Beiträge von MetalPirate im Thema „Oros“

    Wirklich gute Unterstützung unterhält heute keines der Spiele mehr das halbfertig daherkommt oder erkennen lässt, dass es im Grunde wichtige Fragen noch nicht beantwortet hat.

    ...außer bei namhaften Firmen wie CMON; die können sich sowas problemlos erlauben. :)

    Aber für die (relativen) Neulinge im Geschäft hast du natürlich recht. Wer sich ein bisschen auskennt und schon viele Kickstarter unterstützt hat, der weiß dann normalerweise auch, dass er den eingesetzten Geldbetrag bei solchen No-Name-Kampagnen bei einem eventuellen Weiterverkauf nicht wieder sieht, eben anders als bei den "Großen" des Geschäfts. Also will man noch sicherer sein, dass das Spiel wirklich gut ist und erwartet dann viel mehr noch eine 100% überzeugende Spielregel zum Download.

    Oft gibt es gar keine Anleitung, kein Tabletopia oder Tabletop Simulator.

    Bei den Kampagnen, die in erster Linie ein Spiel und nicht nur Miniaturen verkaufen wollen, wird doch mittlerweile eine Anleitung zwingend erwartet. Bei Neulingen erst recht.

    Und eigentlich kann man auch fast schon sagen, dass auch die TT- oder TTS-Umsetzung schon von vielen Backern erwartet wird. Vor einem Jahr hätte ich das so noch nicht gesagt, aber mittlerweile schon. Zumindest geht die Reise klar dorthin. Durch die Pandemie und fehlende "real life" Testmöglichkeiten (und andererseits auch durch die zunehmende Internationalität im Geschäft) ist eine solche elektronische Umsetzung auf dem besten Wege, zum Standard bei der Spieleentwicklung zu werden. Konkret in diesem Falle bei Oros: wie sonst hätte ein amerikanischer Autor/Eigenverlagschef mit einem deutschen Lokalisierungsverlag das Spiel weiterentwickeln und auf Kickstarter bringen sollen?


    Finale Anleitungen erlebe ich ziemlich selten. Ich trau mich das gar nicht zu sagen, aber Kickstarter ist eben kein Ladengeschäft.

    Sorry, aber nein, da verwischst du die Erwartungen. Die ganze "Politur" könnte von mir aus noch viel unreifer und unfertiger sein als das der durchschnittliche Backer erwartet. Mir reicht völlig, dass der Macher den Eindruck vermittelt, dass er da weiß, was er tut. (Was -- zugegeben -- ohne vorherige Kampagnen und damit aufgebauter Reputation schwierig ist.)

    Ein gutes Spiel definitiert sich auch nicht über die Grafik oder die Anzahl der Stretch Goals. Ein gutes Spiel definiert sich für mich im wesentlichen über spielerische Tiefe und Wiederspielreiz. Und dafür braucht's in allererster Linie die kreative und handwerkliche Arbeit, die vor (!) Kampagnenstart geleistet werden muss: monate-, wenn nicht jahrelanges Feilen am Spiel und der Anleitung. Das Gute daran ist: wie gut eine Kampagne in dieser Hinsicht ist, ist in ~12 bis ~24 Seiten Anleitung konzentriert. Da ist alles drin, was man braucht. Gut für den potenziellen Backer, um zu sehen, ob das was für ihn ist, aber auch gut für den Macher, der so zeigen kann, was er geleistet hat und wie gründlich er gearbeitet hat.

    Im Übrigen glaube ich, dass du das "Gewicht" einzelner Nutzer massiv überschätzt. Alles, was hier geschrieben wird, zumindest von mir, sind immer nur Einzelmeinungen ohne irgendwelchen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

    Natürlich gibt es noch genügend Spiele die mit mauen Anleitungen daherkommen, aber der erwartete Standard ist inzwischen doch deutlich höher.

    Ist halt immer die Frage, was ich als Standard setze: den Durchschnitt von wirklich ALLEM, was sich so auf Kickstarter versucht, inklusive dem ganzen Zeugs, wo schon nach einem Tag klar ist, dass es die Finanzierung nicht schafft. Oder betrachtet man nur die eher wenigen Kampagnen, die sich jemand anschaut, der seit 5+ Jahren im Hobby ist, 100+ Spiele zuhause hat, schon 50+ Kickstarter ausgeliefert bekommen hat, und in seinem Leben schon mehr Spiele verkauft hat als zuhause überlebt haben. Der hat natürlich ganz andere Anforderungen. Die Wahrheit ist irgendwo in der Mitte...

