Tipps für den ersten Spieleabend mit Neulingen

  • Ich wollte hier einfach mal ein paar Tipps sammeln und mich mit euch austauschen bezüglich dem ersten Spieleabend mit Neulingen, also Leuten die bisher nicht viel Brettspiele gespielt habe und von Hobbybrettspiele keine Ahnung haben. Ich lese des öfteren, dass die Leute keine Mitspieler finden oder die Freunde keine Lust haben zu spielen. Manche Leute haben natürlich einfach keine Lust zum spielen, sei das weil ihnen Brettspiele wirklich keinen Spaß machen oder wegen negativer Erfahrung mit gängigen Klassikern wie Monopoly. Aber wenn man es mal schafft die Freunde zum Spieleabend zu überreden, wie schafft man es am besten, dass sie Lust haben wieder zu kommen?


    Meine Erfahrung ist zumindest, dass die meisten Menschen Spaß haben am Spielen, wenn man sie richtig ran führt und dadurch hab ich mittlerweile hier ne ziemlich große Spielerschaft in der doch eher kleinen Stadt Kaiserslautern (100 000 Einwohner) mit denen ich regelmäßig zum spielen komme.

    Es geht um die Gäste

    Wählt das Spiel / die Spiele in erster Linie nach den Gästen aus und nicht nach euch. Fragt sie was sie so mögen oder versucht sie gut einzuschätzen, das geht natürlich besser, je mehr und besser ihr die Leute kennt. Ich hab mal mit ner neuen Gruppe mit Brass: Birmingham angefangen weil ich die Jungs aus dem Informatikstudium kannte und denen das voll zugetraut habe und das hat auch funktioniert und wir spielen heute noch, aber in der Regel nehme ich Brass nicht als erstes Spiel.


    Nichtspieler können natürlich mit Begriffen wie Euro oder Ameritrashgame nichts anfangen, aber kann versuchen das in etwa anzureisen. "Habt ihr mehr Lust auf so Spiele mit Siegpunkten wo ihr versucht möglichst optimale Züge zu machen? Ein wenig so wie Siedler" oder "Wollt ihr mehr was mit mehr Zufall, wo's mehr um das Erlebnis geht und weniger darum strategisch super gut zu spielen?". Erklärt was kooperative Spiele sind (kennen viele ja nicht) und fragt ob das vielleicht besser klingt.


    Das is halt sehr individuell, ich hatte Gruppen die haben schnell total gefallen an sowas wie Architekten des Westfrankenreichs gefunden, ich hatte mal ein Pärchen hier, mit denen hab ich mit Aeon's End angefangen und wir haben den ganzen Abend nichts anderes mehr gespielt weil die das so super fanden, die haben sich das dann auch direkt gekauft.


    Hab auch das Gefühl, man hat so Leute die nerdigen Themen mögen, die man gerade mehr mit sowas wie Aeon's End, Cthulhu: Death May Die oder anderen Themen und Mechaniken catcht, die man eher in thematischen Spielen findet und andere, die dankbar sind, wenn's grad sowas nicht ist und sich freuen, dass es Brettspiele wie Viticulture oder Seize the Bean gibt, mit alltäglichen Dingen.

    Wählt ein Spiel das ihr kennt

    Unglaublich wichtiger Punkt, wählt auf jeden Fall ein Spiel das ihr (gut) kennt aus folgenden Gründen

    • Ihr wisst, dass das Spiel gut ist und Spaß macht
    • Ihr könnt besser einschätzen ob das Spiel zu euren Gästen passt
    • Ihr könnt das Spiel besser erklären und eine gute Erklärung ist bei Neulingen Gold wert
    • Ihr könnt besser einschätzen ob das Spiel zur Spieleranzahl passt
    • Ihr könnt die realistische Spielzeit besser einschätzen

    Ein Spieleabend mit Neulingen, die möglichst begeistert werden und wieder kommen sollen ist kein Ort für Experimente. Das ist nicht der Zeitpunkt für euren neusten obskuren Kickstarter zu dem ihr die Regeln mal grob überflogen habt. Ein neues Spiel ist zwar aufregend für uns Spieler, aber es bringt eben auch die Gefahr, dass es nicht gut ist, und die Chance, dass es ein herausragendes Spiel ist, ist gering. Bei dem ersten Spieleabend wollt ihr aber die Leute begeistern, da sollte möglichst das beste vom besten auf den Tisch kommen.


    Generell haben sich bei mir Spiele rauskristallisiert, die sehr "reibungsfrei" sind, die eigentlich immer bei allen gut ankommen. So ein Spiel ist für mich zB Architekten des Westfrankenreichs, das kommt wirklich bei allen super an. Vorsichtiger bin ich mit sowas wie Eldritch Horror, da das Spiel sehr frustrierend sein kann und man auch wirklich die Thematik mögen muss, das würde ich zB nicht bei nem ersten Spieleabend auf den Tisch bringen.

