Oros

  • Oros hat ein paar Probleme: Es funktioniert zu zweit nur mit einem nicht so gelungenen Automa, absolut keiner Möglichkeit, den eigenen Zug im Voraus zu planen, die Schieberei ist etwas mühsam und fiddelig, die Anleitung hat für ein Kennerspiel (wenn auch am oberen Rand) absurde 30 Seiten mit viel zu vielen kleinen Regeldetails, und optisch hat es mich jetzt auch nicht allzusehr abgeholt. Aber es hat auch einige Ideen, die ich absolut großartig fand: Dass man quasi alles im Spiel upgraden kann (vom Spielertableau bis zu den Arbeitereinsetzplätzen, die man dann für alle verbessert), dass es die Grundidee von Terra Mystica in einen offenen Kampf verwandelt, und dass die beste Strategie ist nichts aufzuwerten, sondern einfach von den Aufwertungen der Mitspieler zu profitieren - nur wenn das eben alle tun, kommt niemand voran.

    Insgesamt ist das hier kein rundes Spiel für alle, aber für die richtige Gruppe kann das sehr gut funktionieren. Nur ist es wohl die Schnittmenge aus "abstrakt", "puzzeln", "taktisches Gameplay" und "negative Interaktion", bei der dann wenige Kandidaten übrig bleiben.

  • Es ist auch sehr innovativ - vielleicht zu innovativ, sodass es am Ende abgeschreckt, Erwartungen nicht erfüllt etc. hat? Sowas ist heutzutage in erster Linie mutig und dafür prädestiniert, nicht überall anzukommen; es trifft auch nicht die aktuelle Brettspielseele [...]. Ich behalte es, weil es eben so einzigartig ist; fällt dadurch auch in die Kategorie, dass allgemeine Brettspielfans das deshalb mal spielen sollten, weil es nichts Vergleichbares gibt (nach meinem Stand).

    Gehe aber auch davon aus, dass es eines Tages neu kommen wird; als reines Einzelprojekt war es durchaus erfolgreich genug, sodass der Designer sicher nicht den Mut verloren hat.

  • Ich vermute eher, dass es ein weiteres Opfer der heutigen Marktbewirtschaftung ist. Welches Spiel wird denn heute noch langfristig am Markt platziert? Meist heisst es: Einmal produzieren, abverkaufen, nächstes Spiel. Und wenn man zu viel produziert hat, als man in einem kurzen Zeitfenster gut verkaufen kann, leert man halt das Lager mit einer Rabattschlacht. Mir tun die Autoren Leid, deren Arbeit so entwertet wird. Oros ist ja nicht das einzige Spiel, dem es so ergeht / ergangen ist.

  • Der Zusammenhang zwischen der (von mir empfundenen) Güte eines Spiels und der Wahrscheinlichkeit, daß es verramscht wird, ist zu stark für Deine These. Anders gesagt, gute Spiele werden nach wie vor nicht verramscht (beide Umkehrschlüsse, a) nicht Verramschtes ist gut und b) alles Verramschte ist schlecht treffen m.E. allerdings nicht zu).

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  • Ich vermute eher, dass es ein weiteres Opfer der heutigen Marktbewirtschaftung ist. Welches Spiel wird denn heute noch langfristig am Markt platziert?

    Das impliziert für mich eine aktive Entscheidung des Verlages, die es aber in Wirklichkeit selten bis nie so gibt. Im Prinzip möchte doch jeder Verlag Longseller und gut laufende Serien haben, aber alles, was man als Verlag tun kann, ist die Wahrscheinlichkeit für sowas zu erhöhen und die sich ergebenden Chancen, z.B. durch gute initiale Reviews, dann zu nutzen.

    Aktiv fördern kann man das als Verlag kaum, wohl aber sabotieren, indem man zu viele durchschnittliche Spiele in zu schneller Folge auf den Markt schmeißt oder indem man zu große Stückzahlen herstellen lässt, so dass man zu Rabattaktionen gezwungen wird, mit denen man sich den wahrgenommen Wert seiner Spiele schneller zerschießt als einem lieb sein kann.


    [...] leert man halt das Lager mit einer Rabattschlacht.

    Klar. Muss man dann wohl machen. Aber das hat Konsequenzen. Das war ein Erstlingswerk im Eigenverlag. Dieser Autor ist jetzt dauerhaft verbrannt und wird im Brettspiel-Business kein Bein mehr auf den Boden kriegen.

    Vielleicht wäre es dann doch besser gewesen, noch ein paar Extraschleifen in der redaktionellen Bearbeitung zu drehen, bevor man ins Crowdfunding geht. Die entsprechende Kritik an konkret benannten Regeldetails gab's ja, bei BGG genauso wie hier, wo ja auch der deutsche Lokalisierungspartner aktiv war.


