Tipps fürs Heimkino

  • Mal ein paar Tipps abseits der ausgetretenen Pfade:


    Villa mit 100 PS / The long long trailer (USA 1953): Einer von drei Filmen, die das Fernseh-Traumpaar Lucille Ball und Desi Arnaz fürs Kino drehten - und m.E. der beste und witzigste. Ein junges Ehepaar lässt sich einen 13 Meter langen Wohnwagen andrehen - mehr passiert eigentlich nicht, aber der Film sprüht derart vor lustigen Ideen und merkwürdigen Typen am Wegesrand, dass es eine einzige große Freude ist. Bislang in Deutschland leider nur als SD-Stream verfügbar, ist in den USA vor kurzem eine BluRay erschienen, so dass man hoffen kann, dass es wenigstens bald mal einen HD-Stream gibt. Die Farben knallen in der restaurierten Kopie jedenfalls derart (im berühmt-berüchtigten AnscoColor, was ja nichts anderes als die US-Kriegsbeute von Agfacolor war), dass man sich in einem pastellfarbenen Rausch versetzt sieht. Wenn man mal seinen Kindern oder anderen zeigen will, wie die 1950er sich selbst gesehen haben, ist das hier der perfekte Film.


    Am schwarzen Fluss / The Spiral Road (USA 1962): Robert Mulligan drehte im gleichen Jahr noch den Klassiker "Wer die Nachtigall stört", in Deutschland war aber auch sein Dschungelarzt-Drama "Am schwarzen Fluss" mit Rock Hudson, Burl Ives und Gena Rowlands ein großer Kassenerfolg. Liest man die Inhaltszusammenfassung, will man gleich wieder ausmachen - daher der Tipp: Gar nicht erst lesen. Wie so oft geht es um einen ehrgeizigen Arzt, der im Dschungel die wirklich wichtigen Dinge erkennt, hier noch zusätzlich mit Glaubensfragen verbrämt. Beeindruckend ist hier aber weniger der Plot als vielmehr die Inszenierung: Der Film hat wunderbare Bilder vor Ort in Surinam, er ist fesselnd inszeniert und mutiert in der letzten Stunde zum reinrassigen Abenteuerfilm. Auf Deutsch als BluRay günstig zu haben.


    Lord Jim (USA 1965): Peter O'Tooles Nachfolgeprojekt nach Lawrence von Arabien, ebenfalls ein klassischer Abenteuerfilm, aber da Richard Brooks Regie geführt hat (In Cold Blood, Katze auf dem heißen Blechdach etc.), zugleich ein fesselndes Psychogramm eines Mannes, der als Feigling gilt und dies wieder gutmachen will. Auch hier sieht der Film einfach atemberaubend gut aus, und neben O'Toole agieren auch James Mason und Curd Jürgens i Glanzleistungen über die gesamte Laufzeit (immerhin über zweieinhalb Stunden). Leider ebenfalls nur im Ausland als BluRay verfügbar.

  • Auch wenn es Nominierungen für die Goldene Himbeere gehagelt hat, dem Film rassistische Tendenzen vorgeworfen werden, die weibliche Hauptrolle nicht gut gespielt wird und stellenweise das Pathos von der Mattscheibe tropft - ich mag Im Jahr des Drachen von Michael Cimino sehr gerne. Gibts auf Prime mit MGM+ Abo

    we are ugly but we have the music

  • Auch wenn es Nominierungen für die Goldene Himbeere gehagelt hat, dem Film rassistische Tendenzen vorgeworfen werden, die weibliche Hauptrolle nicht gut gespielt wird und stellenweise das Pathos von der Mattscheibe tropft - ich mag Im Jahr des Drachen von Michael Cimino sehr gerne. Gibts auf Prime mit MGM+ Abo

    Ich mag Cimino auch, der Mann hatte einen großen Knall, aber seine Bilder sind es wert - bei "Im Jahr des Drachen" kann man ihm gerne beipflichten, dass es ein Film über Rassismus und weniger ein rassistischer Film ist. Allerdings ist der Film gleichzeitig übel sexistisch, aber nun gut, das gilt ja leider für jeden zweiten Film des New Hollywood. Der Shootout in den Zugschienen zählt übrigens zu Tarantinos Lieblingsfilmszenen.

  • Auch wenn es Nominierungen für die Goldene Himbeere gehagelt hat, dem Film rassistische Tendenzen vorgeworfen werden, die weibliche Hauptrolle nicht gut gespielt wird und stellenweise das Pathos von der Mattscheibe tropft - ich mag Im Jahr des Drachen von Michael Cimino sehr gerne. Gibts auf Prime mit MGM+ Abo

    Ich mag Cimino auch, der Mann hatte einen großen Knall, aber seine Bilder sind es wert - bei "Im Jahr des Drachen" kann man ihm gerne beipflichten, dass es ein Film über Rassismus und weniger ein rassistischer Film ist. Allerdings ist der Film gleichzeitig übel sexistisch, aber nun gut, das gilt ja leider für jeden zweiten Film des New Hollywood.

    Ging die Ära des New Hollywood nicht bloß von 67 bis 79 und Im Jahr des Drachen von Cimino ist von 85, oder verwechsle ich gerade was? :huh:
    Danke dir ansonsten für Erläuterung, wie es gemeint war.
    Lg

  • Ging die Ära des New Hollywood nicht bloß von 67 bis 79 und Im Jahr des Drachen von Cimino ist von 85, oder verwechsle ich gerade was? :huh:
    Danke dir ansonsten für Erläuterung, wie es gemeint war.
    Lg

    Kurzfassung: Du hast natürlich recht, die meisten Filmgeschichten setzen ungefähr diesen Zeitraum an. Langfassung: Kategorisierungen und Historisierungen sind "schwimmende Inseln", wenn man so will, ganz klar lassen sich solche Abschnitte nie wirklich definieren (selbst bei technisch Eindeutigem wie dem Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm hat man dann Japan, wo Tonfilme erst 1935 in Mode kamen). Michael Cimino steht wie kaum ein anderer Regisseur fürs New Hollywood Cinema, auch weil er massiv dazu beigetragen hat, es durch den Misserfolg von Heaven's Gate zu Grabe zu tragen. Aber die Filme, die er danach gemacht hat, sind deshalb tonal und stilistisch nicht weniger durch das geprägt, was das New Hollywood ausgemacht hat - anders als beispielsweise Scorsese hat der keine unterschiedlichen Schaffensperioden, sondern ein ziemlich stringentes Werk, das man quasi durchgängig im New Hollywood und mit dem New Hollywood erklären kann: Der "angry young man", die Auseinandersetzung mit einer Gesellschaft, die ihn nicht akzeptiert, Wert- und Normenkonflikt und -wandel als zentrale Themen, dazu eine hyperstilisierte Ästhetik auf den Spuren der Nouvelle Vague. Daher hab ich "Im Jahr des Drachen" jetzt einfach inhaltlich dazugezählt, so wie ich manchen Film zwischen Film Noir und Neo Noir noch zum Film Noir zählen würde, auch wenn er mal eben 10 Jahre zu spät kommt (z.B. Blast of Silence oder Honeymoon Killers). Noch so ein New Hollywood-Recke, der nie damit aufgehört hat, wäre z.B. William Friedkin.

  • Cool, danke dir! Wollte nur sichergehen, dass ich mir nichts falsch eingeprägt habe oder so. Kann ja auch gut sein.


    Was ich ansonsten in letzter Zeit im Heimkino nachgeholt habe war unter anderem:

    Licorice Pizza: Süße, kleine Liebesgeschichte. Gut bebildert und akustisch hinterlegt zudem. Hat mich insgesamt vom Plot her zwar wenig angehoben, tut aber auch keinem weh. Hatte wohl ein paar zu viele der Vorschusslorbeeren der internationalen Presse. PTA kann es jedenfalls meines Erachtens nach zweifelsfrei besser. Bradley Coopers Cameo ist jedoch legendär.

    Rush: Überragender Film über Niki Laudas Leben, mit Leib und Seele verkörpert von Daniel Brühl, der 2013 imho ein wenig unter dem Radar flog. Zu Unrecht! Rush hat nicht nur PS unter der Haube, sondern glänzt auch mit seinen ruhigeren sozialkritischen Momenten. Mir hat er top gefallen, würde ich mir sofort wieder anschauen.

    Die Augen des Engels: Erneut Daniel Brühl, diesmal sogar mit den Schönheiten Kate Beckinsale und Cara Delevigne im Gepäck - da kann doch nichts schiefgehen, oder? Leider doch. Der Indiefilm, angelehnt an die wahre Geschichte über Amanda Knox, verliert sich nach einer durchaus noch interessant gestalteten ersten Hälfte vom Drehbuch her später leider total in der Ratlosigkeit. Er wird immer verwirrender und pseudophilosophischer, ist schwach geschnitten und kann sich gar nicht mehr für ein Genre entscheiden: Krimi, Thriller, Horror, Doku, oder doch Liebesfilm? Ein Potpourri aus Inkonsistenz. Dazu ohne großartige Spannungsmomente. Keine Ahnung, wie ich diesen Quark zum Ende hin noch durchgestanden habe. Die Kritikermeinungen sprechen hier leider zurecht eine eindeutig negative Sprache. Vermeiden!