    Schaut, dass das Spiel zur Spieleranzahl passt

    Die wenigstens Spiele funktionieren mit allen aufgedruckten Spielerzahlen gut und noch weniger funktionieren gleich gut. Schaut einfach, dass es passt.


    Ne gute Freundin von mir, die ich schon viele Jahre kenne und mit der ich seit 2 Jahren semi-regelmäßig Spiele hatte mal nen Spieleabend mit Freunden, da kam Eldritch Horror mit unzähligen Erweiterungen zu 7. auf den Tisch. Das ganze wurde nach 6 Stunden abgebrochen und war meiner Meinung nach eine "Katastrophe" mit Ansage. Zumal sie echt eher ne Euro-Spielerin ist.

    Absacker

    Kurze und kleine Spiele sind ideal um die Geschmäcker der Leute auszutesten. Ich hab schon Spieleabende nur mit Absackern gehabt, natürlich kam ich dabei nicht komplett auf meine Kosten, aber diese Leute spielen heute immer noch mit mir. Bei kurzen Spielen ist's halb so wild, wenn es mal jemandem gar nicht gefällt. Dann sind das nur 10-20 Minuten aber nicht 2 Stunden die mit einem Spiel verbracht werden, das keinen Spaß macht.

    Theme is King

    Wir kennen's alle, Thema ist oft das was uns hookt, das was uns die Geldbeutel auf Kickstarter leert. Unter Mechaniken können sich Neulinge sowieso nix vorstellen, aber mit Themen catcht man die Leute. Habt ihr nen Kumpel der Bloodborne durchgespielt hat, habt ihr mit dem Bloodborne Brettspiel natürlich direkt seine Aufmerksamkeit. Viticulture hingegen bekomme ich fast nicht auf den Tisch weil es immer heißt "Weinbau? Gähn...". Wenn ihr's schafft die Leute schon mit nem Thema zu begeistern ist das ein super erster Schritt, weil sie dann schon mal positiv gegenüber dem Spiel gestimmt sind.

    Snacks

    Schwieriges Thema. Nichtspieler wissen nicht, dass Brettspiele (vor allem seit 1-2 Jahren) sehr teuer sind. Die Leute meinen es immer super gut und bringen Chips mit und dann fällt's mir richtig schwer, dann zu sagen "ja sorry eher nicht..." und es ist grad beim Spielen auch echt son bissel ein Stimmungskiller, deswegen lasse ich manchmal Snacks über meine Spiele ergehen. Handhabt das wie ihr's für richtig haltet, eventuell nett vorher ansagen, dass fettige Snacks nicht erwünscht sind

    Habt die Regeln drauf

    Sollte selbstverständlich sein aber ich erlebe es immer wieder, dass Leute Spiele spielen wollen, die sie nicht wirklich erklären können. Habt die Regeln drauf und am besten habt ihr das Spiel schon ein paar mal erklärt.




    Was habt ihr sonst noch für Tipps oder Empfehlungen, vielleicht sehr ihr einiges ja auch komplett anders als ich?

  • Ich finde immer noch 2 weiter Aspekte wichtig:


    -Spiele mit ausschließlich offenen Informationen: So kann ich als der Spiel-Kenner die Mitspieler vor Regeln Fehlern als auch vor groben taktischen /strategischen Fehlern bewahren/warnen. Die unsicheren Spieler können ggf. auch "abgucken"


    -Spiele mit schöner Aufmachung: Schöne übersichtliche Grafik, und schöne Haptik beim Material lädt zum wieder spielen ein bzw. macht auch dann allein vom Anfassen/ansehen schon Spaß und Lust, wenn man als Mitspieler das Spiel noch gar nicht durchdrungen hat.


    PS: Zum Thema Snacks: Wir haben uns angewöhnt dass wir ne Snackpause machen. Also das Spiel pausieren, Essen, HÄNDE WASCHEN, und dann weiter spielen. oder wenn schon on the fly gesnackt werden muss, dann die Snacks mit immer der selben Hand greifen, und das Spielmaterial mit der anderen. (Aber auch nur in einem Bestimmten Zeitraum, danach, HÄNDE WASCHEN)

    5 Mal editiert, zuletzt von Gelöscht_2002204 ()

  • Wähle niemals ein Spiel mit hoher Downtime oder der Chance auf AP. Nichts schreckt meiner Meinung nach Gelegenheitsspieler stärker ab als Spiele bei denen sie zu lange warten müssen. Gleichzeitig sollte man aber auch nichts wählen bei dem alle gleichzeitig eine Aktion durchführen, damit du den Personen auch helfen kannst.


    Ich mag es ehrlich gesagt auch, den Spielern ein paar einfache Aufgaben zum Start zu geben, damit sie eine Orientierung haben. Zum Beispiel bei Agricola (Familienspiel) erstmal eine Vermehrung hinzubekommen.

