Perfektionismus in Eurogames

  • Wohl jeder kennt es, hat es mal selbst erlebt oder leidet sogar selbst darunter: AP, Grübelanfälle, Optimierungszwang, Downtime, kurz gesagt: Perfektionismus. Oft wird großes Potenzial in diesem Bereich einem Spiel als Schwäche zugeschrieben, es gibt etliche Beispiele. Und dieses Potenzial steigt meist mit der Komplexität.


    Ich selbst bin eigentlich gar nicht anfällig dafür und kann dadurch auch sehr komplexe Euros relativ zügig spielen. Sicherlich nicht mit der maximalen Punktzahl, aber das ist mir auch nicht wichtig. Die Frage ist aber: Warum macht man sich das Leben so schwer? Warum versucht man hochkomplexe Spiele zu 100% durchzurechnen?


    Auch das wird Spielen oft als Nachteil angelastet: „Ist komplett durchrechenbar“. Die Frage, die sich mir stellt ist: Warum sollte man das tun? Warum macht man sich aktiv den Spaß kaputt, nur weil es möglich ist?


    Wichtig ist dabei wohl zu erwähnen, dass ich nicht das Gegenteil dessen propagieren möchte - wer gar nichts damit anfangen kann, der kann einen Bogen um komplexe Euros machen. Ich spreche eher davon schon ordentlich zu spielen, aber eben auch Raum für Fehler zu lassen und sie zu akzeptieren.


    Ich durfte Mal ein sehr schönes Beispiel dazu erleben: Yamataï wird ja auch gern mal nachgesagt extrem viel Downtime zu produzieren. „Nie mit mehr als 2 Spielern“, hört man da des Öfteren. In unserer Partie haben wir uns an knackige Züge gehalten und keine Entscheidungen zurück genommen. Kurz gesagt: Wir haben zwar engagiert und auf Sieg gespielt, jedoch den Raum für Fehler zugelassen. Wir haben bewusst in Kauf genommen, dass das System so komplex ist, dass wir es nicht fehlerfrei oder maximal effizient spielen werden. Und es hat eine Menge Spaß gemacht!


    Wie es bei jeder komplexen Aufgabe ist, wächst man mit dieser. Das ist bei Spielen nicht anders. Warum lässt man das so oft nicht zu? Den Anstoß zu dieser Frage brachte Inventions auf den Tisch, das ja SEHR großes Potenzial hat „zerdacht“ zu werden. Ist es wirklich der richtige Weg schon in der Erstpartie den Anspruch zu haben alle Aktionen und Verkettungen effizient zu nutzen, statt das Gelingen der Kettenaktionen auch ein Stück weit dem Lerneffekt zu überlassen? Denn wenn das berechnen dieser sich so schwierig anfühlt, dann haben wir vielleicht im „System Inventions“ einfach noch nicht genug Erfahrung gesammelt, damit es uns leichter fällt?


    Nicht selten trifft man auf Spieletreffs auf Mitspielende, die etwas sagen wie „Wenn ich es schon spiele, dann will ich es zuvor zu 100% verstehen.“. Das ist in meinen Augen aus sportlicher und didaktischer Sicht nicht mit komplexen Spielen vereinbar. Ähnlich wie ein Dauerlauf oder eine Matheprüfung braucht so ein Regelwerk Zeit um verinnerlicht zu werden. Der Mensch muss lernen und das geht oft und nachhaltig sehr gut darüber herauszufinden, wie man es eben nicht macht. Das kann ebenfalls sehr viel Spaß machen.


    Da frage ich mich, ob man in diesen Fällen mit den falschen Maßstäben an die Sache heran geht. Es bleibt die Frage, ob wir uns selbst nicht den Spielspaß und den Lerneffekt nehmen, wenn wir Systeme, die uns zumindest so weit überfordern, dass der Spielfluss darunter leidet, zu verbissen spielen wollen und den Drang nach Perfektion nicht abschalten? Ärgert man sich am Ende über das eigene Versagen nicht perfekt gespielt zu haben - oder freut man sich über gesteigerte Punktzahlen, wenn man „automatisch“ durch den in Wiederholung und Erfahrung eingebauten Lerneffekt besser wird?

  • Danke PowerPlant für diesen ausgezeichneten Beitrag, diese Fragen stelle ich mir auch oft, wenn ein Spiel mal wieder ewig dauert, weil es "zerdacht" wird.

    Gestern Bücher der Zeit 3 Stunden, weil man sich keine Fehler gestatten will...

    :jester:


    Mein Verhalten ist vielleicht manchmal taktisch unklug, dafür aber emotional notwendig

  • Das ist Deine Wahrnehmung. Der Spieler der alles komplett durchdenkt um möglichst Perfekt zu spielen empfindet seine Befriedigung daran.

    Es ist nicht die Schuld des Spiels. Hier trifft nur Ungeduld auf Menschen mit anderen Ansprüchen und Empfindungen.

    Eine homogene Zusammenstellung der Spieler (alles Bauchspieler die ungefähr gleichschnell spielen, oder tolerante Spieler) hilft hier ungemein.

  • Da frage ich mich, ob man in diesen Fällen mit den falschen Maßstäben an die Sache heran geht. Es bleibt die Frage, ob wir uns selbst nicht den Spielspaß und den Lerneffekt nehmen, wenn wir Systeme, die uns zumindest so weit überfordern, dass der Spielfluss darunter leidet, zu verbissen spielen wollen und den Drang nach Perfektion nicht abschalten? Ärgert man sich am Ende über das eigene Versagen nicht perfekt gespielt zu haben - oder freut man sich über gesteigerte Punktzahlen, wenn man „automatisch“ durch den in Wiederholung und Erfahrung eingebauten Lerneffekt besser wird?

    Eine interessante Fragerstellung - danke dafür.