    Stillwater: Vielleicht ist die Hollywoodverfilmung des gleichen Stoffes mit Matt Damon und Abigail Breslin ja besser? Denkste. Der war ebenso Murks. Hätte ich nie gedacht, aber ging null klar. Absolut nicht meins.

    End of Watch: Knallharter Polizeifilm von Antoine Fuqua über die täglichen Erlebnisse US-amerikanischer Cops auf Streife, gefilmt in großen Teilen mit Digitalkameras. Also sehr viel shaky und auf Doku gemacht, ähnlich damals Blair Witch Project, REC und Co. War schon harter Tobak, aber hat mich mitgenommen, da die beiden Hauptprotagonisten gut ausgearbeitet werden und man irgendwann mit ihnen mitfühlt.

    The Pale Blue Eye: Ging in Ordnung, ich hatte mir aber mehr davon erhofft. Vor allem, da Netflix ihn im Vorfeld so großflächig beworben hat und plötzlich mal wieder wochenlang alles Christian Bales Gesicht zierte. Kann man auslassen.

    Massive Talent: Die Idee, einen Film über Cage zu machen, in dem er sich selbst spielt und seine Filme auf's Korn nimmt gefällt mir außerordentlich gut. Ihm dann noch Pedro Pascal an die Seite zu stellen noch besser. Die vielen Memes tun ihr übriges. Aber irgendwie war er dann handlungstechnisch am Ende des Tages doch äußerst flach und viele Witze zündeten leider nicht. Sie waren entweder komplett unlustig, extrem forciert oder viel zu übertrieben. Das ist irgendwo auch Cage, ja, aber da schaue ich ihn mir tatsächlich lieber ernst gemeint an und feiere dann still und heimlich sein Overacting als kultig. Fazit? Eher ein Experiment als eine tolle Geschichte. Werde ich mir nie wieder anschauen.

    Bullet Train: Kurzweilige Action mit Brad Pitt, der leider langsam sichtlich in die Jahre kommt. In Tarantinos letztem Film stand ihm das noch sehr gut, hier wirkte er irgendwie müde und alt im Gesicht. Ich kann mir nicht helfen. Witziges Ding nichtsdestotrotz. Hat mich ein wenig an Smokin' Aces erinnert. Auch knallbunt, auch viel Geballer, auch viel Humor und krampfhafte Coolness eingebaut, sowie ebenfalls ein völlig übertriebenes Finale.

    Don't Worry Darling: Warum auch immer hat mich dieser fiese Thriller von Olivia Wilde, der ja für extrem viele Schlagzeilen wegen ihrer Kritik an Florence Pugh gesorgt hat, total abgeholt. Harry Styles spielt eher blass, da muss ich den Kritikern zustimmen, aber Pugh trägt DWD problemlos auch allein. Ähnlich wie in Midsommar schafft sie es lockerleicht, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen und irgendwann fiebert man nur noch mit, wann und wie dieser Wahnsinn für sie ein Ende haben mag. Heimlicher Star ist übrigens Chris Pine, der hier stärker aufspielt als je zuvor - ganz ohne auch nur einen Anflug von Comedy. Ich kann DWD jedenfalls persönlich empfehlen. Das Ende ist einen Tick zu sehr mit dem erhobenen Zeigefinger, aber das macht mir nichts aus. Es bringt die Message eben auch dem letzten Menschen auf der Welt herüber.

    Minari: Wunderschöner Film, gibt es wenig mehr dazu zu sagen. Seht selbst. Die vielen Oscarnominierungen vor zwei Jahren und der eine Gewinn kamen nicht von ungefähr. Ganz zu schweigen von Sundance.

    Absolute Power: Neben Gran Torino aktuell wohl mein liebster Eastwood. Extrem spannend, weltklasse besetzt, thematisch auch heute noch hochgradig aktuell...würde ich mir jederzeit wieder anschauen. Top Film!

    Honest Thief: Ich bin ja seit Taken immer für Neeson-Rentnerware zu haben, ist irgendwie ein kleines Guilty Pleasure von mir geworden. The Commuter, Run All Night, Unknown Identity, A Walk among the Tombstones...alle sehenswert für Fans. Aber dieser hier war sehr schwach. Braucht man definitiv nicht zu schauen.

    The Marksman: The Marksman erst recht nicht. Großer Käse. Wäre früher direct-to-DVD in der hintersten Ecke der Videothek zwischen Steven Seagal und Bruce Willis B-Movies verschimmelt. Heute jubeln die Streamingdienste. Oweh.

    Freaky: Stumpfer Beginn, sinnlos brutale und vor allem grafische Kills, aber mein Gott - die Witze sitzen! Wir haben uns hier quasi permanent einen Ast abgelacht und in Sachen Humor genau das erhalten, was wir erwartet und uns gewünscht haben. Klamauk, Albernheiten, Wortspiele, das Karikieren von Geschlechterrollen...hier war für jeden Geschmack was mit dabei. Wir haben uns ab der Einblendung des Filmtitels jedenfalls gut unterhalten gefühlt. Noch besser als bei Happy Deathday, welcher ja quasi 1:1 im gleichen Genrefahrwasser schwimmt. Fazit? Immer her mit den selbstironischen Popcornslashern mit Metaebene!

    Get Carter (1971): Harter Rachefilm der alten Schule mit einem überragenden, abgeklärt-nihilistischen Finale, der so heute wohl nicht mehr ins Kino gekommen wäre (zu misogyn). Ursprünglich zwei mal in Deutschland verboten, ist er nun wieder auf Sky zu sehen; aber nur in einer stark gekürzten Fassung. Oft wird weggeschnitten oder ganze Szenen fehlen komplett (z.B. zu Beginn). Wer einen jungen Michael Caine beim Aufräumen sehen möchte, ist hier nichtsdestotrotz gut aufgehoben. Der Fall ist nach wie vor interessant, die Musik stimmungsvoll und handwerklich ist er ebenfalls vernünftig gefilmt. Lediglich auf ein relativ langsames Pacing muss man sich einstellen. "Geballert" wird ebenfalls wenig; es kommt eher Charme, Intelligenz, Drohen und rohe Gewalt zum Einsatz.
    Tl;dr: Mir gefallen andere, modernere reine Rachethriller minimal besser, wie zum Beispiel Payback, The Punsiher (Kult!) oder Edge of Darkness, aber dieser Klassiker hier rangiert trotzdem zweifelsfrei in der Oberliga, sofern man über die Tatsache hinwegsehen kann, dass hier alle Frauen Prostituierte, Pornodarstellerinnen, Hausmädchen oder Partyluder sind und permanent auf's Übelste behandelt und angesprochen werden. Ich denke jedenfalls, das ist dem Zeitkolorit geschuldet und war damals in den 70er-Jahren noch gängiger Duktus. Reflektieren kann man es vielleicht trotzdem einmal.

    Anchorman: Hatte einige sehr gute und denkwürdige Lacher auf seiner Seite - vor allem die Kampfszene im Mittelteil ist unglaublich(!) - aber über 94 Minuten hinweg haben sich die Gags für mich dann doch zu schnell abgenutzt und wiederholt. Eine lustige Komödie, die aber etwas hinter ihrem Legendenstatus zurückblieb.

    Red Eye: Wes Cravens Thriller war für mich ein angenehmer Zeitvertreib. Das leicht alberne Ende hätte es gar nicht gebraucht - von mir aus hätte alles im Flugzeug spielen können.

    There Will Be Blood: Weltklasse Darbietung aller Beteiligten. Also hier war ich echt außergewöhnlich glücklich, dass ich diese Bildungslücke endlich mal geschlossen habe. Day-Lewis ist eine Naturgewalt und Dano hält mit voller Wucht dagegen. Dringend schauen, wer ihn noch nicht gesehen hat!

    Triangle of Sadness: Direkt zwei Mal hintereinander geguckt, weil er mich so eiskalt erwischt hat. Ebenfalls spitze, vor allem die letzten beiden Episoden.

    Klute: Guter Thriller mit Sutherland als er noch jünger war. Jedoch unbedingt O-Ton schauen, die schwache deutsche Synchro vermiest einem leider einiges an Atmosphäre!

    Crimes of the Future (2022): Sein Sohn macht ja mittlerweile schon (überragende) Filme, aber Cronenberg senior möchte es hier natürlich selbst auch noch einmal wissen. Eine verrückte Zukunftsvision, faszinierend und philosophisch, wie immer mit allerlei Gekröse. Vielen ist er bestimmt zu langweilig, mir hat er extrem getaugt. Super Film.

    365 Days: Sterbenslangweiliger Softporno für Arme mit absolutem Käse als Plot. Einer der schlechtesten "Filme", die ich je gesehen habe. Hangelt sich von Sexszene zu Sexszene wie bei 50 Shades of Grey, nur noch unnachvollziehbarer und schwächer geschauspielert. Ja, die Hauptdarstellerin ist hübsch anzusehen, Fullstop. Ende aller positiv zu nennenden Dinge. Bitte tut euch das nicht an.

