Hallo zusammen,
ich habe mir das Video auch angeschaut, also zumindest den Teil, in dem es um Anno 1800 ging.
Wer meint er müsse seinen Plan mit Gebäuden vollstopfen und dann jammert, dass er dafür keine Punkte bekommt, der sollte vielleicht nochmal einen Blick in die Regeln werfen.
Inhaltlich gebe ich dir da durchaus Recht.
Ich denke, dass es um zwei Punke geht. Zum einen um Spielstil und Verständnis des Spieles, als dann auch noch einmal um diese müßige Punktevergabediskussion.
Wer an dem Spiel vorbei spielt, hat es nicht verstanden und spielt nicht gut. Dem steht aber nicht entgegen, dass man unterschiedliche (Extrem-) Strategien und Wege ausprobieren kann und auch sollte, um das Spiel auszuprobieren. Anno 1800 bietet da ja auch etwas Potential für. Da so extreme Wege wie "ich baue nix" oder "ich baue alles", aber nicht wirklich belohnt werden und spätestens mit wenig Spielspaß enden, bringt einen das Spiel eigentlich zur Räson und zum Nachdenken, dass hier wohl etwas nicht passt oder ein (allerdings selbstorganisiertes und selbstverschuldetes) Ungleichgewicht herrschen könnte. Hier führte das anscheinend zu dem Schluss, dass da wohl in der Punktevergabe etwas nicht richtig oder sogar ungerecht sein könne. Das halte ich für falsch. Nicht das Spiel macht an der Stelle etwas falsch, sondern die Spielenden.
Sowohl Julia Zerlik hat an dem Spiel vorbeigespielt, weil es nicht darum geht nicht zu bauen und nur zu nutznießen, als auch die/der Mitspieler, denn er hat nicht gegengesteuert, sondern anscheinend breit, alles und pauschal gebaut. Das könnte entweder auf wenig Erfahrung in dem Spiel deuten, dann sollte man den Fehler aber nur einmal und in der ersten Partie machen, oder aber auf ineffizientes Spielen, nicht thematisches Spielen und verpasste Schwerpunktsetzung. Vorausgesetzt, dass man jede Partie diesen Spielstil fahren würde.
Und zur Klarstellung: Weder unterstelle ich Julia Z., dass sie keine Ahnung von dem Spiel hat, ich sage auch nicht, dass man nicht auch so wie sie Anno 1800 spielen kann, aber ich sage, dass dann das Verständnis für dieses Spiel fehlt, insbesondere dann, wenn man zu dem Schluss kommt, dass der Ausbau von Gebäuden punkteträchtig sein müsse. Das gilt für beiden Richtungen: für den Extrem-Industrien-Bauenden, also auch für reine Nutznießer. Wer so spielt frustriert sich durch den eigenen Spielstil selbst.
Kürzlich las ich nach einem link hier im Forum noch einmal wieder diesen lesenswerten Artikel, zu dem Thema "Gut spielen":
Sowohl bei dem Video als auch an manchen Stellen in der Diskussion zu dem Spiel, musste ich immer wieder an den Artikel denken. Auch wenn es der Artikel wert ist selbst einmal diskutiert zu werden, kürze ich das im Anno Thread mal ab:
Das Spiel Anno 1800 kann den/die geneigte/n Euro-Spieler*in an die Grenze des bisher bekannten und eingelatschten Spielkonzepts bringen. Denn ich gehe so weit zu behaupten, dass es bei Anno 1800, anders als vielleicht in den vielen anderen Euros, überhaupt kein Indiz für gutes Spielen ist, wenn man viele Punkte macht oder viele Handkarten ausgespielt hat. Wenn man gewinnen möchte, dann sollte man zwar mehr Punkte haben als die anderen, dafür reicht es gezielt und geschickt das Spielende einzuläuten, Auftragskarten im Blick zu behalten und effektiv zentrale Industrien zu nutzen. In gewisser Hinsicht muss man ein Euro-Spieler-Denken hier sogar umkehren. Es geht hier nur darum die Handkarten alle auszuspielen, effizient die Bevölkerungswürfel einzusetzen und nicht darum Bauorgien zu feiern, die größte Insel zu kreieren, was einen dann mit Punkten überschüttet.