    Konkret zu Oros: Sowohl beim "Reifegrad" des Spieles an sich als auch bei der Güte der Anleitung sehe ich Oros als überdurchschnittlich bezogen auf alles, aber nicht wirklich als gut. Für den, der nicht mit der Einstellung "was mir gefällt, backe ich" rangeht, sondern erwartet, dass jeder gelieferte Kickstarter in der Lage sein muss, ein anderes Spiel aus dem eigenen Spieleregal zu verdrängen, reicht das dann nicht. Wenn man schon viele Spiele wieder rausgeworfen hat, die "nur gut und nicht sehr gut" waren, hat man halt höhere Anforderungen.

    Welche Probleme hast du denn noch mit der Anleitung?

    Da müssen wir unterscheiden zwischen den Sachen, die mir nicht ausreichend erklärt sind, und den Sachen, die komplett erklärt sind, die ich persönlich aber für zu kleinteilig halte für ein wirklich empfehlenswertes Spiel.

    Das Erste ist ein Fehler, der sich mit einer verbesserten Anleitung beheben ließe. Die Diagonalbewegung und die "forced actions" habe ich oben selbst genannt, das sind die beiden dicksten Punkte. Aber genauso könnte man auch noch nennen das Drehen der Plättchen bei der Ringbewegung oder ob beim Aufschütten der Landmasse per Vulkanausbrauch vorhandene Landkanten erhalten werden müssen, wenn das Ergebnis kein 4er-Plättchen ist.

    Und für eine 100%-Abdeckung müssten dann noch diverse Sonderfälle der Geometrie behandelt werden, etwa wenn man beim Move auf der großen Karte zwei Teile durch parallele Bewegung in das gleiche Zielfeld schiebt (ja, das geht wirklich!). Ist das eine Kollision, wenn dort zuvor Wasser war? Was ist, wenn dort Land war, wie sind dann 3er-Kollisionen geregelt? Kann man sich zusammenreimen und "interpretieren", aber auch das ginge besser. Wobei ich gerne zugeben, dass das schwierig sauber zu lösen ist. Wenn ich beim Erzeugen von Bergen (incl. Sonderfall der Move-4 Fähigkeit) ein "mindestens" vor das "zwei 4er-Plättchen" schreibe, dann macht das schnell mehr kaputt als es zur Verständlichkeit beitragen würde. Verständlich und eindeutig ist hier besonders schwer unter einen Hut zu bekommen.

    Der zweite Punkt ist die Kleinteiligkeit der Regeln, etwa beim Ausbrechen-Lassen der Vulkane. Da muss man dann einfach sagen: okay, so sind halt die Regeln, kann man nichts machen, der Autor bzw. Verlag will's so, also isses halt so. Andere finden es vielleicht genau so toll, aber mir persönlich ist's an solchen Stellen zu kleinteilig, zu wenig abstrahiert, da hätte ich mir etwas mehr Vereinfachung und Streamlining gewünscht. Ich persönlich finde auch, dass die verrückte Geometrie, die beim parallelen Verschieben Gruppen von Plättchen auseinanderreißt, zwar einen hohen abstrakt-mathematischen Reiz hat, aber das Thema für mich komplett zerschießt. Aber da sind wir dann ganz schnell auch bei persönlichem Geschmack und darüber zu streiten lohnt sich nicht.

    Ich bin jetzt mal ein bisschen bösartig. Das Spiel erinnert mich ein wenig an #Helios von HiG. Wenig oder kein Zufall und im Prinzip tolle, innovative Grundidee, aber real nur so lange interessant, bis man alles einmal ausprobiert hat. Wenn ich sowas wie "In einem anderen Spiel bin ich voll auf Bewegung gegangen." lese, dann ist das genau so ein "man will alles mal ausprobieren", und ja, natürlich, sowas macht Spaß, zumindest begrenzte Zeit. Aber trägt das auch auf Dauer?

    Im Kern ist das Spiel dann doch recht abstrakt (die sehr spezielle Geometrie, die mit der Realität absolut null zu tun hat, will berücksichtig werden!) und alle guten abstrakten Spiele leben davon, eine limitierte, gut berechenbare Mitspielerinteraktion gezielt zu nutzen: "Wenn ich X mache, macht man Mitspieler Y, aber dann kann ich Z". Das schafft Oros nicht, weil man im wesentlich darauf beschränkt ist, die drei Aktionen innerhalb des eigenen Zuges zu optimieren.

    trotz der möglichen Downtime, die nicht in jedem Zug so arg heftig sein muss, weil es einfach Züge zu planen sind, die die nicht kaputt gemacht werden können

    Aber nur, wenn wir darüber sprechen, was man innerhalb der eigenen drei aufeinanderfolgenden Aktionen machen kann. Da kann ich selbstverständlich mit Aktion 1 und 2 etwas vorbereiten, was ich mit Aktion 3 vollenden kann (z.B. einen Follower auf einem Berg platzieren). Aber sobald der bzw. die Mitspieler dazwischen dran sind, kann jeder einzelne Zug das Spielbrett auf dutzende, wenn nicht hunderte verschiedene Arten verändern.


