Perfektionismus in Eurogames

  • Bei mir kommen hauptsächlich zwei unterschiedliche Aspekte zum Tragen:


    a) Wie komplex ist das Spiel?

    Handelt es sich um ein eher seichtes Würfel- oder Kartenspiel, dann spiele ich im Regelfall meine Züge relativ flott durch, da ich weiß, daß mich das Spiel aller Voraussicht nach nicht fordern wird. Und ob ich dann gewinne oder verliere hat dann mehr mit Glück als mit Können zu tun.


    b) Wie groß ist bei einem Kenner- oder Expertenspiel die Wahrscheinlichkeit, daß ich es mehr als zweimal auf den Tisch bekomme?

    Wenn ich mich in ein neues Spiel einarbeite und meiner Familie erkläre, dann habe ich im Regelfall den Anspruch, daß es innerhalb einer angemessenen Zeit (max. vier Wochen) öfters gespielt wird; im Idealfall mindestens fünfmal. Dann kann ich für mich locker die Erstpartie als Lernpartie deklarieren und die anderen nutze ich zum Entdecken und Ausprobieren verschiedener Taktiken oder Strategien. Da ist es mir auch nicht so wichtig, wo ich punktetechnisch lande (ein Sieg ist natürlich immer schön ;) ).


    Leider ist die Realität in den letzten Jahren immer weniger deckungsgleich mit meiner Erwartung. Heißt: Häufiger als mir lieb ist, bleibt es nur bei maximal zwei Partien, was mich bei allen anderen neuen Sachen zusätzlich unter Druck setzt, möglichst schnell erfolgreich sein zu "müssen". Denn als Erklärer immer nur zu verlieren macht mir dann auch keinen Spaß. Und da ärgert es mich in der Tat manchmal selber, wenn ich in eine gewisse AP-Starre verfalle.

  • Meines Erachtens läuft eEs läuft auf die schon häufig genannten Punkte Komplexität/Perfektionismus/eigener Anspruch/Kompetitivität hinaus, wobei allerdings - wenn ich nichts überlesen habe - noch der Aspekt fehlt, dass Komplexität für jeden Spieler anders empfunden werden kann.

    Wenn ich mich hier mit meiner Haupt-Spielepartnerin, meiner Frau, vergleiche, dann geht das Empfinden hier ganz schön auseinander. Nur zwei Beispiele, die laut BGG ähnlich komplex sind: #Newton und #LorenzoDerPrächtige . Während mit #Newton zur Verzweiflung treibt (mir gefällt das Spiel durchaus!), würde ich #LorenzoDerPrächtige jederzeit als Absacker spielen - das treibt wiederum meine Frau in den Wahnsinn, die das daher nur als "Hauptspiel des Abends" auf den Tisch bringen würde...

    Und bezüglich Kompetitivität und Perfektionismus auch wieder am Beispiel meiner Frau: Das muss nicht unbedingt Hand in Hand miteinander einhergehen. Ich kenne keinen Menschen, der weniger kompetitiv ist als meine Frau, der Wettkampfgedanke geht ihr völlig ab. Dennoch kann sie nicht anders, als möglichst perfekt spielen zu wollen und mehrere Züge im Voraus durchrechnen zu wollen. Auch in einer Erstpartie, während ich da einfach die verschiedenen Möglichkeiten (natürlich auch nicht komplett sinnbefreit) ausprobieren möchte. Mit ihr ein Spiel beim Spielen zu lernen ist gnadenlos zum Scheitern verurteilt. Ich wollte mit ihr vor ein paar Jahren #PortRoyal lernen, erklärte ihr die Dinge ganz grob und meinte dann "Den Rest machen wir dann beim Spielen, da erkläre ich dann auch was zu den Karten, die wir noch nicht hatten..."

    Das Spiel ist KOMPLETT durchgefallen.

    Letztes Jahr ein neuer Versuch, diesmal erklärte ich alle Karten komplett, Auswirkungen, Beispiele - und das Spiel wurde begeistert aufgenommen.

    Nach eigener Aussage wünscht sie sich selbst, einfach auch mal drauflosspielen zu können und nicht immer alles bis in's Kleinste durchrechnen zu müssen - aber irgendwie "kann sie das nicht", wie sie selbst immer wieder sagt. Es geht wohl einfach nicht.

    Menschen sind eben sehr unterschiedlich.

    Lange Rede, kurzer Sinn: Ich denke, man kann es nicht per se am Spiel festmachen, ob es zu Grübelorgien verleitet - es liegt sehr an den jeweiligen Mitspielern. Und umgekehrt neigt da der eine sicher mehr dazu als ein anderer - aber auch das kann bei verschiedenen Spielen kompett unterschiedlich/entgegengesetzt sein...

  • Ich finde es meist besser zu sehen, was msn selber ändern kann, als zu sagen: warum seid ihr so? Gesteht euch doch zu Fehler zu machen etc.

    Ein paar Möglichkeiten hat man da ja schon, abgesehen von: Mit den Leuten nicht mehr spielen, die lange denken. Hängt aber immer von den Personen ab.


    Ich denke ein bekanntes, öfter gespieltes Spiel ist z.B. besser, hat weniger AP. Gerade bei komplexeren Spielen ist es häufig sehr schwer in der ersten Partien durchdachte Züge zu machen. Mit nur zu 80% verstandenen Regeln etc. Persönlich daddeln ich die erste Partie hirnlos und schaue was passiert, aber das macht auch nicht jeder.

    Spiele vermeiden bei denen man zwischen den Zügen nicht gut planen kann, weil sich alles noch ändert. Keine zufälligen Dinge, die dann Kettenzüge auslösen, das man den Zug dann wieder überdenken muss.

    Und vielleicht nicht übermäßig komplexe Sachen planen, es kann ja auch eine Überforderung entstehen, wenn man nicht in der Lage den Zug mit seinen Auswirkungen zu planen. Dann verliert der erfolglos Denkende den Faden, fängt von vorne an etc.


    Ich kann mich aber auch an eine Partie 7 Ages erinnern, die den Namen verdient hatte (Erstpartie, jede Karte etc musste durchdacht werden. Da bin ich mehrfach mit meinem Volk gestorben und wollte auch eher tot bleiben, als wieder ins Spiel zurückkehren... Und dann einfach nie wieder mit dieser Person etwas gespielt, ist ja auch in Ordnung. In Extremfällen macht es dann keinen Sinn.