veranlagung ein Konzept mitbringen, das mir missfällt - selbst WENN mir das Endergebnis gefallen sollte. 🤷🏻‍♂️


    P.S.

    Das mit der Brotdose war kein Witz ... Go Spidey! 🥰

    2 Mal editiert, zuletzt von Huutini ()

  • Huutini Zwei Seelen schlagen ach in meiner Brust, zum einen will ich Dir mit Spidey-Brotdose tatsächlich zuraten, Dir den Film anzugucken, denn gerade in Sachen Nostalgie und Comicnähe ist der so nah dran an Marvelcomics wie seit Ang Lees Hulk kein Film mehr. Es gibt allerdings auch sehr viele One-Liner und die üblichen MCU-Scherze und CGI-Gewitter. Aber ich bin definitiv gespannt wie Du ihn dann schlußendlich finden wirst.


    Ansonsten gibt es ja noch eine Kinowelt außerhalb des MCU:


    - Elise und das vergessene Weihnachtsfest: Ach Gott war der nett. Also wirklich, einfach, so richtig schöner Weihnachtsfilm zum Wohlfühlen, gerade für kleinere Kinder perfekt. Der Film ist eine Fortsetzung zu "Plötzlich Santa", den ich trotz des bescheuerten Titels vor ein paar Jahren ganz großartig fand und in dem sich Familie Weihnachtsmann wie Bolle freut, dass sie am Heiligabend von einem Tischler besucht werden. Elise greift zwei zentrale Figuren nochmal auf, aber funktioniert auch ganz wunderbar als Solofilm, hat schön viel kindgerechten Slapstick und dauert auch nur 70 Minuten. Insgesamt ein skandinavischer Film, der sich fast wie eine Fortsetzung der Bullerbü/Lönneberga-Filme anfühlt, und das ist ein großes Kompliment. Falls jemand also noch einen Weihnachtsfilm für die Familie sucht - es gibt ihn parallel auch als Stream. Und wenn er Euch gefällt, könnt Ihr die Vorgeschichte dann gleich hinterher gucken.


    - Ein Festtag: Literaturverfilmung, die über 104 Minuten so funktioniert wie die Sexszene in "Wenn die Gondeln Trauer tragen". Die Handlung wird über weite Strecken parallel von vorne, hinten und mittendrin erzählt, und dabei steht eine durchaus schräge Sexversion von Downton Abbey im Vordergrund. Sehr langsamer Film, auf den man sich einlassen muss (was dem Sneakpublikum definitiv nicht gelang, am Ende saß da nichtmal mehr ein Drittel von drin), aber insgesamt ein lohnendes Unterfangen für den oder sogar besonders die Kunstfilmfreundin, das sich überaus sinnlich anfühlt.


    - Annette: Der Film verliert auch beim zweiten Sehen, jetzt endlich auf der großen Leinwand, nichts von seinem Zauber. Ein brillantes Musical über toxische Maskulinität und die Unfähigkeit, eine Bindung zum eigenen Kind aufzubauen - klingt großartig, oder? ;) Nein ernsthaft, ein brillant inszenierter surrealer Rausch von Leos Carax, nachdem man die Welt mit anderen Augen sieht.


    - Der Schein trügt: Serbische Komödie in drei Episoden. Wenn jemand Spaß an Wild Tales oder den Abenteuern eines Zugreisenden hatte, dann wird er/sie hier auch auf seine/ihre Kosten kommen. Ich fands stellenweise zu holzhammerartig, was den Humor und die Moral angeht, und die erste Episode (Mann hat plötzlich einen Heiligenschein und versucht sich durch sämtliche Sünden, um ihn loszuwerden) war für mich dann auch die beste.


    - Plan A: Etwas krawallig inszenierte, aber historisch verbürgte Geschichte einer Gruppe von jüdischen Untergrundkämpfern, die die Vergiftung der Brunnen einiger deutscher Großstädte unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkriegs planten. August Diehl ist gut wie immer, die Regie war mir etwas zu sehr auf Low-Budget-Thriller gebürstet, aber das Thema ist natürlich schon ziemlich spannend. Kann man gucken.


    P.S.: Falls jemand im Köln-Düsseldorfer Raum die dreistündige japanische Dramödie "Drive my car" sehen will, die ja gerade von US-Kritikern zum Film des Jahres gewählt wurde und am Donnerstag startet, bitte melden, ich freu mich über Begleitung!

  • Ich bin gerade aus Matrix Resurrections raus. Glücklicherweise hat er mir besser gefallen als gedacht. Gerade der Anfang war super gemacht und ein toller Einstieg bzw. eine tolle Rückkehr. Danach flacht der Film dann leider ab und verschenkt sein Potenzial. Dennoch war er unterhaltsam und ich werde ihn mir sicher noch im imax angucken, wenn er Anfang des Jahres dort noch läuft. In die Sammlung kommt er allerdings nicht.

    Übersetzt & lektoriert Spiele für div. Verlage und probiert Spiele in allen möglichen Stadien aus.