    Am Ende ist man aufgrund der verbesserten Aktionen auch planbarer unterwegs

    Auch hier wieder: nur für den eigenen Zug. Wenn ich 3 statt 1 Feld laufen/schieben/was-weiß-ich kann, allgemein: Level X für irgendwelche Aktionen erreicht habe, dann habe ich selbstverständlich mehr Möglichkeiten, irgendwas innerhalb meiner drei Aktionen zu erreichen. Aber bis ich wieder dran bin, hat sich alles noch unvorhersehbarer geändert.

    Eine Entwicklung über die Zeit sehe ich höchsten darin, dass Berge nicht geschoben werden können. Wenn immer mehr Berge entstehen und Spieler nicht das "Berge doch schieben dürfen" entwickelt habe, werden zumindest da die Möglichkeiten der Mitspieler-Interaktion berechenbarer. Ansonsten kann jeder per Definition jedes Plättchen des gemeinsamen Spielbretts auf so-und-soviele Arten verändern.

    Und wenn wir die Automas dazu nehmen (was schon ab 2 Spielern ja zwingend erforderlich ist!), dann auch auf Möglichkeiten außerhalb der normalen Regeln, inklusive der Möglichkeit, dass der Automa im 2er-Spiel dem einen Mitspieler böse Knüppel zwischen die Beine schmeißt (z.B. Follower einfach so vom Feld nehmen), während er dem anderen Spieler tolle Vorlagen liefert.

    Sehe ich anders. Blindtesting ist stets mit Ressourcen verbunden. Finde es legitim, insbesondere bei Kleinverlagen, auch das Playtesting mitzufunden und nach dem Kickstarter durchzuführen.

    Jein. Bestimmte Sachen lassen sich noch problemlos nach der Kampagne ändern, insbesondere alles im Bereich "fine tuning" und "balancing". Andere Sachen nicht, da würden die Backer völlig zurecht auf die Barrikaden gehen, insbesondere wenn der beteiligte Verlag neu ist und keine große vorherige Reputation aufgebaut hat. Gilt hier insbesondere für den ganzen Bereich der Geometrie des Spielbrettes, was einerseits ein wesentlicher Faktor des guten Spielens ist (siehe dazu z.B. auch hinten in der Anleitung, was der Autor bei den Einsteigertips schreibt), aber andererseits so noch nicht "rund" ist und konsistent funktioniert. Das ist dann mit gewisser Wahrscheinlichkeit ein Spiel, das nur so lange interessant ist, wie man es ausprobiert und kennenlernt, aber zum guten, wiederholten Spielen nicht taugt. Gute Züge werden beliebig undurchsichtig. Anders herum sollte es sein.

    Die Probleme dieses Spiels liegen nicht nur auf der Fine Tuning Ebene. Anders als z.B. bei Endless Winter, wo ich während der Kampagne auch relativ klar geschrieben hatte "taugt so nix", aber vor Pledge Manager Ende dann doch das Backen empfehlen konnte (mit der kleinen Einschränkung, dass es mir dort zu viele kostentreibende (Mini-)Erweiterungen auf einmal sind, die nur begrenzten Mehrwert haben).

    brettundpad : Es ist also "maximal unseriös", wenn man die Verständlichkeit von Anleitungen beurteilt, wenn man sie selbst gelesen hat (anstatt das Spiel erstmal vom Autor oder einem Verlagsmitarbeiter erklärt zu bekommen) und wenn man ein Spiel ohne irgendwelche Verquickungen zu Beteiligten oder kommerzielle Interessen bewertet (anders als bei Youtubern). Ah ja. Habe verstanden. :D

    Wie gehen denn diese beiden Punkte zusammen?

    Wenn ich zum Zeitpunkt X 20 gut aussehende Zugoptionen habe, denke ich vielleicht 10 ernsthaft durch und mache dann meinen Zug. Das ergibt dann den Zustand zum Zeitpunkt X+1 für den nächsten Spieler. Diese Zustände sind teils radikal unterschiedlich. Man könnte zwar sich theoretisch auf alles einstellen, aber der normale Spieler wird das nicht tun und erst anfangen, seinen Zug zu planen, wenn er dran ist.

