Warum verliert der deutsche Markt seine Innovationsstellung?

  • Als innovativ werden in der Rückschau die erfolgreichen Dinge wahrgenommen.

    Das kann ich leider nicht nachvollziehen.

    Beim Thema Videos sprechen wir von Werbung. Die Macht der Werbung ist wohl unwidersprochen. Existiert (abgesehen vom SdJ-Emblem) im Brettspielmarkt aber wenig. Und das Beispiel ein Drittel Aufschlag auf den Preis ist aus meiner Sicht völlig aus der Luft gegriffen. Immerhin wird es ja teilweise gemacht (City of Angels, Pandemic Legacy Season 0), dass Dinge von professionellen Sprechern eingesprochen werden.

    Bei einem City of Angels mit einem UVP von 70 Euro wirken sich Mehrkosten in der Produktion von vielleicht 2 Euro pro Spiel natürlich prozentual weniger aus als bei einem Spiel mit einem UVP von 30 Euro, das ich beispielhaft genannt hatte.

  • Als innovativ werden in der Rückschau die erfolgreichen Dinge wahrgenommen.

    Das kann ich leider nicht nachvollziehen.

    Wenn man sich die Definition des Wortes Innovation absieht, kann man Dinge nur im Nachhinein als innovativ bewerten:

    Innovation (wörtlich „Neuerung“ oder „Erneuerung“; von lateinisch innovare ‚erneuern‘ abgeleitet) wird in der Umgangssprache im Sinne von neuen Ideen und Erfindungen und für deren wirtschaftliche Umsetzung verwendet. Im engeren Sinne resultieren Innovationen erst dann aus Ideen, wenn diese in neue Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren umgesetzt werden, die tatsächlich erfolgreiche Anwendung finden und den Markt durchdringen

    Der Satz "dieser Prototyp/diese Idee ist wenig innovativ" bedeute wohl "dieser Prototyp/diese Idee hat wenig Chance zur Innovation zu werden. Allerdings wird das Wort aber auch häufig einfach synonym für neu oder neuartig verwendet.

    Fabian Zimmermann - Autor von Tiefe Taschen / GoodCritters

  • Der Satz "dieser Prototyp/diese Idee ist wenig innovativ" bedeute wohl "dieser Prototyp/diese Idee hat wenig Chance zur Innovation zu werden. Allerdings wird das Wort aber auch häufig einfach synonym für neu oder neuartig verwendet.

    Okay, jetzt verstehe ich, weshalb wir das unterschiedlich sehen. Du konzentrierst dich offenbar auf den "engeren Sinne" laut Wikipedia. Ich teile diese Einschätzung von Wikipedia allerdings nicht und würde zumindest den Teil mit der Marktdurchdringung streichen.

    Wenn man sich die Definition des Wortes Innovation absieht (...)

    Ganz allgemein: Eine Erklärung bei Wikipedia ist keine Definition!

  • Ich bin mir nicht so sicher, ob Kickstarter und die damit operierenden Verlage der vielbeschworene Innovationsmotor ist. Vieles, was man dort findet, ist und bleibt thematisch und ausstattungsmäßig sensationell verpackte Standardkost.

    Das wollte ich gerade auch schreiben. Irgendwie ist mir das zu undifferenziert. Das Material mag besser sein, Regeln sind es oft nicht. Und gerade auf Kickstarter gibt es so viele Dinge, die alles andere als innovativ sind. Man kann sich da doch jetzt nicht die Rosinen rauspicken und die zum Vergleich stellen. Ich finde das gesamte Jahr 2020 war jetzt nicht der große Hammer, ob nun Kickstarter oder nicht. Und zu Arnak, das sieht toll aus, spielt sich nett, aber hat ist auch nicht wirklich mehr. Im Detail hat es dann sogar Materialprobleme. Das Spiel ist aus meiner Sicht alles andere als ein guter Vergleich. Micro Macro insgesamt, CloudAge mit seinen Wolkenhüllen finde ich da z.b. wesentlich innovativer.

