Was macht eine Aktivität zu einem Spiel?

  • Im Thread zu "The Mind" stellt sich implizit die übergeordnete Frage, was eine Aktivität zu einem Spiel macht.


    Im Beispiel "The Mind" geht es darum, Karten der Reihenfolge nach zu stapeln, was erstmal ja an sich eine noch nicht mal spannende Aktivität beschreibt. In The Mind ist nun der Clou, dass man sich nicht absprechen darf - genau genommen darf man weder (verbal noch non-verbal) kommunizieren NOCH heimlich zählen. (Ich behaupte nach wie vor, dass das nicht funktioniert, ohne die Regeln zu brechen).


    Aber ist "man darf nicht reden" ausreichend um die Aktivität "Karten stapeln" zu einem Spiel zu machen?


    Was ist mit Puzzeln? Das ist auch eine (konzentrierte) Aktivität - man fummelt Einzelteile zu einem halbwegs schönen (oft leider kitschigen) Bild zusammen und ist dann fertig. Klingt auch eher nach einer Aktivität und weniger nach einem Spiel (die FBI-Agenten, die zerschredderte Dokumente wieder zusammen fügen, sehen das vermutlich auch eher als mühselige Aktivität). Ist es also ein Spiel? Quezzle meint ja.


    Was ist mit Wimmelbildern? Ali Mitgutsch hat mich als Kind schon begeistert und meine Kinder ebenso. Aber es ist eben erstmal nur ein Bild - auch wenn ich meinen Sohn den Papagei da suchen lasse. Ist "etwas auf einem Bild finden" schon ein Spiel? Micro Macro meint ja.


    PowerPlant warf (pun intended) "52 heb auf" in den Raum. Ist diese (ebenfalls mühselige) Aktivität nicht nach den Beispielen oben ebenfalls ein "Spiel"?


    Ich hab eben bei wiki diese Definition gefunden:

    Zitat
    „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“

    – Huizinga: 1938/1991, S. 37

    Das entscheidende Merkmal scheint "ihr Ziel in sich selbst hat" und "Regelwerk" zu sein... aber für mich ist das nicht ausreichend. Ein Buch liest man von vorn bis hinten (das lege ich als für mich bindende Regel fest). Das Ziel liegt hier im Lesen selbst... es ist freiwillig und ist spannend und macht Freude. Ist Lesen also folglich auch ein Spiel, wenn ich es jeden Tag ziemlich genau eine Stunde mache?

  • Ich würde mich da nicht zu sehr auf exkludierende Definitionen beschränken, ich glaube da kommst du zu nix. Spielen ist eine sehr weitreichende Aktivität (evolutionär gesehen) und die Definitionen für diesen Rahmen sind vielleicht nicht unbedingt für deine Diskussion geeignet.


    Vielleicht können wir mit der Frage anfangen:

    Was ist für dich der Sinn und Zweck darin, zwischen Spiel und Aktivität zu unterscheiden?

  • Ich würde mich da nicht zu sehr auf exkludierende Definitionen beschränken, ich glaube da kommst du zu nix. Spielen ist eine sehr weitreichende Aktivität (evolutionär gesehen) und die Definitionen für diesen Rahmen sind vielleicht nicht unbedingt für deine Diskussion geeignet.


    Vielleicht können wir mit der Frage anfangen:

    Was ist für dich der Sinn und Zweck darin, zwischen Spiel und Aktivität zu unterscheiden?

    Es schafft eine Grundlage zum gegenseitigen Verständnis - denn wenn A von einem Spiel redet und aber was ganz anderes als B meint, dann wird es schwierig. Eben dies ist ja offenbar in der Diskussion zu "The Mind" passiert.


    Es ist ja auch gar nicht dramatisch, dass man an einer "Aktivität" Spaß hat. Derer gibt es ja viele - aber nicht alle Aktivitäten sind Spiele (allerdings wohl alle Spiele Aktivitäten).

    Rein formell wird es wichtig für so Dinge wie die Olympischen Spiele oder (Brett)-Spielepreise. Auch da wäre für mich die Frage, was ein Brettspiel zu einem Brettspiel macht oder warum z.B. Rollenspiele - obwohl es auch Spiele sind - nie irgendwelche nennenswerten Spielepreise gewinnen.

