Wie groß / relevant ist der deutsche Brettspielmarkt?

  • Da hat mich eben ein Video von Hunter getriggert. Er stellt das neue Game Evacuation vor. Ein Vladimir Suchy. Gehobenes Kenner- oder gar leichtes Expertenspiel. Schaue mir das Video an und finde, das würde mir gefallen. Also schaue ich mal bei BGG, welche Sprachversionen es davon gibt. Englisch (sogar 2 Versionen), spanisch, italienisch, französisch und niederländisch (!).


    Deutsch? Fehlanzeige. Heißt jetzt nicht, dass die nicht vielleicht irgendwann noch kommt... aber da frage ich mich: Wie relevant / groß ist eigentlich der deutsche Markt?


    Da lese ich immer, Deutschland ist das Land der Gesellschaftsspiele. Bei vielen interessanten Games kann ich da nur müde lächeln. Ich empfinde das nicht so. Vor allem bei komplexeren Games (Kenner / Experte). Da muss man total happy sein, wenn sich irgendwann ein Verlag erbarmt und eine deutsche Version bringt.


    Mir gehts nicht drum, dass ich das nicht in englisch kaufen und spielen könnte. Kein Ding. Ich stelle mir die Frage, gibts Statistiken dazu, wie groß der deutsche Markt ist und warum es eventuell selten zu Release auch gleich mal eine deutsche Version eines solchen Spiels gibt?

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  • Abgesehen von der Ausgangsfrage, die mich auch interessiert, Hier eine Mutmaßung meinerseits:

    Gerade bei neuen Titeln heutzutage muss der Verlag eine gewisse Sicherheit haben, dass das Spiel auch angenommen wird. Bei der Masse an Neuerscheinungen ist das sicher nicht mehr so selbstverständlich.

    Wenn man sich mal bei BGG die Menge an Bewertungen der einzelnen Suchy Titel anschaut sieht man auch, dass die Zielgruppe hier eher klein ist, seine anspruchsvolleren Titel haben im Vergleich zu anderen bekannten Hits eher wenig Bewertungen (Ausnahme Underwater Cities).

    Suchy Titel wurden in der Vergangenheit meistens von Delicious Games selber lokalisiert, aber oft erst deutlich nach Release der englischen Version. Möglicherweise schauen die sich erst die Nachfrage aus Deutschland an, bevor sie in eine Lokalsierung investieren.

    Abgesehen davon wird ja gerade in Deutschland von den besonders lauten "Kenner- und Expertenspielern" immer wieder darauf hingewiesen, dass man ja sowieso lieber zum englischen Titel greift, weil die deutsche Version nicht gleich zum Release mit 5-stelliger Auflage erscheint, also erst später verfügbar ist, die Übersetzung schlecht ist oder, Gott bewahre, der übersetzende Verlag auch noch Geld für das bisschen Arbeit möchte ;)

    Liebe Grüße

    Cal


    „Das einzige was es zu bekämpfen gibt, ist der nach Kampf strebende Geist in uns.“

    Ō Sensei Ueshiba Morihei

    Einmal editiert, zuletzt von Calredon ()

  • Auf den konkreten Fall bezogen: Das Spiel erscheint gesichert auch mit deutscher Spielanleitung und mit deutschem Text auf der Rückseite der Schachtel. Die deutsche Übersetzung ist nur nicht rechtzeitig zur SPIEL in Essen fertig geworden. Das Spiel selbst wurde in Essen nur von Delicious selbst und nur in der englischsprachigen Fassung angeboten.


    Alle auf BGG gelisteten Versionen sind bislang ebenfalls als »unreleased« gekennzeichnet. Das heißt, das Spiel gibt es bislang nur in der Version, die bis Essen fertig produziert wurde. Das ist nicht ungewöhnlich. Einige Verlage haben in Essen dann deutsche und/oder französische Regelhefte dabei, die sie zu den ansonsten englischen Versionen auf Anfrage dazugeben (dieses Jahr beispielsweise bei »Bruxelles 1893: Belle Epoque«, letztes Jahr bei »GWT: Argentina«), zum Teil im Vorgriff auf eine deutsche Version, zum Teil als einmaliger Service. Delicious' »Messina 1893« hatte bei seiner Messeausgabe sogar schon einen deutschen Klappentext (neben Englisch und Französisch), es lag aber noch keine deutsche Regel bei.