    Das ist das Downtime-Problem für den normalen Spieler. Däumchendrehen und auf den Zug des Vorgängers warten, dann die eigene Denkmaschine anwerfen.

    Der AP-Spieler jedoch wird durch seine besondere Disposition versuchen, zumindest einen Teil der Möglichkeiten durchzurechnen und dabei das Spiel weiter herunterbremsen. Es ist eben doch theoretisch voll berechnenbar, auch beliebig weit im Voraus, und das reicht schon, um den AP-lastigen Spieler zu triggern.


    Volle Berechenbarkeit zu einem hohen Preis an Denkleistung ist eine verdammt schlechte Kombination für Brettspiele. Genau deshalb passen gute Spiele auch auf, dem Spieler nicht zu viel Zugoptionen zu geben oder bauen Zufallselemente rein, wo auch den AP-Leuten das Rechnen mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen schnell zu aufwändig wird.


    EDIT: Ich habe das oben geändert. Das "problemlos" war hier missverständlich. Danke für den Hinweis.

    Was bedeutet denn „Kickstarter-reif“?

    Regeln widerspruchsfrei und gut erklärbar, auch in den tieferliegenden Details.

    Sowas kann und sollte im Playtesting, d.h. vor dem Kickstarter, auffallen, insbesondere, wenn man fremde Spieler sich das eigene Spiel allein aus den Regeln erarbeiten lässt. Nur mal Überfliegen reicht nicht. Selbst anderen erklären nach Regellesen ist die entscheidende Hürde. Auch wenn's 98% der Leser mit "jo, klingt plausibel, ich glaube, ich hab's halbwegs verstanden..." abtun, besteht sonst die Gefahr, Logikfehler von Freaks wie mir um die Ohren gehauen zu bekommen... :)

    So, nach etwas Herumspielen in Tabletopia, darüber reden mit leidensgenosse im Unknowns-Discord und noch einmal drüber schlafen habe ich mir jetzt eine Meinung gebildet. Das Spiel wollte ich eigentlich mögen, aber Stand heute bin ich nicht dabei. Sowas hat sich in ähnlichen Fällen auch noch später geändert (Endless Winter habe ich z.B. im Pledge Manager dann doch noch mitgenommen, weil es sich spürbar weiterentwickelt hatte und dabei meine Kritikpunkte Stück für Stück beseitigt wurden), aber aktuell sehe ich bei Oros vor allem diese Probleme:

    • Die Regeln sind detailreich, unintuitiv und schwierig, sobald man die glatte und hübsch polierte Oberfläche verlässt und ins Eingemachte geht. Das Spiel war noch nicht "Kickstarter-reif" zu Ende entwickelt.
    • Das Schieben, Bewegen (+Kollidieren) und Erzeugen der Plättchen (über Vulkane) ist fummelig und fehlerträchtig, insbesondere wenn man bei der Kreisbewegung dabei auch noch richtig rotieren muss oder wenn man beim Erzeugen vorhandene Landkanten beihalten will/soll (ist das eigentlich vorgeschrieben?). Das wäre IMHO eher etwas für ein Computerspiel und nicht für ein Brettspiel.
    • Ich habe gewisse Zweifel am Innovationsaspekt und "unique selling point". Das Darstellen von Plattentektonik über die Plättchen ist für ein Brettspiel natürlich innovativ im Sinne von "so noch nicht vorher so gesehen", aber unter diesen Rahmenbedingungen frage ich mich direkt, ob es nicht vielleicht einen guten Grund gibt, warum bisher noch niemand in Brettspielen so ein Plättchen-Schiebe-und-Verändere-Spiel gemacht hat.
    • Der "board state" ändert sich oft radikal durch den vorherigen Zug, so dass überproportional viel Downtime entsteht, weil man seinen Zug erst planen kann, wenn man dran ist.
    • Es gibt einfach zu viele Zugoptionen in jedem Zug und die Konsequenzen über X Züge sind ausrechenbar (im Sinne von "theoretisch ausrechenbar, wenn auch für einen hohen Preis an Denkzeit"). Das heißt direkt: enorme AP-Lastigkeit mit den falschen Mitspielern.
    • Es ist im Prinzip ein reines 3er- und 4er-Spiel. Schon zu zweit braucht man zwingend einen Automa, sprich: Dummy-Spieler, der chaotisches Zeugs außerhalb der Regeln macht, z.B. einfach so Berge setzen oder einfach so Spielerfiguren vom Spielfeld schmeißen.
    • Für den Preis bekomme ich auch eins bis drei erwiesenermaßen gute andere Spiele.