  • Schöne Idee :) Ich habe mal eine Definition gelesen, dass "erschwerende Regeln" eine Aktivität zu einem Spiel machen - eine Herausforderung. Beispiel Fußball: Man darf den Ball nur mit dem Fuß treten. Oder eben The Mind: Man darf sich nicht absprechen. Oder 52 heb auf: Man muss eine Zeit schlagen. Oder Steine stapeln: Der Turm darf nicht umfallen. Oder der Müll-Ninja: Bringe den Müll zur Mülltonne ohne dass dich jemand sieht ;)


    In diesem Sinne ist The Mind natürlich ein Spiel. Das hätte ich auch nicht abgestritten. Ich habe nur etwas flapsig formuliert, wie wenig Spiel ich darin sehe.

  • Ich sehe das so, dass die Kritik „Das ist kein Spiel, das ist eine Aktivität“ immer dann kommt, wenn es keine Entscheidungen zu treffen gibt. Das ist bei vielen Kinderspielen der Fall: würfeln, rücken, nächste ist dran. Das könnte man auch komplett durchsimulieren. Nach dieser „Definition“ wäre MicroMacro kein Spiel, The Mind aber schon.

  • Ich sehe das so, dass die Kritik „Das ist kein Spiel, das ist eine Aktivität“ immer dann kommt, wenn es keine Entscheidungen zu treffen gibt. Das ist bei vielen Kinderspielen der Fall: würfeln, rücken, nächste ist dran. Das könnte man auch komplett durchsimulieren. Nach dieser „Definition“ wäre MicroMacro kein Spiel, The Mind aber schon.

    Aber es heißt doch "das LeiterSPIEL". Da sind übrigens wirklich 0 Entscheidungen zu treffen jenseits von "welche Farbe will ich?". Im Grund lässt es sich runter brechen auf "Wer würfelt besser". Das ist aus meiner Sicht ein wichtiges Qualitätsmerkmal für Spiele (Player Agency), aber nach obiger Definition ist es eines :-/

  • Auf das Institut für Ludologie wollte ich auch gerade verweisen. Ich hab mich während meines Studiums immer wieder mit Spielen im Zusammenhang mit Lernen beschäftigt; zuletzt aktuell als Vorbereitung auf einen Austausch über EscapeRooms im Unterricht (EduBreakouts hat sich dafür jetzt wohl als Begriff etabliert). Die Definitionen für ein Spiel sind vielfältig so wie allein unser Hobby auch ein breites Spektrum zeigt.

    Ich würde sagen, ein Spiel ist für mich selbst ein Spiel, wenn es sich von Alltäglichen abhebt, es bei mir positive Emotionen auslöst (z.B. Entspannung, Freude, gemeinsames Erleben) und ich vielleicht sogar ganz nebenbei in meinem Alltag davon profitieren kann. Hier werden in der Pädagogik u.a. das Erleben von Selbstwirsamkeit, Ausdruck / Kreativität, Erwerben von Kompetenzen wie z.B. Problemlösefähigkeiten genannt.

    Insofern: ja, auch Micro Macro und The Mind sind Spiele, die aber eben individuell unterschiedliche Emotionen auslösen können, weshalb es ja zum Glück genügend Auswahl gibt. 😉

  • Es schafft eine Grundlage zum gegenseitigen Verständnis - denn wenn A von einem Spiel redet und aber was ganz anderes als B meint, dann wird es schwierig. Eben dies ist ja offenbar in der Diskussion zu "The Mind" passiert.


    Es ist ja auch gar nicht dramatisch, dass man an einer "Aktivität" Spaß hat. Derer gibt es ja viele - aber nicht alle Aktivitäten sind Spiele (allerdings wohl alle Spiele Aktivitäten).

    Rein formell wird es wichtig für so Dinge wie die Olympischen Spiele oder (Brett)-Spielepreise. Auch da wäre für mich die Frage, was ein Brettspiel zu einem Brettspiel macht oder warum z.B. Rollenspiele - obwohl es auch Spiele sind - nie irgendwelche nennenswerten Spielepreise gewinnen.


    Bei der Formalität stimme ich dir (bedingt) zu. Da könnte es tatsächlich wichtig werden.


    Den fett markierten Satz finde ich allerdings sehr spannend, weil ich den eben in der Diskussion um The Mind und auch in anderen, ähnlichen Diskussionen gar nicht sehe. Ich habe schon das Gefühl, dass allen Beteiligten klar ist, was sie grundsätzlich unter "Spiel" verstehen. Und Menschen, die The Mind nicht als Spiel sehen, sind auch in der Lage, zu verstehen warum andere Menschen das eben doch tun. So ist meine Auffassung.


    Die Unterscheidung zwischen Spiel und Aktivität im Brettspielbereich sehe ich immer nur dann aufploppen, wenn damit etwas Abschätzendes gemeint ist - DAS ist ja gar kein Spiel. Und da weiß ich nicht, ob Definitionen wirklich helfen.