  • ja. Die Erfahrung hab ich auch gemacht. Spiele auf die man auf bestimmte Aufträge hin arbeitet fallen den meisten leichter. Dann wissen sie wenigstens was sie tun sollen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Gelöscht_2002204 ()

  • Wenn Spiele empfohlene Setups für Erstpartien haben, dann sollte man diese unbedingt ernst nehmen. Die Macher haben sich normalerweise etwas dabei gedacht.

    Das ist oft genug wichtig auch noch für Vielspieler und vielfach absolut essentiell für Wenigspieler, z.B. wenn sonst ein Verdraften von Startkarten oder Ähnlichem die ahnungslosen Neuspieler in eine Situation bringen kann, wo man sich von Anfang an wie in einer Sackgasse ohne Ausweg fühlt.

  • ja. Die Erfahrung hab ich auch gemacht. Spiele auf die man auf bestimmte Aufträge hin arbeitet fallen den meisten leichter. Dann wissen sie wenigstens was sie tun sollen.

    Ein großartiges bereiteten ist hierfür übrigens #whaleriders

    Die Bilder auf dem Karten(Aufträgen) sind für jeden offensichtlich und die Aktionen simpel.

    Zudem ist es optisch einladend.

    Einmal editiert, zuletzt von r3h0k3 ()

  • Neulinge wollen meiner Erfahrung nach nicht x neue Spiele an einem Spieleabend lernen, wenn direkt nach der Lernpartie zum nächsten neuen Spiel gesprungen wird. Deshalb wenn das Spiel nach der Lernpartie verstanden wurde und gut ankam, darauf einstellen, dass der Wunsch kommt, es direkt nochmal zu spielen. Das dann bitte nicht ignorieren

    Content-Nachschlag gefällig? Brettspieltag.de – Das etwas andere Boulevard-Magazin der versammelten Brettspiel-Szene

  • Einfache und nicht zu viele Regeln

    Nimmt ein Spiel dessen Regeln nicht nur ihr gut kennt, sondern die MitspielerInnen auch schnell erfassen können.

    Zu viele Regeln schrecken auch selbst dann ab, wenn nur ihr Sie als "Leiter" kennt.


    Spielerfreundliches Punkterennen

    Ich weiß nicht wie ich das nennen soll, aber man sollte eher Spiele nehmen mit Glücksanteil, anstelle von 100 % determistischen Games.

    Häufig verzeihen determistische Spiele keine Fehler. Man sollte auch bestenfalls durch verschiedene Arten gut punkten können (Leerrunden sind frustrierend). Auch sollte das Spiel sollte so gebalanced sein, das ein Fehler am Anfang oder in einer bestimmten Runde noch nicht diirekt zur Niederlage führt.

  • Das sind super Tipps! Die obige Regel finde ich für jede Runde Elementar! Und gutes Regelerklären ist entscheidend für den Erfolg!

  • Danke Leute, da kamen auch schon wirklich gute Tipps von euch, gerade den Punkt mit dem hohen Glücksanteil von thomasd87 finde ich selbst gut und wichtig, wobei ich auch die Erfahrung gemacht habe, dass manche einen hohen Glücksanteil sehr frustrierend finden. Aber der Punkt ist ja, dass bei nem Spiel komplett ohne Glück (Extrembeispiel Schach) die Erfahrung einfach überwiegt. Ein Guter Schachspieler wird einen Anfänger in 10/10 Fällen schlagen, während niemand auf Ansage eine Runde Zombie Dice oder Tiefseeabenteuer gewinnt.


    Das mit den verdeckten Informationen ist auch echt ein guter Punkt. Ich hab selbst schon gute Erfahrungen gemacht mit Social Deduction Spielen, weil die oft simpel sind und in großen Gruppen funktionieren, aber ich verstehe den Punkt. Da sind Spiele mit komplett offenen oder fast offenen Informationen einfach besser, weil man über alles reden kann und die Spieler über alles Regelfragen stellen können.


    Bei der Sache mit den vielen Wegen zum Sieg bin ich etwas Zwiegespalten, ich selbst brauch zB fast immer 2 Runden um an komplexeren Euros gefallen zu finden weil ich in der Erstpartie überwältigt bin. Praga Caput Regni ist da so ein Beispiel, da bin ich in der Erstpartie überhaupt nicht durchgestiegen und hatte nicht so viel Spaß, nach der 2. fand ich's super. Ich glaube ein Spiel mit einem konkreten Weg zum Ziel kann durchschaubarer wirken.

  • Neulinge wollen meiner Erfahrung nach nicht x neue Spiele an einem Spieleabend lernen, wenn direkt nach der Lernpartie zum nächsten neuen Spiel gesprungen wird. Deshalb wenn das Spiel nach der Lernpartie verstanden wurde und gut ankam, darauf einstellen, dass der Wunsch kommt, es direkt nochmal zu spielen. Das dann bitte nicht ignorieren

    Sehr guter Punkt, das hatte ich auch schon einige male, das Leute das selbe Spiel direkt nochmal spielen wollten, zB Bei Flügelschlag und bei Architekten des Westfrankenreich.