    Ich denke es ist einfach menschlich - wir sind halt verschieden. Ich versuche das man mit den beiden Polen grübelnd/nicht-grübelnd und kompetitiv/nicht-kompetitiv zu beleuchten. Mit den beiden Polen hätten wir 4 Begriffspaar oder Spielertypen:


    grübelnd-kompetitiv

    grübelnd-nichtkompetitiv

    nichtgrübelnd-kompetitiv

    nichtgrübelnd-nichtkompetitiv


    Hier mag sich jede*r selbst einordnen, wahrscheinlich gilt aber: Je weiter oben man sich in der Liste einordnen desto Analyse-Paralyse. Beschreiben würde ich die Spielertypen auf einer Skala (eher ein Koordinaten) dann in etwa so:


    grübelnd-kompetitiv

    Hat Spaß an der Optimierung und braucht sehr lange für die Züge weil die Person dabei auch noch gewinnen will. Im Vordergrund steht das geistige Messen mit Mitspieler*innen.


    grübelnd-nichtkompetitiv

    Hat einfach Spaß an der Optimierung, braucht aber weniger lang für die Züge als kompetitive Menschen.


    nichtgrübelnd-kompetitiv

    klassische*r Bauchspieler*in, spielt schnell, will aber gewinnen. Spielt die Person mit grübelnden Spieler*innen wird wahrscheinlich ihre "Grübelzeit" steigen, da es ums das Gewinnen geht und die anderen ja auch länger grübeln.


    nichtgrübelnd-nichtkompetitiv

    Hat vor allem Spaß am Spiel selbst, das Gewinnen ist Nebensache. Fordert aber zu sehr grübelnde Menschen aber auch einmal auf, bitte etwa schneller zu spielen.


    Auf deine Frage bezogen: Ich denke solange eine der o. g. Gruppen unter sich (eventuell auch mit einer benachbarten Gruppen) bleibt werden gar keine Probleme entstehen, was das Grübeln angeht. Schwierig wird es wahrscheinlich dann, wenn man mit Personen spielt, die min. 2 Stufen voneinander entfernt sind.


    Ich selbst bin nichtgrübelnd-nichtkompetitiv und kann deine Frage von daher nur insofern bewerten, als dass ich sagen kann, dass deine Überlegungen nicht auf alle zutreffen, gleichzeitig kann ich aber deine Gedanken nachvollziehen. Für mich klingen sie aber eher wie eine Frage einer "Sinnkrise mit dem Spielen" als für ein generelles Problem von grübelnd-kompetitiven Spieler*innen. Ich denke, die "Grübelfraktion" hat mindestens ebensoviel Spaß am Spielen wie die nicht-grübelnde. Der Unterschied ist halt der Drang nach dem optimalsten Spiel - wenn das aber doch der Spaß für diese Personen ist, warum sollte man es dann abschalten?

  • Weil ich es kann.

    Und weil ich es gerne mache.

    Darum möchte ich gerne Spiele spielen, die sich nicht bis zum Ende komplett durchrechnen lassen, sei es durch Komplexität oder Varianz des Spiels.

    Gerade wieder ein Negativbeispiel gespielt: Hamlet.

    Das Spiel finde ich fürchterlich, weil man sehr überschaubar die Züge der Mitspieler am Ende durchrechnen kann, um zu Entscheiden, wer gewinnen wird und ob man "zu macht" und das Spiel beendet.

    Einfach nur irgendwie spielen und deshalb suboptimale Züge zu machen finde ich unbefriedigend. Und erst recht, wenn der dritt/viertplatzierte das Spiel zu macht und so die Partie für Platzierung 1/2 entscheidet...

    Aber das laste ich eigentlich auch dem Spiel und nicht den Spielenden an...

  • Kurz gesagt: Wir haben zwar engagiert und auf Sieg gespielt, jedoch den Raum für Fehler zugelassen. Wir haben bewusst in Kauf genommen, dass das System so komplex ist, dass wir es nicht fehlerfrei oder maximal effizient spielen werden. Und es hat eine Menge Spaß gemacht!

    Das hier geht genau in die Richtung von Diskussionen, die ich schon mit einem Freund geführt habe, der nach Mixosaurus Klassifikation ganz sicher als grübelnd-kompetitiv einzuordnen ist. Bei diesem Mitspieler geht das so weit, dass ein offensichtlicher Fehler im Spiel ihm richtig den Spaß daran verdirbt (wie z.B. bei einer unserer Voidfall-Partien). Ich hingegen finde, dass gerade diese Fehler dazugehören, weil ich das genauso sehe, wie PowerPlant das hier beschreibt. Das verschränkte Gefüge eines komplexen Euro-Games ist genau dafür gemacht, dass man Dinge übersieht und Fehler macht – es ist für mich Teil des Anspruchs, da unter Berücksichtigung eines normalen Spielflusses bestmöglich durchzunavigieren.


    Ich verstehe natürlich schon, dass es da verschiedene Spielertypen gibt, man das auch durchaus anders sehen und gerade aus diesem Durchdenken seinen Spielspaß ziehen kann. Für mich persönlich nimmt es dem Spiel ein wenig die Dynamik. Und es verschiebt sich die Anforderungen eines Spiels. Wenn man z.B. in seinem Zug ohnehin alle Optionen systematisch durchgeht, dann muss man sich auch weniger auf das Talent verlassen, Gelegenheiten auf dem Board erkennen zu können.


    Ein Extrembeispiel davon hatte ich vor vielen vielen Jahren mal mit einer Freundin, gegen die ich immer Streit-Patience gespielt habe. Bei dieser Variante durfte man das Gegenüber „abklopfen“ wenn Möglichkeiten zum Anlegen in der Auslage übersehen wurden. Wir wurden da irgendwann so kompetitiv, dass wir genau regeln mussten, ab wann etwas als „übersehen“ gilt (bei uns: Hand berührt den Nachziehstapel) und das hat am Ende nur dazu geführt, dass jede:r von uns vor dem Nachziehen noch mal die ganze Auslage systematisch durchgegangen ist. Das hat dann schnell gar keinen Spaß mehr gemacht.

  • Ich habe es schon einmal geschrieben und ich schreibe es hier nur in Kurzform. Dein Zusammenhang PowerPlant ist nur EINE Ursache für Downtime und zumindest in meinem Umfeld nicht DIE Sache schlechthin. Meine Theorie zu Downtime ist eine ganz andere, weil ich Downtime bei Menschen die dazu neigen, auch dann erlebe, wenn das Spiel weniger komplex ist. Mein Punkt: Nicht Perfektionismus sondern Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung ist das Problem.


    Es gibt Menschen, die stehen 5 Minuten vorm Joghurtregal, weil sie sich nicht entscheiden können, welchen sie kaufen. Es gibt Menschen, die hadern manchmal so lange, bis Chancen verzogen sind. Ich kenne Leute, die verursachen Downtime bei Magic, bei Wettlauf nach El Dorado oder Super Fantasy Brawl. Ich kenne Menschen, da dauert es immer. Das hat nichts mit Komplexität zu tun und aufkommenden Perfektionismus, weil man 100% im ersten Spiel erreichen möchte, sondern weil es eine Überforderung bei der Entscheidung gibt. Einige Menschen neigen dazu mehr, bei manchen wird es zu einem echten Problem im Alltag.