    BGG kann immer nur so aktuell sein, wie es die Einträge von seinen Nutzenden zulassen. Delicious hat den Eintrag für die deutsche Fassung offenbar noch nicht erstellt. Die Verlagspartner für weitere Lokalisierungen hingegen für ihre Ausgaben schon.

  • Gerade bei neuen Titeln heutzutage muss der Verlag eine gewisse Sicherheit haben, dass das Spiel auch angenommen wird.

    Diese Sorgen scheinen Spanier, Franzosen, Italiener und Holländer nicht zu haben. Und deren Markt ist doch kleiner?

    Auf deine interessante Ausgangsfrage habe ich auch keine Antwort. Allerdings ist der (potentielle) spanische und französische Markt gemessen an den Menschen, die die jeweiligenSprache sprechen deutlich größer als der deutsche Markt. Das könnte vielleicht eine Erklärung sein?


    Liste der meistgesprochenen Sprachen – Wikipedia

  • Diese Sorgen scheinen Spanier, Franzosen, Italiener und Holländer nicht zu haben. Und deren Markt ist doch kleiner?

    Keine Ahnung, vielleicht können die günstiger produzieren, andere Wirtschaftslage....

    Bis auf Englisch, Spanisch und Italienisch sind aber auch noch keine anderen Versionen released worden wenn ich das richtig sehe.

    Letztlich ist ja auch nicht die größe des Marktes alleine entscheidend, sondern auch die individuellen Erfahrungen eines einzelnen Verlages mit Titeln eines bestimmten Autoren. Wenn sich z.B. Suchy Titel in Italien und Spanien für Delicious in der Vergangenheit besser verkauft haben als hier, dann interessiert es Delicious Games eventuell nicht ob der deutsche Markt größer ist. Was nützt ein Angebot auf dem größten Markt, wenn der Absatz dort die Kosten kaum deckt?

    Das ist aber nur Kaffeesatzlesen, das könnte und nur der Verlag erklären.

    Liebe Grüße

    Cal


    „Das einzige was es zu bekämpfen gibt, ist der nach Kampf strebende Geist in uns.“

    Ō Sensei Ueshiba Morihei

  • Ich glaube es kommt auch darauf an ob man das lokalisieren aus Passion macht oder um Geld zu verdienen.

    Hört sich bekloppt an, ist aber so.

    Ich bin zb. auf dem ION Discord mit einem der Übersetzer für ION Spiele in Tschechien im kurzen Austausch gewesen und wir haben da etwas geredet. Ich weiß den Verlag jetzt nicht von dem er sorach aber die haben fast alle Ion Spiele NUR für den tschechischen Markt lokalisiert und das in sehr kleinen Auflagen um einfach das Spiel einer kleinen Personengruppe zur Verfügung zu stellen.

    Geld verdienen ist da tatsächlich zweit- oder drittrangig. Da ist es pure Passion.

    Und ich denke DAS ist halt nicht mit der deutschen Mentalität vereinbar.

    Und das meine ich auch so direkt wie ich es sage.

    Meine Sammlung


    Meine 10er : High Frontier 4all - Hoplomachus - Labyrinth-War on Terror - Obsession - Space Empires 4x - Uprising

    Meine 9+er: Abomination - BIOS-Megafauna - BIOS-Origins - Burncycle - Captain’s Log - Cloudspire - Dark Domains - Dinosaur World - Empires of the Void II - Kingdom Rush - Nemos War - Pax Pamir - SpaceCorp - On Mars - Space Infantry:Resurgence - Star Trek-Ascendancy - Stellar Horizons - Teotihuacan - Volters Lead the Way! - Yedo - Zero Leader

  • Noch einmal zum Thema Delicious: Das ist ein kleiner Verlag aus Prag. Die englische und die deutsche Version ihrer Spiele haben die bislang stets selbst verantwortet. Vertrieben wurden die deutschen Spiele dann über Pegasus. In einigen Fällen ist Pegasus als Partner sogar mit auf das Cover gegangen.


    Für andere Sprachfassungen wurden Rechte an andere Verlage gegeben. Das zeigt doch eigentlich das Gegenteil der Eingangsvermutung auf: Dass der deutsche Markt funktioniert und mit überschaubarem Aufwand addressiert werden kann, scheint bei Delicious klar. Mit Blick auf die anderen Fassungen geht man aber nicht selbst ins Risiko (und in die Mühe des Vertriebs).

  • Diese Sorgen scheinen Spanier, Franzosen, Italiener und Holländer nicht zu haben. Und deren Markt ist doch kleiner?

