Beiträge von JonTheDon im Thema „Warum verliert der deutsche Markt seine Innovationsstellung?“

    Thygra s.o.

    Als innovativ werden in der Rückschau die erfolgreichen Dinge wahrgenommen.

    Sieh dir doch die Beispiele für Innovation in diesem und anderen Threads an. Und dass Innovation besser funktioniert, wenn sie von Kalkulationszwängen gelöst wird, ist ja bereits geklärt.

    Beim Thema Videos sprechen wir von Werbung. Die Macht der Werbung ist wohl unwidersprochen. Existiert (abgesehen vom SdJ-Emblem) im Brettspielmarkt aber wenig. Und das Beispiel ein Drittel Aufschlag auf den Preis ist aus meiner Sicht völlig aus der Luft gegriffen. Immerhin wird es ja teilweise gemacht (City of Angels, Pandemic Legacy Season 0), dass Dinge von professionellen Sprechern eingesprochen werden.

    Ist die Formel "Tolles Material + Erfolg= wahrgenommene Innovation" so einfach?

    Ich würde es umgekehrt formulieren: Innovation wird auf breiter Ebene nur wahrgenommen, wenn sie mit Erfolg einhergeht. Erfolg wiederum kommt mit tollem Material.

    Und zu Everdell: der freie Wechsel in die nächste Spielphase wurde schon von einigen als innovativ wahrgenommen. Aber da sind wir auch bei der Definition von „Innovation“.

    Fobs Da bist du bei einem super Beispiel für deutschen Sparzwang. Wie sagte Stefan Feld in der aktuellen Spielbox: Bei alea war die Grafik nie so super ausformuliert.

    Kann schon verstehen, dass man in puncto Grafik und Material bei alea mal den nächsten Schritt machen wollte (bei aller redaktionellen Brillanz, die halt am Ende diverse Patzer auch nicht mehr verhindert hatte). Alea-Spiele sind immer günstig gewesen, aber um welchen Preis? Stefan Brück hat selbst gesagt, dass man am Ende schwieriger neue Spiele und Autoren bekam. Und Stefan Feld freut sich, mal mit einem Verlag (Queen über kickstarter) zusammenzuarbeiten, bei denen er seine Visionen ohne Sparzwänge verwirklichen kann.

    Es haben sich gegenüber früher vielleicht auch einfach Anforderungen und Vorstellungen des Endkunden geändert. Auch durch Kickstarter und andere Einflüsse.

    PeterRustemeyer Dein Spiel ist in meinen Augen ein schönes Beispiel: es ist aufgrund der schicken Rückseiten noch auf meiner Liste. Und es ist aufgrund der (in meinen Augen) nicht schönen Vorderseiten noch nicht bei mir zu Hause.

    Der Preis spielt dafür keine Rolle. Hätte das Spiel 50 Euro gekostet, wäre das so. Im Rahmen der Preisspanne suche ich vielleicht nach einem günstigen Angebot, aber ich warte nicht auf 20 Euro.

    Welcher Endkunde kann schon nachvollziehen, warum die ein Castles of Tuscany für ca. 35 Euro bekommst, ein Paleo für ca. 40 und ein City of Angels für ca. 60?

    Die Preiskalkulation die du spekulativerweise angeführt hast, ist ein schönes Beispiel für Sparzwang und seine Nachteile. Nicht der Redakteur muss weniger essen, sondern der uvp um drei Euro hoch. Wenn man sich die Rabattschlachten der Händler ansieht, kann das doch so problematisch nicht sein.

    Übrigens: ein Pandemic Legacy Season 0 sehe ich die ganzen Wochen über preisstabil. Ob das in einem Jahr, wenn es sein Geld gebracht hat, günstiger verkauft wird, ist dafür nicht so relevant. Es käme mir nie in den Sinn auf so ein spannendes Spiel ein Jahr zu warten, um 20 Euro zu sparen.

    Die Frage ist, ob der deutsche Markt und auch die deutschen Kritiker nicht eben genau das Verhalten der Verlage fördert.

