Beiträge von ravn im Thema „Anno 1800 - Das Brettspiel“

    Zwei Jahre später zu RE: Anno 1800 - Das Brettspiel


    Gab es zu den zufälligen und damit potentiell ungleich verteilten Startkarten eigentlich eine offizielle Lösung? Oder muss man es schlicht hinnehmen, wenn man anfangs und auch beim Nachziehen keine Ingenieure auf die Hand bekommt? Oder war der Weg über viele Ingenieure nur der offensichtlichste Weg, aber andere Wege mindestens ebenso gut oder sogar besser?

    Als Spät-Entdecker und bisher nur 2x Mtspieler von Anno 1800 mal ne Experten-Frage:

    Wie ist der aktuelle Stand der allgemeinen Diskussion um die Ingenieure?


    Weil gefühlt machte es in meiner ersten 4er-Partie einen gehörigen Unterschied aus, ob man als Bonus einer erfüllten Personenkarte einen Ingenieur bekommt oder sich diesen über den Weg Glas-Fenster-Ressourcen scheinbar mühsamer besorgen muss. Denn einen solchen Ingenieur benötige ich für eine 2er-Werft, die eben Schiffe mit 2x Marker bauen lässt, die aber nur einen Platz verbrauchen. Zudem brauche ich ebenfalls einen Ingenieur für Fabriken, die höherwertige Güter produzieren und schlicht, um überhaupt an Investor-Klötzchen zu kommen als Grundlage für höchstwertige Güter, ohne die ich kaum 8er Personenkarten erfüllen kann.


    These: Wer also früh und mehrmals Ingenieure als Bonus bekommt, hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber Mitspieler, die solche Bonus spät oder sogar nie auf die Hand bekommen.


    Klar, dadurch dass man blind Personenkarten zieht und deren Bedürfnisse zur eigenen Industrie und der Anzahl an Handelsmarker und Militärmarker passen können oder eben auch so gar nicht, weil noch niemand diese Industrien gebaut hat, ist ein gewisses Ungleichgewicht vorhanden. Ok, ich könnte per Aktion bis zu drei Karten eines Typs austauschen, nur ist das dann ein Tempoverlust und ob die neuen Karten dann wirklich besser passen, ist weiterhin ein Glücksspiel.


    Ich persönlich sehe es als Herausforderung, im Rahmen meiner Bedingungen das Beste aus der Situation zu machen, auch wenn dabei der Zufall mitspielt. Ist es am Ende so wie bei Agricola mit Handkarten, wo in einer Kennerrunde, welche die allgemeinen Mechanismen durchschaut haben und damit agieren können, das persönliche Endergebnis von den Möglichkeiten abhängt, die einem seine Handkarten bieten? Es also gar nicht mehr um den reinen Punktevergleich geht, sondern darum, ob man das Beste aus den vorgegebenen Möglichkeiten gemacht hat?

    Fankman : Dein Arnak-Beispiel ist mir persönlich zu oberflächlich gedacht. Weil für mich hat z.B. eine Steinplatte nicht immer den Wert 1, sondern hängt davon ab, wie viele Aktionsfelder überhaupt Steinplatten auszahlen und wie stark die Spielrunde gerade Steinplatten benötigt.


    Wenn man ein Spiel auf irgendeinen mathematischen Kern reduziert (ganz egal wie gut der passt und wie viel berücksichtigt), braucht man sich nicht wundern, wenn dabei die Atmosphäre verloren geht. Bei Arnak sehe ich eine Expedition vor meinem geistigen Auge. Bei Anno 1800 erlebte ich ebeno viele kleine Geschichten, was mein Bevölkerung so alles will und konnte mich köstlich schmunzeld darüber amusieren - "der Bergmann Ben Blumers will nach seiner anstrenenden Arbeit wieder sauber sein und angenehm riechen, bevor er sich gemütlich einen hinter die Binde kippt." Andere sehen da nur Seife und Bier. Andere nur zwei Waren der Kategorie 2.

    Erinnerte Erstpartie 116 zu 121 - mit Erklärung und Detailklärung von Fragen im Spiel rund 3 1/2 Stunden gespielt. Fühlte sich in keiner Sekunde langweilig an. Viel länger hätte der (An-) Spannungsbogen aber auch nicht gehalten, weil die erlebte Intensität recht hoch war.

    So sehr ich auch die für mich erlebte Unausgewogenheit der Karten in meiner Erstpartie erfahren habe, so toll finde ich, dass das Spiel trotzdem gut funktioniert und Laune gemacht hat. Ausgleichsmechanismen könnten das alles eventuell irgendwie "fairer" machen, nur wenn dadurch die einfach-überschaubare Grundstruktur des Spiels verloren gehen würde, dann würde ich eher darauf verzichten wollen.