    Transformers 5: The Last Knight: Nur wenig besser als der letztgenannte Eintrag hier obendrüber. Wie Hopkins sich für so einen Schund hergeben konnte, weiß er selbst nicht - der Paycheck muss riesig gewesen sein. Und das sage ich als jemand, der Transformers als Kind geliebt hat und deswegen das Nerdauge schon bei den Vorgängerfilmen feste zugedrückt hat hinsichtlich ihrer Schwächen. Hier kann ich das nicht mehr. Absoluter, totaler, unbestreitbarer Müll auf Zelluloid. Bay schafft sich ab. Ambulance und 6 Underground habe ich ebenfalls mit der Kraft von tausend Sonnen gehasst. Pain & Gain war wenigstens noch selbstironisch. RIP an dich Michael, meine Hoffnungen für Lobo sind unter Null.

    Tyler Rake: Extraction: Gut choreografierte Ballerei, cooler OST, originelle Kamerafahrten und tolle "no name" Nebendarsteller (Rudhraksh Jaiswal, Randeep Hooda!), die man leider mit lustlosen Hollywoodstars garniert hat, die hier nur Dienst nach Vorschrift abliefern und Dialoge zum Fremdschämen abspulen. Auch das penetrante Colorgrading nervt, die deutsche Synchro ist zum Abgewöhnen und das Filmende kann man in der Pfeife rauchen. Dennoch ist Extraction noch erträglich. Nur aus Neugier habe ich mir Teil 2 noch gegeben...

    Tyler Rake: Extraction 2:
    ...und der war tatsächlich viel besser? Was ist da denn los? Ähnlich zu John Wick 4 wurde hier noch mehr Wert auf die Choreografie gelegt und das merkt man total. Der One-Take im Gefängnis ist absolut krass und dieses Jahr mit das Beste, was man überhaupt an filmischer Action bestaunen darf. Wow. Hat mich echt unerwartet umgehauen das Teil. PS: Endlich mal eine realistische, entschleunigte Regenerationsphase einer "Actionheldenfigur". Der gesamte Beginn ist Bilderbuch².

    Coco: Herzerwärmende Geschichte über Musik, das Leben und das Vergehen. Alles eng vermengt, garniert mit ein paar Twists. Ich habe noch nie in einem Pixar- oder Dreamworks-Film Twists gesehen, nie. Und dieser Film hat gleich mehrere gehabt, die sich trotzdem organisch angefühlt haben. I take it! Allerwärmste Empfehlung von mir trotz des möglicherweise erstmal leicht "abschreckenden" Looks.

    Tod auf dem Nil: Viele Kritiker haben ihn ja zerrissen, mir hat er gefallen. Kein Überfilm, aber ein interessanter Krimi und Branagh spielt sich nicht mehr so krampfhaft in den Vordergrund wie noch beim Mord im Orientexpress. Bin nun bereit für Teil 3 der neuen/modernen Poirot-Reihe!

    The Requin: Definitiv in den "Top 10 der schlechtesten Filme aller Zeiten" auf allen Listen derer, die ihn wirklich vollständig gesehen haben. So etwas ist mir noch nie untergekommen. Geworben wird mit Alicia Silverstone(!) und einem top Cover im Stile von Jaws, The Meg, etc. Aber das Endprodukt kann maximal zehn Dollar gekostet haben, anders kann ich mir die "Effekte" nicht erklären. Das Teil ist weitaus, wirklich weitaus schlechter und trashiger als sogar Sharknado. Quasi Daniel der Zauberer-Niveau. Unbegreiflich. Lebenszeit, die ich nie mehr wieder bekommen werde.

    Jurassic World 3: Ich war nach der Sichtung des Haifilms von oben dann so sauer, ich wollte unbedingt Monster sehen. Besser animierte. Wenigstens irgendwelche. Und dafür mussten dann die Dinos herhalten. Ganz so schlecht wie er überall verteufelt wird, war er Gott sei Dank nicht. Aber die gesamte Prämisse des Endes von Teil 2 wurde komplett verschwendet und in den Sand gesetzt. In den ersten fünf Minuten wird alles Dahingehende abgefrühstückt und der Rest ist Nostalgiebait meets "die Kosten möglichst niedrig halten". Gerade so noch schaubar.

    Missing: Definitiv sehenswert, hat mich aber nicht so mitgenommen wie Searching damals. Würde ich als leicht schwächer (da konstruierter) einstufen.

    I Care A Lot: Erst dachte ich, der Film wird durchweg überragend. Eine rabenschwarze Satire voller bitterböser Seitenhiebe auf das amerikanische Rechtssystem, Gesundheitssystem, die Altenpflege und menschliche Abgründe generell. Doch dann rastet das Drehbuch völlig aus und kommt vom Hundertsten ins Tausendste. Also ehrlich, wer diese Handlung des Mittelteils so vorhersieht, wie sie hier passiert, raucht wahrscheinlich Pilze zum Frühstück und kippt nebenbei drei Red Bull. Holy smokes. Peter Dinklages Minenspiel ist derart überzogen, dass es an Overacting grenzt. Seine Handlanger sind dümmer als Jay & Silent Bob. Die Allmachtsfantasien und Unantastbarkeit der femme fatale Rosamunde Pike sind eine unglaubliche Vergöttlichung einer realen Person und lassen sie eher wie einen Superhelden, der ständig politisch korrekte Phrasen rausdrischt, sich aber ironischerweise gleichermaßen politisch herrlich inkorrekt verhält, als wie einen echtem Menschen aus Fleisch und Blut wirken. Naja wie dem auch sei. Das Ende hat mich dann wieder vollends eingefangen, da man hier erneut erdig und intelligent agiert. Die Lösung ist ein toller Kniff. Ein Kunstgriff, den ich den Autoren offen gestanden gar nicht zugetraut hätte. Das fiese i-Tüpfelchen kurz vor dem Abspann ist dann nur noch die Kirsche auf der Torte. Was machen wir dann jetzt also mit einem derart inkonsistenten Machwerk?
    Beginn: 10/10
    Ende: 10/10
    gesamter verschwurbelter Mittelteil: 3/10
    Wir geben einfach mal eine wohlwollende 7.5.


    The Favourite: Völlig verrücktes Teil. Ein klassischer Lanthimos :) Ich freue mich jetzt schon sehr auf Poor Things.

    The Flash: Ich persönlich finde es bitter, dass The Flash derart krass am Box Office flöten gegangen ist. Hat er meines Erachtens nach definitiv nicht verdient so ein Einspielergebnis, dafür war er viel zu witzig und gleichzeitig emotional. Aber gut, einen Misserfolg hatten ja viele andere Filme diesen Sommer durch das prall gefüllte Überangebot an Blockbustern auch. Wie zum Beispiel Dungeons & Dragons, 65, Shazam 2, Indy 5, M:I 7, Haunted Mansion, Ruby Gillman, usw. Selbst Elemental, Arielle, Fast X und Transformers 7 blieben hinter den Erwartungen zurück. Man kann sich als Konsument eben leider nicht fünfteilen. Und zudem gesellen sich noch die Fakten hinzu, dass mit Sicherheit jeder mehr als ein einziges Hobby hat, und nur über eine einzige Brieftasche mit einem Geldwert X darin verfügt. Anders gesagt: Man kann weder Zeit noch Moneten einfach so aus dem Nichts erschaffen. Somit kann man sich als Comicfan jetzt wohl nur wünschen, dass James Gunn den Reboot so anlegt, dass das gesamte neue DCU keine automatische Totgeburt wird. Und dass der nächste Flash-Ableger zusätzlich zu einer tollen, glaubhaften Schauspielleistung wie dieser von Ezra Miller hier erneut gleichermaßen ansprechenden Witz wie emotionale Zugänglichkeit enthalten wird. Was ich offen gestanden bezweifeln möchte...

    Lg

  • Ich habe ein bisschen in den 80er Jahren geschnüffelt:


    Dressed to kill - Brian de Palma hat eine simple Pulp-Geschichte um eine mordende Transsexuelle in edle Bilder verpackt. Die Kameraarbeit und Bildmontagen sind nach 43 Jahren immer noch sehr sehenswert, die Psychologie in dem Film wirkt heutzutage aber extrem hanebüchen.


    Gorki Park - vor bestimmt 20 Jahren habe ich den Film das letzte mal gesehen. William Hurt spielt dabei einen russischen Polizisten, der den Mord an drei Menschen aufklären muss, deren Leichen ohne Zähne und Gesich im Gorki Park gefunden wurden. Auch wenn die Sowjetunion nicht mehr existiert und die politische Ebene des Film lange nicht mehr aktuell ist, so ist die Story um Gier und Mord im Kern fast schon zeitlos. Gorki Park funktioniert als unterkühlter Kalter Krieg-Krimi mit 40 Jahren auf dem Buckel heute immer nich erstaunlich gut.


    Red Dawn - Die rote Flut : Im 3.Weltkrieg werden die US of A von kubanischen Truppen im Dienste der Sowjets besetzt. Eine Gruppe von Schülern leistet als Partisaneneinheit Widerstand. Red Dawn ist ein Produkt des Kalten Krieges und der Reagan-Ära: Böse Kommunisten gegen heldenhafte Amis. Tumbe Soldaten gegen smarte Teenager. Nicht ganz zu bescheuert wie Rambo 3, aber ganz viel fehlt Red Dawn dazu nicht. Ein ziemlich übler Propaganda-Film.