    Bevor sich der Thread verrennt und wie alle anderen Diskussionen zu dem Thema endet, möchte ich noch einmal für OFFENE DEFINITIONEN plädieren. Man muss keine exakt genauen Grenzen abstecken, um einen Begriff zu fassen. Denn beim Spielen wird es schwer. Du hast nämlich für jede Teildefinition eben Ausnahmen.


    "Ein Spiel braucht feste Regeln." Ist das so, wenn meine Katze mit der Serviette spielt, weil die so lustig fliegt?

    "Ein Spiel braucht einen zeitlich abgesteckten Rahmen." Ich spiele oft nur eine halbe Runde, und wenn ich lese, dann ja auch "ein Kapitel"- ist das auch ein Spiel?

    "Ein Spiel muss echte Entscheidungen haben." siehe diverse Kinderspiele.


    usw. usw.


    Meistens gehen diese Diskussionen so:


    "Für mich ist das ein Spiel, was folgendes hat: xyz"

    "naja, aber ist dann (völlig absurdes Beispiel) für dich auch ein Spiel? Das hat doch xyz"

    "na dann nehmen wir x weg. Oder noch 123 dazu."


    Und ich habe immer nicht das Gefühl, dass das irgendwohin führt. ^^ Aber macht ihr ruhig, wenn ihr möchtet <3

    "

  • Leben = Spiel („Game on“)

    Tod = S@#*!%spiel* („Game over“)

    Einmal editiert, zuletzt von Gead () aus folgendem Grund: An- und Ausknopf angebracht

  • By the way: auch Umgang mit herausfordernden Situationen, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz sind ja durchaus auch wichtige Kompetenzen, die man am Spieleabend mitnehmen kann: Ich sag nur Downtime, verschiedene Spielertypen am Tisch.... 😂


    Anmerkung: Ich hab den Beitrag gerade abgeschickt und gesehen, dass Nico auch schon geschrieben hatte. Da passt meiner gut dazu, denn Spielen ist wirklich ein sehr offener Begriff und über Definitionen kann man sicher Seiten füllen. Ich finde es persönlich interessanter darauf zu schauen, was durch Spielen im besten Fall erreicht bzw. ausgelöst kann. Daher meine Ergänzung.

    Einmal editiert, zuletzt von lealuna ()

  • Aber ist es nicht schräg, dass sich hier keine Definition finden lässt? Das obige Beispiel mit "jeden Tag eine Stunde lesen" ist ja eines, das der von mir zitierten Definition zu 100% gerecht wird. Und es ist noch nicht mal besonders ausgedacht. "Ich binge jetzt die Staffel durch" wäre auch eine moderne Aktivität, die dann als "Spiel" gelten würde. Aber gewinnt "Love is Blind Staffel 2"-Bingen dann einen Spielepreis? Und wären wir nicht alle hochgradig irritiert, wenn es doch einen Spielepreis gewinnen würde?

  • Aber ist es nicht schräg, dass sich hier keine Definition finden lässt? Das obige Beispiel mit "jeden Tag eine Stunde lesen" ist ja eines, das der von mir zitierten Definition zu 100% gerecht wird. Und es ist noch nicht mal besonders ausgedacht. "Ich binge jetzt die Staffel durch" wäre auch eine moderne Aktivität, die dann als "Spiel" gelten würde. Aber gewinnt "Love is Blind Staffel 2"-Bingen dann einen Spielepreis? Und wären wir nicht alle hochgradig irritiert, wenn es doch einen Spielepreis gewinnen würde?

    Es sagt doch eben keiner, dass sich keine Definition finden lässt. Aber ich vermute mal, du wirst keine fest gesteckte Definition finden, unter die alle Spiele fallen, alle Nicht-Spiele aber nicht. Genau das wollte ich doch mit meinem Text sagen...

  • Also bei mir würde "Staffel durchbingen" nicht unter Spiele fallen, denn Spielen setzt für mich Aktivität / eigene Auseinandersetzung mit einem Gegenstand voraus, Serie gucken eher Unterhaltung.

  • Da machst du zum Montag Morgen ja mal ein richtiges Fass auf!


    Auch ich finde das von dir gewählte Zitat unpassend, weil es versucht den Begriff Spiel in eine ganz bestimmte Schublade zu packen. Schubladen können bei der Organisation des Verstandes manchmal hilfreich sein, aber meistens kommt man schwer aus ihnen wieder raus.