    Bis auf Englisch, Spanisch und Italienisch sind aber auch noch keine anderen Versionen released worden wenn ich das richtig sehe.

    Released wurde noch gar keine andere Version. Die spanischen und us-amerikanischen Fassungen sind auf den Seiten der Verlage lediglich mit »erscheint 2023« und »erscheint demnächst« gelistet, die niederländische Version ist für das erste Quartal 2024 geplant. Die französischsprachige Ausgabe wird bei Intrafin nicht einmal erwähnt. Dort gibt es bislang lediglich die englische Messeausgabe zu kaufen. Nur die Italiener sind konkret und geben den 30. November als Ausgabedatum an. Suchý selbst hatte im Frühjahr gesagt, er hoffe, dass die deutsche Fassung »shortly after Essen« erscheinen würde.

    2 Mal editiert, zuletzt von danijian ()

  • Evacuation war nur ein Beispiel. Mich würde die Anzahl potenzieller, interessierter Brettspieler interessieren. Dass Spanisch und Französisch als Sprache weiter verbreitet sind, als Deutsch, das ist Fakt. Aber gibt es in diesen Sprachregionen (Südamerika, Afrika) auch viele Brettspieler und damit Käufer?

    • Hilfreichste Antwort

    Für Kenner- und Expertenspiele gibt es im deutschsprachigen Raum das zusätzliche Problem, dass die potenziellen Interessenten eher bereit sind, die englische Version zu kaufen, als das bei Franzosen oder Spaniern der Fall ist.

  • Um auf die letzte Frage einzugehen: man kann in D etwa von 20- bis 30.000 potenziellen Käufern von Expertenspielen ausgehen. Die Zielgruppe für Kennerspiele (nach KSdJ-Definition) dürfte etwa zehnmal so groß sein. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Expertenspiele in D selten eine Startauflage größer 2000 Stück haben. Nur wenn sich diese gut ( = schnell) verkauft, gibt es überhaupt weitere Auflagen. Für Lokalisierungen wird die Luft noch dünner - die "echten Fans" haben sich das Spiel schon auf englisch geholt und fallen als Käufer der Lokalisierung weg.


    Daher gehen mittlerweile viele Verlage den Weg, sich bereits vor Veröffentlichung mit ausländischen Partnern zusammen zu tun, um eine höhere Startauflage sicher verkaufen zu können. Eine andere Alternative ist, erst die englische Auflage abzuverkaufen und bei Erfolg dann den Nachdruck zusammen mit den Partnern zu machen.


    Diese Zahlen kann man aber für den spanischen oder französischen Sprachraum nicht einfach hochzurechnen - dazu sind die Märkte zu unterschiedlich.


    (Quelle: jahrzehntelange eigene Marktbeobachtung & viele Kontakte in der Verlagswelt)

  • Auch wenn es bisschen „Schubladendenken“ ist:


    Brettspiele sind an sich ein sehr deutsches Ding. Die meisten deutschen tendieren dazu sich gern an Regeln zu halten, Regeln zu formulieren und Regelsysteme zum laufen zu bringen. Ordnung und sortieren ist auch klischeehaft deutsch. Ich habe keine Ahnung woher solche merkwürdigen Klischees immer herkommen und es mag mit Sicherheit andere Bevölkerungsgruppen bei denen das ähnlich ist. Aber ich bin auch jemand, der sich unwohl fühlt um 3 Uhr nachts bei rot über die Ampel zu gehen. Ich mach’s natürlich trotzdem. Aber nicht gern^^


    Jedenfalls wundert es mich nicht, dass wir so viele Hammergute Autoren in Deutschland haben.


    Und ein deutscher Verlag agiert halt abwägender bzgl Neuheiten. Man kann ja erst mal abwarten ob das neue Spiel wirklich so der Bringer ist wie vermutet und bis dahin bringt man eben lieber die 10. Version von Azul oder Andor raus. Ist halt sicherer Profit.