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    Einmal editiert, zuletzt von Lighthammel ()

  • Meine veränderte Wohnsituation erlaubt mir inzwischen, meine Miniaturenmalerei vorm Fernseher abzuhalten, und in dem Zuge endlich mal wieder ein paar "olle Kamellen" aus meiner Jugend wieder aufzufrischen.


    Drei Highlights:

    RoboCop: bestimmt seit 25 Jahren nicht gesehen - fand ich damals top und heute direkt noch besser. Anders als damals wird mir jetzt erst richtig bewusst, wie TIEF die satirische Note des Films geht, der sich wie die Lebendigwerdung der größten konservativ-republikanischen Alpträume der Reagan-Ära ausnimmt: Mord und Totschlag und gefeierter Drogenkonsum auf offener Straße, sodass es in den Straßen Detroits aussieht wie im damaligen Beirut oder anderen Kriegsorten aus den Nachrichten, dazu eine Polizei, die aufgibt und streikt - und an allem sind natürlich die verdammten Liberalen schuld. Da hilft nur noch RoboCop! :)
    Mit ordentlich Abstand und gewachsener politischer Bildung guckt sich der heute wirklich ganz anders.

    (Ähnliches galt übrigens auch für Demolition Man, den es kurz danach nochmal gab, aber hier sind die Parallelen halt schon im Film deutlicher beschrieben. Trotzdem spannend, WIE verbreitet von Kriminellen in Kriegsgebiete verwandelte US-Städte von Die Klapperschlange über RoboCop bis hin zu Demolition Man in den 80ern waren.)


    Zoff in Beverly Hills: War mal meine Lieblingskomödie und mein Einstieg in die wunderbare Welt der Talking Heads. Dazu Nick Nolte in seiner vermutlich besten Rolle. Ist nach fast 40 Jahren so gut wie keinen Tag gealtert, und von einigen wenigen zeitgeistigen Elementen wie dem Aschram-ge-new-age und den Glam-Punk-Outfits von Sohn Max könnte der Film vermutlich letzte Woche gedreht worden sein. Wenn man dann noch bedenkt, dass das Theaterstück dazu von 1919 ist, zeigt sich wieder, was für ein Glanzstück René Fauchois hier einst geschrieben hat.


    Totally Killer: Ist keine olle Kamelle, sondern recht frisch auf Amazon Prime, aber trotzdem herrlich: Die 17-jährige Tochter eines Slasher-Opfers reist durch einen Zeitreiseunfall von 2023 nach 1987 und versucht dort, die erste Mordserie zu verhindern.

    Kiernan Shipka kann leider immer noch nicht schauspielern, aber das fällt hier wenig auf. Zwar handelt es sich bei dem Film "auch" um einen Slasher, aber im Vordergrund steht die Komik, ein emanzipiertes, wokes, "outspoken" 17-jähriges Mädchen von 2023 in die noch deutlich weniger politisch korrekten Endachtziger zu schicken. Dazu ordentliche Zurück-in-die-Zukunft-Anspielungen und fertig ist der Filmspaß - und im Gegensatz zu Marty McFlys Ausflug habe ich die Zeit, die hier aus moderner Sicht aufs Korn genommen wird, sogar persönlich miterlebt, was es gleich noch witziger macht.

    Ein kleines Highlight.

    (Und deutlich besser als der ganz furchtbare und unwitzige "Old Dads" auf Netflix, der das Thema "früher war weniger woke" wirklich aus einer ganz und gar unappetitlichen weil unbelehrbaren und unironischen Perspektive heraus beleuchtet.)

    4 Mal editiert, zuletzt von Huutini ()

  • Ich "zwinge" meine Frau seit einem halben Jahr zum Anschauen der Star Wars Filme. Hatte sie bislang nix mit am Hut. Und wir sind trotzdem seit 24 Jahren verheiratet, unfassbar.


    Wir haben zuerst Episode 4-6 geschaut und dann Episode 1+2. Die Pausen sind lange zwischen den Filmen, weil sie bislang keinen Zugang findet. Das hat sich gestern schlagartig geändert...


    Episode 3 - Die Rache der Sith hat sie umgedreht. Die Liebesgeschichte und die ORDER 66 haben sie emotional stark berührt, da sind einige Tränen geflossen.


    Ab jetzt ist das ein Selbstläufer... Episoden 7-9 noch und dann die Serien.

  • "Ich mochte Star Wars nicht so wirklich, aber Episode 3 hat mich vom Gegenteil überzeugt!" ist auch eine eher selten gehörte Aussage.

    Es ist erstaunlich. Ich bin auch kein Fan der dritten Episode, aber bei ihr hats eingeschlagen. Jetzt warten wir doch mal ab, wie das mit 7-9 aussieht. Bleibt ja nix mehr übrig....


    Obwohl ich ihr noch "Rogue One" vorab zeigen könnte!?

  • Das war mehr ein Scherz, deNiro hat soviele gute Rollen dass es schwer ist. Brazil ist aber mit Sicherheit eine seiner besten komischen Rollen, neben Midnight Run.


    Gestern Midnight Run mit meinem großen Sohn zusammen nachgeholt: das war ein Riesenspaß!

    Ohne deine Erwähnung hätte ich ihn wohl weiter übersehen. :blumen:

  • Ich bin in den Genuss von The Irishman gekommen. Eigentlich ist die Erzählung vom Aufstieg und Fall eines Gangsters ein alter Hut sehr typisch für einen Scorsese-Gangsterfilm. Bei The Irishman fehlt allerdings die Coolness und der Glamoru von Goodfellas oder Casino, es ist eher ein Abgesang auf das Gangsterleben. Freunde hat ein Killer kaum, die Familie wendet sich ab, im hohen Alter stirbt man am Schlaganfall, Blasenkrebs oder vegetiert verarmt im Alterheim vor sich hin. Trotz vieler Morde gibt es wenig Action, und auch die Morde wurden in früheren Scorseses deutlich ästhetischer inszeniert. Presst man mehrere Dekaden amerikanischer Geschichte in dreieinhalb Stunden, kommt es zu Handlungssprüngen, die manchmal schwer zu verfolgen sind, wenn man sich in amerkanischer Geschichte nicht so bewandert ist. Vor allem, wenn Scorsese einem die Einblendung des aktuellen Jahres konsequent verweigert.

    Jetzt könnte man meinen, ich hätte mich beim Irishman gelangweilt. Aber nicht die Bohne. Ich habe mich sehr gefreut, DeNiro, Pacino und vor allem Joe Pesci zu sehen. Pacino als Jimmy Hoffa kann die Sau von der Leine lassen und sorgt für viele großartige Momente. Dazu tolle Kameraarbeit, ein famoser Soundtrack und auch eine Menge Humor. Irishman hat mir sehr, sehr gut gefallen.

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  • Kleine Vorabbemerkung: Eigentlich will ich mit dem Folgenden nur allen Interessierten raten, sich ein paar von Kurosawas Klassikern anzusehen - gerade mit den Filmen der 1960er Jahre kann man heute noch gute Unterhaltung haben. Es wird allerdings etwas weitschweifig, sorry dafür.


    Gestern war Kurosawa-Abend, ich durfte eine kleine Einleitung halten, dann wurden auf einer 10m breiten Heimkino-Leinwand Yojimbo und Sanjuro gezeigt. Besser als ein Fernseher, trotzdem noch zu klein für diese Filme - Kurosawa hat ja viel mit Telelinse und Multi-Kamera-Setups gearbeitet, so dass es für unsere Sehgewohnheiten recht wild zwischen Weit- und Naheinstellungen hin- und her geht. Yojimbo war und ist immer noch ein Knaller, einmal mehr ist mir aufgefallen, wieviel Leone bei Kurosawa geklaut hat (nicht nur den gesamten Plot und einzelne Szenen für Für eine Handvoll Dollar, sondern auch dramaturgische Ideen und das halbe Figurenpersonal für seine späteren Filme). Aber auch George Lucas, Steven Spielberg und Co. dürfen sich bis zum Lebensende bei Kurosawa bedanken (haben sie ja auch, indem sie ihm zwei sauteure Epen querfinanziert haben). Gleichzeitig ist aber auch erstaunlich, wie groß die Ähnlichkeiten zu Peckinpahs Spätwestern sind, und dem unterstelle ich dann doch deutlich weniger, dass er Kurosawa zur Kenntnis genommen hätte (Ride the High Country ist ja zur gleichen Zeit entstanden). Offenbar ließ sich die Idee des psychologischen Westerns á la Anthony Mann/James Stewart wirklich besonders gut auf das Jidai-Geki (Samuraifilm) übertragen, wenn man dann noch dazu bereit ist, den historischen Mantel zu beschmutzen. Zugleich ist der waffenschwingende, offenbar in Samuraikünsten ausgebildete Gegenspieler Sanjuros eine derart offensichtliche Übersteigerung des pistolenverliebten US-Helden, dass hier durchaus auch einiges an US-Kritik mitschwingt. Und der Italowestern ist mit all seinen Antihelden, Staubwüsten und Djangos MG-Salven nur die logische Konsequenz eines interkulturellen Austauschs zwischen den USA, Japan und Italien.