    Verkürze ich das Zitat auf

    „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat ."

    habe ich fast alle Tätigkeiten in öffentlichen Institutionen (Schulen, Behörden, Ministerien usw.) bestens umschrieben. Ob den Beteiligten die Beschäftigung Spaß macht, oder ob sie bemerken, dass die Realität außerhalb ihres Umfeldes anders funktioniert, muss man individuell betrachten. Aber für mich sind auch diese Tätigkeiten Spiele weil sie wie Spiele auf Rituale zurückgehen.


    Wie das Beamtenmikado (anwesende sind immer ausgeschloßen) ist in meiner Welt auch das Brettspiel ein Ritual bei dem ein bestimmter Geist beschworen wird. Welcher, hängt tatsächlich von den Beteiligten ab. Der eine beschwört den Geist des körperlich gefahrlosen Wettkampfs, der andere den des geselligen Zusammenseins und der Freundschaft.

  • Wenn Johannes Sich euch geglaubt hätte, dass Wimmelbilder keine Spiele sind, dann hätte er ungefähr eine halbe Million weniger auf dem Konto. ^^


    Solche Definitionssuchen find ich weitestgehend sinnbefreit.

    Jeder von uns weiß aus dem Bauch heraus, ob er gerade spielt oder nicht.


    Und wenn die Definition exkludierend sein soll ("X ist kein Spiel"), welchen wirklichen Nutzen hat das außer Gatekeeping?

    Mein Blog (Illustrationen, Brettspieldesign, Angespielte Spiele)

  • Uferschnepfe: Schule als Spiel mit alltäglichen aktuellen Ritualen wie "Wer ist heute positiv?", "Suche das Lehrerendgerät oder wahlweise Internet"? Ne, soweit geht meine persönliche erweiterte Spiel-Definition hier nicht. Das ist eher Alltagswahnsinn. 😂

  • Also bei mir würde "Staffel durchbingen" nicht unter Spiele fallen, denn Spielen setzt für mich Aktivität / eigene Auseinandersetzung mit einem Gegenstand voraus, Serie gucken eher Unterhaltung.

    Wenn du Serie guckst, kannst du dich z. B. mit Movie Clichés spielerisch damit auseinandersetzen.

    jep und schon haben wir wieder den Bogen

  • Z.B. bei der Frage, ob ein SPIEL als Spiel prämiert werden sollte.

    Definitionen sind ja immer exkludierend - aber das soll ja kein "shaming" beinhalten. Es gibt ne GANZE Menge Aktivitäten, mit denen ich Spaß habe - die aber keine Spiele sind. Genauso gibt es schlechte Literatur, die aber von vielen SEHR gern gelesen wird. Auch da nehme ich mich mit ein.

    Es ist eben eine theoretische Frage, die man einfach auch nicht persönlich nehmen sollte.


    Oder anders gefragt: Hättest Du an The Mind weniger Spaß, wenn Du wüsstest, dass es nach offizieller Definition kein Spiel ist?

  • Z.B. bei der Frage, ob ein SPIEL als Spiel prämiert werden sollte.

    Wenn es jemals zu diesem Zweifelsfall kommen sollte: Im Zweifel immer die weitere Auslegung der "Definition" benutzen. Meine Meinung.


    Hättest Du an The Mind weniger Spaß, wenn Du wüsstest, dass es nach offizieller Definition kein Spiel ist?

    Was meinst du denn damit? ^^ So funktioniert das ja nicht..

  • Hmm - fast jede zielgerichtete Tätigkeit, die erprobt - aber keine "echte" Konsequenzen hat und Erfolg vorweisen muss. :?:

    Ich finde das tatsächlich ganz gut, wobei hier natürlich wieder der Hase im Pfeffer liegt: Was heißt denn "Erfolg"? Spaß haben? Gewinnen? :D

    Aber wenn man das machen will, dann würde ich so weit wie widow_s_cruse anfangen (und da auch bleiben) :)

  • Hmm... offensichtlich gibt es ein Verständigungsproblem.


    In "meiner Welt" gibt es Definitionen für Sachzusammenhänge. Etwas ist eine Sache oder eine andere Sache oder je nach Defintion keines oder beides. Das ist ganz offenbar für sächliche Dinge (Stempel, Stift, Katze) einfacher als für nicht-sächliche Dinge (Gefühle, abstrakte Begriffe wie "Kunst" etc).


    Und dennoch kann man solche Definitionen ja wagen - und es scheint ja auch genügend theoretische Beschäftigung mit den Themenfeldern zu geben, weil es ja ausreichend theoretische Modelle gibt.


    Das soll kein Gatekeeping sein, weil es eben eine theoretische Überlegung ist, die erst mal keinen oder nur wenige offensichtliche Bezüge zur Praxis hat.