    2 Mal editiert, zuletzt von Gondolin ()

  • Für Kenner- und Expertenspiele gibt es im deutschsprachigen Raum das zusätzliche Problem, dass die potenziellen Interessenten eher bereit sind, die englische Version zu kaufen

    Definitiv, da wir nicht gerne 1 Jahr warten wollen und manche Übersetzungen nicht gut sind. Das ist dann quasi ein Teufelskreis. Franzosen sind im allgemeinen stärker an ihre Sprache gebunden und lernen nicht so gerne Fremdsprachen (natürlich nicht alle, aber viele wie ich bei unserem damaligen Schüleraustausch feststellen musste)

  • Franzosen sind im allgemeinen stärker an ihre Sprache gebunden und lernen nicht so gerne Fremdsprachen (natürlich nicht alle, aber viele wie ich bei unserem damaligen Schüleraustausch feststellen musste)

    Yep. Wobei ich immer stärkere Indizien dafür sehe, dass die jüngere Generation der Franzosen sich von dem "wer mit uns zusammenarbeiten will, soll gefälligst französisch sprechen!" ihrer Vorfahren verabschiedet und genau wie jeder andere in der westlichen Welt akzeptiert hat, dass Englisch die gemeinsame Sprache ist, die man nun mal sprechen muss, wenn man mit der Welt kommunizieren will.

  • Für Kenner- und Expertenspiele gibt es im deutschsprachigen Raum das zusätzliche Problem, dass die potenziellen Interessenten eher bereit sind, die englische Version zu kaufen, als das bei Franzosen oder Spaniern der Fall ist.

    Das wäre tatsächlich eine Erklärung, die ich interessant finde. Habe ich selbst auch lange so gehandhabt. Da meine Sammlung aber mittlerweile alles enthält, was man so an Mechaniken bekommen kann werde ich nachdenklicher beim Spielekauf. Und mir wird die deutsche Sprache immer wichtiger. Ich verzichte häufiger auf rein englische Spiele.

  • hmm, nach kurzer Suche im Internet finde ich eigentlich hoechstens italienisch und niederlaendisch erstaunlich.


    Wenn man nach x-sprachig sucht erhaelt man folgende Zahlennderer die die jenweilige Sprache beherrschen:

    Franzoesisch: 98.4 mio

    Spanisch: 457 mio

    Deutsch: 100 mio

    Niederlaendisch: 30 mio

    Italienisch: 61.6 mio


    Wenn man sich dann noch die Kenner-Spiel-verbreitung ansieht, and ob/welche anderen Sprachen die Mehschen sprechen, macht es vermute ich Sinn.

  • Da lese ich immer, Deutschland ist das Land der Gesellschaftsspiele.

    Wann hast du das denn gelesen, 1998? So ungefähr da passte das noch. Die Zeiten sind lange vorbei und die Welt um uns herum hat massiv aufgeholt. Weiteres, siehe unten.


    Um auf die letzte Frage einzugehen: man kann in D etwa von 20- bis 30.000 potenziellen Käufern von Expertenspielen ausgehen. Die Zielgruppe für Kennerspiele (nach KSdJ-Definition) dürfte etwa zehnmal so groß sein.


    Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Expertenspiele in D selten eine Startauflage größer 2000 Stück haben.

    Puh, für Kennerspiele klingt das für mich noch viel zu hoch gegriffen (kann natürlich dennoch stimmen). Dein letzter Satz hingegen deckt sich exakt mit meiner Einschätzung, dass man vielleicht 2000 bis maximal 3000 Leute erreicht und das ist dann schon ein gutes Spiel. Nur Ausnahmetitel kommen darüber hinaus, während andere Titel nicht mal das erreichen.


    Seinerzeit wurde ein (wie ich finde perfekt aufgemachtes) "Wie Verhext" im ersten Jahr nur sehr schleppend verkauft. Ich kann mich an die genauen Zahlen nicht mehr erinnern, aber das waren nur 1000 oder 2000 Exemplare und das mit rotem Pöppel auf der Schachtel!


    Ich mein...

    - ansprechendes Cover und Name

    - ansprechende Aufmachung / Illustrationen

    - Zugängliches Spiel durch einfache / kurze Regeln

    - günstig (dürfte ca 18€ gekostet haben, als es auf den Markt kam)

    - roter Pöppel auf der Schachtel


    ... auf dem Papier passte hier alles und dennoch passierte da nicht viel.


    Die meisten Titel die wir so spielen gehören nicht zu den Ausnahmen, die mit deutlich höheren Auflagen daher kommen. Unser Markt wird seit Jahren massiv von den Spielern überschätzt.

  • Deutsche Autoren sind aber noch Relevant, allein nächstes Jahr wird allein von Knizia Medici, Durch die Wüste und Euphrat und Tigris teils zum wiederholten Male in neu und schön aufgelegt.