    Nach dem nihilistischen Yojimbo-Ende und einer kurzen Pause ging es dann mit Sanjuro, der direkten Fortsetzung weiter. Kurosawa hat Sanjuro immer als kleinen Film bezeichnet, den er vor allem gedreht hat, um genug Geld für seine eigene Produktionsfirma zusammen zu bekommen (und weil Toho in dieser Zeit Auslandsverkäufe als lukrative Geldquelle für sich entdeckte, und Yojimbo ja auch international gut gelaufen war). Ursprünglich schon in der Preproduction, wurde nach dem Erfolg von Yojimbo ein bestehendes Drehbuch einfach auf die Titelfigur des Vorgängers hin umgeschrieben, und wurde so Kurosawas (der ja selbst Erbe der Samuraikaste war) rüdeste Abrechnung mit dem wohletablierten und ehrwürdigen Genre des Jidai-Geki. Alles, was hier traditionelle Samurai- und Kriegskunsttugend ist, wird satirisch durch den Dreck gezogen und als sinnlos/wertlos gebrandmarkt, gleichzeitig ist Sanjuro nach dem letzten Duell regelrecht desillusioniert über die Zukunft des Bushido (das er für sich schon längst überwunden hat). War Yojimbo noch extrem grimmig und nur selten offen komisch, so ist Sanjuro dennoch über weite Strecken ein lustvoller und ja sogar lustiger Film. Toshiro Mifune darf hier seinem komischen Talent für den sich ständig kratzenden, verwahrlosten Ronin nochmal Zucker geben.


    Ich war selbst überrascht, wie stark Sanjuro diesmal gewirkt hat, ich mochte ihn zwar immer, aber tatsächlich ist mir diese starke Abneigung gegen den Ehrenkodex der Samurai, den der Film etwa auch mit Kobayashis Harakiri aus dem gleichen Jahr teilt, vorher nie in gleichem Maße deutlich geworden. Da ist ganz offenkundig eine Entwicklung seit den sieben Samurai geschehen (und umso erstaunlicher, dass Kurosawa kurze Zeit später dann wieder Mifune als ehrenhaften Samurai in Die verborgene Festung eingesetzt hat, wobei der Film auch mehr als eine Sollbruchstelle enthält).

  • Elizabethtown

    Unspannend, ereignisarm, skurril. Und dennoch liebe ich ihn. Elizabethtown ist mein Guilty Pleasure von Cameron Crowe. Ich meine, jeder mag Almost Famous, Jerry Maguire oder Vanilla Sky. Oder zumindestens die meisten. Aber die wenigsten mögen Elizabethtown, oder kennen ihn überhaupt. Dabei hat er allerlei Vorzüge, die sich leicht herausarbeiten lassen.

    Der Soundtrack allein schon ist derart hervorragend und dann auch noch wunderbar organisch in die Filmhandlung eingewoben, dass es eine Wonne ist. Hier kommt Crowes musikalischer Sachverstand seiner Roadiezeit sowie natürlich seinen Jahren beim Rolling Stone Magazine absolut heraus. Ob dann die fiktive Band "Ruckus" den alltime Klassiker Freebird von Lynyrd Skynyrd schmettern dürfen, oder man gen Ende beim Roadtrip den Klängen von Rock'n'Roll, Blues oder Alternative (Wheat - Don't I Hold You) lauschen darf - es ist immer top auf die aktuelle Handlung zugeschnitten und fängt einfach sehr gut die passende Stimmung für die aktuelle Szene ein.

    Viele der Witze sind herrlich komisch und zum totlachen ungestellt - genau wie das echte Leben. Keinesfalls so konstruiert und lakonisch-sarkastisch wie bei Fargo & Co, aber eben auch bei weitem nicht so fäkal-pubertär wie bei den meisten Sandler/Stiller/James-Vehikeln jüngerer Tage. Einfach organisch und mitten aus dem Leben gegriffen eben. Sei das Alec Baldwins selbstironisch-verzweifeltes "I cry a lot lately", Susan Sarandons aberwitzige Autoreparatur, das allseits bekannte Vorstellen entfernter Verwandter und Bekannter auf einer Beerdigung, oder die überragende Szene von Orlando Bloom mit dem betrunkenen Bräutigam in der Nacht vor seiner Hochzeit. Absoluter Chef's Kiss.

    Und da haben wir noch nicht einmal von der Tragik angefangen. Du hast auf Arbeit komplett versagt, daraufhin verlässt dich deine oberflächlich-selbstsüchtige Freundin und dann stirbt während einem Selbstmordversuch auch noch dein Vater. Wie sagt De Niro in Heat? "When it rains, it pours". Und so etwas hat jeder von uns auf die ein oder andere Art und Weise schon einmal erlebt. Dass man am Boden ist, und dann passiert noch etwas Neues, erneut Beschissenes. "Warum ich?". "Wieso jetzt?". Klassische Fragen, die man sich dann stellt. Und unser somit relatierbarer Protagonist stellt sie sich auch. Aber er steht für seine verbliebene Familie ein, lässt alles stehen und liegen und organisiert die Beerdigung und alles drumherum. Dies ist rührend gespielt und bei den gedanklichen Rückblenden auf seinen Vater fragt man sich nicht nur einmal, ob man nicht genug Zeit mit seinen eigenen Eltern verbringt. Wie alt sind sie nun doch schon geworden, wo sind nur all die Jahre hin? Es klingt so bescheuert und so klischeebeladen, aber wenn man ehrlich zu sich selbst ist, dann ist es genau so. Exakt so. Als Kind wollen alle schnellstmöglich groß werden, älter werden, 18 sein. "Machen können, was man will". Dann, wenn es soweit ist, kommt die große Ernüchterung: es ist keine Kohle da. Also Nebenjobs pumpen neben dem Studium. Aber man will ja auch noch ein bisschen leben. Feiern, Durchmachen, Sex haben...und so weiter. Also kündigst du irgendwann wieder, wechselst den Studiengang, schmeißt die Uni vielleicht sogar, und findest dich ein paar Jahre später in einem Beruf wieder, den du ursprünglich eigentlich gar nicht machen wolltest. Spätestens mit 30, 35, wenn dann die ersten Katertage länger als einen Vormittag dauern, der Rücken sich regelmäßig meldet und das Bierbäuchlein über dem früher so strammen Sixpack hinüberlugt, fragt man sich dann doch irgendwann notwendigerweise, wo diese scheiß Zeit eigentlich geblieben ist. "Noch einmal jung sein"...jaja. Das Alter hat noch nicht einmal richtig begonnen, und wir Vollidioten schmettern schon solche Floskeln. Traurig eigentlich. So wie Elizabethtown in seinen besten Momenten.

    Aber zum Glück ist da eben noch die Liebe. Hachja, die Liebe. Kirsten Dunst spielt hier eine anfänglich recht aufdringliche, eher zu nerviger Rastlosigkeit neigende Flugbegleiterin, die unseren Protagonisten trotz Boyfriend nicht aus dem Kopf zu bekommen scheint. Im Laufe des Films lernt man ihre charakterlichen Qualitäten aber definitiv zu schätzen und kommt als heterosexueller Mann wohl nicht umhin, auch ein wenig ins Schwärmen für sie zu verfallen. Zu intelligent, zu witzig, zu ehrlich, zu outgoing, zu hübsch, zu pointiert geschrieben, als dass man ihren tollen on screen Charakter ignorieren könnte. Wenn es so eine Person im echten Leben geben würde, wäre sie meines Erachtens nach ein wunderbarer Mensch, mit dem jeder gern Zeit verbringen würde. Quality time, wie man heutzutage so schön sagt. Warum? Weil sie einem auch Qualität bietet. Sie gibt jedem Gespräch Bedeutung, lässt einen ausreden, ist stets ehrlich neugierig, begeisterungsfähig, offen, lustig, motivierend, gebildet, kreativ, hat Geschmack und steht wohl immer hinter einem. Eine komplette Person, die es so wohl nicht geben wird. Denn wir alle haben Schattenseiten. Schwächen, Probleme, Neurosen, you name it. Und das ist auch gar nicht schlimm. Denn das macht uns einerseits eben menschlich und andererseits gibt es unter anderem dafür ja auch Filme. Dass man für eine Weile aus der Realität fliehen kann. Da darf es dann schon einmal ein so überzeichnet "perfekter" Charakter sein, wie Dunst ihn hier mimt. Kann ich mit leben.

    Ich entfliehe dem Alltag jedenfalls gern mit Elizabethtown und werde es wieder tun. Dann wohl in meiner ~Zehntsichtung.

    Gut, dass die Playstation 5 überhaupt noch DVDs abspielt haha.

    Lg 8.5 mal Rustys Schweigevideo von Michael Bay

  • Elizabethtown

    Unspannend, ereignisarm, skurril. Und dennoch liebe ich ihn. Elizabethtown ist mein Guilty Pleasure von Cameron Crowe. Ich meine, jeder mag Almost Famous, Jerry Maguire oder Vanilla Sky. Oder zumindestens die meisten. Aber die wenigsten mögen Elizabethtown, oder kennen ihn überhaupt. Dabei hat er allerlei Vorzüge, die sich leicht herausarbeiten lassen.