    Aber dennoch sind wir uns ja einig, dass Pachisi ein Spiel ist und Brille putzen nicht. Ich find es nur schade, wenn wir uns in einen Bereich völliger Beliebigkeit begeben und sagen "alles ist ein Spiel, wenn Du es so findest".

  • Hmm - fast jede zielgerichtete Tätigkeit, die erprobt - aber keine "echte" Konsequenzen hat und Erfolg vorweisen muss. :?:

    Ich finde das tatsächlich ganz gut, wobei hier natürlich wieder der Hase im Pfeffer liegt: Was heißt denn "Erfolg"? Spaß haben? Gewinnen? :D

    Aber wenn man das machen will, dann würde ich so weit wie widow_s_cruse anfangen (und da auch bleiben) :)

    Ich würde auch denken, dass "Selbstzweck" die Minimal-Definition von Spiel ist. Klar, kann auch Arbeit Spaß machen und man kann sich alle möglichen Tätigkeiten gameifizieren. Aber Spiel dient ja normalerweise eben gerade nicht einem externen Ziel.

  • Schöne Idee :) Ich habe mal eine Definition gelesen, dass "erschwerende Regeln" eine Aktivität zu einem Spiel machen - eine Herausforderung. Beispiel Fußball: Man darf den Ball nur mit dem Fuß treten. Oder eben The Mind: Man darf sich nicht absprechen. Oder 52 heb auf: Man muss eine Zeit schlagen. Oder Steine stapeln: Der Turm darf nicht umfallen. Oder der Müll-Ninja: Bringe den Müll zur Mülltonne ohne dass dich jemand sieht ;)

    Ich hab eine Weile in unserem Unternehmen Trainings zu Enterprise Gamification gegeben und dort haben wir Spiele ähnlich definiert, also als "freiwillig auferlegte Hürden". Das schließt einen Lacerda genauso ein wie das Serviettenspiel von Nicos Katze. Vielleicht ist diese Definition zu lose, aber ich finde nicht, denn Menschen sind von Natur aus spielerisch und es ist nur logisch, dass vieles ein Spiel bleibt. So lernen wir. Möglicherweise ist die Definition auch deswegen schwierig, denn "spielerisch" kann man fast alles angehen.

    Fußball ist nach der Definition auch ein Spiel. Material gehört trotzdem nicht unbedingt dazu. Bei einem Brettspiel würde ich obige Definition mit "mit Material, das typischerweise auf einen Tisch passt" ergänzen. Klar kann man das scherzhaft fast beliebig auslegen, aber es kommt dem Ziel nahe. Und selbst wenn man es trollend auslegt, kommt dennoch ein Spiel heraus (siehe Captain Wondercape).


    Eher kontrovers für mich: Gehört Spaß dazu? Intuitiv Ja, klar. Aber auf den zweiten Blick finde ich es schwierig und würde sagen "nicht notwendigerweise, jedenfalls nicht dauernd". Getting over it with Bennett Foddy. Es gibt ganze Videoreihen auf Youtube, in denen Spieler ausrasten und sogar Dinge zerstören, weil sie so frustriert sind. Aber "freiwillig auferlegte Hürde" passt trotzdem ;)


    Auch für mich unklar: Gibt es wirklich klare Regeln? Ich würde sagen, in der Regel (haha) Ja, aber nicht zwangsweise. Calvinball ist für mich auch ein Spiel.


  • Ich glaube es geht vielen hier nicht um völlige Beliebigkeit, sondern darum das Definitionskorsett nicht zu eng zu schnüren.


    Wenn ich mich mit immer den gleichen Leuten, fast immer am gleichen Abend in der Woche, an vorgegebenen Orten um einen Tisch setzte, um ein Brettspiel zu spielen, dann hat das ganze etwas von einem Ritual für mich.


    Rituale haben ursprünglich religiöse oder spirituelle Wurzeln, dieser Zusammenhang ist meines Erachtens noch gar nicht gut genug untersucht.


    Wenn ich mit meinen Freunden bspw. Monopoly spiele, beschwöre ich damit in zweierlei Hinsicht auch den Geist des Kapitalismus: Gewinner ist der Spieler mit dem meisten Geld, wir spielen das kommerziell erfolgreichste Spiel der Welt.


    Zwar wird nicht jeder Spieler am Tisch Immobilenmogul werden wollen, aber die Begeisterung für Geld setzt sich unterschwellig sicherlich kollektiv im Unterbewusstsein fest. Spiele machen also etwas mit Menschen, einer Gesellschaft.


    Diesen Aspekt kann ich aus meiner Betrachtung nicht ausklammern und finde ihn in anderen Handlungen wieder.


    Tatsächlich kann auch die Brille putzen zu einem Ritual, bzw. Spiel werden.