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  • Ebenfalls gerade gesehen. Also: Es ist ein Film. Das ist so ziemlich das einzige, was man über Matrix Resurrections sagen kann, ohne Widerspruch zu ernten. Es ist eine Fortsetzung, eine Hommage, eine ironische Pastiche, eine irritierende Parodie, und vor allem ein erstaunlich in sich geschlossenes Konstrukt unendlicher Offenheit. Der Spiegel hat es gut zusammen gefasst, Matrix Resurrections ist gleichzeitig genial und stellenweise aberwitzig blöde(lnd). Der Film ist die Definition von Meta- und Intertext, die drei vorangegangenen Filme sind Kanon und gleichzeitig fiktionaler Bestandteil der Handlung. Ohne zuviel zu spoilern: Wenn als kleiner Gag am Rande am Ende



    diskutiert wird, kann das gleichzeitig eine Art cleverer Selbstkritik, eine witzige Hommage an die erfolgreichsten Netzphänomene seit 1999 oder auch eine tiefe Verbeugung vor Furry-Sexualität sein.


    Im Kern aber lässt sich ohne zu spoilern vor allem sagen: Das ist ein ziemlich starker Retro-Actionfilm mit weniger Pseudophilosophie und umso mehr Macht der Liebe. Und er bietet 149 Minuten fulminante Unterhaltung, auch wenn ich mir sehr wünsche, dass es das für die Matrix war - zumindest wird kein Matrix 5 angedeutet.

  • Fulminante Unterhaltung klingt gut. Plätze für Sonntag sind reserviert im Doppelpack mit Gunpowder Milchshake, den ich nicht verpassen wollte. Bin gespannt, ob der mir ebenso gut gefällt wie der neue Spiderman und House of Gucci, um damit ein in Summe holpriges Kinojahr abzuschliessen. Hoffentlich kann man Top Gun Maverik und Tod auf dem Nil mal irgendwann sehen 2022. Die ersten Trailer dazu sind gefühlt schon ewig her.

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • Solange die USA nicht mehr in den Lockdown gehen (und die US-Regierung lehnt das ja rundweg ab), wird Disney Tod auf dem Nil nicht mehr schieben, der sollte also Anfang Februar im Kino oder kurz danach auf Disney+ rauskommen (falls bei uns dann wieder die Kinos zu sind). Der Film wird langsam (2 Jahre nach der geplanten Veröffentlichung, die ja wegen Covid und Armie Hammer verschoben wurde) gammelig.


    Top Gun 2 (der wie Du schon schriebst seit zweieinhalb Jahren auf Halde liegt!) wurde ja gleich in den Sommer 2022 (also mit 3 Jahren Verspätung dann) verschoben, da dürfte er recht ungefährdet auch starten, denn auch der riecht langsam schon.


    Am meisten fasziniert mich aktuell ja Sönke Wortmann: Wenn es so läuft wie geplant wird der innert 4 Monaten gleich drei Filme in die Kinos gebracht haben (Contra, Der Nachname und Eingeschlossene Gesellschaft). Bei den Deutschen ist aber wegen der Kooperationsfinanzierung mit dem Fernsehen auch mehr Druck auf dem Kessel.

  • #TheLastDuel


    Ich habe viel erwartet! Top besetzt, von Damon und Affleck geschrieben (wie auch der grandiose Good Will Hunting), von Ridley Scott gedreht. Thematisiert eine reelle Geschichte. Bessere Voraussetzungen kann es ja kaum geben. Aber müssen gute Voraussetzungen auch gleich ein Garant für ein tolles Endresultat sein?


    In The Last Duel geht es um zwei "Ritter" (sie sind anfangs keine aber das ginge zu weit) im mittelalterlichen Frankreich. Der Film zeigt uns erst ca. eine gefühlte Stunde die Geschichte von Matt Damon:



    Das Besondere ist nun, dass man nach dieser gefühlten Ewigkeit quasi an den Anfang zurückspult und dieselbe Geschichte aus der Sicht der 2. männlichen Hauptfigur sieht. Natürlich hier und da mit kleinen Unterschieden. Am Ende spult die Geschichte dann nochmals zurück, nur um dieselbe Geschichte aus der Sicht der Frau nochmals zu zeigen. Was aber im Gegensatz zu den anderen 2/3 nicht dieselben Szenen etwas anders zeigt, sondern erschlagend langweilig was die Frau eigentlich so gemacht hat, während die anderen 2/3 gedreht wurden. Nämlich mit Leuten über Pferde reden zum Beispiel. Wichtig ist dann nur eine einzige Überschneidung der Handlungsstränge: ein Kuss, der für jede der drei Personen etwas anderes bedeutet und somit den Rest auslöst.


    Klingt spannend? Generell schon. Wenn uns der Film etwas anderes erzählen würde als: Mittelalterliche Gerichtbarkeit ist scheiße gewesen, die Frau hat unter den Männern gelitten und der Vergewaltiger dachte ein "Nein" wäre nur Spaß. Das war's.


    Nicht falsch verstehen, eine Vergewaltigung gehört wohl zum schlimmsten, was man einer Person antun kann. Aber das spürt man hier in keinster Weise. Eher bleibt hängen, dass der Frau erstmal nicht geglaubt wird bzw. dass sie ohne den Mann keine Stimme hat. Nun gut, das hab ich mir im Mittelalter schon gedacht und ist auch heute noch scheiße. Auch dass ihr Schicksal am Ausgang eines Duells hängt, dem sie nur zuschauen darf, ist in gewisser Form brisant anzusehen.