  • Es gibt Menschen, die stehen 5 Minuten vorm Joghurtregal, weil sie sich nicht entscheiden können, welchen sie kaufen. Es gibt Menschen, die hadern manchmal so lange, bis Chancen verzogen sind. Ich kenne Leute, die verursachen Downtime bei Magic, bei Wettlauf nach El Dorado oder Super Fantasy Brawl. Ich kenne Menschen, da dauert es immer. Das hat nichts mit Komplexität zu tun und aufkommenden Perfektionismus, weil man 100% im ersten Spiel erreichen möchte, sondern weil es eine Überforderung bei der Entscheidung gibt. Einige Menschen neigen dazu mehr, bei manchen wird es zu einem echten Problem im Alltag.

    Interessanter Ansatz mit der Überforderung - danke für den Input, hatte ich so noch nicht bedacht. Ich würde dem aber nur bedingt zustimmen, weil es IMO eine Mischung aus den drei Faktoren Komplexität/Perfektionismus/Überforderung ist, die zu Paralyse/Analyse führt.


    Komplexität muss IMO ein Faktor sein, weil mit zunehmender Komplexität alle Spieler, die ich kenne, mit steigender Komplexität mehr "Grübelzeit" benötigen.


    Perfektionismus muss IMO ein Faktor sein, weil er letztlich erklärt, warum tendenziell sehr kompetitive Spieler mehr "Grübelzeit" brauchen als weniger kompetitive.


    Überforderung ist mit Sicherheit ein Faktor, diese entsteht wahrscheinlich aber erst (IMO auch in deinem guten Joghurtbeispiel) durch unbewussten Perfektionismus - man will halt auf jeden Fall die beste Lösung für das gegeben Problem(chen) haben.

  • Es mit dem Optimieren (einer komplexen Aufgabe) zu übertreiben, kann im Einzelfall auf Perfektionismus zurückzuführen sein. Häufiger dürfte einfach Ehrgeiz, also unbedingt besser sein zu wollen, eine wesentliche Rolle für übertrieben langes Nachdenken spielen. Das Beherrschen des Spiels beinhaltet zunächst das perfekte Regelverständnis; dann das Überblicken wie die einzelnen Komponenten zusammenspielen; schließlich kommen die Abläufe und Wechselwirkungen mitsamt der Anderen ins Spiel und das Timing, wie mit den Anforderungen (des Spiels) am besten umzugehen bzw. darauf zu reagieren ist. Sind zu treffende Entscheidungen offensichtlich, geht es schneller voran. Sind sie es nicht, dauert es eben länger. In Relation betrifft das alle Spielertypen (Kopf- wie Bauchspieler) gleichermaßen. Der Bauchspieler braucht dann eben auch mal (etwas) mehr Zeit zum Erfühlen des „richtigen“ Spielzugs.


    Ein Spiel zu entwickeln, setzt ein viel höheres Maß an Perfektionismus voraus. Und da ist dieser Wesenszug (des gewissenhaften und bisweilen pedantischen Perfektionisten) hilfreich und auch notwendig. Denn alle möglichen (späteren) Entscheidungen der Spieler*innen müssen bedacht und erahnt werden – auch die eher unwahrscheinlichen. Im übertragenen Sinn sollte folglich der Motor (= die Mechanik des Spiels) perfekt funktionieren und (mit der thematischen Einbettung) harmonieren, um damit erfolgreich und für alle Beteiligten zufriedenstellend „Rennen fahren“ zu können.

    2 Mal editiert, zuletzt von Gead ()

  • Dazu kommt fehlende Information bzw. Erfahrung.

    Wenn man nicht weiß, welche Aktion wieviel "wert" ist oder man nicht weiß, welche Entscheidung welchen "Rattenschwanz" hinter sich her zieht.


    Ich habe das vor Jahren schon einmal im Forum geschrieben, dass meine Frau solch eine AP-Spielerin ist. Sie ist sehr intelligent, jedoch nicht in der Logik von Spielmechaniken in Verbindung mit Zufälligkeiten. Dazu kommt ihr sozialer Druck, sie möchte nicht "dumm dastehen" bei den Spielerunden und begiebt sich dann in endlose Denkschleifen.

    Mit zunehmender Erfahrung in Bezug auf das Spiel nimmt ihre AP zwar ab, verschwindet jedoch nicht.


    Sie ist bei Spieleabenden eher auf den sozialen Aspekt aus und so sind ihre Lieblingsspiele MicroMacro, Mysterium, Menara, Black Stories, Stille Post Extrem, Belratti, A fake artist goes to New York, etc.


    Edith: teils ge :ninjad: von Gead

    2 Mal editiert, zuletzt von Krazuul ()

  • Auch das wird Spielen oft als Nachteil angelastet: „Ist komplett durchrechenbar“. Die Frage, die sich mir stellt ist: Warum sollte man das tun? Warum macht man sich aktiv den Spaß kaputt, nur weil es möglich ist?

    Die Angst hinterher feststellen zu müssen, man etwas hätte vorher etwas besser machen können. Man will ja ja nichts vorwerfen müssen ^^


    Ich sage mal so, gerade als Spieler der um seine Schwächen weiß ist es vielleicht auch oft so, dass man sich nicht die Blöße geben will, einen unklugen Zug gemacht zu haben.

  • Das viele Euros anscheinend durchrechenbar sind, ist mir durchaus bewusst, aber ich selber unternehme da gar nicht erst den Versuch. In den letzten 5 bis 15 Minuten je nach Spiel, merke ich vielleicht, dass ich nicht mehr gewinnen kann, aber das ist völlig ok. Klar plane ich auch mal 2 bis 3 Züge im vorraus was ich machen will, aber wenn es doch nicht klappt ist auch eine schlechtere Option für mich in ordnung.