  • Innovation findet man mich nur in Mechanismen, sondern auch in Design und Ansprache (quasi User Interface).

    Stimmt zwar, aber wo genau ist der Schnitt hin zu Blendern mit unnötigem BlingBling? Also mich kannst du mit (unnötigen) Miniaturen, einem großen Baum oder andersförmigen Spielplänen nicht blenden. Am Ende zählt immer das Gesamtpaket, aber weder das Spiel, noch die Aufmachung allein werden große Erfolge feiern.


    Was ich hierbei allerdings wahrnehme ist, dass dieser Blender-BlingBling kram deutlich mehr Leute zum kaufen bewegt, als wirklich gutes Spieldesign. Somit wird "jedes" Durchschnitts-Spiel zu einem ganz-großartig-innovativen-gab-es-noch-nie-Titel, weil wir ja jetzt einen großen Baum als Spielplan haben *gähn*.


    Menschen funktionieren erstmal optisch und daher sind sie darüber auch einfacher zu "cashen" und genau das wird seit einigen Jahren erfolgreich durchgezogen (looking at you KS!).


    Ich will damit nicht sagen, dass Spiele nicht schön sein dürfen, nur ist den meisten Leuten inzwischen die Optik wichtiger als das Spiel ansich. Auch ein Grund, wieso Alea nicht mehr den Stellenwert hat, den sie mal hatten, denn auch damals gab es schon sehr schöne Spiele (Morgenland, Durch die Wüste und andere).

  • Ich will damit nicht sagen, dass Spiele nicht schön sein dürfen, nur ist den meisten Leuten inzwischen die Optik wichtiger als das Spiel ansich.

    Würde ich anders ausdrücken.


    Die meisten Menschen sind nicht derartige Geeks, dass sie überhaupt so tief in die Spielmechanik reinkucken, allerlei Vergleiche zu älteren Spielen ziehen oder den "Innovationsgrad" beurteilen könnten - oder wollten.


    Und deshalb hat ein Spiel, das sehr hübsch aussieht, ein cooles Thema hat, Spaß macht und als Mechanikgerüst funktioniert, also ein rundes Gesamtpaket liefert, selbstverständlich bessere Chancen, die Spieler abzuholen, als ein Spiel, das sich auf einen dieser Aspekte konzentriert.


    Die "rein hübschen Spiele mit nicht viel dahinter" (zB Titel wie dieses Planetenspiel, wo man die Seiten mit Landschaften bestücken sollte) gehen doch langfristig genauso unter.


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    Edith sagt, das Spiel heißt #Planet.

    Planet | Board Game | BoardGameGeek

    Und Edith sieht auch, dass das Dingens - auch wenn ich nach der Messe nie wieder was davon gehört habe und eigentlich nur negative Reviews gesehen hatte, offenbar so schlecht nicht lief. Ups. Schlechtes Beispiel?

  • Und Edith sieht auch, dass das Dingens - auch wenn ich nach der Messe nie wieder was davon gehört habe und eigentlich nur negative Reviews gesehen hatte, offenbar so schlecht nicht lief. Ups. Schlechtes Beispiel?

    unterschiedliche Märkte benötigen auch unterschiedliche Spiele. Kann das nciht die Ursache sein?

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.

  • Die Anzahl der mechanisch guten UND optisch ansprechenden Spiele wird halt auch immer größer.

    Würde nicht sagen, dass Spielern tendenziell die Optik wichtiger geworden ist, als das Spielerlebnis. Letzteres ist schon entscheidend. Aber wenn man schon einige Spiele Zuhause hat, die beides können, haben es die innovativen aber "hässlichen Entlein" verdammt schwer, noch irgendwen hinter dem Ofen hervorzulocken. Die müssen dann schon sehr gut funktionieren und so dann per Mundpropaganda auch unter den Spielern beworben werden.