    Letztes Jahr erst Ra gleich 2 oder 3 Ausgabenversionen und davor einige Modern Art Versionen und Amun- Re .Ich meine es war entweder gsr nicht oder nur selten die deutsche Sprache neben Englisch Spanisch. Portugiesisch, Koreanisch usw. noch dabei. Die deutschen Autoren und ihre Klassiker werden hoch geschätzt aber eine kleine deutsche Regelfassung von den ausländischen Verlagen wird überhaupt erst gar nicht mehr als zusätzlicher kleiner Markt gedanklich in Betracht gezogen.

  • Es wird halt zunehmend schwerer, wenn der Bedarf bereits über KS und Co abgedeckt wird.

    Dann kommen gefühlt(!) im Wochentakt neue komplexe Titel auf den Markt.

    Je nach Kampagne werden künstliche Hypes erzeugt aber marktwirtschaftlich auch direkt über Vorbesteller-/Kickstarteraktion bedient.

    Riskante Geschäfte. Agricola wird/wurde in diesem Asmodee-Popup Store auch gerade für unter 40€ verramscht. Vermutlich nicht, weil es sich prima verkauft hat. Beim nächsten Titel wird man dann nochmal vorsichtiger.

    Die Einkaufsgruppe für solche Spiele steigt ja in überschaubarem Rahmen. Deren einsetzbares Kapital bleibt also bei steigendem Angebot fast identisch.


    Das ist jetzt aber auch nur so ein Ansatz wie ich mir das erkläre.

  • Ohne jetzt belastbare Daten zu haben: Ich denke mal, je weiter man bei echten Autorenspielen (also kein MÄDN, UNO etc.) in den Familienspielbereich geht, desto relevanter ist Deutschland auf dem Weltmarkt. Ab gehobener Familienspielbereich aufwärts dürften die anderen westlichen Nationen wie Frankreich oder Spanien auf einem ähnlichen Relevanzniveau sein, wenn nicht teilweise sogar darüber.


    Und GERADE im Autorenbereich finde ich Dschörmanie weitaus weniger relevant/dominant wie noch in den 90ern/2000ern. Klar, wir haben einen Pfister, einen Feld, einen Rosenberg, aber die große Bedeutung der anderen "Altmeister" ist irgendwo doch vorbei, dazu gibt es gefühlt eher wenige Jungautoren, die echte Hits landen. Dazu kommt halt, dass deutsche Projekte/Verlage/Autoren auf Kickstarter/Gamefound keine große Rolle spielen.


    Darüber hinaus sind meines Erachtens - und das soll jetzt kein Vorwurf sein - zu viele der wirklich guten hiesigen Verlage aufs Publishen eingedeutschter Spiele beschränkt/fokussiert (Skellig, Strohmann, Schwerkraft, Frosted etc....). Das mag wirtschaftlich vernünftig sein; ich kann mir aber einfach nicht vorstellen, dass es soooo wenige vielversprechende Konzepte/Prototypen etc. von (bis dato unbekannten) deutschen Autoren gibt. Die sind dann aber mE (zu) oft auf Kleinst- bzw. Eigenverlage angewiesen. Ich habe den Eindruck, dass die Spanier, Italiener, Franzosen, Polen und Tschechen da deutlich dynamischer oder gar wagemutiger sind. Wir brauchen mehr Feuerlands. :)


    Und irgendwo geht die Relevanz von Deutschland als Absatzmarkt halt schon einher mit der Relevanz von Deutschland von der Autoren-/Verlagsseite her.

    2 Mal editiert, zuletzt von Biberle ()

  • Darüber hinaus sind meines Erachtens - und das soll jetzt kein Vorwurf sein - zu viele der wirklich guten hiesigen Verlage aufs Publishen eingedeutschter Spiele beschränkt/fokussiert (Skellig, Strohmann, Schwerkraft, Frosted etc....). Das mag wirtschaftlich vernünftig sein; ich kann mir aber einfach nicht vorstellen, dass es soooo wenige vielversprechende Konzepte/Prototypen etc. von (bis dato unbekannten) deutschen Autoren gibt.

    Für die Lokalisierung benötigst Du ein völlig anderes Skillset wie für die redaktionelle Entwicklung

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Falsch. Das wäre nur richtig, wenn du "deutsch" durch "deutschsprachig" ersetzt.

    Als Oberbayer neige ich dazu, Österreicher als Landsmänner zu vereinnahmen. ;)

    (Disclaimer: natürlich ohne entsprechende politische Hintergedanken)

    Für die Lokalisierung benötigst Du ein völlig anderes Skillset wie für die redaktionelle Entwicklung

    Mag sein, aber darum geht es mir gar nicht. Gefühlt gibt es in Frankreich, Spanien und sogar Italien eine viel größere Szene an Spezial-Verlagen, die einheimische Autoren publishen.

