Grafische Lokalisation - warum?

  • Vorgestern habe ich zum ersten Mal vom neusten Spiel im deutschen Roll Player Universum gehört, Dungeon Designer. Hier mal das Coverbild dazu, das Pegasus Spiele auf Boardgamegeek gepostet hat: deutsches Cover.

    Da mich das Thema durchaus interessiert, habe ich mich ein wenig über das Spiel schlau gemacht, und habe so auch die englische Originalvariante gefunden, die sich Stonespine Architects nennt. Das Originalcover ziert ein ganz anderes Bild, hier ebenfalls ein Link dazu auf BGG: internationales Cover.

    Dann fiel mir ein, dass es durchaus nicht das erste Mal ist, dass sich das deutsche Titelbild vom Original und oft auch von dem Bild der anderen internationalen Märkte unterscheidet. Aufgefallen ist es mir auch bei der Cascadia-Erweiterung Landmarks. Die englische Fassung zeigt einen Fuchs an einem Bachlauf, während der Entwurf der deutschen Fassung stattdessen wieder den Hirsch des Grundspiels verwendete. Das wurde zwar nochmal überarbeitet, sodass in der finalen Version auch der Fuchs zu sehen ist, trotzdem war wohl der erste Gedanke: "wir editieren das Tier aus dem eigentlich fertigen Cover raus".

    Meine Frage ist: warum? Und das soll keine Diskussion darüber sein, welches Bild schöner oder hässlicher ist. Mir erschließt sich einfach der Grund nicht, warum man eine fertige Vorlage extra abändert. Ich bin zugegebenermaßen auch kein Grafikdesigner, aber ist das nicht viel zusätzliche Arbeit, und damit unnötige zusätzliche Kosten? Das Originalcover liegt doch vermutlich bereits in der richtigen Druckgröße vor, und müsste nur ggf. bezüglich der Texte überarbeitet werden. Warum also ein Cover von Grund auf neu gestalten?

    Mir fallen zwei mögliche Gründe für einen Bildwechsel ein. Zum Einen rechtliche Gründe, die die Verwendung des Originals schwierig oder unmöglich machen. Zum Anderen der Versuch, eine Marke aufzubauen, und dafür bereits grafisch bekannte Elemente zu Verwenden (der Hirsch bei Cascadia wäre so ein Beispiel). Beides erklärt meines Verständnisses nach aber nicht den Wechsel des Covers bei Dungeon Designer, da das Originalcover scheinbar auch in den Versionen aller anderen Länder verwendet wird. Daher die Fragen hier in die Runde: kennt ihr noch weitere Beispiele? Und habt ihr eine Idee, wieso dieser extra Aufwand betrieben wird?

  • aber ist das nicht viel zusätzliche Arbeit, und damit unnötige zusätzliche Kosten?

    Der Verlag ist natürlich der Meinung, dass das neue Cover auf dem heimischen Markt besser ankommt und sich somit die zusätzlichen Kosten lohnen. Ganz einfach. Der Verlag ist überzeugt, dass ein anderes Cover besser funktioniert.

  • Ganz einfach. Der lokalisierende Verlag ist der Meinung, dass ein anderes Cover besser ist bzw. dass sich das Spiel mit einem anderen Cover besser verkauft. Ob dies tatsächlich immer der Fall ist ... Bei #Chakra finde ich beispielsweise das helle Originalcover deutlich schöner

    Fabian Zimmermann - Autor von Tiefe Taschen / GoodCritters

  • Okay, das wäre natürlich ein einleuchtender Grund. Wenn der Verlag sich von dem abweichenden Bild bessere Verkäufe verspricht, macht ein Bilderwechsel natürlich Sinn. Trotzdem verstehe ich immer noch nicht, wie man diese Erkenntnis bei Bildern erlangt.


    Bei Texten ist mir das durchaus klar. So kann ich durchaus verstehen, warum Stonespire Architects hier Dungeon Designer getauft wurde. Ob ich mit der Entscheidung d'accord gehe oder nicht, ich kann sehen, dass der Name verständlicher für ein deutsches Publikum ist als ein unveränderter Titel.


    Aber wie messe ich soetwas bei Bildern? Sind Änderungen dann Bauchentscheidungen? Erfahrungswerte? Gibt es da Messungen oder Zielgruppenbefragungen? Warum ist Bild B lukrativer als Bild A, dass es diesen Zusatzschritt und diese Zusatzkosten rechtfertigt?