  • Für mich ist Spielen etwas, womit man dem Alltag entflieht.

    Beobachtet man Kleinkinder oder auch die Katze von Nico, die mit der Serviette spielt, dann muss spielen weder nach Regeln erfolgen, noch muss es zeitlich begrenzt sein (klar hört man irgendwann auf, aber wer kennt nicht beim PC-Spiel CIV dieses "Nur noch eine Runde ..."). Manchmal vergisst man gar Raum und Zeit. Ja, es muss noch nicht einmal ein festes Ziel geben, sondern darf auch einfach Spaß an der Freude sein.

    Wenn ich also die Definition von Oben nehme, würde ich sie wie folgt kürzen:

    Zitat

    „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“

    – Huizinga: 1938/1991, S. 37

    Was muss Spielen dann haben, bzw. was grenzt es dann vom Serien schauen, oder Lesen ab?
    Für mich muss es eine Aktivität haben und keine passive Unterhaltung.
    Serien/Film schauen ist passiv.
    Lesen ist auch eher passiv, wenn ich keine aktiven Entscheidungen treffen muss (Spielbücher/Exit-Bücher).
    --> In Ausnahmefällen kann man sich natürlich spielerisch unterhalten lassen, bzw. daraus ein Spiel machen.

    Was ist dann mit kreativem werken, malen, basteln?
    Hier hat man doch etwas aktives außerhalb des gewöhnlichen Lebens, dass man aus Spaß and er Freude macht.
    Das könnte man also abgrenzen indem man sagt: "Ein Spiel erschafft nicht selbst etwas neues".
    Wenn ich die Klemmbausteine nur aufbaue, aber damit nicht spiele, dann ist es halt nur Spielzeug.
    Spiele ich aber damit, dann wird es auch zum Spiel (meist ein Rollenspiel).
    --> In Ausnahmefällen kann man natürlich spielerisch etwas neues erschaffen, bzw. daraus ein Spiel machen.

    Was ist dann mit Sport?
    Hier hat man doch etwas aktives außerhalb des gewöhnlichen Lebens, dass man aus Spaß an der Freude macht und bei dem man nichts neues erschafft.
    Für mich ist tatsächlich der meiste Freizeitsport einfach "nur" spielen.
    Da kommt es dann tatsächlich auf die Motivation bzw. den Teil: "außerhalb des gewöhnlichen Lebens" an.
    Mache ich Sport, weil ich dadurch fitter und gesünder lebe --> eher innerhalb des gewöhnlichen Lebens.
    Mache ich Sport, weil ich dadurch meinen Lebensunterhalt bestreite (Profisport) --> auf jeden Fall innerhalb des gewöhnlichen Lebens.
    Ist dann ein BundesligaSPIEL kein Spiel?
    Laut meiner Definition nicht, weil es ernsthafte Auswirkungen im wirklichen Leben für den Sportler hat.


    Wie würde ich also "Spiel" definieren?
    Das Zitat würde ich wie folgt ändern:

    Zitat

    „Spiel ist eine aktive freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die freiwillig angenommenen wird, ihr Ziel in sich selber hat, dabei nichts neues erschafft und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“


    Und dann gibt es noch die Grenzfälle:
    Laut BGG ist #UbongoSolo z.B. kein Brettspiel, sondern mehr ein puzzle.
    Puzzle insgesamt sehe ich tatsächlich eher als Grenzfall.


    Was ist nun mit #TheMind, #MicroMacro, XXHebAuf, #Pictures ?
    Auf jeden Fall Spiele, laut meiner Definition ... inwieweit sich diese nun von der Katze, die mit der Serviette spielt abheben, darüber lässt sich nun natürlich trefflich streiten :evil::saint:

  • Auch für mich unklar: Gibt es wirklich klare Regeln? Ich würde sagen, in der Regel (haha) Ja, aber nicht zwangsweise. Calvinball ist für mich auch ein Spiel.

    Für mich ist Calvinball immer eine Metapher für schlechtes Spieldesign. Weil dabei jede Regel eine Ausnahme hat, für die es wieder eine Ausnahme gibt, für die es wieder einen Fall gibt, bei dem es dann doch anders ist. Das passiert bei Brettspielen wahrscheinlich dann, wenn im Playtesting ein Fehler gefunden wird – und anstatt die problematische Regel anzugehen wird einfach eine spezifische Ausnahme für den Sonderfall als Hot Fix hinzugefügt.


    Klar, im Kontext der Calvin & Hobbes-Comics ist das was ganz anderes. Aber ich zitiere Calvinball tatsächlich nicht so selten und wenn dann nicht als Kompliment.