    Der Rest aber... Die beiden Typen sind so arrogant und unsympathisch, dass man quasi nur hofft sie würden sich beide gleichzeitig ausschalten. Viel schlimmer dann, dass der Film erstmal ewig lang ist, aber kaum was erzählt, die ganzen kleinen Unterschiede beziehen sich meist nur auf "nicht er hat was tolles gesagt, sondern ich!". Die meisten Unterschiede in den Erzählungen haben von vorn bis hinten keine Auswirkungen auf den Film. Eine exemplarische Darstellung des Stille Post-Prinzips.


    Das eigentliche Drama um die Instrumentalisierung der Frau kommt dabei dann sowas von kurz, dass man sich fragt wozu es die restlichen 2 Stunden braucht.


    Was bleibt hängen: Tolles Team, Stoff mit viel Potenzial, aber ganz mieser Film, der seine Chancen leider total verspielt und stattdessen nur Belanglosigkeiten ausschlachtet, die zum eigentlichen Problem kaum etwas beitragen.

  • Das klingt jetzt unfreundlicher als es gemeint ist, aber da fällt mir echt nur Jodorowsky zu ein: "If you are great, my movies are great. If you are Limited, my movies are Limited". Wenn man aus einem derart vielschichtigen Film wie Last Duel, wo es auf kleinste Nuancen in Inszenierung, Schauspiel, Dramaturgie etc. ankommt, am Ende sowenig für sich herausziehen kann, dann tut mir das für die Zeit, die Du investiert hast, wirklich leid. Das ist mal wieder ein wunderbarer Beweis für die Tatsache, dass MCU und Co. So erfolgreich sind, weil sie den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen, an dem sich die meisten Menschen erfreuen können.

  • Da tust du mir aber nun ein bißchen unrecht, denn ich mag es sehr gern mit auf Filme einzulassen und auch durchaus emotional zu "investieren". Die kleinsten Nuancen, die du ansprichst, habe ich ja auch aufgeführt. Sie erwartet Trost, er antwortet mit "Warum tut er mir sowas an?!". Der denkt, den Fall groß aufzurollen wäre in ihrem Sinne, sie sieht das ganz und gar nicht so. Das Problem dabei ist aber, dass der Film nicht dieselben Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zeigt. Er zeigt sie jeweils einfach anders. Er zeigt nicht, dass eine Person anders herüber kommt, je nachdem wie man sie betrachtet. Er zeigt diese Person in 3 Geschichte, wie sie komplett unterschiedliche Dinge tut. Das hat nichts mit Paradigmenwechsel zu tun, das sind einfach getrennte Dinge.


    Die einzige (!) Szene, die genau das macht, ist der besagte Kuss. Das ist auch die für mich stärkste Szene im Film, da sie in allen 3 Geschichten gleich ist, aber eben doch in Nuancen anders. Ein Blick, die Mimik, ein Zögern... Davon hätte ich mir mehr erhofft. Derselbe Vorgang, der für alle drei Personen etwas anderes bedeutet. Aber das sind nur 90 Sekunden im Film.


    Mein Punkt ist aber: Toll gespielt sicherlich, aber für den Film herzlich gleichgültig. Die drei sind alle fantastische Schauspieler, aber der Film hat einfach nichts zu erzählen, was über den Trailer hinaus ginge. Vor allem, wenn er Szenen aufführt, die in den anderen beiden Geschichten nicht vorkommen. Dass sich Person B durch das Schloss vögelt, dass Person C natürlich das herzensgute Liebchen ist, das ist stereotyp und belanglos zugleich.


    Klar, im ersten Drittel fiebert man noch mit Matt Damon mit, nur um dann im dritten Drittel zu sehen, dass er aus Sicht der Frau dann doch ein egoistischer Arsch ist. Aber das allein ist mir bei der Thematik einfach zu wenig. Denn hier wird einfach nur gezeigt, dass unterschiedliche Personen dieselbe Sache unterschiedlich auffassen. Wir wissen nicht, wie es war, wir wissen nicht, was stimmt. Aber der Film macht in 90% der Fälle einfach nichts damit. Sender-Empfänger-Prinzip.


    Ich bin ja vollkommen bei dir, dass das Thema und die Aussage total wichtig sind und dass gerade das Finale, nämlich die Gerichtsverhandlung abbartig und das Duell gerade durch ihre Passivität total beklemmend ist. Aber das hat ja wieder nichts mit den 3 Sichtweisen der Geschichte zu tun, sondern einfach nur damit, dass Kämpfe auf Leben und Tod sowie ihr daran geknüpftes Schicksal keine gute Mischung sind.


    Mir fehlt da einfach der Paradigmenwechsel und die Auseinandersetzung mit dem Thema der Unterdrückung. Wird aber nicht getan, das ist eher nur der Auslöser für namensgebendes Duell und Finale. Eigentlich hätte man auch nur den Teil der Frau auf einen Film aufblähen können und hätte dieselbe Message und einen wahrscheinlich intensiveren Film. Das letzte drittel ist das bedrückende Highlight des Films - nur braucht es dazu die anderen beiden Drittel zuvor eigentlich gar nicht. Stelle man sich mal vor, was man mit dem Stoff hätte machen können...