  • Mixosaurus Darüber kann man sich jetzt streiten, ob das mit Perfektionsmus zusammenhängt. Mit Komplexität auf jeden Fall nicht. Wie gesagt, meine Beispiele zeigen das auf. Ich selber habe 4 Personen im erweiterten Kreis, die gerne Brettspiele spielen, aber sich nur schwer entscheiden können. Ich hätte statt der Joghurts auch das Beispiel mit einem Pullover wählen können. Ziehe ich jetzt Grün oder Rot an? Das kann mit Perfektionismus zu tun haben, muss es aber nicht. Das kann auch Leistungsdruck, Verunsicherung, wenig Selbstwertgefühl, Angst vor Konsequenzen (vielleicht auch im Hinblick auf das, was andere denken), Starrheit in Handlungsprozessen, die zu Blockaden führen oder Kontrollzwang sein. Wie immer sind hier einfache, pauschale Antworten nicht möglich. Daher will ich Perfektionismus nicht ausschließen! Ich sehe es aber nur als einen Faktor an und denke, das Feld ist wesentlich breiter. Vor allem kann man es nicht nur auf die Komplexität schieben. Entscheidungsunfreudigkeit oder sogar Entscheidungsunfähigkeit ist übrigens auch ein medizinisch feststellbares Symptom. Druck von Außen ist da allgemein übrigens oft kontraproduktiv, denn wenn es eben nicht auf Perfektionsimus beruht, sondern auf Angst, sozialer Druck etc.., dann verstärken sich nur die Symptome.

  • das mit dem Perfektionismus greift mir auch etwas zu kurz.

    Ich versuche bei Spielen nachzudenken, um einen guten Zug zu spielen. Aus Rücksicht auf meine Mitspieler nutze ich meine Downtime zum Denken, damit ich dann, wenn ich dran bin zügig ziehen kann.

    Aber ich denke nicht aus Perfektionismus nach und ich denke auch nicht nach, weil ich ultrakompetitiv bin und unbedingt gewinnen will. Ich denke nach, weil es mir schlicht Spaß macht mein Gehirn anzustrengen.

  • Ich gehöre, wahrscheinlich und meinem Umfeld nach bestimmt, eher zur Fraktion grübelnd-kompetitiv.

    Jedoch lasse ich mich auch gerne auf das Thema ein. Mein Lieblingsspiel in dieser Hinsicht: Woodcraft. Verliere ich mich zu sehr in der Tischlerei, gewinne ich nicht. Ist das schlimm: Nicht wirklich - der Unterhaltungswert ist auch wichtig.


    Aber gerade bei Eurogames gehört doch der Grübelanteil mit zum Spiel. Wenn dass nicht gewünscht ist, dann sucht man sich eben ein anderes Spiel aus.*


    Viel entscheidender ist doch, wie unterhaltsam die Spielzeit für alle ist.

    Oder, bei Eurogames, andersherum formuliert: Wie langweilig die Downtime ist.

    Und das schwankt sehr stark: Abhängig vom Spiel und abhängig von Mitspielern.

    Mit ein wenig Erfahrung weiß man das allerdings vorher.

    Und, wie beim Spiel: Es ist nicht alles planbar.


    Mein Vorgehen dabei: Das Wichtigste ist der Unterhaltungswert. Und wenn Spieler A und B mit in der Runde sind: Ja, dann ist die Downtime länger, aber ich weiß es vorher und kann frei entscheiden, ob ich dann mitspiele oder nicht. Auf jeden Fall sehe ich es sehr entspannt, wenn jemand länger nachdenkt. Das stört mich erheblich weniger, als wenn ein Mitspieler das Spiel nicht ernst nimmt**


    Lieben Gruß

    Ralf


    * Vor Jahren mal eine Partie Azul mit einem Mega-Grübler gespielt: Er wusste zu jedem Zeitpunkt, von welcher Farbe wie viele Steine noch im Spiel sind. Er hatte alle Züge mitgezählt. Zum Ende hatte er weit über 100 Punkte und wir weniger als 60. Nie wieder mit ihm eine Partie gespielt.


    ** Jüngst kommt bei uns Draft-Write-Records öfter auf den Tisch (Ein Spiel, in dem man das Leben einer Band nachspielt: Band und Personal zusammenstellen, Kalender organisieren, Ausrüstung verbessern, Harmonien finden, auf Tour gehen und am Wochende Gigs spielen: Ein easy-peasy-Spiel mit Unterhaltungswert). Ein Mitspieler stellt allerdings immer (also wiederholt) ruck zuck seine Band und das Personal zusammen und löst somit sehr früh das Spielende aus. Da sind die anderen noch mitten in ihrem Spielspaß, der somit von dem Mitspieler ruiniert wird. Wahrscheinlicher Effekt: Mit dieser Person, mit der ich eigentlich gerne zusammen spiele, werde ich dieses Spiel nicht mehr spielen.

  • Fehler machen aktzeptieren: ja, in dem Moment wo ich ihn mache bzw. gemacht habe, Ärgern werde ich mich dennoch. Den Fehler in nächsten Partie aber wiederholen ist nicht aktzeptabel; daher sollte man evtl. auch mal etwas ausführlicher überlegen um evtl. den ein oder anderen Misserfolg direkt zu vermeiden. Das fühlt sich für mich besser an als ständig in Fettnäpfchen zu treten (das mache ich hier schon genügend ;) )...

  • Darüber kann man sich jetzt streiten, ob das mit Perfektionsmus zusammenhängt. Mit Komplexität auf jeden Fall nicht. (..)

    Vor allem kann man es nicht nur auf die Komplexität schieben. Entscheidungsunfreudigkeit oder sogar Entscheidungsunfähigkeit ist übrigens auch ein medizinisch feststellbares Symptom. Druck von Außen ist da allgemein übrigens oft kontraproduktiv, denn wenn es eben nicht auf Perfektionsimus beruht, sondern auf Angst, sozialer Druck etc.., dann verstärken sich nur die Symptome.

    Was den Willen/die Fähigkeit zur Entscheidungsfindung angeht gebe ich dir vollkommen Recht, hatte ich ja auch bewusst mit eingeschlossen nach deinem berechtigten Hinweis, den ich wahrscheinlich vorher so nicht gesehen habe - danke dafür.


    Komplexität als EINEN der Faktoren auszuschließen halt ich indes für falsch. Ich zumindest kenne Menschen, die bei simplen Spielen frei heraus und sehr schnell spielen, bei komplexen Spielen aber sehr stark ins grübeln geraten, eben weil sie Spaß an der Optimierung haben. Das macht Komplexität für mich auch zu einem Faktor, dieser mag nachrangig sein, für mich gehört er aber trotzdem dazu. Aber das hast du ja in meiner Wahrnehmung zumindest in deinem letzten Absatz auch angedeutet.

