Wo bleiben eigentlich...

  • Innovationsgrad im Brettspielbereich ist mir... 45

    1. Ausreichend (27) 60%
    2. Zu wenig (12) 27%
    3. Innovationsgrad? Wo? (4) 9%
    4. Keine Ahnung (2) 4%
    5. Zu viel (0) 0%

    ...die nächsten Innovationen im Brettspielbereich (Mechanismen, ...)?


    Das Problem ist glaube ich, dass die Autoren entweder schon ewig in der Spielebranche unterwegs sind (auch die Redakteure) und somit auf Alt-Bewährtes, da kein Risiko setzen und damit maximal für Evolution aber nicht für Revolution taugen. Und auch Kickstarter-Spiele sind hier in der Regel nicht von mehr Innovation geprägt...


    Wahrscheinlich ist Innovation gepaart aus Quereinsteiger-Autor mit Glücksmoment i.S. Veröffentlichung.
    Ich habe mal selber angefangen ein Spiel zu entwickeln und man merkt doch, dass man aufgrund seiner Erfahrung schnell in bestimmte Bahnen gelenkt wird, die wenig innovativ sind. Das freie Denken ist sozusagen blockiert.


    In meiner aktiven Spielzeit habe ich als Innovationen LCG, Deckbuilding und Worker Placement wahrgenommen... Das war es schon. Für einen eigentlich kreativen Bereich ohne Grenzen (Betriebswirtschaft mal aussen vor) ziemlich mager für rd. 10 Jahre.


    Will man nicht, kann man nicht oder was ist da los?
    Wie seht ihr das?


    Ist eventuell die Einstiegshürde für Quereinstieger in die Spieleentwicklung zu hoch? Z.B. durch Blockade durch die Platzhirsche, eingeschränkte Verdienstmöglichkeiten, fehlende Transparenz im Brettspielbereich, wenig experimentierfreudige Kundschaft, ...


    Wie könnte Innovation überhaupt aussehen? Spielmechanik, Spielthema, Spielmaterial, Vertriebskanal, ...

    "We are the unknowns. Lower your shields and surrender your ships. We will add your biological and technological distinctiveness to our own. Your culture will adapt to service us. Resistance is futile."


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  • Innovation wird auch immer von dem Vielspielern gefordert. Wie oft höre ich aber von anderen "Aber bitte ein Spiel das ich kenne".
    Der große Markt braucht keine Innovation. Ich sag auch immer "Der Markt bekommt immer das was er fordert".


    Demgegenüber gibt es aber auch Innovationen (Hypridspiele...) Da ist nur noch nichts für uns Vielspielern dabei. Was auch einfach daran liegt das man das nicht mal so einfach daheim machen kann. Da brauche ich ein Team mit Programmierer, Grafiker etc. und die Arbeiten meist nicht für umsonst. Es gibt aber auch ein paar Teams die an soetwas arbeiten...


    Zitat

    Das Problem ist glaube ich, dass die Autoren entweder schon ewig in der Spielebrqnche.....


    Daran ist sicherlich etwas warens dran. Es liegt aber wieder nicht an den Auoren oder den Redakteuren sondern daran das eben auch ein Feld, Rosenberg einfach läuft und nachgefragt wird. Der Vorteil dieser bekannten Autoren ist, dass sie schon ganz früh auf einen Verlag zugehen können (wenn sie nicht sogar einen Hausverlag haben). Das heißt diese Autoren könnten eigentliche Innovatives vorrantreiben.


    Ein Uwe Rosenberg kann das aber auch nur bedingt, da er einfach auch ein paar Spiele verkaufen muss. So ein Stefan Feld hätte meiner Meinung nach die besten möglichkeiten. Er lebt nicht von den Spielen und hat genug Erfahrung und Kontakte. Vielleicht hat er aber auch einfach nicht das Bedürfniss nach großen Innovationen.


    Im Computerspielbereich haben wir das selbe Problem. Die Blockbuster bestechen durch große Geschichte, fetten Grafiken, gutes Gameplay etc. Innovation sieht aber anders aus. Für Innovation sorgen die Indiespiele. Das sind aber Idealisten. Bei Computerspielen habe ich zwar große Entwicklungskosten. Das Spiel dann aber zu puplizieren ist günstig. Deshalb gibt es hier doch mal die eine oder andere Innovation. Ich habe ja gedacht das durch Crowdfounding neue Spielkonzepte ausprobiert werden. Das Problem ist aber das der Markt auch bei Crowdfounding eher altbekanntes kauft. Ich habe jedenfalls noch kein total verrücktes Spielkonzept endeckt.


    Zitat

    Wie könnte Innovation überhaupt aussehen? Spielmechanik, Spielthema, Spielmaterial, Vertriebskanal, ...


    Bei Spielthemen halte ich kaum noch Innovationsmöglichkeiten. Wobei es nach wie vor wenig Spiele gibt wo das Thema einen richtig aufsaugt.


    Spielmaterial: Geht immer. Ich denke das ist ein Feld das noch lange nicht ausgeschöpft ist. Hier bleibt aber eben die Frage welcher Verlag will es machen. Denn Spielmaterial ala Rubik Cube etc. sind nicht einfach mal so zum produzieren.


    Vertreibskanal: Könnte mir vorstellen das ein kleiner Verlag in einem recht frühen Enwicklungsstand Print and Play Spiele verkauft und mithilfe des Feedbacks der Spieler das Spiel zu ende entwickelt. Der Vorteil für die Tester. Sie bekommen das Spiel am Ende günstiger. Im Videobereich gibt es sowas ja durchaus.


    Spielmechanik: Sind wir sicherlich noch nicht am Ende. Wobei wenn ich wüsste in welche Richtung es gehen sollte ich es schon längst getan hätte. Ich mein die Begriffe Deckbuilding aber auch Workerplacement das sind Trends. Die Idee davon sind schon viel früher entstanden. Die Spiele welche die Idee aber hatten wurden oft nicht der große Titel. Erst durch die konsequente Weiterentwicklung sind dann Perlen ala Carcassone, Dominion, Calyus/Agricola entstanden.