  • Mag sein, aber darum geht es mir gar nicht. Gefühlt gibt es in Frankreich, Spanien und sogar Italien eine viel größere Szene an Spezial-Verlagen, die einheimische Autoren publishen.

    Ich kenne die Szene in FRA, ES, IT nicht genau um das beurteilen zu können

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Ich finde leider keine aktuellen Studien. Wenn, dann beziehen die sich nur auf den deutschen Markt und sind schon älter. Eine globale Studie zum Thema Gesellschaftsspiele scheint es nicht zu geben.


    Eines findet man in allen Studien. Die Zahl der Spiele(r) steigt seit 2017 recht steil an. Das Interesse nimmt stetig zu. Leider aber gibt es keinen internationalen Vergleich. Ich hatte das Gefühl, dass wir vor allem mit der Messe in Essen ein einzigartiges Event in Deutschland haben und darum der Nabel der Brettspielwelt sein müssten, aber vielleicht täuscht das.

  • Mag sein, aber darum geht es mir gar nicht. Gefühlt gibt es in Frankreich, Spanien und sogar Italien eine viel größere Szene an Spezial-Verlagen, die einheimische Autoren publishen.

    Ich denke, dass du das ein bisschen zu einseitig siehst. Einen Verlag wie Feuerland, der einen einheimischen Erstlings-Autor auf BGG-Platz 4 gebracht hat, haben diese Länder allesamt nicht.

  • Noch mal kurz zur Eingangsfrage nach Evacuation: Meines Wissens gab es bisher nur eine kleine englische Vorab-Menge für den Verkauf in Essen, um das Spiel dort bekanntmachen zu können. Die Hauptmenge der englischen Spiele wird später gemeinsam mit anderen Sprachversionen produziert. Da ist dann auch die deutsche Ausgabe dabei. Somit dürften die bei BGG genannten Sprachversionen alle noch nicht erschienen sein und 2024 alle ungefähr zur selben Zeit erscheinen.

    Dass die deutsche Version bei BGG noch nicht genannt wird, hat in dem Zusammenhang überhaupt keine Aussagekraft. Manche Verlage posten ihre Titel dort so früh wie möglich, andere warten damit, zum Beispiel bis die Druckdaten final freigegeben wurden und sie ein finales Bild hochladen können oder auch aus anderen Gründen.

  • (...) Dass die deutsche Version bei BGG noch nicht genannt wird, hat in dem Zusammenhang überhaupt keine Aussagekraft. (...)

    Darauf wollte ich eigentlich auch schon lange hinweisen, bin nur nicht dazu gekommen. Damit kann man eigentlich schon dem Startbeitrag die Luft herauslassen und dann fällt eigentlich die ganze Diskussion substanzlos in sich zusammen. :)

    UpLive [bgg for trade] - einfach anschreiben, wenn Dich davon was interessiert!

  • Da lese ich immer, Deutschland ist das Land der Gesellschaftsspiele. Bei vielen interessanten Games kann ich da nur müde lächeln. Ich empfinde das nicht so. Vor allem bei komplexeren Games (Kenner / Experte). Da muss man total happy sein, wenn sich irgendwann ein Verlag erbarmt und eine deutsche Version bringt