    Faiyum ist da gerade ein wie ich finde aktuelles Beispiel. Es gibt sicher auch einige, die das Spiel in seiner Schlichtheit so wie es ist, schön finden. Die Mehrheit sieht hier aber angesichts anderer Neuheiten bei den Illstrationen einiges an Luft nach oben (selbst wenn der Spielplan funktional ist, zumindest die Gestaltung der Karten ist in meinen Augen dürftig). Je häufiger es aber hier als gutes Spiel beworben wurde, desto häufiger wurde es gefühlt auch von anderen gekauft. Mit einem anderen Design wäre aber vllt noch mehr drin gewesen. Ich habe natürlich keine Ahnung, über die Anzahl der gedruckten Exemplare aber ein Arnak ist beispielsweise komplett vergriffen. Nicht super innovativ und sogar mit Materialschwächen aber halt optisch perfekt das Indiana Jones Thema eingefangen. Da hat sich der Illustrator gelohnt.

  • Hallo,

    ich glaube, die Masse der Gesellschaftsspieler ist eher konservativ eingestellt und strafen Innovationen drei Mal ab, bevor sie einräumen, dass es ihnen Spaß bereiten vermag. Nur - wenn eine Idee dann schon drei Mal angeboten wurde, wie innovativ ist sie dann eigentlich noch?
    Z.B. hat alea bereits 2008 das Roll&Write #SaintMalo von den Brandies veröffentlich und es brauchte noch ein paar Jahre, bis die Szene gar nicht mehr genug von Roll&Write bekommen konnte. Ganz innovativ und Weg weisend war sicher auch das Weglassen des Alkohols als Lösungsmittel in den Stiften. Es braucht sicher noch eine Zeit, bis diese Erkenntnis durchdringt. 8o

    Und Ravensburger ist doch mit seinen Innovationen sehr erfolgreich. Deren Focus liegt halt nicht unbedingt bei den Brettspielen. Tiptoi und Gravitax sind ein Megaerfolg. Kugelbahnschubsern und Kinder-Entertainer darf man schon mit Innovationen kommen und der Geldbeutel springt auf. Was hat Ravensburger alles im Bereich der Gesellschaftsspiele versucht. All die elektronischen Spielsachen Play Smart, Konsole und jetzt das Tablett. Und die Szene? - skeptischer Blick - brauchen wir nicht. :/

    Kießling wird wegen #Jubako mit den #Bits Spielsteinen sicher die Zähne zusammenbeißen und sich im Stillen freuen, dass #Azul von Ravensburger abgelehnt wurde. Statt der Steine wären es sicher Plättchen gewesen. Und DAS hätte vermutlich niemand gebraucht.
    Aber Ravensburger hat nun mal einen bedeutet höheren und auch selbst auferlegten Betriebskostenfaktor. Da können andere Verlage einfach 30% mehr Material in Schachtel legen und das Spiel zum selben Preis anbieten.

    Liebe Grüße
    Nils (meint, jeder kriegt das, was er selbst bereit ist zu akzeptiert. 8-)) )

  • Falls(!) die Grundannahme denn stimmt, dann habe ich eine ganz einfache Vermutun, warum das so ist: Selbstauferlegte Beschränkungen in puncto Krieg, Gewalt und anderer verfänglicher Themen sowie insgesamt Skepsis gegenüber SF/Fantasy.


    Allgemein zum Thema: Innovation kommt ja so gut wie nie aus dem Establishment. :) Die Mutigen und Radikalen sind anfangs fast immer die Schmuddelkinder. Ist bei Brettspielszene auch so. Ein solches Schmuddelkind ist eben auch der überteuerte, überproduzierte, seichte Bling-Bling-Plastikhaufen von CMON oder AR. Nur: Diese Plastikhaufen in einer Schachtel sind inzwischen für mein Empfinden schon so etabliert, dass man sie durchaus als Genre für sich abgrenzen könnte. Diese Art der Präsentation ist schon eine nachhaltige Innovation, ob es uns nun passt oder nicht...

    Soziale Medien fügen Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.