  • Mit den Innovationen denke ich, ist das so wie in so Bereichen wie der Musik auch: Es gibt gedacht unendliche Möglichkeiten, die aber praktisch durch ihren Nutzen limitiert sind. Beim Spiel muss ja irgendwie sichergestellt werden, dass alle regelmäßig an die Reihe kommen, es eine gewisse Interaktion zwischen die Spielern gibt etc. Da wurden viele Mechanismen ja schon bereits getestet und verworfen.


    Letztlich liegen die Innovationen wie bei der Musik dann eher in der Kombination oder der Neuinterpretation bestimmter Mechanismen. Innovativ fand ich zum Beispiel die Bounce-Idee bei Euphoria. Das ist ein neuer Twist des Workerplacements für mich. Wirklich große Innovationen wird man sicherlich nicht sehr oft finden. Wie gesagt: Was gab es denn wirklich Neues in der Musik in den letzten 20 Jahren?


    Aber es gibt durchaus noch Ideen, auf die ich warte. Bei CoSims z.B. hoffe ich immer noch auf einen komfortablen "double blind"-Mechanismus, der Bewegungen erlaubt, die der Gegner erst zu spät erkennen kann.

  • Wo bleiben eigentlich...


    Hallo Christian,


    ... einstaubend im Regal des Redakteurs!!??


    Das Konsumverhalten der Zielgruppe und die Veröffentlichung von Innovation stehen kontrovers gegenüber.
    Der Kunde ist damit zufrieden, Bewährtes vorgesetzt zu bekommen - Innovation würden ihn nur viel zu sehr aufregen. ;)


    Fifth Avenue (ja - was war das denn?) galt in der Rehe zu seiner Zeit als innovativ und wurde vom Kunden dafür gestraft. Der Feld hat inzwischen schon ein Problem, wenn seine Neuen nicht einem bestimmten Schema entsprechen.


    Wer kann es sich leisten, die Szene mit Innovationen zu konfrontieren, der eine größere, aufrecht zu erhaltene Maschinerie an den Hacken hat?


    Liebe Grüße
    Nils

  • Also mir genügen innovative Mechanismen wie z. B. der Würfeleinsetzmechanismus von Bora Bora.
    Der Verhandeln-und-dennoch-einer-Strategie-folgen-Mechanismus von Die Händler von Genua ist heute noch frisch. Zudem gibt es so viele gute Spiele, dass ich für einige Jahre auf neue Spiele und demzufolge neue Mechanismen verzichten könnte.

  • Ich finde den Vergleich mit Szene-Musik ziemlich treffend. Da gibt es genau das selbe Phänomen von Kreativen, die sich ganz überwiegend aus der Fangemeinde rekrutieren. Innovation bedeutet dort auch entweder nur schon Vorhandenes neu zu kombinieren, oder es bedeutet: Radikalität, und somit Schaffung einer neuen Stilrichung. Ich wüsste schon ein paar Beispiele für neue Entwicklungen im musikalischen Bereich, aber manches davon hat sich nicht durchgesetzt (z.B. Elektro-Elemente im extremen Metal, was in die Kategorie "Kombination von bereits Vorhandenem" fällt) oder ist eben so radikal, dass es kein normaler Mensch anhören kann.
    Innovation in Bereich der Brettspiele funktioniert da ähnlich: Man kann Mechaniken quantitativ varriieren, oder aber durch radikale Ansätze ein qualitativ ganz neues Subgenre schaffen, wie beispielsweise dadurch, jede Interaktion abschaffen, oder eine möglichst detaillierte Simulation zu entwerfen, oder andererseits die stimmige Umsetzung eines Themas zur höchsten Priorität zu erheben.


    Das als grundlegender Gedanke, sprich: Innovation muss sich nicht auf Mechaniken oder Medien beschränken, sondern kann auch auf die meta-Ebene abzielen.


    Ich bin jetzt nicht so der krasse Vielspieler, dass ich für mich in Anspruch nehmen kann, über alle Entwicklungen bestens informiert zu sein. Ich denke aber, bei der Masse an Neuveröffentlichungen müssten eigentlich jede Menge innovativer Ideen vorhanden sein, seien es thematische Ansätze, mechanische, oder das Artwork betreffend (z.B. Mushroom Eaters). WIr nehmen die aber vielleicht nur nicht zur Kenntnis, weil die in der Masse untergehen, oder weil das betreffende Spiel insgesamt trotzdem schlecht ist oder aus sonstigen Gründen nicht beachtet wird (infantiles Artwork, unverständliches Regelwerk, schlechtes Marketing, Tom Vasel schmeißt es vom Dach blabla...). Ich denke da natürlich an die ganzen halbgaren Kickstarter. Um die Zahlen einmal zu verdeutlichen: BGG listet für 2013 im Mittel JEDEN TAG 10 Neueinträge in die Datenbank (seit 1983 verdoppelt sich diese Zahl etwa alle 10 Jahre, nebenbei bemerkt). Klar, was ich meine? Da muss einfach mehr drinstecken, als wir zur Kenntnis nehmen können.


    Insgesamt finde ich übrigens die Sache mit den Innovationen eher zweitrangig. Wichtig ist für mich, ob es als soziale Aktivität funktioniert, und dabei am besten noch thematisch und - ja, ich stehe dazu - auch schön anzukucken ist. Dominion war beipielsweise zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung innovativ - ich finds trotzdem scheiße. Battlestar Galactica ist eine aufgeblähte 3-Stunden-Version von Werwolf, hat alles bei Camlot geklaut und bietet mechanisch nichts neues? Mir egal, ich finds geil, weil es genau das bietet, was ich von einem Spiel haben will.