    Weltweit erscheinen so viele neue Spiele pro Jahr wie nie zuvor. Die deutschen Verlage könnten gar nicht alles umsetzen, selbst wenn sie es wollten. Tatsächlich sind ja in den letzten Jahren einige neue Verlage wie z.B. Strohmann dazugekommen, die eben genau deswegen entstanden sind, weil sie nach Perlen suchen, die größere und unflexiblere Verlage vlt übersehen. Es wird also auch so viel lokalisiert wie nie zuvor. Grundsätzlich würde ich sagen, dass wahrscheinlich schon alles umgesetzt wird, was vielversprechend sein könnte. Welche Spiele vermisst du denn da? Wenn du ein paar Beispiele nennen könntest, könnte ich ggf. was dazu sagen, warum sie vlt nicht lokalisiert wurden. Was z.B. diverse KS Projekte angeht, da sind manche Preise für den Retailmarkt nicht darstellbar bzw. der Aufwand für die Übersetzung stünde in keinem Verhältnis zu dem erwartbaren Umsatz. Grundsätzlich gibt es eben pro Jahr eine handvoll Expertenspiele auf die sich die gesamte Aufmerksamkeit der Vielspieler konzentriert und alles andere muss kämpfen, um überhaupt gesehen zu werden und verschwindet meist recht schnell wieder vom Markt, weil immer neue Neuheiten nachrücken und um die Spieler buhlen - eigentlich gilt das auch für Kenner- und Familienspiele. Das ist ja auch in anderen Branchen so: the winner takes it all und was gut läuft läuft noch besser, weil es in aller Munde ist. Der Brettspielmarkt ist halt nicht so groß, dass nischigere Titel relevante Stückzahlen erzielen könnten und deswegen wird eben auch einiges nicht umgesetzt - das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in allen anderen Märkten (EN Versionen sind wie schon diskutiert was anderes - sie sind immer der kleinste gemeinsame Nenner weltweit). Selbst für die Stückzahlen mit denen wir in der Brettspielbranche eigentlich ganz zufrieden sind (SdJ mal ausgenommen), würden andere in anderen Branchen nicht mal aufstehen. Schick mal bei einem Brettspielverlag einen Unternehmensberater durch. Der bricht wahrscheinlich vor lachen zusammen und empfiehlt alles was sich über 100.000 Mal pro Jahr zu behalten und nur noch neue Spiele zu machen, die sich auch sicher 100.000 Mal im Jahr verkaufen lassen - und dann bleibt nicht viel übrig :lachwein:

  • Wenn du ein paar Beispiele nennen könntest, könnte ich ggf. was dazu sagen, warum sie vlt nicht lokalisiert wurden.

    In erster Linie ging es mir wirklich nur um ein Gefühl für die Relevanz des dt. Brettspielmarktes. Wenn es aber um Lokalisierungen geht, dann gibts da sicher einige, die ich gerne in deutsch gesehen hätte:

    - Dungeon Degenerates

    - Final Girl

    - Renegade

    - Bullet Star / Heart

    - Oathsworn

    - etc.

  • und warum es eventuell selten zu Release auch gleich mal eine deutsche Version eines solchen Spiels gibt?

    Vlt dazu noch die Erklärung, dass der Originalverlag oft kurz vor knapp die finale Version der Anleitung ihrer eigenen Sprachversion für eine bestimmte Messe/Veranstaltung zum dortigen Release zusammenstrickt und andere Sprachversionen dann eben erst später erscheinen können. Das ist aber auch kein spezifisches Problem von Lokalisierungen für den deutschen Markt. Außerdem wollen die meisten Verlage, die Spiele lokalisieren auch ein (fast) finales Produkt testen - oder auch einfach nur abwarten, wie der internationale Markt auf das Spiel reagiert, bevor sie sich dafür entscheiden - auch in diesem Fall ist man dann erst bei einer späteren Produktion dabei, denn man will ja nicht die Katze im Sack kaufen. Und weiterhin muss es ja auch in den Zeitplan passen - nicht immer ist sofort Zeit, ein Spiel zu lokalisieren und größere Verlage sind oft auf längere Zeit verplant.

  • Hmm, aus der Hüfte geschossen ist meine Antwort bei diesen Titeln entweder "nie davon gehört", "zu nischig", "wäre im Retail zu teuer" oder "zu aufwendig in der Umsetzung". Nimm einfach mal Oathsworn: Ja, man beobachtet das schon und überlegt - kommt ja auch richtig gut an. Ein Gloomhaven umzusetzen hat sich beispielsweise für Feuerland sicher gelohnt, aber das ist die Ausnahme und das Risiko, dass du bei all dem Aufwand dann doch nur 1000 Stk verkaufst und am Ende ein dickes Minus steht, steht ganz dick im Raum. Der Preis der KS Version müsste wahrscheinlich im Retailmarkt deutlich höher liegen. Ggf. könnte man über einen Direktverkauf oder zumindest eine Vorbestellaktion nachdenken, aber man würde damit den Handel umgehen, was auch Ärger bringen kann. Wenn du eine Vorbestellaktion siehst, versucht der Verlag wahrscheinlich sein Risiko zu minimieren, weil das Projekt eigentlich nicht seriös darstellbar ist.

    Der deutsche Markt ist auf jeden Fall immer noch mit einer der relevantesten, aber die USA ist durch den dort anhaltenden Trend, die englische Sprache als weltweit kleinstem gemeinsamen Nenner und einfach der mehr als 3-fachen Menge der Bevölkerung inzwischen relevanter, denke ich. Und auch der französische Markt scheint sehr relevant zu sein, aber ich kenne keine Zahlen. Insgesamt scheint mir der französische Markt zumindest kreativer, aber auch risikofreudiger als der deutsche zu sein. Ich denke wir Deutschen haben eben nicht so die "go big or go home" Mentalität wie andere - persönlich finde ich das aber auch nicht schlecht, auch wenn man dann ggf. mal belächelt wird. Aber man lebt ja auch nicht auf einer Insel und muss im internationalen Wettbewerb hier und da mehr Risiken eingehen als früher.