    Stell dir mal vor, der Film würde eine Geschichte erzählen, in der man jede der drei Personen verstehen kann. In der es Auslegungssache ist. In der der Person B klar wird, was er Person C angetan hat und es aus seiner Sicht ganz anders war - denn auch aus seiner Erzählung ist das für mich ganz klar eine Vergewaltigung. Ist ja jetzt nicht so, dass das aus seiner Sicht ein romantischer Akt gewesen wäre... Stell dir mal vor, beide Parteien würden in dieses Duell gehen als Opfer des Systems Gottesrecht, eigentlich Freunde auf zwei Seiten, von denen jeder denkt im Recht zu sein. Das kommt am Ende auch nochmal kurz vor, jedoch weiß ja der Zuschauer, dass das absolut nicht so ist. Das mag nun historisch korrekter sein, aber rechtfertigt für mich keinen Film von über zwei Stunden, vor allem mit dieser Machart.


    Für die Aussage des Films kann man sich auch die 2,5 Stunden sparen und denselben Effekt in 2,5 Minuten erhalten:


  • Ich kann dich irgendwo verstehen, aber was du ein bisschen außer Acht lässt, ist das Handwerkliche. Der Film ist einfach unglaublich gut ausgestattet, gefilmt, geschnitten, vertont...also da stimmt wirklich alles. Seit langer, langer Zeit konnte man sich mal wieder in einem Historienfilm verlieren, ohne von irgendwas aus der Immersion gerissen zu werden. Also die Zeit von damals wurde schon gut wiedergegeben und technisch imo brilliant umgesetzt.
    Lg

  • Der Film hat ein klares Thema, einen überaus klaren dramaturgischen Aufbau und lebt dann davon, dass der oder die ZuschauerIn Unterschiede UND Gemeinsamkeiten zwischen den drei verschiedenen Fassungen für sich herausarbeitet. Es handelt sich um einen Text, den Roland Barthes wohl "scriptible", "writerly" genannt hätte. Während Texte, die "lisable", "readerly" sind, ihre Bedeutung vor sich her tragen und sich an einer eindeutigen Kommunikation versuchen (so kontextabhängig die auch ist), sind Texte, die scriptible sind, erst durch den oder die ZuschauerIn mit Bedeutung zu füllen - Umberto Eco verfolgt mit seinem Ansatz des Kunstwerks als offene Struktur (struttura aperta) ein ganz ähnliches Konzept.


    Wenn man die Unterschiede, aber eben auch die Gemeinsamkeiten nicht sieht, dann achtet man nicht ausreichend auf das, was gesagt und gezeigt wird, man achtet nicht auf die Inszenierung der Szenen und ihr Schauspiel. Ich wehre mich nicht dagegen, dass Dir der Film missfällt (wie sollte ich auch), ich wehre mich nur gegen die Schlussfolgerung, der Film sei inhaltlich und dramaturgisch "leer", was immer das heißen soll. Was der Film macht: Er erklärt Wahrnehmung als radikal subjektiv. Das ist etwas, was KognitionswissenschaftlerInnen uns seit 50 Jahren zu erklären versuchen: Jeder Mensch sieht die Welt völlig anders, nimmt andere Muster, Schemata, moralische Grundlagen, Einstellungen etc. mit sich und interpretiert die Welt radikal anders als der Nebenmann oder die Nebenfrau. Die Szenen gleich zu zeigen wäre absolut unsinnig, denn das hieße es gäbe eine objektive Sicht - und gerade das gibt es ja nicht. Das heißt aber nicht, dass es trotz aller Subjektivität nicht doch durch Mulitperspektivität am Ende so etwas wie ein "so hat es sich zugetragen" herauskommen kann - was im Übrigen die Basis unseres Gerichtswesens und seiner Zeugenaussagen ist. Insoweit kritisiert der FIlm das archaische Rechtsverständnis, gießt die Form des Prozesses aber für uns als ZuschauerIn in die Form eines modernen Gerichtsprozesses, und wir erleben die drei widersprüchlichen Zeugenaussagen, wie das wohl die meisten RichterInnen wöchentlich über sich ergehen lassen müssen. Last Duel ist jetzt weißgott nicht der erste Film der Filmgeschichte, der sich an diesem Thema abarbeitet (der berühmteste ist wohl Kurosawas Rashomon, ein weiterer Anatomie eines Mordes), und tatsächlich folgt er dessen Ideen und Umsetzung wie einem Schnittmuster. Er ist aber dadurch aktuell, dass er die Idee radikaler Subjektivität mit einem klaren Blick auf dennoch existierende, klare Fakten verbindet. Das ist das eigentlich Spannende an dem Film, und für einen Hollywood-Mainstreamfilm ist das geradezu sensationell.


    Die zweite Ebene, auf der man den Film feiern könnte: So exakt hat man das Mittelalter, die dortigen Verhaltensweisen und Rituale seit Rohmers Lancelot du lac nicht mehr reinszeniert. Ich saß neben einer befreundeten Mediävistin, und die freute sich über jedes noch so kleine Detail der Umsetzung (und das 2021 gleich zum zweiten Mal nach Green Knight).

  • aber inhaltlich und dramaturgisch leer.

    Vielleicht lief der Film gar nicht, und du hast nur auf eine weiße Wand geguckt? Das wäre nämlich "inhaltlich und dramaturgisch leer". :/

    Aber vermutlich wolltest du sagen, dass du ihn inhaltlich und dramaturgisch langweilig fandest. Das kann dir wohl niemand nehmen.

  • Jeder Mensch sieht die Welt völlig anders, nimmt andere Muster, Schemata, moralische Grundlagen, Einstellungen etc. mit sich und interpretiert die Welt radikal anders als der Nebenmann oder die Nebenfrau.