    Das reicht bei mir nicht zum Backen.

    Wenn man im Ring schiebt dreht man das Tile vermutlich so, dass immer die selbe Seite zur Mitte zeigt? Hier würde ich mir noch einen Satz wünschen.

    Ja - der entsprechende Satz befindet sich in der Erklärung eines Beispiels (!) auf Seite 11: "The 3-tile would move up, and following the arrow, rotate around to end up in the same square originally occupied by the islandtile." (Fettung von mir.) Anderswo ist mir das nicht aufgefallen. Und wenn es tatsächlich nirgendwo sonst als in einem Beispiel steht, dann wäre das ein Beleg dafür, dass die Regel doch nicht so toll ist.

    (Disclaimer: der Hinweis, wo das zu finden ist, stammt von leidensgenosse . Wir haben heute abend anstelle der geplanten Tabletopia-Session ein wenig über das Spiel geredet, weil wir nur zu zweit waren. Ich hatte auch vergeblich einen Hinweis zum Drehen gesucht.)


    Zum Diagonal-Bewegungs-Problem hätte ich auch noch einen anderen, dritten Vorschlag neben den beiden Varianten aus Beitrag 110: Diagonalbewegungen sind nur innerhalb des Plättchengitters möglich und nicht über Außenkanten hinweg. Fertig und aus. Das gibt der Move-Aktion auf Stufe 3 noch ein gewisses "Extra" in Ergänzung zu Stufe 1/2 (wo nur horizontal/vertikal möglich ist) und nimmt dabei bloß die völlig abstrusen Diagonal-Bewegungsmöglichkeiten weg, die eh kaum jemand verstehen wird.

    Ich verstehe, dass der Autor damit kreative Lösungsfindungen belohnen will, aber ein gutes Spiel zeichnet sich für mich dadurch aus, dass die Mitspieler nach einem guten Zug sagen: "Wow, darauf hätte ich auch kommen können!" Und nicht: "Häh?! Was hast du denn da gemacht?! Seit wann darf man denn so ziehen?"


    Edit: Schau auch gerne mal hier, evtl. wird da genau das angesprochen, was du meinst. Wäre super, wenn du deine Gedanken sonst direkt dort postest, damit Brandt sie sieht und darauf eingehen kann. Diagonal Movement Near Corners | Oros

    Ah, okay, dann bin ich nicht der Erste, dem das aufgefallen ist. :) Immerhin habe ich mir korrekt zusammengereimt, wie es gedacht sein musste. Trotzdem bleibe ich bei meinem Eindruck:

    • Dass eine Bewegung nach rechts unten zwei verschiedene mögliche Ziele haben kann (zweites Bild im Beitrag von Brandt Brinkerhoff), halte ich für schwer vermittelbar, wenn man das Spiel erklären soll. Ebenso dass die Plättchen außen in den Seitenmitten 10 Nachbarn haben.
    • Während die Regel "am anderen Ende der Diagonalen einschieben" (Pfeile in gelb+rosa) klar definiert ist, fehlt es den beiden anderen Bewegungsmöglichkeiten (grüner+blauer Pfeil) an einer sauberen mathematischen Definition. Der Satz mit "entering the map on the north side" impliziert sowas wie "erstmal vertikal schieben und dann das Teil nebendran", aber das ist so nicht ausreichend, weil es keine allgemein anwendbare Regel ist.

    Wenn ich in Brandts Beispiel das Plättchen vertikal über die untere Kante schiebe und dann einen horizontalen Nachbar nehme, darf ich dann auch horizontal (d.h. im Ring) schieben und dann einen vertikalen Nachbar nehmen, sofern dieser auf dem Plan liegt?


    BTW: Wenn koala-goalie das nicht zitiert hätte, hätte ich von dem hereineditierten Link nichts mitbekommen. Bei so wichtigen Sachen besser einen neuen Beitrag schreiben.

    Eher so über das Problem sinniert wie man diagonale Nachbarschaft mit der Kugellandschaft halbwegs sinnvoll kombinieren kann. Und das die Redaktion da sicher was zu tun hat. Und mit keinem Wort haben wir vom Backen abgeraten.

