Beiträge von Brettspiel Dude im Thema „Was macht eine Aktivität zu einem Spiel?“

    Nico "Ich stelle nur Fragen" - jetzt komme ich mir vor wie ein Schwurbler :D


    Meiner Meinung nach gibt es für Gesellschaftsspiele einige Kriterien. Es ist möglich, dass es Spiele gibt, auf die nicht alle Kriterien zutreffen:

    - Man kann unterschiedlich gut abschneiden

    - Man trifft Entscheidungen, die den Verlauf des Spiels beeinflussen

    - Man spielt es zum Selbstzweck

    - Jede Partie verläuft anders, viele Partien haben einen unterschiedlichen Ausgang

    - Man hat Material, das unter den Mitspielenden verteilt wird oder mit dem gespielt wird

    - Das Spiel wird von den Spielenden verwaltet

    - Es gibt ein festes Regelkonstrukt, das den Ablauf des Spiels vorgibt

    - Das Spiel hat ein klar definiertes Ende

    - Es findet eine Interaktion mit den Mitspielenden statt

    - Das Spiel passt auch mit Premium Sleeves noch in das Insert :P


    In dieses Konstrukt passen vermutlich die meisten Gesellschaftsspiele von "Wer würfelt am höchsten" bis Lacerda.

    Puzzle erfüllen hier mehrere Kriterien nicht (keine Regeln, immer derselbe Outcome, keine Interaktion) - und auch Wimmelbilder tun das m.E. nicht (keine Entscheidungen, immer derselbe Ausgang). Dann gibt es Spiele (z.B. SoloSpiele), wo ggf. ein Kriterium nicht zutrifft. Das Kriterium "von den Spielenden verwaltet" ist mir noch wichtig, weil "wir sitzen im kreis und drücken abwechselnd auf ein Tablet" eben auch kein Gesellschaftsspiel für mich ist.

    The Mind ist nach dieser Definition ein Gesellschaftsspiel - aber für mich auf einer SEHR tiefen Stufe. Faktisch stapelt man Karten (sortieren). Zum Spiel wird es, weil die Regel "wir dürfen nicht kommunizieren" dazu kommt. Das gilt aber auch für andere Aktivitäten, bei denen man eine Regel einführt, die es verkompliziert. "Wir sammeln draußen Steine und machen daraus Bilder" -> "Die anderen müssen erraten, welches klassische Bild ich da nachgestellt habe und der, der es zuerst rät, bekommt einen Punkt". Zack, Spiel erfunden.

    Autofahren ist meist aber auch zweckgebunden und fällt deswegen aus dem Spiel-Schema raus.

    Sag ich doch (notwendig, nicht hinreichend).

    Es spielt (haha) ja auch keine Rolle - vermutlich würden wir alle uns jetzt aus dem Stand 20 Beispiele von Aktivitäten ausdenken können, auf die die Beschreibung passt - und die aber keine Spiele sind. (und wenn ich sage, dass wir die besten Vorschläge über eine Forenabstimmung herausfinden, dann ist das schon per se ein Spiel).


    Nico hat oben "gesunden Menschenverstand" als Kriterium eingebracht. Vielleicht kämen wir der Antwort etwas näher, wenn wir sowas fragten wie "Welche Spiele sollten NICHT für den SdJ-Preis berücksichtigt werden?" (und damit meine ich jetzt nicht den zu hohen Komplexitätsgrad ;) ). Sollten Puzzle nominiert werden? Bücher von Ali Mitgutsch? Bücher von Ali Mitgutsch mit einer "anleitung", dass man soundsoviele Papageien finden muss? Elektronikspielzeug? Elektronikspielzeug, das man weiterreichen muss (Bop it)? Verstecken? Verstecken "extreme" mit Aktionskarten und Punkteauswertung inkl. Kramerleiste?

    Es hat also nichts mit "ist besser als..." zu tun, sondern mit "ist oder ist nicht". Ich fand es z.B. durchaus ernsthaft irritierend, dass Micro Macro den SdJ gewonnen hat, weil ich in dem Wimmelbild wirklich nicht das Konzept "Spiel" wiederfinde.


    Was fehlt dir denn da? Damit würden wir ja dem näherkommen, was du als Spiel verstehst..

    Meine Definition von Spiel beinhaltet auf jeden Fall ebenfalls Player Agency: Ich muss das Gefühl haben, dass ICH etwas innerhalb des Spieles verändern kann. Sudoku sind für mich z.B. kein Spiel sondern ein Rätsel - aber bei Micro Macro löse ich halt auch nur ein graphisches Rätsel. Ich "mache" ja nichts, außer zu gucken. Ein bisschen wie ein Labyrinth als Tischunterlage für Kinder in einem Restaurant. Bei allen drei Aktivitäten fehlt mir zum Spiel, dass ich aktiv etwas tue womit ich den Ausgang des Spieles zu meinen Gunsten beeinflussen kann, der sonst anders wäre. Damit meine ich nicht das "nicht lösen" eines Sudoku, sondern dass ich durch aktive Planung ein besseres Ergebnis erzielen kann.


