Komplexität go vs. Schach

  • Hallo allerseits,

    ich hatte vor kurzem eine etwas naive Diskussion über die Komplexität von Go und Schach im Vergleich. Besonders weit sind wir nicht gekommen und ich würde das gern tiefer verstehen.

    Mein Einstieg war die Erinnerung, dass es einen großen Trubel über die KI AlphaGo im Contest mit menschlichen Gegenspielern gab - erst hat die KI viele Profis geschlagen. Dann haben die Profis wiederum die KI studiert und geschlagen. Nun stand die Frage im Raum, ob man auch Schach als Spiel für so ein ambitioniertes KI-Projekt hätte verwenden können.

    Ich meine irgendwo mal gelesen zu haben, dass die Komplexität von Go erheblich höher ist als die von Schach. Was genau das bedeutet haben wir versucht zu diskutieren und aber sind schnell an die Grenzen unseres Wissens gelangt. Als grobe Einordnung des Begriffes Komplexität würde mir eine Art Berechenbarkeit im Möglichkeitsraum der Spieler vorschweben. Lassen sich dieser Gedanken irgendwie fundieren oder bin ich auf dem Holzweg?


    Danke euch

    Henry

  • Naja bei Go hast du schon allein von der Brettgröße mehr Möglichkeiten deine Steine zu platzieren. Bei Schach hast du ein 8x8 Feld und obwohl du nahezu unendliche Zugmöglichkeiten hast, reduziert sich das schnell auf wenige tausend die sinnvoll sind. Bei Go hast du ein 19x19 Feld. Die sinnvollen Platzierungsmöglichkeiten verringern sich viel weniger schnell. Eine genaue Berechenbarkeit kann ich dir dazu aber auch nicht geben. Ich denke das hängt bei beiden Spielen viel zu sehr von der jeweiligen Partie und dem Charakter des Spielers ab. Vermutlich kann man darüber Doktorarbeiten schreiben ^^ hier tummeln sich aber ja auch einig Mathematiker die es vielleicht besser wissen.

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  • Hier findest du einen ersten kurzen Einstieg in die Thematik.

    Als jemand, der auf Vereinsebene Schach gespielt hat und auch Go in seiner Freizeit, kann ich dir sagen, dass der Unterschied zwischen beiden Spielen doch deutlich ist. Ich wage trotzdem die Prognose, dass Go- wie jetzt schon Schach-Programme den menschlichen Spielern schlussendlich überlegen bleiben. Ein Studieren der KI von Stockfish & Co hilft dir als Schachspieler nicht, diese Programme wieder zu schlagen. Der Zug ist abgefahren. Deshalb haben diese Programme auch eine deutlich höhere Elo-Zahl als Magnus Carlsen und andere Weltklassespieler.

  • Mein Einstieg war die Erinnerung, dass es einen großen Trubel über die KI AlphaGo im Contest mit menschlichen Gegenspielern gab - erst hat die KI viele Profis geschlagen. Dann haben die Profis wiederum die KI studiert und geschlagen. Nun stand die Frage im Raum, ob man auch Schach als Spiel für so ein ambitioniertes KI-Projekt hätte verwenden können.

    Der Alpha Go Moment im Schach war 1996, als der Computer DeepBlue Kasparow geschlagen hat.

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  • Schach spielt auf einem 8x8 Feld mit einer klaren Definition davon, wie man theoretisch mit einem Zug gewinnen kann. Besiege den König bzw. setze ihn Schachmatt. Go spielt in der "richtigen" Variante auf einem 19x19 Feld mit der eher vagen Vorgabe, dass du gewinnst, wenn du am Ende des Spieles das größte Gebiet kontrollierst. Während bei Schach jede Spielfigur einen festen Wert erhalten kann (Dame ist erheblich wertvoller als ein Bauer - z.B. Wert 10 für Dame, Wert 1 für Bauer), ist das bei Go nicht möglich bis der Stein platziert ist und selbst nach dem Platzieren ist es relativ. Ein einzelner Go-Stein kann absolut nichts wert sein (wenn er z.B. in einer "toten Gruppe" ist oder extrem wertvoll, wenn er eine Gruppe verstärkt oder eine gegnerische besiegt. Der Ansatz bei beiden Spielen ist für eine KI also sehr unterschiedlich, auch wenn beide Spiele einige grundlegende Denkmuster gleich haben.


    Bei Schach gibt es viele starke Eröffnungen, die sich bewährt haben und die eine KI leicht aus einer Datenbank abgreifen kann. Entsprechende Konterzüge sind da auch. Bei Go gibt es auch Eröffnungszüge (Joseki), doch sind diese ausschließlich lokal für kleine Bereiche des Spielbretts archivierbar. Hier kommt zur Geltung, dass Go auf einem 19x19 Brett spielt und Schach "nur" auf einem 8x8. Auf dem 19x19er Brett gibt es viele lokale Kämpfe und diese verbinden sich am Ende zum großen finalen Kampf. Bei Schach hat man eher direkt einen großen Kampf. Gleiches gilt übrigens auch für die kleinere Go-Variante mit 9x9, die Schach sehr viel ähnlicher ist und wo die KIs auch entsprechend erheblich stärker sind. Wobei Go in der 9x9er Version auch deutlich eintöniger ist, da es weniger Varianz hat. Auf dem 19x19er Brett sind die ersten Züge vielleicht ähnlich, aber idR. hat man nach 10-20 Zügen schon etwas, was man zum ersten Mal spielt.