    Jein. Ich habe schon gesagt, dass ich das Spiel, so wie die Regeln im Moment aussehen, in vielen Regeldetails für nicht erklär- oder vermittelbar halte und deshalb kein Backen empfehlen kann. Das war klar begründet, inklusive Verweis auf konkret benannte Teile der Anleitung mit Seitenangabe. Aber das muss ein Verlag meiner Meinung nach aushalten können, auch wenn's Board Game Circus verständlicherweise nicht gefällt.

    Das liegt auch nicht nur allein am Aufschreiben der Regeln, sondern ist z.B. beim Thema Diagonalität in der komischen Geometrie des Spielplans fest verankert. Mit "Spielregel besser aufschreiben" ist's da leider nicht getan. Da hat jemand die eigenen Spielregeln nicht komplett zuende durchgedacht -- und ist trotzdem damit zu Kickstarter, d.h. in die Öffentlichkeit, gegangen. Auch hier wieder: Dann muss ein Verlag auch die entsprechende begründete Kritik aushalten können, inklusive des Statements: "Das ist nicht rund, das funktioniert so nicht widerspruchsfrei, das werde ich so nicht backen."

    Wer sich selbst ein Bild machen will, kann ja auch mal das oben angesprochene Beispiel auf Seite 14 der Anleitung anschauen und versuchen zu verstehen...

    Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass der Autor das durchaus gemerkt hat und hier die many unexpected ways im Spiel drin behalten will, weil er es als Teil der Faszination sieht.

    Gut möglich. Aber das funktioniert doch in der Praxis nicht. Dann passiert doch genau das, was ich oben beschrieben habe: Der beste Mathematiker am Tisch macht einen legalen Zug, den die meisten anderen Mitspieler erstmal für illegal halten, dann diskutiert man 5+ Minuten über Regelauslegungen mit allerlei Spitzfindigkeiten und anschließend hat keiner mehr Lust weiterzuspielen...

    Regeln, die nicht für jeden normalen Menschen eindeutig und klar verständlich sind, sind für mich ein absolutes KO-Kriterium bei einem Spiel. Das ist hier leider der Fall.

    (Und das sage ich als jemand, der auch mit hochkomplexen mathematischen Strukturen gut klar kommt und die vermutlich auch noch überdurchschnittlich gut erklären könnte. Aber sowas sollte eben keine Basis für ein Spiel sein.)

    "Ring" finde ich mathematisch schon wieder schwierig, ist aber definitiv auch praktisch tauglich.

    Das "Ring" war dabei auch allgemeinsprachlich zu verstehen. Dass Mathematiker das auch als festen Begriff der Algebra kennen, weiß ich auch. :)


    Sonst müsste man für die Ring Bewegung noch festlegen ob das Plättchen dabei rotiert und ob links, rechts, oben, unten auch von der Rotation abhängen

    Yep. Sowas wollte ich auch erst schreiben. Dann habe ich aber gemerkt, dass sich das elegant umgehen lässt, indem man Ring-Bewegung als dritten Bewegungstyp neben horizontal und vertikal definiert und zwei verschiedene Typen verlangt. Das verbietet dann implizit doppelte Ringbewegung und erlaubt dafür nach einem horizontalen [vertikalen] In-den-Ring-Schieben ein weiteres horizontales [vertikales] Schieben in die gleiche Richtung.


    Meiner Meinung nach gibt es nur zwei Definitionen von Diagonalität, die funktionieren können und wenigstens noch halbwegs erklärbar sind:

    1. zwei Bewegungen hintereinander, die bzgl. horizontal/vertikal/Ring von verschiedenem Typ sind.
    2. man nehme grundsätzlich immer die Diagonale, auf dem das Plättchen liegt, und schiebe es ggf. am gegenüberliegenden Ende wieder rein, so wie bei den inneren Reihen und Spalten.

    Nummer 2 transportiert Randplättchen an komische, unerwartete Ort, vermeidet aber die Probleme der Nicht-Kommutativität und damit von mehr als 8 möglichen Nachbarn. Das wäre wohl das geringere Übel.

    Die vorliegende Anleitung versucht jedenfalls einen Mix aus beidem und das funktioniert so nicht widerspruchsfrei. Das kann man keinem erklären, der nicht mit höherer Mathematik im Studium gequält wurde. Normalerweise sollte das einem Regelschreiber auch auffallen, wenn er schreiben muss, dass eine Bewegung nach rechts unten auf zwei verschiedene Felder führen kann. Da muss man doch merken, dass irgendwas klemmt. In dem Beispieltext steht ja sogar wörtlich:

    Zitat

    The third level of the move column introduces diagonal tile movement which can unlock access to the outer areas of the map in many unexpected ways.