    Will sagen: Ich brauche eigentlich keine Innovation, so lange ein Spiel auf der thematisch/sozialen Ebene funktioniert, oder besser funktioniert, als andere Spiele.... Diesen Gedanken weitergedacht: Wenn jemand ein Spiel auf dieser Ebene auf eine neue Innovationsstufe heben möchte, könnte man es wahrscheinlich stärker vom Medium lösen, und zwar nicht nur Richtung Einbindung anderer Medien, sondern direkt auf die soziale Ebene anzielend, also Richtung Scotland-Yard-Liveaction-Spiele oder Schach-Boxen.


    So, das als kleine Gedankensammlung ohne echten roten Faden hierzu. ;)

    (Übrigens: Hör ich da zufällig irgendwas von wegen "Hey, Dominion war mechanisch überhaupt nicht innovativ", oder so...? ;) Kann sein, das weiß ich nicht genau, aber das ist eben das, was ich meinte: Ausprobiert wird viel, die Ideen sind wahrscheinlich da, nur schlägt das aus verschiedenen Gründen nicht zwangsläufig durch.)

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  • Innovationen finde ich persönlich gut, eben weil mich Wiederholungen auf Dauer langweilen. Bei 800+ Neuheiten pro Jahr sollten eigentlich ein paar Spiele immer dabei sein, die innovative Ideen bieten. Nur ist Innovation alleine wenig wert, wenn das restliche Spiel drumherum schlicht nicht funktioniert oder keinen Spass macht. So erlebt bei City Council, das ein paar neue Ideen in das Städtebau-Genre getragen hat, aber ein so mieses Regelwerk hat und zudem an einigen Stellen nicht ausreichend ausgetestet scheint, dass die Innovationen des Spiels unbedeutend werden.


    Deshalb: Innovationen gerne, aber dann bitte auch zuende gedacht. Weil bei einigen Neuheiten, die im zu engen Umfeld der Autoren gereift sind, merkt man doch leider, dass die zwar voller Leidenschaft und Euphorie für das eigene Spiel stecken, aber ein ausreichender Abstand zum Endprodukt fehlt, um Fallstricke und Unzulänglichkeiten vor (!) der Veröffentlichung zu erkennen. Am Ende des Tages sind mir sehr gut spielbare Spiele mit bekannten und bewährten Mechanismen-Themen-Mix deshalb lieber als unausgereifte Innovationen.

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  • Ich glaube, dass es einer natürliche Entwicklung in einem immer breiter werdenden Markt ist. Die Entwicklung und Qualitätssteigerung des Brettspielangebots war in den letzten 20 Jahren enorm. Je weiter sich der Markt entwickelt, umso schwieriger wird es bahnbrechende neue Konzepte zu entwickeln.


    Man könnte mal einen vergleichenden Blick auf den Markt für Videospiele werfen. Mit steigender Rechnerleistung sind auch dort in den letzten Jahren massive Entwicklungssprünge zu beobachten gewesen. Doch die letzten großen Innovationen sind auch dort im Mainstream-Bereich schon eine Weile her. Neue Konzepte und Ideen finden sich zunehmend im independent Bereich, während die großen Entwickler eher auf Bewährtes setzen. Bestes Beispiel ist die jährliche Fifa-Ausgabe... Jedes Jahr den Kader aktualisieren, die Grafik aufhübschen und ein paar Kleinigkeiten verbessern, ist sicherlich nicht der Gipfel der Innovation. Aber es ist das, was der Markt haben möchte und jedes Jahr auf's neue bezahlt.

  • Bestes Beispiel ist die jährliche Fifa-Ausgabe... Jedes Jahr den Kader aktualisieren, die Grafik aufhübschen und ein paar Kleinigkeiten verbessern, ist sicherlich nicht der Gipfel der Innovation. Aber es ist das, was der Markt haben möchte und jedes Jahr auf's neue bezahlt.


    Ist zwar etwas Off-Topic, aber gerade FIFA beweist auf der PS4, wie es auch wieder rückwärts gehen kann (Stichworte: Weglassen des Offline-Turniermodus, ...). Die einzige Innovation im "Software-Markt" sind seit es App-Stores gibt die In-App Käufe, mit denen die Endanwender gemolken werden. Und EA Sports versucht das auch. Diese Innovation möchte ich definitiv nicht im Brettspielbereich haben. Grundspiel kostenlos und dann zig Euronen für die spielbaren Inhalte. Das ist vielleicht in Ansätzen damals im TCG Bereich so gewesen - im LCG Bereich nur noch abgeschwächt.

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  • Grundspiel kostenlos und dann zig Euronen für die spielbaren Inhalte. Das ist vielleicht in Ansätzen damals im TCG Bereich so gewesen - im LCG Bereich nur noch abgeschwächt.


    Kickstarter-Kampagnen, in denen einem eigentlich essentielle Inhalte als Stretch Goals oder schlimmer noch als zusätzlich zu bezahlende Extras vorgesetzt werden, sind für mich die jüngste Inkarnation dieser Masche im Brettspielbereich. Zum Glück ist das aber (noch) nicht die Regel geworden, soweit ich das beurteilen kann. (Ich verfolge Kickstarter-Kampagnen eher sporadisch.)

  • Doch die letzten großen Innovationen sind auch dort im Mainstream-Bereich schon eine Weile her. Neue Konzepte und Ideen finden sich zunehmend im independent Bereich, während die großen Entwickler eher auf Bewährtes setzen.


    Wobei auch die diversen Indie-Innovationen oftmals beweisen, dass diese nicht unbedingt positiv sein müssen... Mir fällt spontan kein Indie-Spiel ein, dass


    a) Innovativ


    und


    b) wirklich gut


    ist. Aber ich habe da wohl auch einen etwas komischen Geschmack. Da fällt mir ein, wo bleibt Fallout 4? ;)

  • Mir ist der Innovationsbegriff in dieser Form viel zu undifferenziert. Es gibt halt nicht einfach nur "die" Innovation, sondern viele verschiedene Formen und Ausprägungen. Einiges davon (inkrementelle Verbesserungen, wie die elegantere Umsetzung eines Mechanismus) sieht man durchaus, nur eben wenig wirklich radikale Innovation, die aber auch wesentlich riskanter ist, da sie den Gewohnheiten der Nutzer entgegenläuft und daher viel wahrscheinlicher am Markt scheitern wird.