    Ich hatte keine Startkarte, mit der ich einen neuen Worker geschenkt bekam. Ich hatte vermehrt Karten, die ein Upgrade für grüne/rote Worker versprachen und etliche die mit Handelsmarker lockten. Nur in dieser Startphase, wollte ich meine Worker gar nicht upgraden, da ich genau diese grünen und roten Worker brauchte. Zudem hatte mein Mitspieler noch nicht so viel anderes gebaut, als dass ich meinte, diese Anzahl an Handelsmarker zu brauchen. Stattdessen war ich ein wenig neidisch auf die Worker-Belohnungen meines Mitspielers.


    Grundlos, weil mit mehr Erfahrung hätte ich meine Startkarten prima nutzen können, um vorhandene Worker zu upgraden und über die Standardaktion direkt neue Worker neu einzustellen. Zudem die Handelsmarker nutzen, um rote Mitspieler-Fabriken mitbenutzen zu können, für die mein Mitspieler nicht so viel Gold-Gegenwert bekommen hätte, um eigene rote Worker wieder reaktivieren zu können.


    Es gilt nur Wege zu finden, um mit seiner Kartenhand was anfangen zu können. Somit gibt die Kartenhand den Rahmen der Möglichkeiten vor, wobei mir das Spiel noch ausreichend Luft lässt, mir neue Möglichkeiten zu suchen. Das ist dann auch eine Herausforderung, genau diese zu finden.

    Gut zu lesen, dass es diesen Kipp-Punkt gibt, der irgendwann eintreten muss.


    Mir war der in meiner Erstpartie nicht offensichtlich. Ich lag gefühlt hinten, weil mir höherwertige Workerfarben fehlten im Vergleich zum Mitspieler. Der Abstand hätte sich nur noch weiter vergrössert, in meiner Einschätzung. Also sah ich meine scheinbar einzige Chance darin, möglichst frühzeitig das Spiel zu beenden, bevor der Abstand unaufholbar gewesen wäre. Und, um zumindest die Wahrscheinlichkeit auf einen überraschenden Sieg zu erhöhen, das Spielende in einer Phase des Spiels zu forcieren, indem mein Mitspieler gerade mitten in der Aufbauarbeit steckt, ich hingegen auf schnelle Punkte spielen konnte.


    Die fremde Welten (sind das Kolonien?) haben mich dann davon abgehalten, weil die plötzlich so viel mehr Möglichkeiten boten, mehr und effektiver Punkte machen zu können. Und während ich das Rennen um einzelne der offenliegende Zielkarten aufgeben musste, hätte ich eventuell doch bei anderen Zielkarten noch mehr Zeit investieren sollen. Am Ende war es nur ein Unterschied von 5 Punkten, der mich vom Spielsieg trennte.

    Wenn alle am Spieltisch dieses "schöner bauen" betreiben wollen, egal ob in Anno 1800 oder Terraforming Mars, um möglichst viel aufzubauen und effektiver zu werden, ohne dem eigentlichen Spielziel näher zu kommen, ist das doch vollkommen ok. Das meinte ich aber gar nicht.


    Bei Anno 1800 gewinne ich, wenn ich zu dem Zeitpunkt, in dem das Spiel beendet ist, die meisten Siegpunkte habe. Nur wird das Spielende durch einen Spieler entschieden. Nicht plötzlich oder völlig überraschend, weil man eben durch Kartenabbau gezielt auf das Spielende hinspielen muss. Also Bedürfnisse der Handkarten zu erfüllen oder durch Personenaktionen andere Personenkarten abwerfen zu können. Wenn jemand also nur noch 6 Personenkarten hat, könnten dabei zwei sein, mit denen man jeweils zwei andere Personen loswerden kann. Nur muss man sich diese Möglichkeit erstmal schaffen, um diese gesteigerte Kontrolle über das Spielende zu bekommen.


    Ansonsten muss ich schlicht jede Personenkarte erfüllen, die ich auf der Hand habe. Notfalls durch Durchtauschen, wenn die Erfüllung unmöglich oder in arg weiter Ferne oder mit viel Aufwand verbunden ist. Ich erkenne also anhand der Kartenanzahl meiner Mitspieler, ob die dem Spielende näher kommen oder es forcieren wollen.


    Finde ich gut. Weil interessanter Spielmechanismus.


    Nur wenn ich gefühlt hinten liege, sollte ich kein Interesse haben, das Spiel vorzeitig zu beenden, sondern erstmal den Rückstand aufholen. Wenn ich hingegen meine, vorne zu liegen, aber durch meine Personenkartenanzahl keine kurzfristige Möglichkeit habe, das Spiel zu beenden, dann bringt mir mein Vorsprung nichts. Und genau in solchen Situationen könnte Anno 1800 drohen, länger zu dauern, als dem Spannungsbogen gut tut. Eben wenn ich als Hinterliegender immer hinterherrenne, aber der Vorneliegender meint, es sich es gar nicht leisten kann, auf ein schnelles Spielende zu spielen, weil er dann seinen Vorsprung verlieren könnte.


