STOP!
Bevor Ihr gleich die Augen verdreht und verständnislos die Köpfe schüttelt -- nicht gleich zum nächsten Beitrag springen! Euch entgeht womöglich ein echtes Kleinod. Es geht um Risiko Star Wars (2015).
Zwei wichtige Dinge vorweg:
- Das ist kein Fanboy-Hulahula. Zwar mag ich Star Wars durchaus und habe die frühen drei Filme auch mehrmals gesehen, aber ich bin keineswegs dermaßen von den Socken davon, dass ich unbedingt ein Star-Wars-Spiel bräuchte. Im Gegenteil, das ganze Kommerz-Getue der letzten Monate und all die unpassenden Lizenzspiele gehen mir tendenziell eher auf den Senkel. Außerdem stehe ich schon seit Anbeginn der Zeitrechnung mit beiden Beinen fest im Star-Trek-Lager. (Wer sich nun über diese Aussagen wundert, weil er/sie sich zufällig noch an meinen Thread Die dunkle Seite der Macht greift nach der Spieleindustrie... erinnern kann: Das war Sarkasmus.)
- Das Label "Risiko" ist irreführend, denn es ist kein Risiko-Spiel. Abgesehen vom Namen hat es mit Risiko nur eines gemein: Kämpfen und Würfeln, Würfeln, Würfeln. Je höher, desto besser!
Und gleich nochmal, damit es wirklich keiner überliest: "Risiko Star Wars" ist keine neue Risiko-Variante wie etwa das Herr-der-Ringe-Risiko oder frühere Star-Wars-Risiko-Versionen! Es ist in erster Linie ein Weltraum-Ballerspiel für 2 oder 4 Spieler (beides funktioniert) und -- so liest man zumindest -- eine vereinfachte und auf "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" umgestaltete Version von "Star Wars - Queens Gambit". Etwas mechanischer ausgedrückt handelt es sich um ein durch Aktionskarten gesteuertes Spiel auf drei verschiedenen Bühnen, bei dem die Ergebnisse der jeweiligen Aktionen durch Würfelwurf bestimmt werden.
Aber Bilder sagen bekanntlich mehr als Worte. Hier die Startaufstellung:
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Risk: Star Wars Edition | Image | BoardGameGeek
Links: Die Rebellen auf dem Mond versuchen, den Schutzschild um den Todesstern abzuschalten. Die Aufgabe des Imperium-Spielers ist es, die Rebellen möglichst lange aufzuhalten (nach Malefiz-Prinzip legt man den Rebellen Sturmtruppen in den Weg). Solange der Schutzschild aktiv ist, kann der Todesstern nicht zerstört werden.
Mitte: Die Weltraumschlacht. Die Rebellen müssen den Todesstern vernichten (Siegbedingung). Das Imperium muss die Rebellenflotte vernichten (Siegbedingung). Dabei kommen all die kleinen Raumschiffe zum Einsatz, wie auch der Rasende Falke, der Super-Sternenzerstörer und eine (...hääähähähä!) voll einsatzbereite und bewaffnete Kampfstation.
Rechts der Kampf der Skywalkers auf dem Todesstern: Hier prügeln Luke und Darth Vader mit Lichtschwertern aufeinander ein, der Imperator teilt Elektroschocks aus. Siegbedingungen werden hier nicht erfüllt, aber das Ergebnis des Kampfes ist jeweils sehr hilfreich für die anderen beiden Orte des Geschehens.
Spielprinzip: Jeder hat eine Hand dieser Aktionskarten:
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Risk: Star Wars Edition | Image | BoardGameGeek
Davon werden in jeder Runde drei ausgewählt, verdeckt auf den Tisch gelegt und dann in Reihenfolge abgehandelt (ähnlich wie bei RoboRally oder Space Alert). Bei jeder Karte hat man die Wahl zwischen einer der bis zu drei abgebildeten Aktionen, und diese beziehen sich dann jeweils auf einen der drei Handlungsorte. Dann wird das Ergebnis jeder Aktion durch das Würfeln (von bis zu 5d6) bestimmt. Danach neue Karten ziehen und zack!, nächste Runde.
Ersteindrücke nach drei Partien (2x2 Spieler, 1x4)
Risiko Star Wars jedenfalls ist ein schnell erklärtes und somit einsteigerfreundliches, dabei aber thematisch trotzdem passend umgesetztes Lizenzspiel, das sich ausgesprochen flott spielt. Kinder ab vielleicht 10 Jahren und jung gebliebene Erwachsene können sich hier richtig austoben. Dabei ist das Spiel taktisch trotzdem nicht ganz ohne Reiz: Welche Karten spiele ich, welche halte ich besser zurück und blockiere damit eventuell meine Hand? Wohin bewege ich meine Flottenteile? ...Aber tun wir nicht so, als gäbe es bei dem Spiel schwere Entscheidungen zu treffen. Wer hier die Analyseparalyse bekommt, dem ist selbst mit Imperator-Stromstößen nicht mehr zu helfen. Man könnte das Spiel mit ein wenig bösem Willen ebensogut als " kurze stupide Würfelorgie ohne taktische Tiefe" in Grund und Boden schreiben und läge damit, je nach Perspektive, auch nicht ganz daneben.
