Wenn ein Verlag redaktionell eingreift, dann macht der zuständige Redakteur schlicht und einfach seinen Job. Grundsätzlich sehe ich das positiv. Die Tätigkeit eines solchen Redakteurs unterscheidet oft genug das Spiel des etablierten Verlags von so manchem unausgegorenem Kickstarter-Projekt (das dann oft zur Zweitauflage hin kräftig umgekrempelt wird, siehe z.B. Viticulture). Sowas wie das Ändern von Tie-Breakern sehe ich z.B. grundsätzlich wohlwollend. Das darf der Verlag, u.a. wegen unterschiedlicher Kulturen im Zielmarkt. Die Amis haben auch im Sportbereich ein ganz anderes Verhältnis zum Unentschieden. Gibt's nicht, wenn's irgendwie vermeidbar ist. Aber warum eigentlich? Warum sollte Pegasus nicht bei Love Letter das europäische Denken implementieren, dass im Zweifelsfall einfach zwei Spieler gemeinsam gewinnen können? Können und sollen sie von mir aus gerne tun!
Was passiert, wenn sich Verlage zu sehr auf ein paar besonders lautstarke Freaks verlassen, zeigen auch wieder einige Kickstarter-Katastrophen sehr gut. Beispiel "Archon: Glory & Machination" : tolles Spiel, aber der Spielplan ist eine reine Farbexplosion auf Kosten jeder Funktionalität. Verlag (Artipia) wollte zurückrudern, aber Amateurdesigner-Nerds unter den KS-Backern sind dagegen Sturm gelaufen und haben's verhindert. Natürlich kann man auch zu viel "streamlinen", aber grundsätzlich braucht's Redakteure, die ihren Job machen und mit ihrer Kenntnis des Marktes die schlimmsten Ecken und Kanten wegfeilen, und das kann auch schon allein durch einen anderen Zielmarkt gegeben sein.
Allerdings muss ich auch sagen, dass Pegasus-Bearbeitungen mir schon sehr unterschiedlich aufgefallen sind, von schwach (Belfort-Übersetzung, bei dem der spezielle Humor komplett auf der Strecke bleibt) über fragwürdig (Belfort-Grafiktausch, Love Letter Ablagestapel) bis zur deutlichen Verbesserung (Robinson Crusoe). Die Heidelberger leisten da bei ihren Lokalisierungen meiner Meinung nach idR bessere Arbeit. Da erkennt man nämlich öfter, dass Übersetzer/Redakteur die Unklarheiten und Unzulänglichkeiten des Originals bekannt sind, so dass sie gezielt beseitigt werden. Ohne großes Bohei einfach wenige dezente und sinnvolle Eingriffe. Bei Pegasus ist die Qualität der Lokalisierung eher Zufall -- und manchmal sogar so daneben, dass ich mir lieber das englische Original für mehr Geld kaufe und auf ein paar mögliche Mitspieler verzichte (-> Belfort).