    Ist Euch das in Eurer Spielpraxis schon passiert? Oder ist das nur ein Konstrukt, das so nicht passiert?

    Alleine den Spielern zu überlassen, wann und ob sie selbst die Partie beenden, finde ich mutig. Weil so ein offenes Spieldesign kann auch leicht dazu führen, dass der Spannungsbogen nicht mehr trägt, weil zu sehr gedehnt wurde.


    Wenn am Ende jemand Schluss macht, nur weil er keine Lust hat, nach x Stunden noch weiterzuspielen, finde ich das einen schwachen Ausweg, der den Spielern gestattet wird. Weil als gefühlt hintenliegender Spieler wäre ich gezwungen, dass Spiel so lange zu dehnen, bis ich meine, vorne zu liegen, wenn ich kein Spielverderber sein will.


    Während ein gefühlt führender Spieler ggf. die Partie gar nicht selbst beenden kann, wenn noch zu viele Personenkarten auf der Hand.


    Da hätte ich mir ein elegant gegenlaufendes Spielelement gewünscht, das überlange Partien entgegenwirkt.

    Woher weiss ich, ob ich nach Siegpunkten führe?


    Da müsste ich für alle Mitspieler die erfüllten Personenkarten in Anzahl und Art mitzählen und auch die Zielkarten berücksichtigen, während ich von den Museum-Zoo-Karten nur die Anzahl mitzählen kann, aber auch dann nicht weiss, wieviele Punkte die mitbringen. In meiner 2er-Partie war das bei mir eher ein Bauchgefühl, dass ich das Spiel schneller beenden sollte, da mein Mitspieler eher eine langfristige Strategie anstrebte, mit teilweise mehr als doppelt so vielen Personenkarten wie ich auf der Hand hatte. Eine offene Siegpunktleiste gibt es ja nicht - wohl bewusst nicht.

    Ich würde das allerdings nicht als "konfrontativer" bezeichnen, denn ich bin eigentlich immer froh, wenn man Gegner etwas baut und ich mich dort mit geringem Aufwand bedienen kann als es selber bauen zu müssen.

    Konfrontativer ist wohl der falsche Begriff. Entstand dadurch, dass ich selbst im 2-Personen-Spiel meinem Mitspieler das 1 Gold für die Nutzung seiner Produktionsstätte nicht gönnen wollte, da er damit seine Worker wieder reaktivieren kann. Allerdings reicht 1 Gold wirklich nur für die "Arbeiter" aus, für alle anderen Worker muss man ja schon 2 oder 3 Gold zahlen, was bei uns dann meist der einschränkende Faktor war. Somit ist dieser 1-Gold-Handel eventuell doch erstrebenswert, sofern man selbst ausreichend Handelsmarker besitzt.


    Im Idealfall also alle Mitspieler Produktionsstätten bauen lassen, die man dann selbst nutzt gegen 1-Gold-Gebühr. Dann muss man selbst nur noch ausreichend Handelsmarker haben. Was aber, wenn alle so denken? Bin auf Folgepartien gespannt, um das auszuprobieren. Das Spiel scheint mehr ein Wallace-Spiel zu sein als ein typischer Kosmos-Euro - gefällt mir.

    Am Wochende meine erste Partie Anno 1800 in entspannter 2er-Runde mitgespielt. Ich war anfangs skeptisch, ob das ein langweiliger und arbeitsintensiver Cube-Pusher sein wird. War zum Glück nicht so. Die rund 3 Stunden Spielzeit waren kurzweilig und erstaunlich schnell vorbei. Am Ende mit 5 Punkten Unterschied gegen 2-Spiele-Vorab-Erfahrung verloren, was ich für mich als Sieg werte. Da kann man nach so einer Erstpartie noch eine Menge anders machen und eine Menge optimieren, was für mich durchaus den Reiz auslöst, es nochmal mitspielen zu wollen.


    Allerdings ist das 2er-Spiel sehr offen. Ich kann all das bauen, was mein Mitspieler bauen kann. Es gibt keinen Wettlauf, wer was zuerst baut. Und keine Gefahr, dass etwas weg ist, bevor man es selbst bauen kann. Allerdings habe ich nur einen Handelspartner. Wenn der nicht das baut, was ich benötige, dann muss ich es selbst bauen oder ich kann meine Bevölkerung nicht zufrieden stellen und muss die austauschen. Da stelle ich mir eine 3er- oder 4er-Partie konfrontativer vor, weil für alles, was man nicht mehr selbst bauen kann, benötige ich Handelsplättchen, um die Waren von meinen Mitspielern zu kaufen. Ist nur dei Frage, wie lange solche Partien dann dauern, denn 2x 3 Stunden für eine 4er-Partie wäre mir dann doch zu viel für das Gebotene.