Umgekehrt: Würde das breite Bauen an sich - mit Ausnahme der pointiert zum Einsatz kommenden Auftragskarten - mit Punkten belohnt, führte genau dies zu einer Verwerfung innerhalb es Spieles und wäre ein ganz anderes Spielkonzept. Wiederum genau das, was so viele Spiele schon machen, aus dem Vollen schöpfen, mehr, größer, Punktespiralen in die Höhe treiben, aber nicht die Reduzierung, Pointierung und Reduzierung auf das Wesentliche.
In 20 Minuten, wie in dem Video beschrieben, habe ich noch keine Partie gespielt. Das halte ich auch nicht für erstrebenswert. Es kann vielleicht mal in bestimmten Konstellation so laufen, halte ich aber für auffällig und sehe die Gründe da eher in dem schon erwähnten "an dem Spiel vorbei spielen".
Mich persönlich langweiligen bestimmte Spiele nur noch, die mit dutzenden von Optionen daherkommen, die einen am Anfang zwar etwas fordern, eigentlich aber nur überschütten und dann tatsächlich nur blenden und auch nur schwer darüber hinwegtäuschen können, dass das ganze Spielen völlig beliebig ist. Punkte kriegt man quasi schon für das Auspacken des Spieles und das Bewegen des eigenen Meeple. Aber auch wenn es sich gut anfühlen mag, man scheinbar für etwas belohnt wird und etwas erhält, so zeigt es doch kein gutes Spiel und auch kein gutes Spielen. Es ist halt irgendwann völlig egal was ich mache, Punkte werden mir für alles hinterher geworfen. Das hat manchmal etwas von Ramschen.
Allerdings bedienen ja die meisten Spiele gerade dieses Belohnungsdenken durch Punkte . Die Spieler bekommen Siegpunkte für dies und das und das ist der Meßwert für den Sieg - nicht allerdings immer für gutes Spielen, auch wenn das viele verwechseln. Das wiederum liegt daran, dass es idR ja nur darum geht sich abzusetzen und anhand eines Meßwertes einen Sieger/in zu ermitteln. Wie das dann zustande kommt, ist dabei vielen sogar ziemlich egal. Für Punkte - sage ich mal etwas provokativ - machen viele fast alles. Je mehr desto besser. Ich kann diese Sichtweise nicht nachvollziehen. Man tauscht Kamele in Smaragde, Holz und Kamele in Kamele und Stein, beschäftigt sich damit einige Zeit und hat dann tatsächlich das Gefühl etwas getan und geleistet zu haben. Hurrej! Nur in wenigen Spielen geht es nicht darum Punktespiralen höher und höher nach oben zu schrauben, Highscores zu knacken und den Spielenden das als Gradmesser ihres "Erfolges" an die Hand zu geben. Ich habe schon mit Leuten gespielt die enttäuscht sind, wenn sie sich nicht mit 20, 30 oder 40 Punkten von den anderen absetzen, weil sie dann das Gefühl haben nicht gut gespielt zu haben und nicht bedeutend besser gewesen zu sein. Ganz ehrlich: es reicht 1 Punkte mehr
Punkte, Punkte, Punkte.... was für eine ermüdende Diskussion.
Gleiches hinsichtlich angeblich zu geringer Punkteausschüttung las ich auch zum Spiel Cooper Island. Dabei geht es auch da nicht darum dreistellige Punktezahlen zu machen. Auch da geht es darum mit wenig effektiv und gut umzugehen und sich dennoch zu entwickeln. Wie in Anno 1800 geht es aber auch um eine effiziente Schwerpunktsetzung.
Reduktion und Konzentration auf das Wesentliche, Effizienz und Effektivität des Spieles und ein Spiel zu straffen, sind für die meisten Leute wohl eher ungewohnt und wenn man wenig Punkte bekommt, ist dies anscheinend so, als bekäme man ein Überraschungsei, in dem die Überraschung fehlt. Dabei ist nur Schokolade auch sehr lecker!
Meiner Auffassung nach belohnt das Spiel mit Punkten genau das, was man machen soll:
Das Ausspielen möglichst höherwertiger Handkarten, die Aufwertung und das Anheuern teurer Bevölkerungswürfel die man dafür benötigt, durch die Expeditionskarten (Zoo, Museum), sowie das Erreichen der Ziele der ausliegenden Auftragskarten. Handel und Ausbau der Industrien sind hier nur das Mittel zum Zweck.