    Warum merkt da eigentlich kein Redakteur, dass das eine Ecke ist, wo man ganz dringend über Streamlining bzw. wenigstens mal über saubere, erklärbare Definitionen nachdenken müsste? Naja. Bei etablierten, großen Verlagen hätte das wohl ein Redakteur gemerkt. Aber das hier ist halt Kickstarter...

    Lässt es sich durch eine Verkettung erinnert waagrechten und einer senkrechten Bewegung lösen?

    Falls "erinnert" hier "einer" heißen soll:

    Ja, theoretisch ist so eine saubere Definition von Diagonalität möglich. Wenn die eigentliche Nachbarschaftsdefinition nur 4er-Nachbarschaften kennt (rechts/links/oben/unten), dann ist sowas ja auch die einzige Möglichkeit, darauf eine diagonale Nachbarschaft zu definieren. Aber das Problem dabei ist hier die Ringbewegung. Wenn man die integrieren möchte, dann geht das eigentlich auch nur wieder in einer Form, die für Normal-Nutzer ziemlich unverständliche Resultate produziert. Unter anderen ist die nicht kommutativ, d.h. wir kriegen definitiv keine 8er-Nachbarschaft raus, so wie es jeder erstmal erwarten würde (und wie es die Grafik suggeriert). Erst links bewegen, dann hoch, ergibt etwas anderes als erst hoch, dann links.

    Die sauberste mathematische Definition, die mir einfällt, wäre: "Eine primitive Bewegung ist eine der drei Bewegungstypen horizontal, vertikal oder im Ring. Eine Diagonalbewegung ist die beliebige Abfolge zweier primitiver Bewegungen von unterschiedlichem Typ." Aber dann wäre das Beispiel aus der Anleitung nicht mehr legal. Und das Problem, dass innen die gewohnte 8er-Nachbarschaft gilt, aber am Rand ein Haufen Felder "diagonal benachbart" sind, das bleibt natürlich bestehen.


    Ansonsten wäre die mathematische Definition wohl, wenn es genau eine gemeinsame Ecke gibt.

    Du kannst relativ leicht benachbarte Teile in die gleiche Richtung bewegen und anschließend sind sie nicht mehr benachbart. Das macht jede Definition über "Ecken" mindestens mal schwierig.

    Kann mir jemand das Beispiel ganz links auf Seite 14 der Anleitung erklären? Warum bzw. wie kann das 4er-Plättchen links unten über eine Diagonal-Bewegung an die mit "3" markierte Stelle kommen?

    Meiner Meinung nach erlaubt die Nachbarschaftsdefinition in dieser völlig verrückten Geometrie (Torus-artig in den mittleren 5 [bzw. 4] inneren Reihen/Spalten mit zusätzlicher Ring-Nachbarschaft in den beiden [bzw. vier] äußeren, verkürzten Reihen/Spalten gar keine widerspruchsfreie Definition von Diagonalität...


    EDIT: Ich glaube, ich verstehe jetzt, wie es gemeint ist. Position 3 liegt auf der gleichen Diagonale, d.h. für sämtliche denkbaren Diagonalen gilt das gleiche Fortsetzungsprinzip wie für die inneren Reihen/Spalten. Aber auch das ist nicht widerspruchsfrei, zu sehen am Erklärungstext selbst, wo eine Diagonalbewegung nach rechts unten dann wahlweise zwei verschiedene (!) Felder erreichen kann, nämlich die Positionen (1) und (2).

    Sorry, aber sowas ist doch Mist. Das Spiel hat so viele fiese Regeldetails, das kann man doch keinem erklären. Sobald die erste unklare Situation auftaucht, ist das Spiel bei allen Mitspielern doch direkt unten durch. Man schaue z.B. auch mal auf dem Kasten "forced actions" unten rechts auf Seite 11 der Regeln. Oder das Beispiel direkt daneben, wo beim Bewegen dann drei statt normalerweise zwei Plättchen zusammenknallen (nur mit der großen Karte für 3-4 Spieler möglich).

    Das 20-minütige Regelvideo auf der KS-Seite ist wirklich gut gemacht, aber das reicht leider nicht und sobald es ins Eingemachte geht, sind die Regeln mehr als nur undurchsichtig. Das ist doch Kategorie: "Man macht regelkonformen Zug, dann erklärt man 5 Minuten den ungläubigen Mitspielern, warum dieser Zug regelkonform war, und anschließend ist der Spieleabend im Arsch."


    Bei mir klare Tendenz Richtung Nicht-Backen.