  • Mir ist es eher unangenehm, mit Personen zu spielen, die an AP "leiden". Da gibts nicht so viele, aber wenn da einer dabei ist, dann wirds für mich anstrengend. Zu erkennen, wie verbissen jemand mit einem Spiel umgeht und beinahe mathematisch alles durchzukalkulieren, das liegt mir in Multiplayerpartien fern. Mache ich gerne, wenn ich solo spiele.

    Vor allem, wenn dann nicht-optimale Züge mehrfach zurückgenommen und nochmal neu berechnet werden... da ist es vorbei.

    Da leidet der Spielspaß aller drunter. Das ist zu verbissen. Aber solche Spiele kommen bei uns auch selten auf den Tisch. Ein Mage Knight oder Gaia Project spiele ich nur mit Personen, die nicht in AP verfallen oder alleine.

  • Ich denke man muss trennen: kennen alle das Spiel?

    Wenn ja, dann stelle mal eine andere Frage: wie viele Züge planst du voraus? Bei mir ist das z.B. recht unterschiedlich:

    Bei Obsession: was will ich grob alles machen bis zur nächsten Phase/Passen, 4-5 Züge.

    Bei Wasserkraft: was will ich mit den 12 Arbeitern erreichen, was ist grob der Plan.

    Ich spiele die auf BGA, in dem Sinne gibt es also keine Downtime. Ich will damit nur zeigen, dass für mich das in dem Fall gute Spiele sind, in denen man sich "komplexere" Zugfolgen überlegen kann, optimieren kann. Der Spaß ist dann: kriege ich einen coolen Plan hin, der dann hoffentlich funktioniert? Muss man da manchmal länger denken? Ja. Macht mir das Spaß? Ja.

    Ich finde das legitim, hat auch nichts mit Perfektionismus zu tun. Aber grübeln kann Spaß machen, ich habe das Puzzle gelöst/Plan ging auf. Quasi ein Sudoku auf schwer.

    Da finde ist bga eine gute Möglichkeit das auszuleben. Bzw. ein zugbasiertes Spiel. Man kann so lange und tief denken, wie man Spaß dran hat.


    Auf dem Tisch sieht das dann bei mir anders aus, aber auch da kann ein Teil des Spaßes durch langfristige Planung kommen. Ideal wenn man den Plan während der Züge der anderen schmieden kann.


    Ich finde auch interessant, dass ich nicht bei allen Spielen Lust habe, ganze Zugfolgen zu planen. Da grübele ich noch woran das liegt. Terra Mystica, Brass fällt mir da z.B. ein, vielleicht bin ich da einfach zu schlecht drin / habe sie zu wenig verstanden?

  • Ist der "Sinn" ein Spiel komplexer zu machen:

    - es schwieriger zu machen, die Zusammenhänge zu durchdringen? Dass man eben mehr herausgefordert ist beim Denken?

    Oder?


    Leicht ketzerisch: Wieso spielen Bauchspieler komplexe Spiele? Ich will nicht damit sagen, dass sie es nicht können, aber was ist denn der Vorteil für sie?

  • Leicht ketzerisch: Wieso spielen Bauchspieler komplexe Spiele? Ich will nicht damit sagen, dass sie es nicht können, aber was ist denn der Vorteil für sie?

    Spaß am Spiel. Wie gesagt ich grüble auch ganz gern mal, aber ich reize es nicht aus und will da auch kein Puzzle lösen oder eine Excel durchdringen. Wenn ich das will nehm ich nen richtiges Puzzle oder setz mich an Excel :lachwein:

    Klingt immer irgendwie hart wenn Spieler vebissen das Puzzle oder die Excel lösen müssen 8o

    Ich steck schon genug Zeit in Regeln, wenn ich dann noch brutal zerdenke, spiel ich bald gar nix mehr aufgrund von Zeitmangel :D

    Einmal editiert, zuletzt von Knolle ()

  • Leicht ketzerisch: Wieso spielen Bauchspieler komplexe Spiele? Ich will nicht damit sagen, dass sie es nicht können, aber was ist denn der Vorteil für sie?

    Spaß am Spiel. Wie gesagt ich grüble auch ganz gern mal, aber ich reize es nicht aus und will da auch kein Puzzle lösen oder eine Excel durchdringen. Wenn ich das will nehm ich nen richtiges Puzzle oder setz mich an Excel :lachwein:

    Klingt immer irgendwie hart wenn Spieler vebissen das Puzzle oder die Excel lösen müssen 8o

    Ich steck schon genug Zeit in Regeln, wenn ich dann noch brutal zerdenke, spiel ich bald gar nix mehr aufgrund von Zeitmangel :D

    Man kann was andere machen, und woran sie Spaß haben, natürlich immer negativ darstellen:

    - brutal zerdenken

    - Excel lösen (was soll das überhaupt sein in diesem Vergleich?)

    Oder wie der Thread Ersteller vielleicht auch etwas unterstellt: man macht sich durch denken aktiv den Spaß kaputt? Wer denkt soll mal lernen Fehler zu akzeptieren....


    Aber vielleicht sind eben nicht alle Bauchspieler. Und vielleicht geht es mir ganz gut so wie ich bin, will ich "auch nicht sein wie ihr ;)". Mein Denken macht mir Spaß. Warum sollte ich denn was ändern, weil ihr anders tickt??? Vielleicht ist eure Art zu spielen für mich eben kein Spaß.


    Im gemeinsamen Spiel sollte man drauf achten, dass es für alle passt: es sollte keine ewige Downtime entstehen, es sollte auch gedacht werden dürfen. Da sollte es so eine Art Konsens in der Gruppe geben, der für alle passt. Aber da hat per se keine Gruppe recht mit ihrer unausgesprochenen Erwartung, wie man zu spielen hat.

  • Ist so mit ein Grund wieso ich nicht mehr so gerne Euros spiele, die fühlen sich oft zäh an und ich hatte da einfach schon zu viele Downtime-Joes am Tisch sitzen mit denen sich die Spiele so hart gezogen haben, dass ich es mittlerweile einfach schätze ein lockeres Spiel zu spielen, das man chillig runter spielen kann. Euros an sich mag ich schon (natürlich nicht alle) und mit den richtigen Leuten macht mir das auch Spaß, grad am Wochenende hab ich mit 2 Personen zu dritt ne Partie Terraforming Mars in 80 Minuten gespielt und die Punktahlen waren 77:76:71 auch eng beieinander.