    Anders gesagt, gute Spiele werden nach wie vor nicht verramscht (beide Umkehrschlüsse, a) nicht Verramschtes ist gut und b) alles Verramschte ist schlecht treffen m.E. allerdings nicht zu).

    Da ist ein kleiner Logikfehler drin. Wenn "Spiel ist gut => wird nicht verramscht" gilt, dann ist korrekt, dass aus "wird nicht verramscht" noch lange nicht "Spiel ist gut" folgt (d.h. es kann auch schlechte Spiele geben, die ebenfalls nicht verramscht werden). Aber deine These b ist schwerer damit in Einklang zu bringen, denn die Grundannahme besagt ja eigentlich, dass aus Verramschen folgt, dass das Spiel eben nicht gut sein kann (denn sonst dürfte es ja nicht verramscht werden). Das "A => nicht B" ist äquivalent zu "B => nicht A".

    Ganz falsch ist das alles natürlich trotzdem nicht, weil bei Spielen keine binäre Logik gilt, sondern höchstens Wahrscheinlichkeiten und Korrelationen (d.h. "gute Spiele werden normalerweise nicht verramscht" und außerdem das gut/schlecht bei Spielebewertungen weder binär ist noch von jedem gleich bewertet wird.

  • Oros hat ein paar Probleme: Es funktioniert zu zweit nur mit einem nicht so gelungenen Automa, (…)

    Wie gesagt, ich spiele Oros am liebsten zu zweit. Und das nicht trotz, sondern wegen des Automas. Vielleicht haben meine Frau und ich da einen etwas anderen Spielegeschack, aber die Möglichkeit sowohl gegeneinander als auch gegen den Automa zu spielen, ist spannend und macht großen Spaß. Der lässt sich wunderbar und, wie ich finde, ziemlich elegant ins Spiel integrieren. Zudem sind die vier Schwierigkeitsgrade, aus denen man das Automa-Deck auswählen kann, spielerisch sehr reizvoll.

    absolut keiner Möglichkeit, den eigenen Zug im Voraus zu planen, (…)

    Vorausplanung ist keineswegs unmöglich. Das gilt umso mehr im Spiel zu zweit. Sobald im Verlauf des Spiels erst mal Berge entstehen, werden die gegnerischen Möglichkeiten berechenbarer. Außerdem stehen die besetzten Aktionsfelder nicht sofort zur Verfügung, da die Figuren zunächst nur auf freie Felder umgesetzt werden dürfen. Damit lässt sich ebenfalls ganz ordentlich planen.

    die Schieberei ist etwas mühsam und fiddelig, (…)

    Das Verschieben und Bewegen ist anfangs zwar ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber dafür ist noch genügend freier Platz auf dem Spielplan. Später im Spiel, je mehr Vulkane ausgebrochen und neues Land entstanden ist, über Wassergrenzen hinweg gelaufen werden kann, wird gar nicht mehr so arg viel Landmasse bewegt. Ich bin allerdings auch ein visueller Mensch und liebe einfach das Über-den-Horizont-Geschiebe, das Zusammenstoßen und Auseinanderbrechen der Landmassen usw.

    die Anleitung hat für ein Kennerspiel (wenn auch am oberen Rand) absurde 30 Seiten mit viel zu vielen kleinen Regeldetails, und optisch hat es mich jetzt auch nicht allzusehr abgeholt.

    Die Anleitung ist sehr luftig gesetzt und hat netto nur 16 Seiten Regeltext. Das ist völlig normal für ein gehobenes Kennerspiel. Und die Optik ist vor allem äußerst funktional gehalten und nicht so überladen wie viele Kickstarter-Spiele heutzutage.

    Aber es hat auch einige Ideen, die ich absolut großartig fand: Dass man quasi alles im Spiel upgraden kann (vom Spielertableau bis zu den Arbeitereinsetzplätzen, die man dann für alle verbessert), dass es die Grundidee von Terra Mystica in einen offenen Kampf verwandelt, und dass die beste Strategie ist nichts aufzuwerten, sondern einfach von den Aufwertungen der Mitspieler zu profitieren - nur wenn das eben alle tun, kommt niemand voran.

    Du musst das mit einem anderen Spiel verwechseln. Hier werden keine „Arbeitereinsatzplätze (…) für alle“ verbessert. Wo gibt es hier „offenen Kampf“, dass „die beste Strategie ist nichts aufzuwerten“ und „von den Aufwertungen der Mitspieler profitieren“, finde ich auch nirgends wieder?!

    Einmal editiert, zuletzt von Gead (10. September 2024 um 14:18)