    Ich habe als Denkanstoß mal ein paar Folien aus einer von mir gehaltenen Lehrveranstaltung von vor ein paar Jahren drangehängt. Hatte mich schon in meiner Diplomarbeit intensiv mit dem Thema Innovation (natürlich nicht bezogen auf Brettspiele, sondern auf Technologien, aber da gibt es durchaus auch Gemeinsamkeiten) beschäftigt. Einige der in der Diskussion aufgekommenen Punkte erkennt man dabei auch in der Theorie wieder.

  • Zitat

    Innovationen gerne, aber dann bitte auch zuende gedacht.


    Dein Punkt bezieht sich ja eigentlich auf das rein Handwerkliche. Das sollte natürlich sein. Zu Ende gedacht kann eine Innovation aber nicht sein. Deshalb sind diese Spiele auch oft nicht besten Spiele dieses Genres.


    Ich liebe Spielexperimente. Aber gut ich Spiele auch lieber ein Spiel das broken ist aber interessante Mechanismen bietet. Als noch ein Deckbuilding spiel. Gerade Deckbuilding bietet nicht all zu viel Variation. Bei Workerplacement ist das Spektrum einfach viel weiter.

  • Innovative Spiele: Da fällt mir als erstes "A few Acres of Snow ein". Dieser Mechanismus ist genial gewesen, leider aber nicht perfekt zu Ende entwickelt. Aber alleine dafür bin ich Martin Wallace dankbar. Sein neues Spiel mit gleichem Mechanismus soll jetzt für 4 Personen sein. Ich bin gespannt....Hier wäre es wirklich schön, wenn Martin sich mal einen professionellen Redakteur mit ins Boot holen würden. Dann würden aus vielen seiner Rohdiamanten echte Edelsteine werden. Einige hat er ja bereits geschaffen :)


    Ein weiteres Spiel wäre "Naufragos". Auch diesen Mechanismus finde ich geil und neu. Allerdings merkte man auch hier die fehlende redaktionelle Betreuung.


    Alleine eine Weiterentwicklung dieser beiden Mechanismen würde schon sehr viele neue Spiele schaffen.Eigentlich sollten doch freie Redakteure, wie Bernd Dietrich beispielsweise, volle Auftragsbücher haben....:-)


    Gruß
    Marc

  • Um die Liste innovativer Spiele der jüngeren Zeit ein wenig zu erweitern: Mord im Aroso (Deduktion nach Geräuschen); Space Alert (war übrigens nicht ganz neu. In den 90ern gab es dieses Star Trek Next Generation Spiel mit einer Videokasette, die nebenher lief - kennt das noch jemand?!). Obwohl radikal anders, und obwohl beide Spiele als gelungen gelten, hat sich nichts davon als wegweisende Innovation durchgesetzt.


    Und warum? Ich stelle hiermit eine etwas steilere Hypothese auf: Die Ideen passten aufgrund ihrer Abgedrehtheit nicht zu den üblichen Erwartungen der Zielgruppe der Vielspieler. Das Gros unserer Szene will schwere Euros oder Ameritrash. Alles, was nicht in dieses Schema passt, taugt nur für Zwischendurch. Außerdem laufen die meisten Neuheiten bei uns durch den Durchlauferhitzer. Wir geben doch kaum einem neuen Spiel überhaupt die Chance, ein Meilenstein zu werden, selbst wenn wir es richtig gut finden (wer von Euch hat Space Alter schon mal durchgezockt?). Würden wir das, so hätten wir in der kollektiven retrospektiven Bewertung vielleicht schon das eine oder andere innovative Spiel der letzten Jahre gefunden.
    Okay, unter diesen Annahmen müsste also ein Spiel, das einen komplett neuen Trend setzen soll, unbedingt vom Mainstream wahrgenommen werden. Die Marktpräsenz reichte aber bei beiden Spielen nicht aus, um Gelegenheitsspieler zu erreichen, denn ohne Nachfrage kein Angebot, ist ja logo. Hätte man das geschafft, hätte sich vielleicht ein neuer Trend etabliert.


    (Space Alter war natürlich auch viel zu komplex für den Massenmarkt, aber ich bin mir sicher, dass ein weniger frickliges Echtzeitspiel sich richtig gut verkaufen würde)

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  • Ok, die Mehrzahl ist mit dem Innovationsgrad im Brettspielbereich zufrieden.


    Frage an Diejenigen: wo bitte sind konkret die Innovationen? Also die nachhaltigen Innovationen.

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  • Frage an Diejenigen: wo bitte sind konkret die Innovationen? Also die nachhaltigen Innovationen.


    Gegenfrage: Wozu brauchen wir im Brettspielbereich (nachhaltige) Innovationen? Und wie definierst Du eine solche?


    Ich bin mit der Spiele-Ausbeute der letzten Jahre mehr als zufrieden. Es erscheinen schon jetzt mehr für mich reizvolle Spiele, als ich jemals ernsthaft werde zeitlich würdigen können. Pro Jahrgang schaffen es vielleicht 5 Spiele, so oft von mir gespielt zu werden, wie sie es meiner Meinung nach verdient hätten. Und diese Spiele unterhalten mich immer wieder. Wozu brauche ich da "Innovationen"?


    Ich vergleiche es gern mit Romanen und Kinofilmen: auch da gibt es meines Erachtens keine echten Innovationen, aber immer wieder neue Geschichten und Themen, die unterhalten. Wer fordert bei Büchern oder Filmen "nachhaltige Innovationen"? Ich will von einem Buch oder Film gut unterhalten werden - nicht mehr und nicht weniger. Dazu muss die Geschichte und deren (sprachliche und/oder bildliche) Umsetzung stimmen.


    Ciao
    Stefan

  • Frage an Diejenigen: wo bitte sind konkret die Innovationen? Also die nachhaltigen Innovationen.


    Wie kann man Innovationen überhaupt fordern?