    Und genau bei diesem Punkt gehe ich in The Last Duel nicht mehr mit. Denn es geht abgesehen vom Kuss und der Vergewaltigung den ganzen Film über überhaupt nicht darum, etwas misszuverstehen oder anders zu interpretieren. Denn die Aktionen und Vorgänge - sofern sie denn überhaupt vergleichbar weil parallel sind - werden komplett anders erzählt.


    Als Beispiel: Was ich verstanden hätte wäre, wenn die Art und Weise, wie etwas gesagt wird, anders dargestellt wird. Je nachdem, wer gerade zuhört. Der Film aber stellt Handlungen komplett unterschiedlich dar, sodass sich dieser Vergleich gar nicht ergibt. In Geschichte 1 nimmt er nach einer Schlacht seine Frau lang in die Arme. In Geschichte 3 geht er einfach an ihr vorbei und beschimpft sie. Das ist kein Interpretationsspielraum im Sinne des Intensitätslevels einer Umarmung und deren Beweggründe. Das sind zwei völlig unterschiedliche Handlungen. Daher gehen mir die Unterschiede der Geschichten zu weit auseinander.


    Bei dem Kuss bin ich bei dir, das habe ich ja schon erwähnt. So wie diese Szene hätte der gesamte Film sein sollen - toll gespielt, in Nuancen unterschiedlich aus der jeweiligen Betrachtung. Wenn aber die Erzählungen der Taten komplett von einander abweichen, dann ist da nichts mit Vergleichen. Dann bleibt nur noch die Frage wer nun lügt, wenn überhaupt eine der Geschichten stimmt.


    Darum bleibt letztendlich auch kein Feingefühl für die verschiedenen Interpretationsweisen, sondern schlicht ein Gefühl, dass man eben 3 ähnliche, wenn auch nicht gleiche Geschichten erzählt bekommt.


    Das schlimmste aber: Selbst wenn so ein Unterschied aufkommt - beispielsweise beim Losreiten in die Schlacht zu Beginn der Episoden - dann ist das meist für den Rest des Films eigentlich eher belanglos.Natürlich ändert sich das Bild manchmal, vom ehrenvollen mutigen Ritter zum hitzköpfigen Haudrauf zum Beispiel. Aber wie gesagt, lässt mich das total kalt, weil es keinen Interpretationsspielraum derselben Szene offen lässt, sondern schlicht eine alternative Erzählung ist. Es gibt da für mich keinen Gedanken etwas neu zu überdenken, es sind 2 verschiedenen Versionen, von denen beide stimmen könnten.


    Ich weiß, worauf du hinaus willst und sehe auch, dass der Film solche Momente gern öfter aufbauen würde (Handlung vs. Beweggründe), aber das verfehlt der Film für mich viel zu oft, weil er oft nicht die Vergleichsmöglichkeiten bietet, da er zu stark abweicht.

  • Matrix 4 zieht erstaunlich viel negatives Feedback auf sich, nicht so sehr bei der Filmkritik als vielmehr beim breiten Publikum, das offenbar in Scharen reingerannt ist und jetzt in Scharen rausrennt und alle anderen vor dem Film warnen will. Die Selbstreferentialität wird als maximale Inhaltsleere gesehen, und so richtig übel nehmen die Leute dem Film die Liebesgeschichte. Kann ich sogar ein Stückweit verstehen, der Film nimmt sich tatsächlich nicht so richtig ernst, jedenfalls bei weitem nicht so ernst wie die Fans den ersten Matrix genommen haben. Also mit Vorsicht zu genießen, den kann man offenbar weitaus mehr hassen als ich es ihm zugetraut hätte.

  • Dabei ist gerade der Anfang des Films seine Stärke und gut gemacht.

    Übersetzt & lektoriert Spiele für div. Verlage und probiert Spiele in allen möglichen Stadien aus.

  • Heute endlich DON'T LOOK UP.

    Herrlicher Film. Etwas schmerzhaft dann doch, wie nah der Film bei aller Groteske an der Realität ist.


    Angreifbar macht der Film sich, indem er politisch klare Position bezieht und die Hälfte des Publikums schlecht wegkommen lässt.

    Trotzdem erinnert er mich in seinen besten Momenten an DR. STRANGELOVE, sowohl was die Überdrehtheit betrifft, als auch die Kompromisslosigkeit und Bissigkeit.


    Am Ende fehlt ihm die Brillanz, um wirklich langfristigen Eindruck zu hinterlassen, und er wirkt stellenweise viel zu fahrig und unfokussiert, war aber als Zeit- und Gesellschaftskommentar (und Schlüsselgeschichte) absolut sehenswert.

  • Huutini Zur Abwechslung stimmen wir in unserer Bewertung von Don't look up weitgehend überein, die Fahrigkeit nehme ich dem Film vielleicht noch etwas übler als Du (wie man im Englischen so schön sagt: It's all over the place), ich glaube mit ein wenig mehr Mut, auf die eine oder andere Tangente zu verzichten, wäre das ein besserer Film geworden, nach dem guten alten Prinzip, dass man die besten Szenen am Ende rausschneiden muss. Aber schon eine extrem böse Groteske, die ihren Punkt wieder und wieder macht und dabei jedesmal Recht behält. Und bis auf ein paar Längen ziemlich unterhaltsam.