  • Für den "normalen" Spieler ist es vollkommen unerheblich, ob irgendetwas ein Spiel ist oder eine Aktivität. Manchmal macht etwas als "Aktivität" mehr Spaß als als "Spiel", z.B. #Concept wo eigentlich niemand diese aufgesetzte Punkteregel braucht, die es aber zu einem Spiel im engeren Sinne vieler Definitionen macht.


    Wo eine Definition oder zumindest eine Richtlinie sinnvoll ist, sind bei Seiten wie #BGG Da kann man eben nicht einfach sagen, alles ist ein Spiel und plötzlich sämtliche Bücher oder Puzzle als (Solo-)Spiel klassifizieren und mit aufnehmen.


    Im empfehlenswerten Buch "Characteristics of Games" wird von "Orthogames" gesprochen, um das zu beschreiben, was manche als "Spiel" verstehen. Der Begriff "Spiel" umfasst dann auch Aktivitäten wie freies Spielen, Rollenspiele, Solospiele etc. während die "Orthogames" immer ein klar definiertes Ende haben, an dem dann ein Sieger bzw. eine feste Reihenfolge zwischen den Spielern ermittelt wird.

    Fabian Zimmermann - Autor von Tiefe Taschen / GoodCritters

  • Da sind ein paar gute Punkte drin. Zu Deiner Definition ist mir allerdings ein Gegenbeispiel eingefallen:


    - Aktiv/passiv: Das Leiterspiel ist auch passiv, da ich im Spiel keine einzige Entscheidung treffen darf. Ich würfele (analog zum Umblättern der Seite eines Buches) und laufe x Felder weiter. Dennoch ist es - obwohl hochgradig passiv - ein Spiel.

  • Für den "normalen" Spieler ist es vollkommen unerheblich, ob irgendetwas ein Spiel ist oder eine Aktivität. Manchmal macht etwas als "Aktivität" mehr Spaß als als "Spiel", z.B. #Concept wo eigentlich niemand diese aufgesetzte Punkteregel braucht, die es aber zu einem Spiel im engeren Sinne vieler Definitionen macht.

    Gutes Beispiel. Bei #Concept sind meine Punktemarker nicht mal ausgepöppelt. Braucht es nicht.

    Für mich ist Calvinball immer eine Metapher für schlechtes Spieldesign. Weil dabei jede Regel eine Ausnahme hat, für die es wieder eine Ausnahme gibt, für die es wieder einen Fall gibt, bei dem es dann doch anders ist. Das passiert bei Brettspielen wahrscheinlich dann, wenn im Playtesting ein Fehler gefunden wird – und anstatt die problematische Regel anzugehen wird einfach eine spezifische Ausnahme für den Sonderfall als Hot Fix hinzugefügt.

    Ich stimme zu. Calvinball funktioniert, weil keine vorgegebenen Regeln gewünscht sind. Wenn man sie erwartet und etwas nicht in diese Erwartungshaltung passt (zu kompliziert, zu vage, fehlend), stimmt etwas nicht mehr im Gesamtgefüge.

  • Das soll kein Gatekeeping sein, weil es eben eine theoretische Überlegung ist, die erst mal keinen oder nur wenige offensichtliche Bezüge zur Praxis hat.

    Mir ist das Thema bisher nur untergekommen, wenn es herabwürdigend benutzt wurde.


    "The Mind ist kein Spiel, sondern Beschäftigungstherapie."

    "MicroMacro ist kein Spiel, sondern ein Wimmelbild."

    "Kooperative Spiele sind eigentlich keine Spiele, sondern Rätsel."


    Immer mit "was ihr da macht, macht mir keinen Spaß, daher finde ich, das ist nicht Teil meines Hobbys, mein Hobby ist besser als das" dabei, mal ausgesprochen, mal zwischen den Zeilen.

    Vor allem The Mind und MicroMacro haben für sowas offenbar dicke Zielscheiben auf den Schachteln.


    Und das ist Gatekeeping.

  • Mir ist das Thema bisher nur untergekommen, wenn es herabwürdigend benutzt wurde.

