Beiträge von Dirtbag im Thema „Perfektionismus in Eurogames“

    Ich bin an und für sich kein sehr kompetitiver Spieler, dem Gewinnen extrem wichtig ist. Dennoch bin ich durchaus anfällig für AP. Bei mir tritt es insbesondere dann auf, wenn die eine oder die andere von zwei sehr spezifischen Bedingungen erfüllt ist.


    Bedingung 1: Wenn ein Spiel die Brücke zwischen Mechanik und Thematik für mich nicht schlagen kann und die Interaktion gering ist. Da meist Euros davon betroffen sind, reduziert sich in diesem Fall das Spiel für mich zu einer reinen Optimierübung, deren einziger Sinn und Zweck die Optimierung per se ist. Also plane ich die Züge durch.

    Besonders schlimmes Beispiel: Ruinen von Arnak. Meine Frau liebt es, mir gefällt es optisch sehr gut, aber für mich hat das Spielgeschehen NULL Bezug zum Thema. Es gibt Siegpunkte, Dinge die sich in Siegpunkte umwandeln lassen, und Extra-Aktionen um mehr Dinge in mehr Siegpunkte umzuwandeln. Und weil mich das Spiel am Ende mit Synergiemöglichkeiten regelrecht überhäuft, dauern insbesondere meine letzten Züge seeeehr lange. Weil ich alles durchdenke, und erst dann die "richtige" Synergiekette starte.

    Warum wäre das mit besserer thematischer Integration kein Problem? Ich bin eigentlich nicht so sehr auf's Gewinnen aus. Ich spiele für "coole Momente", plakativ gesagt. In diesem Fall spiele ich auf "thematische Ziele", die sich positiv auf die Siegpunkte auswirken können, aber nicht müssen.



    Bedingung 2: Spiele mit hoher Komplexität, hoher Immersion und umfangreichen bis desaströsen Auswirkungen auf's Spielgeschehen bei Fehlern. Hier dreht sich meine Liebe zu "coolen Momenten" dann ins Gegenteil und wird zum Nachteil. Ich will irgendwas unbedingt passieren sehen, und wäre sehr enttäuscht, wenn das nicht klappt. Gleichzeitig sind Fehler in der Entscheidungsfindung für mein eigenes Spiel so kostspielig, dass ich diese Fehler unbedingt vermeiden will.

    Beispiel Hordes: Ich liebe das Setting, und ein chargendes schweres Warbeast fühlt sich an wie eine unaufhaltsame Vernichtungsmaschine. Der Warlock, Dreh- und Angelpunkt des eigenen Spiels, ist ein wirklich mächtiger Magieanwender und Kämpfer und die Personifizierung des Spielers auf dem Spielfeld. Aber nichts ist unverwundbar in diesem Spiel, und ein chargendes gegnerisches schweres Warbeast ist ebenfalls eine unaufhaltsame Vernichtungsmaschine. Und ein toter Warlock bedeutet sofortige Niederlage. In Kombination mit geringem Glücksfaktor, hoher Planbarkeit, Ressourcenmanagement und einer ganzen Batterie an vielschichtigen Synergieketten und Positionierungsspielereien gibt es hier einfach sehr viel zu bedenken. Und da ich deutlich lieber sehe, wie mein Warbeast irgendwas wie vermöbelt anstatt zu sehen, wie es vermöbelt wird, kann eine Runde dann schonmal 30 Minuten in Anspruch nehmen.


    Also kurz zusammengefasst:

    Ich strebe nicht nach Perfektion, sondern bei mir tritt AP dann auf, wenn ich entweder keine emotionale Bindung zum Spiel herstellen kann, oder wenn emotionale Bindung und Impact von Fehlern sehr hoch sind. :)