    Gestern konnte ich dann noch "Drive my Car" sehen: Nein, trotz aller möglichen Nominierungen und Auszeichnungen in den letzten Wochen, das wird nicht der diesjährige Parasite. Dafür ist der Film zu klar im Arthousesektor angesiedelt, ein großartiges Road-Movie im wahrsten Sinne des Wortes, in dem ein Theaterregisseur, um sich vom Tode seiner Frau abzulenken, eine Tschechov-Inszenierung auf dem Lande annimmt, dort aber gezwungen wird, den eigenen Wagen von einer fremden Fahrerin steuern zu lassen. Bis die beiden sich kennen lernen, sind aber schon erstaunliche 45 Minuten des dreistündigen Films herum, und auch sonst drückt hier niemand aufs Tempo. Es geht um Verlust und Trauer, wobei der Verlust der Figuren schon weitaus früher liegt als man auf Anhieb vermuten würde, es ist mithin auch ein Verlust der eigenen Unbefangenheit und Unschuld, der hier thematisiert wird. Ganz, ganz leise blitzt ab und zu auch einmal Humor hervor, ansonsten ist das hier sehr japanisch-zurückgenommenes, dann wieder überraschend emotionales zwischenmenschliches Drama auf absolut höchstem Niveau. Würde ich jeder und jedem, die/der sich auf untertiteltes Japanisch einlassen kann und nicht unbedingt ausschließlich mainstreamaffin ist, sehr nahelegen.

  • Es gibt da für mich keinen Gedanken etwas neu zu überdenken, es sind 2 verschiedenen Versionen, von denen beide stimmen könnten.

    Steht bei Episode 3, der Sicht der Frau, nicht untendrunter kleingedruckt "Die Wahrheit"?
    Entzieht das nicht diesem gefetteten Satzteil von dir ein wenig die Argumentationsgrundlage?

    Sorry, aber das würde ich gern noch kurz geklärt wissen. Soweit ich weiß, behauptet Scott (unabhängig von der Literaturvorlage!), dass Version 3 die "Korrekte" ist und quasi das ist, wie es sich damals zugetragen hat.
    Danke für Korrektur, falls ich hier etwas falsch verstanden oder gesehen habe.

    Nachher dann gleich Don't Look Up! =) Bin heiß wie Frittenfett. Noch mehr als auf Matrix tbh. Der Trailer von Matrix sah grausam aus. Fishburne wegen Übergewichts gar nicht erst angerufen (unter der Hand so gehört!) und durch ein neueres Modell ersetzt, einige schwache CGI-Effekte, "quasi" kompletter Story-Rehash des ersten Teils...sorry, aber warum sollte man da notwendigerweise reingehen? Der 1999er ist für mich ein alleinstehendes, zeitloses Meisterwerk und selbst den anderen beiden Teilen der Trilogie konnte ich jeweils noch etwas abgewinnen; diese war aber für mich abgeschlossen. Don't get it :saint:
    Lg

  • Nein, da hast Du recht. Scott/Holofcener/Affleck/Damon geht es einerseits darum, die radikale Subjektivität der ersten Erzählungen zu betonen (für diese Figuren hat es sich in ihrer eigenen Wahrnehmung und Erinnerung GENAU SO zugetragen), als auch dem eine objektivierbare Wahrheit gegenüberzustellen, die deshalb im Untertitel auch ausdrücklich als solche bezeichnet wird. Das war das Wechselspiel, das ich oben zu beschreiben versucht habe, und das für mich die besondere Qualität des Films ausmacht.

  • Wozu sollte man sich denn die ersten beiden Drittel ansehen? Das letzte Drittel reicht doch vollkommen aus für die Aussage des Films?

    Warum überhaupt einen Film drehen und nicht nur ein Poster mit der Aussage des Films aufhängen?

    Und warum ein Spiel spielen? Die Endwertung reicht doch aus, um den/die Sieger/in zu bestimmen?


    Erst negierst du den Inhalt von Filmen, und jetzt reduzierst du ihren Sinn auf ihre Aussage ... 🙈

    2 Mal editiert, zuletzt von Huutini ()

  • Ich Versuche es etwas freundlicher mit ein paar Denksätzen:


    a. Nicht jeder Film ist ein Whodunit. Schon Hitchcock hat in seinem berühmten Interview mit Francois Truffaut darauf hingewiesen, dass Whodunits, (also klassische "Wer ist der Täter/Wer hat Recht"-Fragestellungen) einer der simpelsten, aber eben auch unbefriedigendsten Möglichkeiten ist, einen Film zu gestalten. Der "Surprise", eine für den Zuschauer unvorhersehbare information, funktioniert nur für wenige Sekunden, erfordert keinerlei Beteiligung des Publikums in intellektueller oder emotionaler Hinsicht und ist nach wenigen Sekunden verraucht ("geschüttelt, nicht gerührt"). Hitchcocks Gegenkonzept ist der "Suspense", und das ist bei ihm keine reine Spannungserzeugung, das ist eine vollumfängliche Theorie, wie man Informationen im Film so vermittelt, dass die Kamera zu einem eigenen Erzähler wird, der die Handlung "fokalisiert" (so hat es Gerard Genette bezeichnet). Die Kamera erhält ihren eigenen Standpunkt, das kann der einer Figur sein, auch ein eigener, vor allem aber vermittelt sie dem Zuschauer durchgehend Informationen. Bei Last Duel besteht der Suspense nun daraus, dass diese vermeintlich objektive Instanz, die im Hollywoodkinos allzu oft als neutraler Beobachter, quasi unsichtbar, agiert, hier zur radikal subjektiven Erzählinstanz wird, und das zweimal, bis sie im letzten Drittel mit der Perspektive der Frau wieder in objektivierbareres Gewässer zurückkehrt.