    Udo Bartsch hat beispielsweise in seinem letzten Blogpost geschrieben, dass sein Highlight des Novembers Hallertau war. Bei H&C war das Spiel auf Platz 2 der Expertenspiele dieses Jahres. Und Hallertau ist ungefähr so innovativ wie die neueste Monopoly-Variante.

    Wenn das aber gekauft wird, und dann noch zu diesem Preis (UVP 76,99€?), warum sollte man etwas ändern? Aus wirtschaftlicher Sicht ist doch für jeden Verlag das SdJ das beste, was ihm passieren kann. Da ist aber in der Regel auch keine wirkliche Innovation gefragt. Da wird lieber über die schlimme Anleitung von Paleo (imo auch eher innovativer) im Podcast geschimpft und dass man lieber altbekannte Grafik will.

    Ne das wird imo schon sehr durch uns als Käufer und noch mehr durch machtvolle Kritiker durchaus bestärkt und verlangt.

    Sehe ich genauso. Bin immer wieder überrascht, wie sehr auf handwerklichen Fehlern bei Kunststücken wie Detective oder T.I.M.E Stories herumgeritten wird (leider auch von den „großen“ Rezensenten oder in der Spielbox) und stattdessen das x-te Workerplacement in den Himmel gelobt wird.

    Bei diversen Spielen hat man sogar den Eindruck, dass sie von bestimmten Rezensenten mit toller Grafik als Blender verschrien würden (weil es trotz toller Grafik kein 10-Punkte-Spiel ist), während das gleiche Spiel mit biederer Grafik wohlwollend bis positiv beurteilt wird.

    Es ist ein wenig so, als ob ein Handwerker Kunst beurteilen wollte.

    Und damit noch mal zu „weichen“ Faktoren wie Grafik, Material, multimediale Unterstützung.

    Ein Großteil der erfolgreichen Spiele verzichtet auf deutsche Kinderbuchgrafik! Auch ein Spiel mit „kindlichem“ Thema wie Everdell nimmt richtig was in die Hand, um das ganze mit „erwachsenen“ Grafiken zu bringen.

    Innovation wird vor allem bei erfolgreichen Spielen wahrgenommen und erfolgreich werden Spiele für Erwachsene mit einer Grafik für Erwachsene.

    Bei Spielen aus Deutschland sehe ich das (bis auf Michael Menzel) fast gar nicht.

    Beispiel zwei: Promotionvideos - an Kickstarter sieht man, was es ausmacht, wenn ein Promotionvideo professionell gemacht und eingesprochen wird. Hierzulande hat man oft den Eindruck, dass die Verlage sich sagen: „Wer kennt sich bei uns am besten mit sowas aus? So sparen wir Geld.“ Attraktive Sprecher, tolle Stimmen, herausragende Grafik - all das trägt mit dazu bei, was am Ende erfolgreich ist und als Innovation wahrgenommen wird.

    Beispiel Azul: soweit ich mich erinnere hat Michael Kiesling mal gesagt, das Spiel wäre nie so erfolgreich gewesen, wenn Sophie Gravel nicht so viel in Material und Design investiert hätte.

    Stellt euch das ganze von einem deutschen Verlag in Jubako-Optik und Qualität vor. Sehr fraglich, ob es als so innovativ wahrgenommen worden und so erfolgreich geworden wäre.

    Und es hatte nichts mit deutscher Markt oder nicht deutscher Markt (oder Verlag) zu tun, sondern mit Selbstverständnis und Überzeugung von der Idee.

    So gesehen ein Top-Beispiel für Innovation made im Ausland.

    Übrigens: rein von der Werbung her würde ich sagen, kommt mit Robin Hood wieder was großes, innovatives auf uns zu. Was macht mich so sicher? Dass der Verlag so überzeugt ist, dass er diese Beträge für Werbung (und dann auch für Ausstattung etc.) in die Hand nimmt.

    Michael Menzel ist in meinen Augen auch ein gutes Beispiel dafür, dass Innovation oft von außerhalb (in dem Fall: nicht mit den Augen des arrivierten Spieleautors entwickelt) kommt.