    Peer : Nächste Woche wird's schwierig, da habe ich endlich meinen lange verdienten Urlaub. Also merken wir uns mal übernächste Woche vor. Bis dahin sollte das Regellesen ja möglich sein.

    Vielleicht möchte ja noch jemand mitmachen. Zum Kickstarter-Testen auf TTS halte ich drei für die optimale Spielerzahl. Die Kampagne läuft ja auch noch ein paar Tage. Alles weitere dann am besten per Konversation.

    Hat mittlerweile noch jemand das Spiel online ausprobiert oder hätte Lust eine Partie zu spielen?

    Ich wäre für eine TTS/Tabletopia-Partie zu haben, müsste mir aber vorher erstmal die Regeln durchlesen.

    silent117 : Ich bin ja voll bei dir, wenn du sagst, dass ein Backer Anreize zum Backen braucht. Aber so wie du das verlangst, wird dir das kein Kickstarter-Verlag bieten können, schon gar kein Kleinverlag wie hier Aesc Games / Board Game Circus. Das fängt mit dem hier unpassenden CMON-Vergleich an und hört noch lange nicht mit der Frage "warum nicht auch 50% Rabatt auf MSRP für Backer?" auf.

    Unrealistische Erwartungen helfen niemandem. Nur mal so als Beispiel: der Händler braucht eine größere Gewinnspanne, weil er nie sicher sein kann, alle (in 6er-Packs oder ähnlichen Einheiten!) abgenommenen Exemplare auch weiterverkauft zu bekommen. Und von dem Gewinn beim Weiterverkauf muss er schließlich leben und eine Reihe von Kosten decken (Mitarbeiter, Ladenmiete, etc.), d.h. der Händler ist direkt komplett raus, wenn potenzielle Backer ein genauso gutes Angebot bekommen. Den Händlern sind schon Sammelbestellungen ein Dorn im Auge. Denn wer soll dann noch beim Händler einkaufen? Und den Vertrieb über Händler braucht der Kickstarter-aktive Kleinverlag. Nur für ein paar hundert Backer lohnt sich die ganze Geschichte nicht, dafür wären die Stückkosten in der Herstellung zu teuer. Und da haben wir noch gar nicht über Netto- vs. Bruttopreise geredet, denn die üblichen "50% Rabatt auf MSRP für Händler" ist normalerweise ohne Mehrwertsteuer gerechnet.

    Generell kannst du ruhig davon ausgehen, dass die Brettspielverlage, die nicht erst seit gestern im Geschäft sind, im Allgemeinen wissen, was sie tun... :)

    Ich frage mich nur, wie das früher war :

    Ist da wirklich keine Mwst bezahlt worden oder ist das einfach im Preis bereits ein kalkuliert worden und warum geht das jetzt nicht mehr ?

    Es gab "kreative" Möglichkeiten, sich die Importabgaben kleinzurechnen. Diese kleingerechneten Abgaben waren dann versteckt in den Kosten enthalten, teils im Pledge, teils im Versand, teils aufgeteilt. Wie der Macher es wollte. Incl. Möglichkeiten zur Mischkalkulation, um es bei X Lieferländern einfacher zu gestalten.

    Versteuert wurde oft nur ein reiner Herstellungspreis, der natürlich weit unter dem Verkaufspreis lag. Rechtlich war das eine Grauzone; normalerweise hätte dann "irgendjemand" die Differenz zwischen dem, was die der Endkunde bezahlt hat, und diesem Herstellungspreis der Fabrik noch versteuern müssen, aber das ist natürlich nie passiert. Aus diesem Grunde hat die EU da Regelungslücken geschlossen, um diese Steuervermeidung unmöglich zu machen. Die Firmen müssen sich jetzt in einem System anmelden und die Zahlung elekronisch melden. Deshalb bekommt jetzt auch jeder seine "VAT" (im Endeffekt nachher: Einfuhrumsatzsteuer) transparent im Pledge Manager berechnet.


    Zur Anmerkung von turbo : Ja, klar, dass jetzt standardmäßig 19% drauf kommen und die allgemein schon erhöhten Preise jetzt schnell Richtung 100 Euro drücken, macht Kickstarter allgemein unattraktiver. Ich habe in 2021 bisher in sieben Monaten drei Spiele auf Kickstarter gebacken. Hier in diesem Thread trifft's mit Daily Aviator jedoch den Falschen, der kann nichts dafür und möchte hier -- verständlicherweise! -- nur für das von seiner Firma lokalierte Projekt Oros werben. Für die Diskussion der allgemeinen Attraktivität von Kickstarter sollten wir ggf. einen eigenen Thread eröffnen.