    b. Der Weg ist das Ziel. Nicht jeder Film zielt auf eine große Schlusspointe oder ist in der klassischen aristotelischen Drei- oder Fünf-Akt-Struktur gebaut. The Last Duel ist episodisch, in der Tradition des europäischen Bildungsromans aufgebaut, mit einer gewaltigen, titelgebenden Schlusscoda, aber eben auch mit der Wiederholung dieser Episoden in jeweils subjektiver Ausgestaltung. Die Handlung ist dadurch keinem linearen Verlauf unterworfen. Wenn jetzt der Zuschauer nur auf das Ende wartet um herauszufinden wie es ausgeht, ist das ein bisschen wie ein Schokoladen-Adventskalender wo man die ganze Zeit nur darauf wartet was in der "24" drin ist. Meistens ist die Glocke in der 24 aber maximal ein doppeltes Teil Schokolade, davon hatte man aber schon 23. Die Spannung, der Suspense ist hier eher ein individuell zusammen gestellter Adventskalender, und jeden Tag geht es erneut um die Frage, was Peter, Carina oder Philip in ihren Törtchen hatten.


    c. Stil kann Inhalt sein. Die Vermittlung der Subjektivität von Erinnerung ist das Thema des Films, ich denke das ist unbestritten. Das ist aber zugleich auch der formale Gestaltungsansatz, dem der ganze Film unterworfen wird. Der Film propagiert zwei sehr auf den ersten Blick widersprüchliche Ansätze: jede Figur lebt in ihrer eigenen Welt, sieht ihre eigene Sicht und fabriziert sich so eine individuelle Erinnerung, eine individuelle persona. Und das ist doch eine Erfahrung, die wir alle kennen und teilen, denke ich, sonst müsste man ja nie jemanden widersprechen, oder man würde nie mit einem Blick von außen auf sich selbst konfrontiert, der mit dem eigenen Blick auf sich selbst nicht übereinstimmt (wenn das einem wirklich nicht passiert, deutet das übrigens auf eine ziemlich narzisstische Persönlichkeit hin). Aber das in filmische Form gegossen zu sehen, hat für mich auch bei der mittlerweile x-ten Variante immer noch ein großes Potential von narrativen Freude und subjektiver Erkenntnis. Wenn man es etwa mit "8 Blickwinkel" vergleicht, so funktioniert es dort ohne radikale Subjektivierung allein durch Informationssteuerung, bei anderen Gerichtsfilmen allein durch subjektive Zeugenaussagen. Bei Last Duel und Rashomon hingegen werden diese Zeugenaussagen radikal subjektiv gefilmt, und wir "vertrauen" diesen Bildern zunächst, weil wir gewohnt sind, dass die Kamera als fokalisierter Erzähler nicht lügt. Hitchcock selbst hat lügendes Voice Over und lügende Kamera immer wieder verwendet, aber auch als "Fehler" bezeichnet, weil das Publikum da nicht mitgehe (anders formuliert: in der Erziehung durch das klassische Hollywoodkino an die unerschütterliche Wahrheit der Kamerabilder gewohnt sei). Heute sind viele von uns soweit, durch Deep Fake und CGI, durch Fake News, Memes etc, dem Bildreservoir auch zu Misstrauen. Und das nützt Last Duel (Rashomon ebenso) für sich aus. Die Kamera lügt ebenso wenig wie die handelnden Personen, aber sie zeigt deren radikal subjektive Sicht und Wahrnehmung. Wir kriegen die vermittelt und übernehmen sie zunächst, um sie dann erst in Frage zu stellen, wenn wir mit anderen Sichtweisen konfrontiert werden.

    Der Tatsache der subjektiven Sicht und Erinnerung zum Trotz wird in Last Duel aber das Faktische hochgehalten, eine objektivierbare Wahrheit, die dem eigentlich unversöhnbar gegenübergesteht, und das ist es, was Last Duel ganz traditionell und neu zugleich macht. Am Ende anderer Filme steht ebenso oft die "Wahrheit", die alle anderen Sichtweisen invalidiert (man denke an "Mord im Orient Express), oder wie bei 8 Blickwinkel am Ende wie ein Puzzle alles zu einem harmonischen Ganzen zusammen fügt. Hier wird das subjektive aber nicht invalidiert, sondern als Blickwinkel der Personen betont. Im Duell bleibt jede Figur dann bei ihrer Sicht, ist bis zum Schluss davon überzeugt dass sie Recht hat. Niemand gibt eine Schuld zu.

  • "Unzuverlässiges Erzählen" ist ja nun spätestens seit Leo Perutz absolut etabliert und als gewinnbringendes narratologisches Mittel erwiesen. The Last Duel ist da halt eine weitere Erscheinungsform von.

  • "Unzuverlässiges Erzählen" ist ja nun spätestens seit Leo Perutz absolut etabliert und als gewinnbringendes narratologisches Mittel erwiesen. The Last Duel ist da halt eine weitere Erscheinungsform von.