    M.E. sind Innovationen sowas wie Erfindungen.
    Die kann man nicht einplanen, erarbeiten oder fordern, sondern dafür braucht's doch erst mal ein paar kreative Klicks, ein paar Erleuchtungen, ein paar Ideen jenseits des Zauns - erst wenn die mal da sind, kann man anfangen, an Innovationen zu arbeiten. Das ist im Spielbereich sicherlich nicht anders als überall ...


    Ich glaube nicht, daß jemand wirklich objektiv sein kann - alle Meinungen sind subjektiv.
    Natürlich gilt das auch für mich.


  • Ich vergleiche es gern mit Romanen und Kinofilmen: auch da gibt es meines Erachtens keine echten Innovationen, aber immer wieder neue Geschichten und Themen, die unterhalten.


    Och, mit 3D per Polarisationsverfahren und Brillen sowie Higher Frame Rates mit 48 Bilder pro Sekunde und Dolby Atmos 360 Grad Soundstandard wie auch VIP-Luxus-Ledersessel sind in den letzten Jahren doch schon einige auch nachhaltige und echte Innovationen ins Kino eingezogen. Zwar bezahlt man jetzt bis zu 16 Euro (bei Überlängenzuschlag und am Wochenende) für eine Kinokarte, kann dafür aber Innovation erleben - zumindest technische. Vor nervigen Sitznachbarn, überteuerten Snacks und teils mässigen Filmen hilft das alles aber auch nicht.


    Das Gesamtpaket muss eben stimmen und da haben Brettspiele (um die Kurve zum Thema zurück zu bekommen) vor allem in Sachen Ausstattung in den letzten Jahren einige Innovationen gezeigt, auch wenn der redaktionelle Feinschliff dabei machmal ein wenig auf der Strecke blieb. Euphoria mit den echt wirkenden Rohstoffen ist da ein gutes Beispiel.

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  • Wie kann man Innovationen überhaupt fordern?


    M.E. sind Innovationen sowas wie Erfindungen.
    Die kann man nicht einplanen, erarbeiten oder fordern, sondern dafür braucht's doch erst mal ein paar kreative Klicks, ein paar Erleuchtungen, ein paar Ideen jenseits des Zauns - erst wenn die mal da sind, kann man anfangen, an Innovationen zu arbeiten. Das ist im Spielbereich sicherlich nicht anders als überall ...


    Erfindungen sind Inventionen ... erst wenn diese auch vermarktet werden und sich durchsetzen bzw. Erfolg haben, spricht man strenggenommen von Innovationen. (Dass der Begriff im alltäglichen Sprachgebrauch so aber nicht verwendet wird, ist eher ein typisches Merkmal unserer Medienkultur.)


    Ich glaube nicht, dass sehr radikale Veränderungen im großen Stil eine Chance haben, auf dem Markt akzeptiert zu werden. Dafür ist das dann zu fremdartig im Vergleich zum Gewohnten. Kleinere Neuheiten (wie etwa die Zahnräder in Tzol'kin, das Rosenbergsche Ressourcenverwaltungsrad oder seinerzeit die Kramerleiste) werden dann aber doch oft wieder aufgegriffen - vom selben Autor und teilweise weit darüber hinaus. Erinnert Ihr Euch noch, wie Pandemie eine Flut von kooperativen Spielen auslöste (auch wenn Pandemie sicher nicht das erste kooperative Spiel war [Invention], war es doch so ziemlich das erste mit großem Markterfolg [Innovation] und vielen Folgern)?! Oder Dominion eine Flut von Deckbauspielen?!

  • Ich glaube nicht, dass sehr radikale Veränderungen im großen Stil eine Chance haben, auf dem Markt akzeptiert zu werden. Dafür ist das dann zu fremdartig im Vergleich zum Gewohnten.


    Also eher Evolution statt Revolution?

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    Meine Spiele: Klick mich

  • Also eher Evolution statt Revolution?


    Definitiv ja. Aber wie ich mit meinem weiter oben angehängten Theoriebeitrag zeigen wollte, gibt es ja noch so einiges an möglichen Zwischenstufen.


    Ich meine, das sieht man in anderen Bereichen doch auch. Wer besitzt denn schon ein radikal innovatives reines Elektroauto? Im Vergleich sind schon recht viele Hybride unterwegs, die den neuen Elektroantrieb und den etablierten Verbrennungsmotor kombinieren. Aber die allermeisten Leute fahren weiter mit Verbrennungsmotor, wo die neuen Motorgenerationen durch evolutionäre (schrittweise) Innovationen sparsamer und schadstoffärmer werden.


  • Ich glaube nicht, dass sehr radikale Veränderungen im großen Stil eine Chance haben, auf dem Markt akzeptiert zu werden. Dafür ist das dann zu fremdartig im Vergleich zum Gewohnten.


    Vielleicht doch, sofern wir uns von der rein mechanischen Ebene lösen. Denken wir einmal an Sammelkartenspiele. Die haben die Spielelandschaft schon sehr stark und auch nachhaltig verändert. Gut, so eine Marktrevolution gab es seitdem auch nicht mehr, und es zeichnet sich derzeit auch keine solche ab, aber sowas kann immer mal wieder passieren.

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  • Och, mit 3D per Polarisationsverfahren und Brillen sowie Higher Frame Rates mit 48 Bilder pro Sekunde und Dolby Atmos 360 Grad Soundstandard wie auch VIP-Luxus-Ledersessel sind in den letzten Jahren doch schon einige auch nachhaltige und echte Innovationen ins Kino eingezogen


    Bitte genauer lesen: ich sprach von Kino_filmen_, nicht vom Kino! Die ganzen technischen Entwicklungen haben den Kinofilm als solches m.E. kein Stück "besser" oder "innovativer" gemacht. Vielmehr erscheint mir so, dass mit diesen technischen Gimmicks vom eigentlichen Film und der (oftmals fehlenden oder zumindest krankenden) dahinterliegenden Geschichte abgelenkt wird. Gleiches gilt für mich beim übermäßigen Einsatz von Computer-Effekten, wilden Schnittfolgen oder "Wackelbildern" mit Handkameras...