    So, und jetzt bitte genausoviel Text zu Aloha - ich bin gespannt :) Übrigens mag ich Elizabethtown bei weitem lieber als Almost Famous oder Jerry Maguire, und ja, ich weiß dass der Film als Grundlage für das Manic Pixie Dream Girl gedient hat, aber ich seh's als Märchen.

  • und ja, ich weiß dass der Film als Grundlage für das Manic Pixie Dream Girl gedient hat, aber ich seh's als Märchen.

    Nur für den Begriff - den Typus gab es schon länger.
    Wobei der Begriff ja inzwischen zum Glück etwas kritischer genutzt wird.

    Einmal editiert, zuletzt von Huutini ()

  • Archibald Tuttle Der ist sehr, sehr weit oben auf meiner "Must Watch"-Liste, danke für den Reminder! :) Aber da stehen eben leider auch noch Super Mario Bros., The Whale, Babylon, Evil Dead Rise, Into the Spiderverse 2, Pearl, Air, Joy Ride, The Creator, A Haunting in Venice, Catch the Killer, Killers of the Flower Moon, The Ballad Of Songbirds & Snakes, Napoleon, Thanksgiving, Saw X, Godzilla: Minus One, BlackBerry, Aquaman 2, The Iron Claw sowie diverse Serienstaffeln drauf haha. Also ich hänge dieses Jahr gut hinterher. Habe aber fairerweise auch sehr viel Musik gehört, Bücher gelesen und Brettspiele gespielt, was das Mediale so angeht :training: ^^
    Lg

  • Archibald Tuttle Der ist sehr, sehr weit oben auf meiner "Must Watch"-Liste, danke für den Reminder! :) Aber da stehen eben leider auch noch Super Mario Bros., The Whale, Babylon, Evil Dead Rise, Into the Spiderverse 2, Pearl, Air, Joy Ride, The Creator, A Haunting in Venice, Catch the Killer, Killers of the Flower Moon, The Ballad Of Songbirds & Snakes, Napoleon, Thanksgiving, Saw X, Godzilla: Minus One, BlackBerry, Aquaman 2, The Iron Claw sowie diverse Serienstaffeln drauf haha. Also ich hänge dieses Jahr gut hinterher. Habe aber fairerweise auch sehr viel Musik gehört, Bücher gelesen und Brettspiele gespielt, was das Mediale so angeht :training: ^^
    Lg

    Oha, na ich sollte erwähnen dass Aloha aus verschiedenen Gründen wirklich, wirklich schwierig ist - da kann man glaube ich mehr gutes über "Wir bauen einen Zoo" finden... Wenn Du Crowe in guter Erinnerung behalten willst, dann lass ihn vielleicht lieber ganz aus.

  • Butch Cassidy & the Sundance Kid


    Leichtfüßige Western-Komödie mit Paul Newman & Robert Redford als sympathische Bankräuber. Ein wunderbarer Klassiker.



    Little Big Man


    Ein ebenso albern-witziger wie traurig-bitterer Western mit vielen Seitenhieben auf die amerikanische Geschichte und Moral. Dustin Hoffman mäandert zwischen dem Leben bei den Cheyenne und dem Leben bei den weißen Amerikanern hin und her, trifft historische Persönlichkeiten, erlebt Massaker an den Indianern und erlebt den Untergang Custers am Little Big Horn. Helden gibt es in dieser Geschichte keine, dafür um so mehr Betrüger, Feiglinge, Narzissten, Größenwahnsinnige, Mörder und Bigotte. Arthur Penn verpackt die tragikomische Geschichte in epische Bilder. Großes Kino.



    Robocop 2


    Die 1990 erschienene Fortsetzung von Paul Verhoevens Klassiker erreicht weder die atmosphärische Dichte noch die satirische Tiefe des Vorgängers. Der Bösewicht bleibt blass, das Drehbuch dünn, die Gräuschuntermalung der Action driftet teilweise ins Cartoonhafte ab. Ein Schuss in den Ofen.

    we are ugly but we have the music

  • Falls hier irgendjemand den Wunsch auf eine filmgeschichtliche Expedition in unbekannte Gewässer hegt, bietet ARTE bis April eine dazu in Deutschland sehr selten gebotene Gelegenheit. Und ja, mir ist natürlich klar, wie unsexy das klingt, aber vielleicht gibt es ja doch den einen oder die andere Neugierige hier, für die das ein Tipp sein kann:


    Auf dem Streamingportal hat man 10 Filme des japanischen Regisseurs Yasujiro Ozu bereitgestellt, die zum großen Teil seit den 1990ern nicht mehr in deutschen Heimmedien zu sehen waren. Nun ist Ozu wirklich ein "acquired taste", wie der Brite zu sagen pflegt: Nach einer Karriere im Stummfilm, in der er vom Hollywood-Gangsterfilm bis hin zur Harold-Lloyd-Komödie wirklich jedes Genre kopierte und nach Japan versetzte, das ihm vor die Linse kam, beginnt Ozu ab Anfang der 1930er (und das ist in Japan noch vor der Einführung des Tonfilms, der dort aufgrund der Beliebtheit der Kinoerzähler sich erst Mitte der 1930er durchsetzt) mit der Entwicklung einer völlig eigenen Filmsprache. Ozus Filme sehen so aus wie nichts anderes in der Filmgeschichte, er erzählt Geschichten in einem völlig andersartigen und eigenen Stil, der gleichzeitig völlig normal und harmonisch wirkt wenn man sich daran gewöhnt hat. Die Kamera sitzt dabei auf einer Tatamimatte in Bodennähe neben den Schauspielern, die Achsenregel ignoriert Ozu durchgängig, und der Schnitt funktioniert eher assoziativ denn dramaturgisch-überleitend. Szenen werden fast immer durch fahrende Transportmittel verbunden. Es gibt ganze Bücher über Ozus Stil, aber was viel wichtiger ist: Er ist dadurch unglaublich nahe an den Figuren dran. Einen bewegenderen Film als "Die Reise nach Tokio" (auch auf Arte verfügbar und regelmäßig von der Sight&Sound zu einem der drei wichtigsten Filme aller Zeiten gewählt) gibt es schlicht nicht. Guten Morgen ist eine herrlich verspielte Komödie über eine unbeschwerte Kindheit, eine Studie über das japanische Klassensystem und zugleich eine Satire auf die Einführung des Fernsehens in Japan (wie auch immer das zusammenpasst, hier tut es das). Und der zuvor in Deutschland noch nie im Fernsehen gezeigte "Tokio in der Dämmerung" dürfte zu den traurigsten Dramen der Filmgeschichte gehören.


    Arte zeigt die vor wenigen Jahren aufwendig beim BFI und Shochiku restaurierten Fassungen im Original mit Untertiteln - fast ein bisschen schade, dass die alten ARD-Synchronisationen aus den 1960ern, mit denen Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder und Doris Dörrie ihre Liebe zu Ozu fanden, nicht ebenfalls angeboten werden. Die ARD hat die Filme damals völlig unwissend über den Status des Regisseurs eingekauft und gezeigt, als noch niemand im Westen über Ozu sprach - man wollte Filme über das Gegenwartsleben in Japan zeigen und machte auf diesem Wege einen damals unbekannten Meister der Filmgeschichte gerade bei den Filmemachern des Neuen Deutschen Films populär. So sind sie, die Ironien der Filmgeschichte.


    Also, wer nur etwas experimentierfreudig ist, der sollte diese wahrscheinlich ziemlich einmalige Gelegenheit nutzen und wenigstens mal in den unterhaltsamen "Guten Morgen" reinsehen - oder gleich an der Sight&Sound-Liste arbeiten, auf der noch einige in Deutschland weitgehend unbekannte Filme stehen, wie etwa Satyajit Rays Apu-Trilogie.



    Groooooßer Sprung, aber ebenfalls noch kurz der Hinweis, dass Netflix jetzt Jawan im Angebot hat - der neueste Shah-Rukh-Khan-Film aus Bollywood, der von einem südindischen Team gedreht wurde und auch so aussieht. Aktuell der zweiterfolgreichste Hindi-Film aller Zeiten, handelt es sich um eine ziemlich krude aber sehr unterhaltsame Doppelrolle für SRK als Gefängnisleiter mit Doppelleben, man könnte ihn vielleicht als eine Mischung aus Inside Man, Expendables und Gesetz der Rache beschreiben - in jedem Fall wird man solche Actionszenen wie hier nirgends sonst sehen. Ich bin im Kino mehrfach vor ungläubigem Lachen vom Stuhl gefallen, was mir in langen Jahren nicht mehr passiert ist (damit will ich gar nichts schlechtes über den Film sagen, der ist so wie er ist perfekt inszeniert). Also, wenn man nur einen indischen Film im Leben sehen will, dann RRR - aber Jawan darf dann gerne der zweite sein, wenn man Blut geleckt hat.