    Ich persönlich bin ein riesiger Go-Fan und finde es auch deshalb schöner als Schach, weil man mit Intuition spielen kann. Man "fühlt" einfach, wo ein guter Zug sein kann, das muss man auch, wenn man die Blitzvarianten spielt. Durchrechnen geht da nicht. Man kann es zwar durchrechnen, aber da kommen auch KIs ins Schwitzen, da gerade zu Beginn auf einem 19x19er Brett viele sinnvolle Möglichkeiten existieren. Zum Endgame hin sinken hingegen bei Go die Möglichkeiten stark, da das Brett eben voll wird. Bei Schach bewegen sich die Spielfiguren ja theoretisch unendlich lange, bei Go ist idR. spätestens rund um Zug 300 Schluss, weil es keine sinnvollen Züge mehr gibt.


    Je nach Spielphase liegen die Schwerpunkte beider Spiele also etwas anders. Beides sind tolle Spiele, wobei man Schach besser durchrechnen kann. Es gibt einfach weniger Figuren, ein kleineres Feld und man weiß, was wie wertvoll ist. Dies sinnvoll einzusetzen erfordert viel korrekte Planung. Ein Fehler kann das Spiel kosten. Bei Go ändert sich der Wert der Steine ständig und selbst wenn man einen oder mehrere Fehler macht, kann man das Spiel theoretisch noch gewinnen. Für eine KI ist Go definitiv schwerer zu fassen und KIs gelten für Go-Spieler generell als schlechte Lehrmeister. Sie haben eine eigene Spielweise und wenn man sich daran gewöhnt, kann man diese austricksen. Einfach zu Beginn extrem gierig spielen klappte damals bei mir auf KGS gegen die 3d Bots prima. Da hilft dann auch das perfekte Endgame der KI nichts, weil sie einfach bei Zug 100 bereits aufgibt. Wobei es mit AlphaGo & Co. natürlich KIs gibt, die auf einem ganz anderen Level spielen als die bei KGS. Aber ja, KIs fehlt diese Intuition, die ich bei Go mag und die helfen kann. Erfahrung braucht man natürlich trotzdem und etwas rechnen muss man auch.


    Probiert beide Spiele aus und genießt sie. Wobei ich Schach gegen den Computer absolut langweilig finde. Da verliere ich nur ^^ Gegen Menschen sind beide Spiele super!

  • Bei Schach hast du ein 8x8 Feld und obwohl du nahezu unendliche Zugmöglichkeiten hast, reduziert sich das schnell auf wenige tausend die sinnvoll sind. Bei Go hast du ein 19x19 Feld.

    Ergänzend hierzu: Schach erfordert eine lineare Strategie im Gegensatz zu Go, die sich u.a. in der Unterteilung von Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel ausdrückt. Beim Schach sind alle Figuren zu Spielbeginn in einer festen Position auf dem Spielfeld verteilt, während du beim Go die weißen und schwarzen Steine zugweise auf den Schnittpunkten des Spielfelds platzierst. Dementsprechend fordert Go eine mehr intiutive Herangehensweise, die nicht durch das Erlernen von Eröffnungen und deren Varianten wie beim Schach gemeistert werden kann.

  • Super, ich konnte aus jeder Antwort was gewinnen :) :thumbsup:


    thomasd87 Du hast schon recht, ich sollte mal verstehen wie man Komplexität vernünftig definiert. Weil es unterschiedliche Definitionen geben kann, war mir oben wichtig eine grobe Einordnung zu geben und es etwa von Sache wie Lesedauer des Regelwerks abzugrenzen. Woher nimmst du deine Definition oben?


    Bisa Deine Erfahrungen machen das abstrakte Thema noch besser greifbar. Ich habe tatsächlich beide Spiele (laienhaft) probiert aber als Go-Anfänger bisher nur auf dem 9x9 Brett gespielt... ;)


    elkselk Danke für die Referenz. Habe mich gefragt, ob DeepBlue schon in die Kategorie KI fällt. Dann kurz bei Wikipedia gelesen und siehe da, DeepBlue hat Parameter für eine Bewertungsfunktion anhand Spielzügen von Profis bestimmt. Da kommt bei mir richtig Interesse auf mich tiefer einzulesen: Was gibt es alles für Parameter für Schach (und vielleicht für Go).

  • Neben der Intuition ist die erwaehnte persoenliche Spielweise entscheidend, die im Go typisch ist, und wiederum erst durch die erwaehnte Komplexitaet moeglich wird.(Trotzdem ist das Spiel komplett deterministisch.)

    Genau der Mix, der noetig macht dass man Intuition/Spielstil/Bauchgefuehl einbezieht. macht es der KI so schwer. Um im Go zu gewinnen, brauchst Du ein Gefuehl fuer die Spielweise des Gegners, musst eraehnen wie er/sie "tickt",und das nicht durch Durchrechnen der Optionen.

    Deshalb hatte niemand erwartet, dass im Go eine KI schon gewinnen kann.

  • Habe ich aus dem Informatikstudium (Komplexitätstheorie). Eine konkrete Quelle habe ich gerade nicht, müsste aber in den entsprechenden Standardwerken so oder so ähnlich vorkommen.


    Ich habe mitbekommen, das es bei der Entwicklung einer KI für den Go deutlich länger gedauert hat, bis dieser den GO-Weltmeister/Meister besiegt hat als in Schach. Es wurde halt damit begründet, das Go viel komplexer sei.


    Anhand meiner Definition sehe ich einfach viel mehr Spielelemente: Mehr "Workersteine" als in Schach und eben mehr Felder auf dem die Steine liegen können in einer schier riesigen Konstellation. Im Prinzip geht das ja im die Freiheit der Steinchen. Nun kann man das auch beliebig hochskalieren auf größere Gebiete. Man hat halt mehr Angriffsfläche als in Schach.