Hallo Unbekannte!
Ich grüble seit geraumer Zeit über eine Mechanik nach, die sich im digitalen Bereich "Fog of War" (Kriegsnebel) nennt, und wie man sie analog umsetzen könnte. Bekannt ist dieses System meist aus Strategie- oder ähnlichen Spielen, in denen man eine Mini-Map dauerhaft eingeblendet hat. Kurz gesagt ist es eine Karte der gesamten "Sicht", die die eigenen Einheiten aktuell haben. Hier habe ich auf die Schnelle ein paar Grafiken gemacht, um das Prinzip besser zu erklären (angelehnt an Riots "League of Legends").
1 - Die allgemeine Karte.
So sieht man jedes klassische Brettspiel. Zu sehen ist ein Aufbau für zwei Teams (Rot und Blau), jedes besteht aus 5 Spielern/Figuren. Alles ist aufgedeckt, alles ist für jeden sichtbar. Die beiden dicken Punkte in den Ecken sind die jeweilige Basis, die kleinen Punkte symbolisieren eine Einheit. Wie man nun in der oberen linken Ecke sieht, ist der rote Punkt in einer ziemlich schlechten Situation, da er quasi 2 blaue Einheiten in der Nähe hat und damit zahlen- und kräftemäßig unterlegen ist. Was würde man in einem Brettspiel also machen? Wahrscheinlich den Rückzug antreten - die Sicht bestimmt die Strategie. Der blaue Spieler hat entsprechend kaum eine Chance, durch richtige Positionierung den roten Gegner quasi in eine Falle zu locken. Das Prinzip kennen wir aus Schach - da jeder alles sieht, ist jede Möglichkeit theoretisch kalkulierbar. Das ist zwar anspruchsvoll, aber abgesehen davon wenig aufregend.
2 - Die kombinierte Sicht
Gehen wir nun davon aus, dass jedes Team natürlich die eigene Basis sieht und dass jede Einheit des eigenen Teams dieselbe Sicht-Reichweite hat. Alles in Sicht wird dem gesamten Team auf der Karte angezeigt. Wenn nun im eSport-Bereich (also quasi kompetitivem Spiel (um ziemlich - ziemlich viel Geld!)) gespielt wird, gibt es einen eigenen Zuschauermodus, der die Sicht der beiden Teams quasi kombiniert. Moderatoren können die Sichten zwischen kombiniert, Team rot und Team blau frei wechseln und so Spielzüge erklären.
3 - Team Blau
Hier sieht man die Sicht von Team Blau. Offensichtlich ist, dass Team Blau nur 2 Gegner des roten Teams sieht. Am beispiel der linken oberen Ecke sieht man nun, dass das blaue Team denkt, dass es dort 2 zu 1 überlegen ist, sich jedoch nicht sicher sein kann, wo sich aktuell die 3 anderen - nicht sichtbaren - Einheiten von Team Rot befinden. Es könnte also sein, dass ein Kampf 2:1 gestartet wird, jedoch die 3 anderen, nicht sichtbaren Einheiten von Team 3 gleich um die Ecke in einem Hinterhalt lauern und aus dem 2:1 schnell ein 2:4 machen. Zwar besteht diese Gefahr nicht wirklich, aber da Team Blau die drei anderen Einheiten von Team Rot nicht sieht, kann es nicht sicher sein. Kommunikation ist hier gefragt.
4 - Team Rot
Das rote Team hingegen hat ein weiteres Problem. Zwar hat auch Team Rot nur Sicht auf 2 Gegner, jedoch zählt nicht nur allein die Sicht-Reichweite, sondern natürlich auch die Sicht-Linie. Wenn also der 2. Blaue in der linken oberen Ecke in Sicht-Reichweite wäre, dann wäre er immer noch verdeckt, da keine direkte Sicht-Linie (Luftlinie) besteht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die rote Einheit also mit offenen Augen in die Falle tappt, ist relativ groß.
Wie ihr seht, ist das ein ziemlich entscheidender Mechanismus, um das Spiel spannend zu gestalten. Die Frage ist nun, ob ihr schon einmal etwas gesehen habt, dass diesem System im Brettspielbereich ähnelt, dabei aber dennoch flüssig zu spielen ist und keinen allzu großen Raum für Mogeleien bietet. Quasi ein Scotland Yard mit 10 Mr. X. Das Problem bei einer komplett analogen Umsetzung ist, dass es 1. viel Schreibarbeit oder ähnliches wäre, die jeweiligen Positionen festzuhalten. Das Spiel würde stark vom Brett hinter den Sichtschirm wandern. 2. wäre es sehr kompliziert umzusetzen, da sich Einheiten gegenseitig natürlich sehen (=aufdecken) können - jedoch kann man Sicht nicht angeben, ohne die eigene Position zu verraten. 3. bietet es sehr großen Spielraum für Schummeleien.
Die 2. Möglichkeit, die mir aktuell so einfällt, wäre eine komplette Umsetzung dieser Mechanik in einer App - sodass jeder Spieler ein Tablet brauchen würde, welche mit einander verbunden sind und auf denen die Einheiten bewegt werden. Vorteil wäre, dass sowohl mogeln als auch das Aufdecken von Einheiten funktionieren würde, jedoch ist der Aufwand auf der einen Seite sehr hoch, auf der anderen Seite halte ich so viel App-Einsatz in einem Brettspiel für nicht optimal - da kann man auch gleich ein digitales Spiel spielen.
Letztendlich jedoch ist die Mechanik ein essentieller Bestandteil von digitalen Strategie- und Taktikspielen.
Die 2. Stufe dieser Systematik geht sogar noch einen Schritt weiter. Es gibt sog. Gebüsche, in denen sich Einheiten verstecken können. Diese gewähren zwar Sicht aus dem Gebüsch heraus, jedoch nicht von außen hinein geschweige denn durch ein Gebüsch durch. (Löwe im Gebüsch sieht Zebra, Zebra sieht Löwe aber nicht). Erst wenn eine Einheit versucht, sich im selben Gebüsch zu verstecken, wird die darin befindliche gegnerische Einheit aufgedeckt. (Zebra geht in's Gebüsch -> Zebra sieht Löwe). Diese Mechanik umzusetzen ist dann wieder noch eine höhere Stufe.
Alle ähnlichen Spiele, die versuchen ein Strategie- oder Mobaspiel umzusetzen, verzichten gänzlich auf diese Ansätze und sind (meiner Meinung nach) deshalb auch nicht sehr erfolgreich. Guards of Atlantis war ein Versuch bei Kickstarter, jedoch gibt es dabei keinen Fog of War. Auch Rum & Bones war zwar bei Kickstarter in mehreren Versuchen auch erfolgreich, ist aber seither nur wenig präsent und verzichtet ebenfalls auf dieses Element.
Habt ihr euch schon mal mit dem Gedanken darüber gemacht oder kennt ihr andere Versuche von Brettspielen, die dieses Problem adaptieren oder ganz anders angehen?