    Aber vielleicht sind eben nicht alle Bauchspieler. Und vielleicht geht es mir ganz gut so wie ich bin, will ich "auch nicht sein wie ihr ;)". Mein Denken macht mir Spaß. Warum sollte ich denn was ändern, weil ihr anders tickt??? Vielleicht ist eure Art zu spielen für mich eben kein Spaß.

    Das is ja auch völlig legitim, hauptsache wir beide sitzen nicht zusammen am Spieltisch 😜 Kleine Spaß am Rande, ich weiß ja nicht wie lange du wirklich nachdenkst. Wie du sagst muss es halt für alle passen, wenn ein AP-Spieler den Spaß für alle am Tisch kaputt macht (und sowas hab ich schon erlebt), dann wird's kritisch aber wenn da 4 AP-Spieler sitzen und 6 Stunden Terrafoming Mars spielen, dabei aber total glücklich sind weil sie alles optimal durchrechnen, dann ist da ja auch nix falsch dran.

    Ich habe am Spieletisch trotz aller eventuellen Downtime und Ungeduld noch keinem gesagt, dass er sich sputen soll. Das wäre noch unangenehmer als die AP.

    Das versuche ich auch immer zu vermeiden.

  • Erst einmal bedeutet "grübeln", dass man sich im Kreis dreht und nicht zu einer Lösung kommt. Und genau da liegt auch schon ein Problem für viele, was hier auch schon angesprochen wurde. Es gibt Menschen, die versinken in einer Endlosspirale ohne zu merken, dass sie kein Stück voran kommen.


    brettundpad hat es sehr gut zusammengefasst. Es gibt zig Gründe und noch mehr verschiedene Menschen, die Varianten dieser Gründe "nutzen".


    Zitat von PowerPlant

    Warum macht man sich das Leben so schwer? Warum versucht man hochkomplexe Spiele zu 100% durchzurechnen?

    Was für dich schwer erscheint, ist für andere einfach. Dass es Spaß macht wurde ja bereits eingeworfen.

    Außerdem bezweifle ich, dass es viele Spieler gibt, die zu 100% durchrechnen. Meist ist doch so, dass man schlicht einen guten Zug machen will, was nicht zwingend der beste sein muss.


    Gegenfrage, wieso machen es sich die Sportler so schwer? Die könnten ja alle auf Hobby Niveau bleiben und hätten genau so viel Spaß... oder wäre es dann doch eher ein völlig anderes Spiel?


    Zitat von PowerPlant

    Auch das wird Spielen oft als Nachteil angelastet: „Ist komplett durchrechenbar“.

    Finde ich auch nicht gut und vor allem langweilig. Wenn ich nicht wirklich spielen und denken, sondern nur ein bisschen rechnen muss, dann fehlt mir hier das "Spiel".


    Zitat von PowerPlant

    Die Frage, die sich mir stellt ist: Warum sollte man das tun? Warum macht man sich aktiv den Spaß kaputt, nur weil es möglich ist?

    Wie oben schon (mehrfach) steht, macht es anderen halt Spaß. Ich bezweifle, dass Profi Schach Spieler deinen Gedanken auch nur ansatzweise mitgehen.


    Zitat von PowerPlant

    Ich spreche eher davon schon ordentlich zu spielen, aber eben auch Raum für Fehler zu lassen und sie zu akzeptieren.

    Komplexe Spiele werden für gewöhnlich nie perfekt gespielt, ganz besonders dann nicht, wenn sie interaktiv sind. Dementsprechend vermute ich, dass es für die meisten dieser Spieler nicht um den perfekten, sondern um einen guten Zug geht.


    Zitat von PowerPlant

    Wir haben bewusst in Kauf genommen, dass das System so komplex ist, dass wir es nicht fehlerfrei oder maximal effizient spielen werden. Und es hat eine Menge Spaß gemacht!

    Du wirst es nicht glauben, aber wir spielen immer bestmöglich, auch wenn das Spiel noch so komplex ist und es macht immer eine Menge Spaß!


    Zitat von PowerPlant

    „Wenn ich es schon spiele, dann will ich es zuvor zu 100% verstehen.“. Das ist in meinen Augen aus sportlicher und didaktischer Sicht nicht mit komplexen Spielen vereinbar.

    Ich würde jetzt dreist behaupten, dass es dabei rein um die Regelkenntnis geht und nicht um das Können. Und dann bin sehe ich das ganz genauso. Natürlich möchte ich alle Regeln kennen, wie sonst soll ich denn sinnvoll spielen? Ich spiele nicht des Spielens willen, sondern um mich mit einem System auseinanderzusetzen. Dazu muss ich es natürlich erstmal kennenlernen, sonst ergibt das keinen Sinn.


    Wargames, Magic, etc. mal außen vor. Ich kenne kein Spiel bei dem mich die Regeln überfordern. Das mag für andere sicherlich anders sein, aber selbst dann hat jeder in der Gruppe die Möglichkeit zu fragen und erinnert sich auch wieder daran, dass es ursprünglich erklärt wurde. Man muss ja nicht jede Regel perfekt im Kopf behalten, man muss sich nur merken, dass da etwas war. Ergo, ich frage nach.


    Zitat von PowerPlant

    Ärgert man sich am Ende über das eigene Versagen nicht perfekt gespielt zu haben - oder freut man sich über gesteigerte Punktzahlen, wenn man „automatisch“ durch den in Wiederholung und Erfahrung eingebauten Lerneffekt besser wird?

    Natürlich ärgere ich mich, wenn ich Fehler mache. Wenn ich mich über etwas ärgern darf, dann über meine eigenen Fehler. Aber das schließt doch die Freude über die Erfahrung nicht aus...?!


    es ist für mich Teil des Anspruchs, da unter Berücksichtigung eines normalen Spielflusses bestmöglich durchzunavigieren.

    Das ist für mich und so gut wie alle Mitspieler der wichtigste Punkt. Immer. Jeder darf und soll nachdenken und gut spielen dürfen, solange er das Spiel dabei nicht bricht. Das ist wie das Befahren einer Straße. Jeder weiß, dass er nicht zu schnell fahren soll, aber viele fahren auch zu langsam (was ebenfalls ein Bußgeld mit sich bringen kann).