    Ciao
    Stefan


  • Bitte genauer lesen: ich sprach von Kino_filmen_, nicht vom Kino! Die ganzen technischen Entwicklungen haben den Kinofilm als solches m.E. kein Stück "besser" oder "innovativer" gemacht. Vielmehr erscheint mir so, dass mit diesen technischen Gimmicks vom eigentlichen Film und der (oftmals fehlenden oder zumindest krankenden) dahinterliegenden Geschichte abgelenkt wird. Gleiches gilt für mich beim übermäßigen Einsatz von Computer-Effekten, wilden Schnittfolgen oder "Wackelbildern" mit Handkameras...


    Ciao
    Stefan


    Stefan, da gibt es nun aber in aller Offenheit solche und solche. Ein Geniestreich wie "Gravity" nutzt eben dieses 3D und diese Computer-Effekte, um eine Geschichte zu erzählen, die auf andere Weise nicht überzeugend erzählt werden könnte. "Der Herr der Ringe" hat es mit dem Motion Capture-Verfahren und eben computergenerierten Effekten geschafft, das Wesen Gollum glaubhaft zu machen. Die Bourne-Filme haben mit ihren schnellen Schnitten den Actionfilm revolutioniert. Und so weiter und so fort. Dass es für jede überaus gelungene innovative Nutzung neuer Technologien auch katastrophale Fälle gibt, wo unfähige Regisseure und geldgierige Studios mit zusammengewürfelten Drehbüchern aufs Publikum losgelassen werden, ist nun keine Eigenheit der Filmbranche. Aber das macht die innovativen Entwicklungen kein bisschen weniger toll.

  • Mir kam gerade ein Gedanke.


    Es gab in den letzten fünf Jahren, meiner Meinung nach, durchaus zwei bahnbrechende Innovationen im "analogen" Spielebereich.


    Diese sind allerdings nicht spezifisch auf ein Spiel oder einen Mechanismus bezogen, sondern betreffen die Möglichkeit der, im weiter gefassten Kontext, Produktion:



    1. Print on Demand Dienste wie Artscow, Zazzle, etc. Oder auch Verlage mit einem konkurrenzfähigen.Print on Demand Modell


    Hierdurch wurde es möglich, dass Spieler sich an einer graphischen Überarbeitung eines Spiel versuchen um dieses in ein "neues" Thema zu kleiden. Weiterhin ermöglicht
    es Print on Demand Autoren Ihre Spiele, bzw. Prototypen einem großen Kreis an Spielern zur Verfügung zu stellen, damit diese am Entwicklungsprozess mitwirken oder auch im
    Endeffekt zur einer "professionellen" Veröffentlichung verhelfen. Sicherlich gibt es auch Enthusiasten, die sich ein Spiel selbst basteln, aber es ist für viele wesentlich bequemer
    die Komponenten zu einem akzeptablen Preis fertigen zu lassen. Für Verlage, die per Print on Demand arbeiten bietet sich die Möglichkeit professionelle Produkte mit relativ obskuren
    Themen anzubieten, ohne dass sich die Notwendigkeit ergibt eine erkleckliche Menge an Kapital zu binden. Victory Point Games arbeitet(e) (ich glaube gelesen zu haben, dass sie
    jetzt einen Level weiter gehen) mit diesem Konzept.



    2. Crowdfundingplattformen wie Kickstarter

    Im Vergleich zu anderen Vorfinanzierungsmodellen im Cosimbereich haben hier Autoren und auch Verlage die Möglichkeit sehr bequem Kapital einzusammeln und auch Marketing beziehungsweise
    Marktforschung zu betreiben.

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Vielleicht ist es zielführender, wenn man mal versucht, die möglichen Felder, in denen Innovationen vorkommen können, zu kategorisieren - dann fällt es möglicherweise auch leichter, tatsächliche Innovationen zu identifizieren. Wobei man sich gerade im Prozessbereich vor Augen halten muss, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen "new to the world", "new to the industry" und "new to the firm" gibt. Folgendes ist mir eingefallen oder wurde weiter oben schon genannt (keine Garantie für Vollständigkeit und Ergänzungen gerade auch der Kategorien ausdrücklich erwünscht):


    Prozessinnovationen

    Produktinnovationen

    • Spielprinzipien
      • Themenbasierte Mechanismusableitung
        • Zeitlimitierung und elektronische Vorgaben (z.B. Space Alert)
      • Kooperation der Spieler (z.B. Pandemie)
      • Geräuschbasierung (z.B. Mord im Arosa)
      • Solovarianten (z.B. Agricola) und Solospiele (z.B. Freitag)
    • Mechanismen zur Umsetzung des Spielprinzips
      • Punktewertung (z.B. Kramerleiste)
      • Ressourcenverwaltung (z.B. Rosenbergsches Ressourcenrad)
    • Artwork/Design
      • Mehrfachfunktion von Karten je nach Positionierung (z.B. Ruhm für Rom)
      • modellierte Miniaturen bei Eurogames (z.B. Fragor-Spiele)


    OK, mehr fällt mir aus dem Stand nicht ein (was auch daran liegen könnte, dass ich einige der im Thread genannten Spiele noch nicht kenne).

    4 Mal editiert, zuletzt von LemuelG ()

  • Ich persönlich bin zufrieden mit den Innovationen, vielleicht auch weil ich die Hürde, was für mich als innovativ gilt, nicht sehr hoch lege.
    Aber im Bereich der technischen Unterstützung würde ich mir mehr wünschen. Sei es über die Einbindung durch Smartphones oder direkt als Spielkomponenten. Ich weiß, dass das vor allem eine Kostenfrage ist, aber da erwarte ich noch mehr.
    Ich fand zum Beispiel dieses Kickstarterprojekt interessant, bei dem ein Tabletopsystem mit einer Art Tiptoy verbunden wurde. Dies sollte den Einstieg erleichtern. Davon will ich mehr.