    Jain: im Bereich der Literatur kannst du da auch bei fieldings Tom Jones oder sogar Goethe anfangen. Aber im Bereich des Films gab es halt von Anfang an die Setzung, dass die Kamera objektiv sei und nicht Lüge. Was nichtmal für den frühen Stummfilm stimmt, aber auch durch Hollywood so in unserem kulturellen Gedächtnis steckt. Wenn da ein Hollywood-Film weiter gegen anfilmt, kann man ja nur froh sein. Das ist hier - wie oben beschrieben - aber auch nur ein Teil dessen, was Last Duel interessant macht.


    Übrigens gibt es da auch ziemlich eklige Beispiele, Rules mit Samuel L. jackson und Tommy Lee Jones, der die lügende Kamera am Ende dazu nutzt, jedem einbeinigen Kind eine Waffe unter die Kutte zu schieben, damit der Angriff auf Zivilisten dann doch gerechtfertigt war.

  • "Unzuverlässiges Erzählen" ist ja nun spätestens seit Leo Perutz absolut etabliert und als gewinnbringendes narratologisches Mittel erwiesen. The Last Duel ist da halt eine weitere Erscheinungsform von.

    Jain: im Bereich der Literatur kannst du da auch bei fieldings Tom Jones oder sogar Goethe anfangen. Aber im Bereich des Films gab es halt von Anfang an die Setzung, dass die Kamera objektiv sei und nicht Lüge. Was nichtmal für den frühen Stummfilm stimmt, aber auch durch Hollywood so in unserem kulturellen Gedächtnis steckt. Wenn da ein Hollywood-Film weiter gegen anfilmt, kann man ja nur froh sein. Das ist hier - wie oben beschrieben - aber auch nur ein Teil dessen, was Last Duel interessant macht.


    Übrigens gibt es da auch ziemlich eklige Beispiele, Rules mit Samuel L. jackson und Tommy Lee Jones, der die lügende Kamera am Ende dazu nutzt, jedem einbeinigen Kind eine Waffe unter die Kutte zu schieben, damit der Angriff auf Zivilisten dann doch gerechtfertigt war.

    Nein, es ist SPÄTESTENS seit Perutz etabliert, nicht SPÄTESTENS seit Goethe oder Fielding. Das wäre dann FRÜHESTENS. 😏


    Und anders als für dich ist das für mich alles eine narratologische Soße, egal ob Roman, Film oder was auch immer. Auch Film kann unzuverlässig erzählen, auch schon vor Rashomon, ich räume der Kamera da auch keine Sonderstellung über dem narrativen Erzähler ein.

  • Nein, es ist SPÄTESTENS seit Perutz etabliert, nicht SPÄTESTENS seit Goethe oder Fielding. Das wäre dann FRÜHESTENS. 😏


    Und anders als für dich ist das für mich alles eine narratologische Soße, egal ob Roman, Film oder was auch immer. Auch Film kann unzuverlässig erzählen, auch schon vor Rashomon, ich räume der Kamera da auch keine Sonderstellung über dem narrativen Erzähler ein.

    DU nicht, aber die Zuschauer offenbar. Gerade eben noch bei den Trivia zu dem bereits erwähnten "Rules of Engagement" gelesen, dass William Friedkin die Frage, ob da wirklich Schüsse von den Zivilisten kamen, offen lassen wollte. Testaufführungen führten dann dazu, dass geradezu verlangt wurde, dass dies im Film eindeutig geklärt wird. Jetzt ist es eine Aufnahme, die dann vom korrupten Staatsanwalt gelöscht wird. Die Szene ist so absurd gefilmt, dass man glauben könnte, Friedkin habe das absichtlich so gefilmt, damit es nie verwendet werde. Aber man sieht hier schon den Wunsch des Publikums nach DER Wahrheit und der Ablehnung von Ambivalenz.


    Übrigens hat man die elendigen Diskussionen um den unzuverlässigen Erzähler und dessen Ignoranz ja dann bei Nabokovs Lolita immer noch, ebenso bei American Psycho, das Publikum ist eben nicht homogen, ebenso wenig wie die Literaturwissenschaft, die da auch noch in den 1990ern Probleme mit hatte.


    Und doch, dass Kamera und Ich-Erzähler auseinander gehen können, macht ja z.B. Detour (1945) zu so einem spannenden FIlm Noir.

  • Wozu sollte man sich denn die ersten beiden Drittel ansehen? Das letzte Drittel reicht doch vollkommen aus für die Aussage des Films?

    Warum überhaupt einen Film drehen und nicht nur ein Poster mit der Aussage des Films aufhängen?

    Und warum ein Spiel spielen? Die Endwertung reicht doch aus, um den/die Sieger/in zu bestimmen?


    Erst negierst du den Inhalt von Filmen, und jetzt reduzierst du ihren Sinn auf ihre Aussage ... 🙈

    Du verstehst den Punkt anscheinend nicht :)


    Nimm Braveheart zum Beispiel. Funktioniert super. Wozu sollte man nun doppelt so lang eine Geschichte aus Sicht des englischen Königs zeigen, die eh nicht stimmt?

  • PowerPlant mag ihn nicht, andere hier, unter anderem ich, finden ihn klasse. Reicht das nicht?


    Zu Braveheart sage ich lieber nichts 😄

    Übersetzt & lektoriert Spiele für div. Verlage und probiert Spiele in allen möglichen Stadien aus.