  • Spanisch und Französisch werden ja auch noch in viel mehr Ländern gesprochen. Laut Wikipedia ist Deutsch nur auf Platz 12 während Spanisch und Französisch auf Platz 4 und 5 sind.


    Die Aufzählung zeigt es aber schon sehr deutlich das Problem:


    - Dungeon Degenerates: Nische in einer Nische! Das Spiel war/ist ja auch auf englisch schwer zu bekommen.

    - Final Girl: Ich dachte ich hätte mal was von einer Lokalisierung gehört..

    - Renegade: Nie gehört / Nische

    - Bullet Star / Heart: Nie gehört / Nische

    - Oathsworn: Sicherlich spannender Titel, aber auch sehr problematisch. Allein der Umfang, d.h. zu den geringen Stückzahlen kommt noch ein hoher Aufwand hinzu!


    Hinzu kommt, dass in den Nischen die Leute eher bereit sind auch die englische Version zu spielen. Warten die Nischenspieler wirklich auf eine Lokalisierung oder haben Sie nicht eher schon die englische Version geholt. Zumal bei Kickstartern der Hype super wichtig ist und die Creators sich ihf Funding nicht kaputt machen wollen indem sie gleich sagen, dass es eine Lokalisierung später über einen Partner geben wird.


    Ich persönlich habe das Gefühl, dass eigentlich fast alles Relevante (Stückzahl) irgendwann auf Deutsch erscheint. Selbst bei den Crawlern ist ja vieles in den letzten Jahren gekommen.

  • Bei vielen amerikanischen Klein- und Crowdfunding-Verlagen kommt sicher noch als Problem dazu, dass denen alles Nicht-Englischsprachige oft herzlich egal ist.

    Wenn man z.B. bei der Anlage von irgendwelchen Projekten mögliche Lokalisierungen nicht direkt auf dem Schirm hat, nicht Reserven beim Platz lässt oder sowas wie Texte auf Grafiken nicht in eigene Layer packt, dann ist eine Lokalisierung direkt der vielfache Aufwand. Und das ist nur der rein technische Aufwand und berücksichtigt dabei noch nicht mal einen möglicherweise nur begrenzt kooperativen Originalverlag als Partner.

    Das ist zugegebenermaßen ein Problem, das Lokalisierungspartner aus anderen Ländern dann ganz genauso haben. Aber es unterstreicht eben auch, dass es manchmal ein Maß an Selbstausbeutung braucht, das man eben nicht mal einfach so erwarten darf.

  • Und auch der französische Markt scheint sehr relevant zu sein, aber ich kenne keine Zahlen. Insgesamt scheint mir der französische Markt zumindest kreativer, aber auch risikofreudiger als der deutsche zu sein.

    Wenn sich das nicht massiv geändert hat leidet der französische Markt auch nicht an der im deutschen Markt so präsenten "Geiz ist Geil" - Mentalität; das ermöglicht es auch risikofreudiger zu sein und mit kleineren Auflagen Break Even zu erreichen

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Spanisch und Französisch werden ja auch noch in viel mehr Ländern gesprochen. Laut Wikipedia ist Deutsch nur auf Platz 12 während Spanisch und Französisch auf Platz 4 und 5 sind.

    Das sagt aber nichts über die Relevanz einer Sprache auf dem Brettspielmarkt aus, weil Spiele in unterschiedlichen Ländern einen sehr unterschiedlichen Stellenwert haben. Es dürfte zm Beispiel in Süd- und Mittelamerika einige Regionen geben, in denen Spiele eine extrem kleine Rolle spielen, um es mal vorsichtig auszudrücken.

  • Wenn ich meinem Pariser Freund glauben darf, ist der Spielemarkt da nach dem Pandemiehoch v.a. durch die Inflation massiv eingebrochen. Da stehen einige Spieleläden, Cafés und Verlage wohl vor dem Aus. Zumal moderne Brettspiele in Frankreich primär ein Großstadtphänomen ist, in Familien und Kneipen auf dem Lande werden nach wie vor eher traditionelle spiele gespielt.