  • ... Innovation oder neue Wege zu beschreiten, manchmal nicht einfach,bedeutet ja nicht alles bekannte oder bewährte über Board zu werfen... wer allerdings zu wenig wagt, reitet selbst sein bestes Pferd irgendwann zu Tode, und ist am Ende vielleicht nicht mehr Handlungsfähig

  • Ich finde übrigens auch #Paleo ziemlich innovativ, aber das kann meine persönliche Meinung sein... 😉

  • Ist Deutschland wirklich so innovationslos geworden?


    Die Exit-Reihe hat aus meiner Sicht ein ganzes neues Genre salonfähig gemacht.

    Roll & Write feierte seinen Durchbruch mit Quixx.

    Das Wagner-Rad (Noria), die gegeneinander laufenden Kramerleisten (Rajas od the Ganges),

    kooperatives Stichspiel (Die Crew) oder Wimmelkarten als Spiel (Micro Macro Crime City) sind

    ein paar Beispiele und für mich durchaus innovativ.


    Ist Deutschland wirklich so innovationslos geworden oder ist die Welt nur zusammengerückt?


    So zeichnet ein Graphiker aus Mazedonien Spiele für einen Neuseeländischen Verlag, aber auch für einen amerikanischen mit Sitz in Seattle; evt. vermittelt durch einen Verlag in NRW (ich hoffe in diesem Punkt spielt mir mein Gedächnis keinen Streich).

  • Und es ist ja nicht so, dass es vorher keine Autoren aus dem Ausland gegeben hat: Alan R. Moon, Eric Solomon, David Parlett, Francis Tresham, Donald X Vaccarino hatten ja auch einen großen Impact auf die Brettspielwelt. Wo stünden wir heute ohne 18xx, Hase und Igel, Dominion, Zug um Zug, Elfenland und Kingdom Builder?

    we are ugly but we have the music

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  • Ich würde das weniger generalisieren...


    Beispiel ganz aktuell finde ich Robin Hood von Menzel.

    Die Idee ein Duolayer Spielboard zu erschaffen und den Legacyeffekt von Aufklebern in die Advektskalendertüren zu ttansformieren halte ich für schlichtweg einfach, aber genial. Replayability ist so gegeben. Auch Varianz im Unterschied zu vorherigen Verläufen wenn man verschiedene Türchen auf die gleiche Nummer setzen kann. Da öffnet sich eine riesige Türe finde ich.


    Vielleicht haben wir gerade auch einfach nur ein Autorenloch?

    Uwe fällt im Lebensraum Hofbewirtschaftung nur noch Feintuning ein.

    Feld ist sehr verkopft und brilliert eher über Ausgewogenheit, nicht über völlig Neues.

    Kramer Kiesling finde ich per se sehr schmalspurig vom Spielanspruch und mich selten ansprechend.


    Pfister hatte mit Mombasa, GWT und Maracaibo einen Lauf, Cloud Age hat mich nicht abgeholtum es blind zu kaufen. Die SemiTransparenz in den Karten finde ich aber als innovativ benennenswürdig.

    Besucht uns auf unserer Seite unter "www.mister-x.de"

  • Ich finde MicroMacro zwar auch genial - aber nicht innovativ. Es ist aber ein phänomenal geiler Ripoff eines extrem beliebten iOS Spieles. Bis hin zum identischen Grafikstil. Dass es funktioniert und perfekt umgesetzt ist das finde ich extrem geil. Aber innovativ ist anders.

    Aber mMn darf es ruhig öfter erfolgreiche Ripoffs bereits funktionierender Dinge aus anderen Medien geben - das funktioniert ja schon innerhalb eines Mediums sehr gut. Warum dann nicht auch so?

    Das hier ist mein Privat-Account. Alle hier geäußerten Meinungen sind nur meine privaten Meinungen und geben nicht die Meinung von Frosted Games wieder.

    Wenn ihr Fragen zu Frosted Games habt, bitte: FrostedGames

  • Ja der ist wirklich, meiner Meinung nach, auf der schwächeren Seite; was mein kursorischer Blick offenbarte war nicht das gelbe vom Ei; insbesondere die Definition von Innovation ist zweifelhaft

    Ich gebe hier, auch wenn ich es im Text nicht explizit erwähne, immer meine persönliche Meinung wieder.