    Ich habe mir schon oft jemanden am Tisch gewünscht, der einfach nur die Zeit von jedem Spieler notiert. Da würden sich so einige wundern und außerdem kann man dann ggf. auch die Frage stellen, ob der eine Punkt 15 Min. mehr Zeit rechtfertigt (vor allem, wenn der Spieler mit deutlich mehr als nur 1 Punkt gewonnen hat). Oder ganz dreist, wir rechnen Punkte pro Zeit. Ich fände das höchst interessant und auch ziemlich witzig.



    Zitat von Wuschel

    Downtime-Joes

    :D :lachwein:

    Einmal editiert, zuletzt von H8Man ()

  • Ich habe mir schon oft jemanden am Tisch gewünscht, der einfach nur die Zeit von jedem Spieler notiert. Da würden sich so einige wundern und außerdem kann man dann ggf. auch die Frage stellen, ob der eine Punkt 15 Min. mehr Zeit rechtfertigt (vor allem, wenn der Spieler mit deutlich mehr als nur 1 Punkt gewonnen hat). Oder ganz dreist, wir rechnen Punkte pro Zeit. Ich fände das höchst interessant und auch ziemlich witzig.

    [Blockierte Grafik: https://www.reich-der-spiele.de/wp-content/uploads/10105-DGT-Cube-on-base.jpg]

    Misst die Zeit, die ein Spieler braucht. Wenn er mit seinem Zug fertig ist, einfach weitergeben und auf die entsprechende Farbe drehen.

  • Es gibt eines, das mir noch mehr missfällt als Downtime und das ist "Echtzeit" in Spielen. Dann lieber chillig auf den ewig nachdenkenden Kollegen warten, als mit der Sanduhr oder Schachuhr am Tisch sitzen. :)

    Echtzeitspiele mag ich in der Regel auch gar nicht (gibt Ausnahmen). Aber die Idee von diesen Uhren ist nicht wie bei Schachuhren eine maximale Bedenkzeit zu geben und Zeitdruck zu schaffen sondern einfach nur die Zeit hochlaufen zu lassen und dann effektiv nichts damit zu tun. Du siehst am Ende halt nur wer wie lange in Summe für seine Züge gebraucht hat und ich muss sagen, manchmal hätte mich das auch schon interessiert.


    Hab von dem Würfel zum ersten mal im Kontext von Twilight Imperium gehört und das Spiel ist ja alles aber kein Euro aber eben ein Spiel das bekannt dafür ist, sehr lange zu gehen und man vielleicht im Sinne aller etwas zügiger spielen sollte. Meine letzte Partie Twilight Imperium ging 11 1/2 Stunden und ich bin mir sehr sicher, die waren nicht gleichverteilt. Habe seit dem auch jegliche Lust an dem Spiel verloren.

  • Mixosaurus Ich schließe Komplexität als Faktor nicht aus. Es muss aber da eben keinen Zusammenhang geben. Ja, wenn etwas komplexer ist, dann scheint die Anzahl derer die mal "festhängen", warum auch immer (Gründe gibt es viele), größer. Ich wollte nur festhalten, dass es je nach Grund (warum erzeuge "ich" Downtime) auch ohne große Komplexität in Brettspielen zu Downtime kommen kann. Ich kenne z.B. einige Menschen, die finden kooperative Brettspiele total schlimm, weil diese sozialen Druck ausüben. Ähnlich kann dies ein einfaches Brettspiel auslösen, wo viele munter aus dem Bauch spielen, aber eine andere Person AP bekommt. Wie gesagt, ich habe AP schon bei einfachen Familienspielen erlebt.

  • Ich kenne z.B. einige Menschen, die finden kooperative Brettspiele total schlimm, weil diese sozialen Druck ausüben. Ähnlich kann dies ein einfaches Brettspiel auslösen, wo viele munter aus dem Bauch spielen, aber eine andere Person AP bekommt. Wie gesagt, ich habe AP schon bei einfachen Familienspielen erlebt.

    Wichtiger Punkt. Ich war zu Anfang meiner Brettspielleidenschaft immer der Meinung, dass man am einfachsten Leute fürs Brettspielen gewinnen kann, wenn man kooperativ spielt, weil man dann diesen konfrontativen Charakter eliminiert. Das war ein Trugschluss. Das hat oft genau das Gegenteil bewirkt. Entweder wollten die dann gar keine Entscheidungen mehr treffen und haben sich auf den Alphaspieler verlassen oder sie hatten massive Schwierigkeiten dabei, selbst Entscheidungen zu treffen.

    Dann lieber kompetitiv spielen und aus dem Bauch heraus, das nimmt bei Anfängern etwas die Anspannung.

  • [Blockierte Grafik: https://www.reich-der-spiele.de/wp-content/uploads/10105-DGT-Cube-on-base.jpg]

    Misst die Zeit, die ein Spieler braucht. Wenn er mit seinem Zug fertig ist, einfach weitergeben und auf die entsprechende Farbe drehen.

    Hihi, an den habe ich dabei auch gedacht. Wir haben sogar einen im Verein, aber irgendwie bin ich nie damit warm geworden. Vermutlich weil ich während der Züge der anderen lieber meinen eigenen Zug plane anstatt mich um den Würfel zu kümmern. Fairerweise muss man dazu sagen, dass ich mich mit der Bedienung des Würfels nie auseinander gesetzt habe.


    Allein die Idee fand / finde ich aber super lustig. :D

  • Wir haben ein oder zweimal mit dem DGT Würfel gespielt und zum einen war es nervig, immer die Seite mit der richtigen Spielerfarbe zu suchen, wenn man ihn bekam, vor allem, weil man seinen Zug machen wollte und nicht den Würfel absuchen (ja, hätte man mit entsprechendem Vorgehen verbessern/vermeiden können, aber wenn z.B. der zuletzt aktive Spieler den Würfel drehen sollte, konnte der Zug schon erledigt sein, bevor derjenige die richtige Seite fand) und zum anderen unterscheidet die Zeitnahme nicht, ob ich sofort einen 3 Minuten langen Kettenzug mache oder 2:55 AP habe und anschließend 5 Sekunden brauche, um meinen Meeple einzusetzen.

  • Kettenzüge hat ja dann jeder mal

    Ich wollte auch schon immer mal Zeit stoppen , weil in der Spielerunde einer auch sehr oft lange grübelt ...und dann wenn ich einmal länger überlege, kommt ein Kommentar. Da könnte man mal Beweise auf den Tisch legen. Generell seh ich's aber chillig , wenn ein Zug mal etwas länger dauert. Nur wenn sich jeder Zug ewig anfühlt wird's mir auch zu zäh. Das kam auch schon vor. Blöd finde ich es aber auch, wenn sich jmd gehetzt fühlt... zerstört genauso den Spielspaß ...darum kam auch die Stoppuhr noch nicht zum Einsatz. Aber interessant wärs schon einmal. Da würden sich einige wundern, dass sie deutlich länger brauchen als andere.