    Sorry, aber hier versuchen verschiedene Forenteilnehmer rein aus Neugier eine gemeinsame, tragfähige Definition zu finden und die Grenzen ihres Hobbies auszuloten. Dies hier als "Herabwürdigung" zu titulieren und in diesem Rahmen mit dem Totschlagargument "Gatekeeping" zu kommen, finde ich ehrlich gesagt schwierig, da es hier offensichtlich nicht mit dieser Intention argumentiert wird. Und ein #MicroMacro wird vermutlich nicht weniger verkauft, wenn jemand auf unknowns schreibt, dass es kein Spiel ist :/

    Fabian Zimmermann - Autor von Tiefe Taschen / GoodCritters

  • Hmm - fast jede zielgerichtete Tätigkeit, die erprobt - aber keine "echte" Konsequenzen hat und Erfolg vorweisen muss. :?:

    Ich finde das tatsächlich ganz gut, wobei hier natürlich wieder der Hase im Pfeffer liegt: Was heißt denn "Erfolg"? Spaß haben? Gewinnen? :D

    Aber wenn man das machen will, dann würde ich so weit wie widow_s_cruse anfangen (und da auch bleiben) :)

    Ich denke, da liegen noch Definitionsdifferenzen vor. Wenn nach dem SPIEL gefragt wird, fällt mir nicht als erstes das Gesellschaftsspiel ein. Das SPIEL bedeutet für mich erstmal nur ein Lernvorgang. Man erprobt gefahrlos Fähigkeiten, um sich für den Ernstfall zu wappnen und um dann die Situation beherrschen zu können, wenn es darauf ankommt. Training

    Darum ist das SPIEL ohne Konsequenzen und muss nicht zum Erfolg führen.


    Ich habe keine Ahnung davon, wann ein Gesellschaftsspiel kein Spiel sein soll. Ich befürchte, dass wieder persönliches Geschmacksempfinden zum Maßstab gemacht wird.


    In meiner Jugend habe ich erlebt, dass in der Wirtschaft beim Skat um Haus und Hof gespielt und verloren wurde. DAS war für mich kein Spiel mehr. :crying:


    Liebe Grüße

    Nils

  • Wo wir wieder bei der Katze mit der Serviette wären :lachwein:
    Ein Buch könnte ich auch auf eine Schriftrolle schreiben und müsste dann nicht umblättern.
    Ein Buch unterhält in erster Linie, dazu braucht es keine aktiven Entscheidungen.

    Mir sind die Regeln vom #Leiterspiel jetzt nicht ganz geläufig, aber darf ich nicht auch entscheiden eben nicht die Leiter(Abkürzung) zu nehmen, sondern den Umweg in Kauf zu nehmen?
    Bei dem Spiel muss ich würfeln und meine Spielfigur aktiv vorwärts bewegen. (Hätte man zwei Spielfiguren, käme noch dazu, welche ich ziehe.)
    Kleinkinder dürfen noch aktiv Felder abzählen und vorwärts gehen. (Ja, beim Lesen muss man auch aktiv die Buchstaben lesen)
    Klar könnte man das Ganze mit einem einzigen Würfelwurf viel schneller entscheiden, oder das Spiel einfach simulieren lassen.

    Aber simulieren könnte man viele Kleinkinderspiele.
    Bei #MeinErsterObstgarten würfelt man auch nur und nimmt dann ein Obst der Farbe weg, bzw. bewegt den Raben.
    Und trotzdem halte ich dies alles für Spiele.
    Ich baue das Spiel auf und beschäftige mich (mehr oder weniger sinnvoll) mit dem Material.


  • Das ist ja das großartige an unserem Hobby: es gibt Spiele von a bis z - und viele davon machen mir keinen Spaß. Und es gibt viele (auch halbwegs objektiv) gute Spiele, die mir keinen Spaß machen. Dennoch gibt es jenseits von Spielen ja auch noch eben nicht-Spiele - und auch da ist es super, wenn die einem Spaß machen.


    Es hat also nichts mit "ist besser als..." zu tun, sondern mit "ist oder ist nicht". Ich fand es z.B. durchaus ernsthaft irritierend, dass Micro Macro den SdJ gewonnen hat, weil ich in dem Wimmelbild wirklich nicht das Konzept "Spiel" wiederfinde. Offenbar ist aber mindestens die Jury anderer Meinung - und da würde ich gern verstehen, was die Aktivität "Wimmelbild" zu einem Spiel macht, denn das sind ja zwei unterschiedliche Konzepte.


    Vielleicht drück ich mich auch doof aus, aber bei ähnlichen Anfragen reagieren meine Gegenüber oft sehr defensiv. Ich will aber keinem was wegnehmen - ich will nur das Konzept verstehen.

  • Ich glaube es kommt nicht auf das (Brett)Spiel an, sonder darauf wie "gespielt" wird. Brettspiele können eine Einladung zum Spielen sein, sie können aber auch zu einer Beschäftugung fernab von spielerischer Betätigung führen. Ich glaube es lohnt sich eher zu fragen wann spielen wir ein Brettspiel und wann hört das auf (bspw. beim playtesting?).