  • In den letzten 10-20 Jahren haben sich Brettspiele einfach enorm weiterentwickelt. Von den Mechanismen, die gleichzeitig einfach und doch "spielerisch wertvoll" sind, dürfte es nicht mehr viel Unentdecktes geben. Wer in einen entsprechend weit entwickelten Gebiet noch etwas Innovatives bringen will, landet zunehmend bei Detailverbesserungen, die keinen neuen Mechanismus begründen, oder bei immer komplexeren und komplizierten Regeln -- und das ist dann verständlicherweise recht schnell nicht mehr jedermanns Sache.


    Die Innovationen gibt's durchaus. Allerdings eben vorwiegend in der Nischen-Ecke, mehr oder weniger weit weg von Massenmarkt, Einsteiger-Kompatibilität oder allgemeiner Sichtbarkeit selbst innerhalb der "Szene". Ist in anderen Bereichen (z.B. Musik) nicht viel anders. Auch da ist dann die hunderste AC/DC-Coverband für den "Normalnutzer" idR interessanter als die Technical Death Metal Band mit hohem künstlerisch-musikalischem Anspruch. Dass in einer solchen Situation diejenigen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, im Zweifelsfalle auch lieber Bewährtes wiederkäuen als potenziell Ungenießbares zu produzieren, sollte auch nicht überraschen.


  • Bitte genauer lesen: ich sprach von Kino_filmen_, nicht vom Kino! Die ganzen technischen Entwicklungen haben den Kinofilm als solches m.E. kein Stück "besser" oder "innovativer" gemacht. Vielmehr erscheint mir so, dass mit diesen technischen Gimmicks vom eigentlichen Film und der (oftmals fehlenden oder zumindest krankenden) dahinterliegenden Geschichte abgelenkt wird. Gleiches gilt für mich beim übermäßigen Einsatz von Computer-Effekten, wilden Schnittfolgen oder "Wackelbildern" mit Handkameras...


    Jip, Deine Unterscheidung mit Fokus auf Filme im Kino anstatt Kino als Ganzes habe ich verstanden. Ich sehe da aber keine solche Trennung, weil ein Film ein (teils technisches) Umfeld braucht, um beim Zuschauer wirken zu können. Da können (aber nicht müssen!) Innovationen in diesem Umfeld dazu führen, dass der Film als solches seine Innovationskraft erst ausspielen kann. Der Film Gravity wäre ohne die technischen Innovationen wie die konsequente Nutzung von 3D-Elementen einfach nur ein weiterer Weltraumfilm gewesen und meiner Meinung weit davon entfernt, als innovativ bezeichnet zu werden.


    Gleiches gilt für mich für Brettspiele. Die Innovation muss nicht zwangsläufig in der Spielidee stecken, sondern kann auch im verwendeten Material begründet sein. Oder das Regelwerk wird innovativ präsentiert und vermittelt. Oder verlagert die Innovation auf die Gruppierung der Mitspieler, wie damals beim Tischwechsel-Mechanismus von Fische-Fluppen-Frikadellen, das mit zu wenig Mitspielern und nur einem Spiel schlicht nicht innovativ, sondern eher arg gewöhnlich war.

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • In den letzten 10-20 Jahren haben sich Brettspiele einfach enorm weiterentwickelt. Von den Mechanismen, die gleichzeitig einfach und doch "spielerisch wertvoll" sind, dürfte es nicht mehr viel Unentdecktes geben. Wer in einen entsprechend weit entwickelten Gebiet noch etwas Innovatives bringen will, landet zunehmend bei Detailverbesserungen, die keinen neuen Mechanismus begründen, oder bei immer komplexeren und komplizierten Regeln -- und das ist dann verständlicherweise recht schnell nicht mehr jedermanns Sache.


    Die Innovationen gibt's durchaus. Allerdings eben vorwiegend in der Nischen-Ecke, mehr oder weniger weit weg von Massenmarkt, Einsteiger-Kompatibilität oder allgemeiner Sichtbarkeit selbst innerhalb der "Szene". Ist in anderen Bereichen (z.B. Musik) nicht viel anders. Auch da ist dann die hunderste AC/DC-Coverband für den "Normalnutzer" idR interessanter als die Technical Death Metal Band mit hohem künstlerisch-musikalischem Anspruch. Dass in einer solchen Situation diejenigen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, im Zweifelsfalle auch lieber Bewährtes wiederkäuen als potenziell Ungenießbares zu produzieren, sollte auch nicht überraschen.


    Gerade in den Wissenschaften ist schon häufiger von den Vertretern des Status quo proklamiert worden, dass es nichts mehr zu entdecken bzw. erfinden gäbe. Diese Aussagen sind dann zumeist sehr bald von der Realität überholt worden. Warum sollte das in unserem Segment anders sein? Dass man sich einen neuen Mechanismus nicht vorstellen kann, heißt nicht, dass es ihn nicht geben kann.


    Täuscht mich übrigens der Eindruck, dass gerade im Bereich der Kinderspiele viel mutiger innoviert wird? Da werden Konzepte wie Magnetismus, Reflexion oder Licht und Schatten aktiv in Spielprinzipien überführt, während im Bereich der Erwachsenenspiele letztlich doch nur wieder alles auf Plättchen, Karten und Meeple hinausläuft. Wer weiß, vielleicht wächst so eine neue Generation mit vielen Spielern und ein paar Autoren heran, die auch einmal "out of the box" denken.

  • Täuscht mich übrigens der Eindruck, dass gerade im Bereich der Kinderspiele viel mutiger innoviert wird?


    Meiner Meinung nach täuscht dieser Eindruck nicht. Gerade im Kinderspielbereich wird viel mehr ausprobiert - aber hier sind wohl ganz einfach auch weniger Erwartungen des Zielpublikums zu erfüllen. Jeder der die Diskussion um VEGAS als Alea-Titel mitbekommen hat, wird sich doch nicht wundern, warum bspw. ALEA nicht sehr innovationsfreudig ist (bzw. sein darf?). Man muss eben auch die Verlage verstehen. Da sticht in meinen Augen ZOCH zum Glück heraus. Hier wird schon immer eine Menge ausprobiert, was dann zum Großteil auch wirklich reizvoll ist. "Mord im Arosa" wurde ja schon genannt. Aber ich spiele auch gerne "Safranito" und "Meisterdiebe" - beides Spiele, die wohl kein anderer Verlag so veröffentlichen würde.