Spielmaterial: Alleine von der Wertigkeit der Materials her betrachtet sollte das Spiel gefühlt vielleicht 20 bis 25 Euro kosten. Das Plastik-Minis sind Standard, aber die Pappteile sind schon arg dünn (ca. alte Siedlerausgaben oder Puerto Rico, aber biegsamer). Es ist aber alles plan und nicht etwa defekt, aber für die Gegenwart ist die Pappe klar unterdurchschnittlich. Man spekuliert über eine wertigere "Black Edition", bei der noch mehr Miniaturen dabei sein sollen (Falke, Todesstern etc., sind hier nur Pappmarker), aber das wird wohl dementsprechend teurer werden. Ha! Da nehme ich als Darth-Vader-Figur doch lieber den Räuber aus Siedler von Catan! Der ist nämlich auch schwarz angezogen und rein verhaltenstechnisch fast ein noch asozialerer Drecksack als Darth Vader. (Klaus Teuber wollte den ja ursprünglich auch "Darth Räuber" nennen und einen TIE-Fighter fliegen lassen, aber dann meinte so ein Redakteur bei Kosmos, "Räuber" sei ja eher eine Berufsbezeichnung und kein Name, und so blieb außer der schwarzen Kleidung nichts von der Idee erhalten. Tjaja.)
Aber zurück zum Thema. Hier wird gleich mehrmals das Wort "Hausregel" fallen. Wenn Hausregeln diskutiert werden, dann ist das normalerweise ein Indiz für designtechnische Mängel. Ja, die hat das Spiel, aber ist nicht so schlimm. Bei so einem kurzen Spiel kann man ja wild herumprobieren. Ich glaube, dass es tatsächlich nur kleine Stellschrauben sind, an denen man sofort drehen kann, ohne das Spiel erst mal komplett demontieren zu müssen. Also doch ein Risiko.
Was die Balance angeht: Der Rebellenspieler scheint im Vorteil zu sein, aber das kann man sicher zurechtbiegen. Es existieren angeblich bereits bessere Regelvarianten (teils offiziell?), aber ich habe bisher nur nach den beigefügten Regeln gespielt.
Thematische Umsetzung: Wie Tom Vasel in seinem Video-Review ganz richtig bemerkt, ist der Kampf der Skywalkers so ein bisschen lala, weil nicht spielentscheidend. War dieser Kampf im Film entscheidend? Ich glaube nicht, aber man hat trotzdem das Gefühl, dass es sich um einen Nebenkriegsschauplatz handelt. Jedenfalls wurde das Luke-Vader-Duell bei unserer letzten Partie einfach ignoriert, und so etwas darf bei einem thematischen Spiel nicht passieren, aber das kann man fixen. Beispiel: Statt einer dicken Belohnung am Schluss besser Belohnungskarten für je drei Schadenpunkte? Auch der Kampf um den Schutzschild verläuft thematisch zu schnell und unproblematisch für die Rebellen. Mögliche Lösung: Schwierigkeit fürs Voranschreiten um +1 erhöhen?
Abgesehen davon finde ich die thematische Umsetzung aber als vollauf befriedigend. Die Darstellung des Themas ist auf das Wesentliche reduziert, aber ich habe keineswegs das Gefühl, ein aufgepinseltes Star-Wars-Thema zu spielen. Auf dem Spielbrett passiert eben genau das, was man vom Film schon kennt und im Spiel erwartet -- und das ist es doch, was dabei unterm Strich zählt. Das Verhältnis von mechanischer Vereinfachung zu thematischer Stimmigkeit ist hier schon nahe am Optimum, und als ob das nicht für sich schon bemerkenswert genug wäre -- bei einem Spiel, das für die breite Masse entwickelt wurde, finde ich das sogar erstaunlich.
Insgesamt tut das Spiel jedenfalls deutlich mehr als das, was man von ihm als Spiel für den Supermarkt erwarten kann. Real-Märkte haben das Ding jedenfalls schon im Sortiment, und das ist meiner Meinung nach ein Glücksfall für die Spielkultur in unserem Land, denn welches massentaugliche Spiel, abgesehen vom klassischen Risiko, kann bei uns schon das Bedürfnis nach einem kampfbetonten Brettspielerlebnis befriedigen? Auch, wenn die Chancen bei einem Produkt nicht sonderlich gut stehen dürften, das von den meisten Käufern vermutlich nur als Teil der Star-Wars-Vermarktung wahrgenommen wird: Dieses Spiel hätte potenziell das Zeug dazu, sich im deutschsprachigen Raum zu dem entwickeln, was uns hier spätestens seit Anfang/Mitte der 90er fehlt, nämlich einem richtig gut gelungenen "Gateway"-Spiel in die Welt der Spiele amerikanischer Machart.
Es ist leicht, schnell, thematisch passend -- was will man mehr?! Aber: Es kostet auch 50 Euro, und das ist das Spiel eigentlich dann nicht wert. Die 32 Euro beim "Satan der Onlinehändler", der "a" anfängt und mit "mazon" aufhört (hallo Sascha36!) finde ich aber in Ordnung.
Meine Bewertung nach drei Partien ist derzeit bereits eine BGG-7, wie immer rein nach dem subjektiven Kriterium beurteilt, wie gerne man das bewertete Spiel spielt. Auf jeden Fall aber ist Risiko Star Wars für mich eine ziemliche Überraschung, von der ich glaube, dass einige andere von Euch daran ebenso Gefallen finden würden.