  • Gemessen an Komplexität und Spielart dürfte der AP-König feststehen: So Kleever!

    Da haben Leute schon 15 Minuten und mehr nach einem passenden Wort gesucht.


    Ich glaube auch nicht, dass das mit Perfektionismus zu tun hat.


    Aber gut, als nicht-Euro ist das ja ohnehin offtopic. 😁

  • Witzig, hab ich gestern gespielt und hatte auch ein Wortpaar, dass mir echt Kopfzerbrechen bereitet hat. Das war ähnlich wie bei Dixit, wenn man mit Gewalt Kreativität aus einem selbst herauspressen muss. Hab dann ein eher schlechtes Wort genommen was mir schon von Anfang an im Kopf herum ging, aber eigentlich nur auf eins der Worte passte. Am Ende hat genau dieses Paar keine Rolle gespielt, weil die anderen Blättchen schon geregelt hatten.

  • Ich bin an und für sich kein sehr kompetitiver Spieler, dem Gewinnen extrem wichtig ist. Dennoch bin ich durchaus anfällig für AP. Bei mir tritt es insbesondere dann auf, wenn die eine oder die andere von zwei sehr spezifischen Bedingungen erfüllt ist.


    Bedingung 1: Wenn ein Spiel die Brücke zwischen Mechanik und Thematik für mich nicht schlagen kann und die Interaktion gering ist. Da meist Euros davon betroffen sind, reduziert sich in diesem Fall das Spiel für mich zu einer reinen Optimierübung, deren einziger Sinn und Zweck die Optimierung per se ist. Also plane ich die Züge durch.

    Besonders schlimmes Beispiel: Ruinen von Arnak. Meine Frau liebt es, mir gefällt es optisch sehr gut, aber für mich hat das Spielgeschehen NULL Bezug zum Thema. Es gibt Siegpunkte, Dinge die sich in Siegpunkte umwandeln lassen, und Extra-Aktionen um mehr Dinge in mehr Siegpunkte umzuwandeln. Und weil mich das Spiel am Ende mit Synergiemöglichkeiten regelrecht überhäuft, dauern insbesondere meine letzten Züge seeeehr lange. Weil ich alles durchdenke, und erst dann die "richtige" Synergiekette starte.

    Warum wäre das mit besserer thematischer Integration kein Problem? Ich bin eigentlich nicht so sehr auf's Gewinnen aus. Ich spiele für "coole Momente", plakativ gesagt. In diesem Fall spiele ich auf "thematische Ziele", die sich positiv auf die Siegpunkte auswirken können, aber nicht müssen.



    Bedingung 2: Spiele mit hoher Komplexität, hoher Immersion und umfangreichen bis desaströsen Auswirkungen auf's Spielgeschehen bei Fehlern. Hier dreht sich meine Liebe zu "coolen Momenten" dann ins Gegenteil und wird zum Nachteil. Ich will irgendwas unbedingt passieren sehen, und wäre sehr enttäuscht, wenn das nicht klappt. Gleichzeitig sind Fehler in der Entscheidungsfindung für mein eigenes Spiel so kostspielig, dass ich diese Fehler unbedingt vermeiden will.

    Beispiel Hordes: Ich liebe das Setting, und ein chargendes schweres Warbeast fühlt sich an wie eine unaufhaltsame Vernichtungsmaschine. Der Warlock, Dreh- und Angelpunkt des eigenen Spiels, ist ein wirklich mächtiger Magieanwender und Kämpfer und die Personifizierung des Spielers auf dem Spielfeld. Aber nichts ist unverwundbar in diesem Spiel, und ein chargendes gegnerisches schweres Warbeast ist ebenfalls eine unaufhaltsame Vernichtungsmaschine. Und ein toter Warlock bedeutet sofortige Niederlage. In Kombination mit geringem Glücksfaktor, hoher Planbarkeit, Ressourcenmanagement und einer ganzen Batterie an vielschichtigen Synergieketten und Positionierungsspielereien gibt es hier einfach sehr viel zu bedenken. Und da ich deutlich lieber sehe, wie mein Warbeast irgendwas wie vermöbelt anstatt zu sehen, wie es vermöbelt wird, kann eine Runde dann schonmal 30 Minuten in Anspruch nehmen.


    Also kurz zusammengefasst:

    Ich strebe nicht nach Perfektion, sondern bei mir tritt AP dann auf, wenn ich entweder keine emotionale Bindung zum Spiel herstellen kann, oder wenn emotionale Bindung und Impact von Fehlern sehr hoch sind. :)

    Wenn dir egal ist, wo du bist, kannst du dich auch nicht verlaufen.

  • Ich orientiere mich, wie in anderen Lebensbereichen, auch beim Brettspielen am guten Vilfredo Pareto. Wenn ich ganz ehrgeizig bin, dann können auch mal ein paar Prozentpunkte hinzukommen. Ich vermeide aber, das ganze ausarten zu lassen, da für mich dann das Spiel in Arbeit umschlagen würde, und davon habe ich tagsüber schon genug.


    Grundsätzlich öden mich persönlich deshalb Grübelorgien beim Spielen an, da ich diesen für mich keinen Mehr- und Nutzwert abringen kann. Ich stehe aber jedem anderen zu, dass es für ihn ein Kern des Spiels sein kann und er daraus Befriedigung zieht, den möglichst perfekten Zug zu suchen. Deshalb spiele ich auch weiterhin mit Grüblern, aber nur in größeren Gruppen, dann kann man sich währenddessen gut unterhalten.

  • Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass so gut wie alle Menschen falsch einschätzen, wie viel Zeit sie verbrauchen im Vergleich zu den anderen. Alleine durch den Effekt, dass man sich Zeit zu dehnen scheint, wenn man nichts macht / sich langweilt. Oder man nicht merkt wie lange man braucht, wenn man gerade selber aktiv ist.


    Hängt auch vieles an: wann denke ich nach, plane ich? In meinem Zug, oder wenn die anderen am Zug sind?

    Dann gibt es Spiele, da lohnt es sich nicht nachzudenken im Zug der anderen, weil sich zu viel ändert bis man dran ist.