  • Gerade in den Wissenschaften ist schon häufiger von den Vertretern des Status quo proklamiert worden, dass es nichts mehr zu entdecken bzw. erfinden gäbe. Diese Aussagen sind dann zumeist sehr bald von der Realität überholt worden. Warum sollte das in unserem Segment anders sein?


    Langsam, langsam. Ich habe nicht geschrieben "insgesamt schon alles erfunden", sondern "im Bereich der einfach umsetzbaren Sachen schon weitgehend alles abgegrast, was möglich ist; Innovation vorwiegend in Nischen für Freaks". Das ist ein fundamentaler Unterschied.


    Um deinen Wissenschschaftsvergleich aufzugreifen: Die Erkenntnisse eines Galileo Galilei zur physikalischen Beschreibung von freiem Fall kann ich jedem erklären. Moderne Erkenntnisse zur Superstring-Theorie oder Quanten-Chromo-Dynamik sind sicherlich nicht weniger innovativ, spielen sich aber auf einem Niveau ab, wo nur noch Experten mitreden können. Jeder Bereich entwickelt sich so weiter, dass Innovationen für den Normalsterblichen zunehmend unverständlich werden. Meine These ist, dass das auch im Spielebereich immer deutlicher wird.


    Nehmen wir das Spiele-Grundelement "Zug eines Spielers". Fordert irgendeine Art Einsatz, um irgendeinen Nutzen abzuwerfen. Da haben wir in den letzten ~15 Jahren erlebt, wie ein Zug attraktiver gemacht wurden, indem das Verhältnis zwischen Nutzen und Kosten modifiziert wurde. (Das ist natürlich direkt verbunden mit dem "action selection"-Mechanismus, oft auch "worker placement" genannt, was mir aber nicht so gefällt, weil "worker placement" doch ein rein thematischer Begriff ist.) Möglichkeit 1: Kosten senken. Populär gemacht von "St. Petersburg" (2004), wo Kartenreihen runterrutschen und so billiger zu kaufen werden. Mittlerweile in Form einer seitlich verrutschenden Kartenreihe Standard in jedem 3. neuen Euro-Spiel (Lewis & Clark, Nations, Concordia, Bruxelles 1983 -- 4 meiner 11 Käufe von Spielen aus 2013). Möglichkeit 2: Nutzen erhöhen. Populär gemacht von "Agricola" (2007) mit den Rosenberg'schen Anhäufungsfeldern. Mit den beiden Möglichkeiten "Kosten senken" und "Nutzen erhöhen" ist dann bereits alles durch, was man machen kann, um das Kosten/Nutzen-Verhältnis zu modifizieren.


    Also geht's weiter mit der Einführung von Sonder- und Zusatzregeln. Auswahl eines Zuges blockt die Aktion für andere (Caylus, Agricola -- das klassische "worker placement"). Moderne Inkarnationen: Auswahl eines Zuges blockt nicht komplett, sondern macht für andere die gleiche Aktion in der einen oder anderen Form unattraktiver: mehr Ressourcen (Zugoptionen/Geld/sonstiges) nötig. Macht alles unvermeidlich komplizierter. Andere Innovationsmöglichkeit ist, "action selection" mit anderen Mechanismen (z.B. Auktionen, "set collection", "area control", etc) zu kombinieren (aktueller Extremfall des Mechanismen-Mischens: Bruxelles 1983; ein Urvater dieser Richtung: Goa). Auch das wird unweigerlich immer komplizierter. In diesem Zustand ist "action selection" / "worker placement" aktuell: alles Wesentliche ist schon mehrfach gesagt worden, Neuartiges ("Innovationen") sind oft superkomplexe Sonderregeln und Mechanismen-Mischmasch aus der Vielspieler-Ecke (neben bereits genannten Sachen z.B. Vinhos oder Madeira).


    Fazit: Innovation bei den Spielmechanismen, ja, gibt es noch, aber oft um den Preis einer ziemlichen Abgehobenheit für den Normalspieler. Wenn Innovation heißt, dass bekannte Mechanismen mit einem Dutzend Sonderregeln verkompliziert werden, will man das immer haben?

  • Metal Pirate hat die gängigen Mechanismen bei Brettspielen aufgezeigt, aus dem Bereich der Kartenspiele fällt mir spontan Innovation (der Name scheint hier Programm zu sein) ein.
    Der Mechanismus mit dem "splayen" (verschieben der Karten nach oben,links,rechts) um schon ausgespielte Karten wieder eine Funktionalität zu geben, ist zumindest mir, von keinem anderen Spiel bekannt...

    Bitte senden Sie mir Ihre E-Mail doppelt, ich brauche eine fürs Archiv :/

  • @MetalPirate Ich streite ja gar nicht ab, dass viele neue Spiele ihre Innovationen aus einer Zusammensetzung von Sonderregeln erhalten. Alles was ich sage, ist, dass auch heute noch elegante Lösungen gefunden werden, die mit regeltechnisch im Grundprinzip ganz einfachen Vorgaben (!) den von Dir wunderbar aufgeschlüsselten Aktionswahloptionen doch noch ungewohnte und reizvolle Seiten abgewinnen (auch wenn das Spiel in seiner Gesamtheit durch weniger elegante Lösungen in anderen Bereichen dann vielleicht doch arg viele Detailregeln enthält).


    Als Beispiele seien hier nur der Zahnradmechanismus von Tzol'kin (Arbeiter lange eingesetzt lassen bringt stärkere Aktion) und der Würfel-Konkurrenz-Mechanismus von Bora Bora (hohe Würfel bringen bessere Aktionen, niedrige Würfel verhindern aber das Einsetzen hoher Würfel) genannt.