  • Eine ganz kurze Empfehlung, und leider in Deutschland nur auf DVD verfügbar: Tiger Bay von J. Lee Thompson, ein britischer Kriminalfilm (?) mit Horst Buchholz und Hayley Mills. Geständnis: Obwohl der Film als Klassiker gilt, Hayley Mills damals immerhin mit 12 Jahren den Silbernen Bären als beste Darstellerin gewann und ich Horst Buchholz als Schauspieler überaus schätze, war der Film mir bis heute durch die Lappen gegangen.


    Tiger Bay bezeichnet eine Bucht im Hafen von Cardiff, in der ein polnischer Seemann (Buchholz) nach seiner Verlobten sucht, die er von den sieben Weltmeeren aus finanziell unterstützt hat. Als er sie endlich findet, muss er feststellen, dass sie längst einen anderen Mann hat. Aus Wut erschießt er sie - und wird dabei von einer weniger erschreckten als vielmehr faszinierten 12jährigen beobachtet, die nun den Revolver, mit dem die Tat begangen wurde, in ihren Besitz bringt. Der Film wirkt mit seinem in allen Schattierungen von Grau gezeichneten Figurenpersonal als wäre das Drehbuch heute geschrieben, das könnte man so immer noch verfilmen. Was man dann nicht hätte? DIe 12jährige Hayley Mills, die hier die beste Kinderperformance abliefert, die ich je gesehen habe. Ich kannte sie nur aus einigen Disney-Rollen (u.a. The Parent Trap, der auf Kästners doppeltem Lottchen basiert), wo sie schon fast zu alt für das Tomboy-Girl war, aber das hier ist eine ganz andere Liga: Die Faszination für die Waffe und den Mörder ist fast schon spürbar, eine (platonische) Liebesgeschichte mehr als deutlich. Lange nichts mehr aus den 1950ern gesehen, was so ungeheure Sollbruchstellen gegenüber der damaligen Moral mitbringt.


    Warum habe ich den Film bisher gemieden? Nun, J. Lee Thompson gilt als schlimmer "Hack", also als Regisseur, der immer nur so gut wie seine Crew war, und der ab den 1970ern wirklich viel Mist gedreht hat (darunter quasi das komplette Spätwerk von Charles Bronson bei Carolco). Dabei hat er sogar gleich zwei weitere meiner Lieblingsfilme zu verantworten: Die Kanonen von Navarone und Ein Köder für die Bestie (den Martin Scorsese dann als Kap der Angst nochmal verbesserte). Aber dieser noch recht frühe Film zeigt, dass er echtes Talent für soziale Authentizität und das british realist cinema hatte, noch bevor das in den 1960ern internationale Erfolge feiern konnte.


    Schön, dass man nach zigtausenden gesehenen Filmen doch noch Meisterwerke entdecken kann - ich kann's nur jedem empfehlen, den hier nachzuholen (oder kennt ihr den alle und er war nur bei mir eine echte Bildungslücke?).


    Ach ja, die UHD zu Carrie durfte auch endlich mal in den Player wandern. Capelight wird sie 2024 auch in Deutschland rausbringen, daher schonmal ein kurzes Fazit: Absolut lohnend. Der Film hatte es auf Heimmedien nie leicht - NTSC heißt nicht umsonst "never the same colour", und rot ist nunmal farbdramaturgisch zentral für den Film. Das kam bisher nie so gut rüber wie hier in Dolby Vision (die HDR-Fassung sieht natürlich auch schon gut aus, in DV brilliert das Rot noch etwas mehr und geht in Richtung des berühmten Technicolor-Rottons, der in der Natur nicht vorkommt). Aber auch das Filmkorn ist erneut extrem authentisch für einen Film der 1970er - nicht so hart körnig wie die bisherigen DVDs und BluRays, und auch die durch einen Gaze-Schleier gefilmten Szenen sehen hier endlich mal nicht so aus, als wäre die Linse verschmiert gewesen. Am wichtigsten aber ist die Schärfentiefe, der Film arbeitet an mehreren Stellen damit, Hintergrundgeschehen auch wirklich im Hintergrund oder per Splitscreen zu zeigen, und die verbesserte Auflösung hilft hier immens. Wer den Film immer schon mochte, bekommt hier eine perfekte Fassung fürs Heimkino, und wer ihn noch nicht kennt, sollte das dringend nachholen.

  • Ach ja, die UHD zu Carrie durfte auch endlich mal in den Player wandern. Capelight wird sie 2024 auch in Deutschland rausbringen, daher schonmal ein kurzes Fazit: Absolut lohnend. Der Film hatte es auf Heimmedien nie leicht - NTSC heißt nicht umsonst "never the same colour", und rot ist nunmal farbdramaturgisch zentral für den Film. Das kam bisher nie so gut rüber wie hier in Dolby Vision (die HDR-Fassung sieht natürlich auch schon gut aus, in DV brilliert das Rot noch etwas mehr und geht in Richtung des berühmten Technicolor-Rottons, der in der Natur nicht vorkommt). Aber auch das Filmkorn ist erneut extrem authentisch für einen Film der 1970er - nicht so hart körnig wie die bisherigen DVDs und BluRays, und auch die durch einen Gaze-Schleier gefilmten Szenen sehen hier endlich mal nicht so aus, als wäre die Linse verschmiert gewesen. Am wichtigsten aber ist die Schärfentiefe, der Film arbeitet an mehreren Stellen damit, Hintergrundgeschehen auch wirklich im Hintergrund oder per Splitscreen zu zeigen, und die verbesserte Auflösung hilft hier immens. Wer den Film immer schon mochte, bekommt hier eine perfekte Fassung fürs Heimkino, und wer ihn noch nicht kennt, sollte das dringend nachholen.

    Ich muss ja gestehen, dass ich Carrie - vor allem die Anfangssequenz - mit buchstäblich ganz anderem Blick sehe, seit dieser (auch sehr lohnenswerten) Doku hier.
    https://www.arte.tv/de/videos/…nwashed-sexismus-im-kino/

    Allerdings fand ich Carrie auch noch nie einen wirklich sehenswerten Film, von daher ist das jetzt bei mir kein großer Verlust, dass ich ihn noch weniger mag. :)

    Einmal editiert, zuletzt von Huutini ()

  • Du bist immer wieder witzig! Nach so einer Einführung folgt dann erstmal ein seitenlanger Post... Zum Glück war es keine lange Empfehlung! ;)

    wart's nur ab, wenn ich hier Mal die UHD von Lawrence von Arabien empfehle...


    Aber ja, war dann länger als gedacht.


    Huutini ich fand die Doku nahezu unaushaltbar. Das ist sowas von 70er-Jahre-Molly-Haskell-Feminismus, da sind wir wissenschaftlich schon um einiges weiter. Ich sehe da auch keine Sonderstellung bei Carrie, mit den Argumenten kannst du nahezu jeden Film dieses Jahrgangs abwerten. Im Gegenteil, ein Film wir Carrie bietet genug Potential für Gegenlektüren. Man kann Carrie sehr schnell zu einer Heldin umdeklarieren, die Duschszene als Metakommentar zum Male Gaze lesen etc.


    Dass Dir der Film nicht gefällt, ist natürlich deine Sache. Macht für mich die Argumentation der Doku aber jetzt nicht schlüssiger. Wenn du deren Konzepte ernst nimmst, gehört jeder Film vor 2015 in den Giftschrank.

  • Wenn es mir vorrangig um die Frauenrollen geht, gehören ja auch viele ältere Filme in den Giftschrank. Wie viele wir da schon ausgemacht haben, weil es einfach super unangenehm war.

    Nunja, an der Stelle springt mein Filmhistorikerherz natürlich im Quadrat. Also: Zum einen gibt es wahnsinnig viele ältere Filme mit tollen Frauenrollen - und nein, da muss man Ingmar Bergman und Konsorten gucken, da reicht auch der klassische Women's Film und das Melodrama des Hollywoodkinos. So problematisch etwa Vom Winde verweht in der Darstellung der Sklaverei und der african americans ist, so wunderbar funktionieren Scarlett und Melanie auch heute noch als toughe Frauen mit eigenem Kopf. Es ist eine ganze Parade von großen Schauspielerinnen, die mir im Kopf rumspuken, wenn ich an starke, tolle Frauenrollen denke: Shirley MacLaine, Doris Day (ja wirklich), Katharine Hepburn, Myrna Loy, Anna Magnani, Jill Clayburgh, Mae West, Rosalind Russell, Joan Crawford, Bette Davis, Patricia Neal, Faye Dunaway, Ellen Burstyn, Sally Field, Sophia Loren, Hildegard Knef, Marlene Dietrich, Miou Miou, Jeanne Moreau, etc etc.