    Vielleicht ist Vergleichbarkeit da ein Stichwort (auch wenn man da natürlich sagen kann, dass ich 30 Min länger für das Sudoku brauche als jemand anders).


    Aber irgendeine Definition - auch mit Ausschlusskriterien - muss ja sogar der SdJ-Jury vorliegen - denn die werden ja vermutlich nicht zu Testzwecken alle Puzzle puzzeln, die es im letzten Jahr neu auf dem Markt gab, oder?


    Das ist ja das großartige an unserem Hobby: es gibt Spiele von a bis z - und viele davon machen mir keinen Spaß. Und es gibt viele (auch halbwegs objektiv) gute Spiele, die mir keinen Spaß machen. Dennoch gibt es jenseits von Spielen ja auch noch eben nicht-Spiele - und auch da ist es super, wenn die einem Spaß machen.


    Es hat also nichts mit "ist besser als..." zu tun, sondern mit "ist oder ist nicht". Ich fand es z.B. durchaus ernsthaft irritierend, dass Micro Macro den SdJ gewonnen hat, weil ich in dem Wimmelbild wirklich nicht das Konzept "Spiel" wiederfinde. Offenbar ist aber mindestens die Jury anderer Meinung - und da würde ich gern verstehen, was die Aktivität "Wimmelbild" zu einem Spiel macht, denn das sind ja zwei unterschiedliche Konzepte.


    Vielleicht drück ich mich auch doof aus, aber bei ähnlichen Anfragen reagieren meine Gegenüber oft sehr defensiv. Ich will aber keinem was wegnehmen - ich will nur das Konzept verstehen.

    Da sind ein paar gute Punkte drin. Zu Deiner Definition ist mir allerdings ein Gegenbeispiel eingefallen:


    - Aktiv/passiv: Das Leiterspiel ist auch passiv, da ich im Spiel keine einzige Entscheidung treffen darf. Ich würfele (analog zum Umblättern der Seite eines Buches) und laufe x Felder weiter. Dennoch ist es - obwohl hochgradig passiv - ein Spiel.

    Hmm... offensichtlich gibt es ein Verständigungsproblem.


    In "meiner Welt" gibt es Definitionen für Sachzusammenhänge. Etwas ist eine Sache oder eine andere Sache oder je nach Defintion keines oder beides. Das ist ganz offenbar für sächliche Dinge (Stempel, Stift, Katze) einfacher als für nicht-sächliche Dinge (Gefühle, abstrakte Begriffe wie "Kunst" etc).


    Und dennoch kann man solche Definitionen ja wagen - und es scheint ja auch genügend theoretische Beschäftigung mit den Themenfeldern zu geben, weil es ja ausreichend theoretische Modelle gibt.


    Das soll kein Gatekeeping sein, weil es eben eine theoretische Überlegung ist, die erst mal keinen oder nur wenige offensichtliche Bezüge zur Praxis hat.


    Aber dennoch sind wir uns ja einig, dass Pachisi ein Spiel ist und Brille putzen nicht. Ich find es nur schade, wenn wir uns in einen Bereich völliger Beliebigkeit begeben und sagen "alles ist ein Spiel, wenn Du es so findest".

    Z.B. bei der Frage, ob ein SPIEL als Spiel prämiert werden sollte.

    Definitionen sind ja immer exkludierend - aber das soll ja kein "shaming" beinhalten. Es gibt ne GANZE Menge Aktivitäten, mit denen ich Spaß habe - die aber keine Spiele sind. Genauso gibt es schlechte Literatur, die aber von vielen SEHR gern gelesen wird. Auch da nehme ich mich mit ein.

    Es ist eben eine theoretische Frage, die man einfach auch nicht persönlich nehmen sollte.


    Oder anders gefragt: Hättest Du an The Mind weniger Spaß, wenn Du wüsstest, dass es nach offizieller Definition kein Spiel ist?

    Aber ist es nicht schräg, dass sich hier keine Definition finden lässt? Das obige Beispiel mit "jeden Tag eine Stunde lesen" ist ja eines, das der von mir zitierten Definition zu 100% gerecht wird. Und es ist noch nicht mal besonders ausgedacht. "Ich binge jetzt die Staffel durch" wäre auch eine moderne Aktivität, die dann als "Spiel" gelten würde. Aber gewinnt "Love is Blind Staffel 2"-Bingen dann einen Spielepreis? Und wären wir nicht alle hochgradig irritiert, wenn es doch einen Spielepreis gewinnen würde?