    Zum anderen kann man aber doch nicht ganze filmgeschichtliche Schubladen versiegeln, weil die darin enthaltenen Darstellungen misogyn sind. Dann sind Italo-Western, Giallo, große Teile des deutschen Nachkriegsfilms minus die Landärztin, der Film Noir alle tabu. Es ist doch viel spannender auf die Bruchstellen dieser Filme zu achten: In keinem Genre decouvriert sich Machismo so sehr als Soziopathie wie im Giallo. Kein anderes Genre bricht Männlichkeitsstereotypien so gut auf wie der Italo-Western. Der Film Noir kann sehr, sehr leicht (und da gibt es dutzende feministisch inspirierte Studien zu) gegengelesen werden, die Femme Fatale ist zumeist eine Interpretationsleistung des Zuschauers oder des Erzählers (bestes Beispiel etwa Gilda, wo niemand mir erklären kann, wieso die Figur als klassische Femme Fatale gilt), vielmehr geht es vielen Beiträgen des Genres ostentativ viel eher darum, die Frau nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in ihre angestammte Position in der Küche zurückzudrängen. All das sind spannende Filme, auf die ich nicht verzichten will. Dass man zukünftig vor die meisten frühen Eastwoods gerne einen Disclaimer packen sollte, der auf die Standardvergewaltigung durch den Helden in Minute 38 hinweist - geschenkt.

  • Zum anderen kann man aber doch nicht ganze filmgeschichtliche Schubladen versiegeln, weil die darin enthaltenen Darstellungen misogyn sind. Dann sind Italo-Western, Giallo, große Teile des deutschen Nachkriegsfilms minus die Landärztin, der Film Noir alle tabu.

    Sicherlich ist das nicht notwendig, aber der Filmhistoriker wird auch zustimmen, dass der Konsum als Unterhaltung im heutigen Kontext nicht mehr so bruchlos funktioniert wie im Entstehungszeitraum ;)

    "There are only three forms of high art: the symphony, the illustrated children's book, and the board game."

    D. Oswald Heist

    Einmal editiert, zuletzt von PalioDeMonte ()

  • Zum anderen kann man aber doch nicht ganze filmgeschichtliche Schubladen versiegeln, weil die darin enthaltenen Darstellungen misogyn sind. Dann sind Italo-Western, Giallo, große Teile des deutschen Nachkriegsfilms minus die Landärztin, der Film Noir alle tabu.

    Sicherlich ist das nicht notwendig, aber der Filmhistoriker wird auch zustimmen, dass der Komsum als Unterhaltung im heutigen Kontext nicht mehr so bruchlos funktioniert wie im Entstehungszeitraum ;)

    Problem dabei ist: Film ist ein kommerzielles Medium. Je mehr ich Dinge als "unzeigbar" oder "nicht für die Konsumption geeignet" befinde, desto mehr Blindstellen löse ich aus. Getreu dem Motto "Wer aus der Geschichte nichts lernt ist dazu verdammt sie zu wiederholen" bin ich hier eindeutig auf der Seite, dass fast alles gezeigt werden sollte, wenn man es denn entsprechend rahmt.


    Aber das ist ja eh eine akademische Diskussion: zumindest im deutschen Kontext ist alles, was älter als 2000 ist, mit wenigen Ausnahmen eh nicht im Streaming verfügbar, in einer ungünstigen Mischung aus komplizierter Rechtslage, teuren Lizenzen und Desinteresse beim Publikum, die man von alten Filmen schlicht schon entwöhnt hat.


    Ein Verleih hat sich Winnetou zur Wiederaufführung im Dezember geschnappt (der gleiche, der auch die Raumpatrouille ins Kino bringt, die ja auch eine ganz schlimm misogyne Episode hat), ich bin mal gespannt, ob das irgendwo überhaupt auch nur bemerkt wird und wer es dann zeigt.

  • Problem dabei ist: Film ist ein kommerzielles Medium. Je mehr ich Dinge als "unzeigbar" oder "nicht für die Konsumption geeignet" befinde, desto mehr Blindstellen löse ich aus. Getreu dem Motto "Wer aus der Geschichte nichts lernt ist dazu verdammt sie zu wiederholen" bin ich hier eindeutig auf der Seite, dass fast alles gezeigt werden sollte, wenn man es denn entsprechend rahmt.

    Ich hatte Nico da halt vor allem so verstanden, dass es ihm darum ging, dass er die Sachen "unguckbar" fand, nicht um eine Forderung nach Gatekeeping. Ist ja auch so, dass ich meiner Frau "Der Dritte Mann" nicht vorschlage, wenn sie Lust auf "irgendein Thriller" hat. Sondern wenn sie in der Stimmung für Filmgeschichte ist ;)

    Ansonsten völlig d'accord ^^

    "There are only three forms of high art: the symphony, the illustrated children's book, and the board game."

    D. Oswald Heist

  • Ich hatte Nico da halt vor allem so verstanden, dass es ihm darum ging, dass er die Sachen "unguckbar" fand, nicht um eine Forderung nach Gatekeeping. Ist ja auch so, dass ich meiner Frau "Der Dritte Mann" nicht vorschlage, wenn sie Lust auf "irgendein Thriller" hat. Sondern wenn sie in der Stimmung für Filmgeschichte ist ;)

    Ansonsten völlig d'accord ^^

    Ich bin mal böse: Aus meiner Sicht ein Fehler - der Dritte Mann funktioniert als Thriller doch heute noch hervorragend :). Vor allem, wenn man dann danach wochenlang beim Kochen noch die Radio-"Adventures of Harry Lime" mit Orson Welles unnachahmlicher Stimme hören kann.


    Aber ja, ich weiß natürlich was Du meinst, war jetzt nur für mich das falsche Beispiel. In Kursen/Filmreihen zu Thrillern war ich immer wieder überrascht, wie gut "Die 27. Etage", "36 Stunden", "18 Stunden bis zur Ewigkeit" oder auch nur "Charade" heute noch funktionieren und auch als Thriller wahrgenommen werden, die DNA ist da immer noch vorhanden.

  • Wenn es mir vorrangig um die Frauenrollen geht, gehören ja auch viele ältere Filme in den Giftschrank. Wie viele wir da schon ausgemacht haben, weil es einfach super unangenehm war.

    Nunja, an der Stelle springt mein Filmhistorikerherz natürlich im Quadrat. Also: Zum einen gibt es wahnsinnig viele ältere Filme mit tollen Frauenrollen - und nein, da muss man Ingmar Bergman und Konsorten gucken, da reicht auch der klassische Women's Film und das Melodrama des Hollywoodkinos. So problematisch etwa Vom Winde verweht in der Darstellung der Sklaverei und der african americans ist, so wunderbar funktionieren Scarlett und Melanie auch heute noch als toughe Frauen mit eigenem Kopf. Es ist eine ganze Parade von großen Schauspielerinnen, die mir im Kopf rumspuken, wenn ich an starke, tolle Frauenrollen denke: Shirley MacLaine, Doris Day (ja wirklich), Katharine Hepburn, Myrna Loy, Anna Magnani, Jill Clayburgh, Mae West, Rosalind Russell, Joan Crawford, Bette Davis, Patricia Neal, Faye Dunaway, Ellen Burstyn, Sally Field, Sophia Loren, Hildegard Knef, Marlene Dietrich, Miou Miou, Jeanne Moreau, etc etc.

    Zum anderen kann man aber doch nicht ganze filmgeschichtliche Schubladen versiegeln, weil die darin enthaltenen Darstellungen misogyn sind. Dann sind Italo-Western, Giallo, große Teile des deutschen Nachkriegsfilms minus die Landärztin, der Film Noir alle tabu. Es ist doch viel spannender auf die Bruchstellen dieser Filme zu achten: In keinem Genre decouvriert sich Machismo so sehr als Soziopathie wie im Giallo. Kein anderes Genre bricht Männlichkeitsstereotypien so gut auf wie der Italo-Western. Der Film Noir kann sehr, sehr leicht (und da gibt es dutzende feministisch inspirierte Studien zu) gegengelesen werden, die Femme Fatale ist zumeist eine Interpretationsleistung des Zuschauers oder des Erzählers (bestes Beispiel etwa Gilda, wo niemand mir erklären kann, wieso die Figur als klassische Femme Fatale gilt), vielmehr geht es vielen Beiträgen des Genres ostentativ viel eher darum, die Frau nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in ihre angestammte Position in der Küche zurückzudrängen. All das sind spannende Filme, auf die ich nicht verzichten will. Dass man zukünftig vor die meisten frühen Eastwoods gerne einen Disclaimer packen sollte, der auf die Standardvergewaltigung durch den Helden in Minute 38 hinweist - geschenkt.

    Ich stimme dir da vollkommen zu, anderes habe ich auch nie gesagt. Die fett markierten Stellen schließen sich ja nicht aus.


    Nur mal so 2 Beispiele:

    Indiana Jones und der Tempel des Todes. Der Anfang ist unerträglich. Alter Schwede.

    Anchorman. Ich hätte ihn nicht nochmal anfangen sollen, hatte ihn gut und witzig in Erinnerung.


    Zwei Filme, die ich erneut gucken wollte, es aber einfach nicht geschafft habe. Und das ist auch völlig ok so. Es gibt, wie du sagst, Filme in denen solche Rollen und Stereotype vorkommen, die man immer noch sehr, sehr gut gucken kann. Und es gibt Filme, wo das eben nicht mehr geht, meiner Meinung nach. Da ist einfach irgendwann Schluss bei mir. Das ist wie

    manchen Leuten zuhören. Das ist in kurzen Dosen in Ordnung, aber es macht dich auf Dauer einfach wütend.