    Ich sehe das so, dass die Kritik „Das ist kein Spiel, das ist eine Aktivität“ immer dann kommt, wenn es keine Entscheidungen zu treffen gibt. Das ist bei vielen Kinderspielen der Fall: würfeln, rücken, nächste ist dran. Das könnte man auch komplett durchsimulieren. Nach dieser „Definition“ wäre MicroMacro kein Spiel, The Mind aber schon.

    Aber es heißt doch "das LeiterSPIEL". Da sind übrigens wirklich 0 Entscheidungen zu treffen jenseits von "welche Farbe will ich?". Im Grund lässt es sich runter brechen auf "Wer würfelt besser". Das ist aus meiner Sicht ein wichtiges Qualitätsmerkmal für Spiele (Player Agency), aber nach obiger Definition ist es eines :-/

    Ich würde mich da nicht zu sehr auf exkludierende Definitionen beschränken, ich glaube da kommst du zu nix. Spielen ist eine sehr weitreichende Aktivität (evolutionär gesehen) und die Definitionen für diesen Rahmen sind vielleicht nicht unbedingt für deine Diskussion geeignet.


    Vielleicht können wir mit der Frage anfangen:

    Was ist für dich der Sinn und Zweck darin, zwischen Spiel und Aktivität zu unterscheiden?

    Es schafft eine Grundlage zum gegenseitigen Verständnis - denn wenn A von einem Spiel redet und aber was ganz anderes als B meint, dann wird es schwierig. Eben dies ist ja offenbar in der Diskussion zu "The Mind" passiert.


    Es ist ja auch gar nicht dramatisch, dass man an einer "Aktivität" Spaß hat. Derer gibt es ja viele - aber nicht alle Aktivitäten sind Spiele (allerdings wohl alle Spiele Aktivitäten).

    Rein formell wird es wichtig für so Dinge wie die Olympischen Spiele oder (Brett)-Spielepreise. Auch da wäre für mich die Frage, was ein Brettspiel zu einem Brettspiel macht oder warum z.B. Rollenspiele - obwohl es auch Spiele sind - nie irgendwelche nennenswerten Spielepreise gewinnen.

    Im Thread zu "The Mind" stellt sich implizit die übergeordnete Frage, was eine Aktivität zu einem Spiel macht.


    Im Beispiel "The Mind" geht es darum, Karten der Reihenfolge nach zu stapeln, was erstmal ja an sich eine noch nicht mal spannende Aktivität beschreibt. In The Mind ist nun der Clou, dass man sich nicht absprechen darf - genau genommen darf man weder (verbal noch non-verbal) kommunizieren NOCH heimlich zählen. (Ich behaupte nach wie vor, dass das nicht funktioniert, ohne die Regeln zu brechen).


    Aber ist "man darf nicht reden" ausreichend um die Aktivität "Karten stapeln" zu einem Spiel zu machen?


    Was ist mit Puzzeln? Das ist auch eine (konzentrierte) Aktivität - man fummelt Einzelteile zu einem halbwegs schönen (oft leider kitschigen) Bild zusammen und ist dann fertig. Klingt auch eher nach einer Aktivität und weniger nach einem Spiel (die FBI-Agenten, die zerschredderte Dokumente wieder zusammen fügen, sehen das vermutlich auch eher als mühselige Aktivität). Ist es also ein Spiel? Quezzle meint ja.


    Was ist mit Wimmelbildern? Ali Mitgutsch hat mich als Kind schon begeistert und meine Kinder ebenso. Aber es ist eben erstmal nur ein Bild - auch wenn ich meinen Sohn den Papagei da suchen lasse. Ist "etwas auf einem Bild finden" schon ein Spiel? Micro Macro meint ja.


    PowerPlant warf (pun intended) "52 heb auf" in den Raum. Ist diese (ebenfalls mühselige) Aktivität nicht nach den Beispielen oben ebenfalls ein "Spiel"?


    Ich hab eben bei wiki diese Definition gefunden:

    Zitat
    „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“

    – Huizinga: 1938/1991, S. 37

    Das entscheidende Merkmal scheint "ihr Ziel in sich selbst hat" und "Regelwerk" zu sein... aber für mich ist das nicht ausreichend. Ein Buch liest man von vorn bis hinten (das lege ich als für mich bindende Regel fest). Das Ziel liegt hier im Lesen selbst... es ist freiwillig und ist spannend und macht Freude. Ist Lesen also folglich auch ein Spiel, wenn ich es jeden Tag ziemlich genau eine Stunde mache?