  • Man kann auch ganze Inhalte neu illustrieren. Nicht nur das Spiel selbst (wie bei Sheep&Thief), sondern etwa nur Teile. Wie bei uns grad bei #TownsfolkTussle

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  • Beides erklärt meines Verständnisses nach aber nicht den Wechsel des Covers bei Dungeon Designer, da das Originalcover scheinbar auch in den Versionen aller anderen Länder verwendet wird.

    Der Grund ist viel einfacher: In erster Linie ging es um die Änderung des Titels. "Stonespine Architects" ist für den deutschen Markt schwierig, dagegen kommt "Dungeon Designer" zum einen leichter über die Lippen und wird zum anderen auch inhaltlich eher verstanden. Die Illu sollte dann aber auch einigermaßen zum Titel passen. Auf dem internationalen Bild sieht man keinen Designer, auf dem Bild der Pegasus-Ausgabe dagegen schon.

    Zusätzliche Kosten sind dabei kaum entstanden, weil das "neue" Bild nicht wirklich neu ist, sondern sowieso schon auf einer Karte im Spiel vorhanden war.

  • Der deutsche Titel „Dungeon Designer“ hätte ja im englischen genauso funktioniert und den Spielinhalt ehrlich wiedergegeben, ist aber so ein pupslangweiliger, generischer Fantasytitel. Da weckt „Stonespine Architects“ schon eher das Interesse. Finde ich eine verpasste Chance, dass Pegasus nicht einen fetzigeren Titel gesucht hat. Aber zum Cover passt der Minotaurus am Reißbrett natürlich mehr bei „Dungeon Designer“, im Originalcover ist das schon eher ein Architekt / Bauleiter.


    Aber vielleicht war das Problem auch, dass bei der Originalillustration die alle keinen Helm tragen?


    (EDIT: Was Thygra sagt. Bei mir war das nur eine Vermutung.)

    Einmal editiert, zuletzt von ddinj4 ()

  • Bevor Thygra die Erklärung geliefert hat, hatte ich einen Moment lang gedacht, dass das englische Cover vielleicht ein wenig zu sehr nach Propaganda-Poster aussieht – die knalligen Farben, die nach oben gerichtete Perspektive, die zackig-stilisierten Oberkörper, die abstrahierte Architektur im Hintergrund.

  • Der deutsche Titel „Dungeon Designer“ hätte ja im englischen genauso funktioniert und den Spielinhalt ehrlich wiedergegeben, ist aber so ein pupslangweiliger, generischer Fantasytitel. Da weckt „Stonespine Architects“ schon eher das Interesse. Finde ich eine verpasste Chance, dass Pegasus nicht einen fetzigeren Titel gesucht hat. Aber zum Cover passt der Minotaurus am Reißbrett natürlich mehr bei „Dungeon Designer“, im Originalcover ist das schon eher ein Architekt / Bauleiter.


    Aber vielleicht war das Problem auch, dass bei der Originalillustration die alle keinen Helm tragen?


    (EDIT: Was Thygra sagt. Bei mir war das nur eine Vermutung.)

    Also was generische Fantasytitel angeht sehe ich zwischen Stonespine Architects und Dungeon Designer keinen großen Unterschied.

  • Bevor Thygra die Erklärung geliefert hat, hatte ich einen Moment lang gedacht, dass das englische Cover vielleicht ein wenig zu sehr nach Propaganda-Poster aussieht – die knalligen Farben, die nach oben gerichtete Perspektive, die zackig-stilisierten Oberkörper, die abstrahierte Architektur im Hintergrund.

    Isn guter Punkt, war auch die erste Assoziation, die mir beim Urspungscover in den Sinn kam. Wann kommt das eigentlich raus?

  • Ein weiterer Grund - man mag es kaum glauben - ist auch manchmal, dass der Verlag des Originals einfach keine offenen Daten des Originalbildes zur Verfügung stellen kann. Sprich: Das Bild wird dir mit Schrift geliefert und die ist nicht mehr zu editieren. Das passiert. Zwar selten … aber ich habs ein paar mal erlebt, als ich in der Branche gearbeitet hab. Dann musst du schlicht ausweichen.

  • Ein sehr positives Beispiel für eine solche Überarbeitung ist "Kitchen Rush". Die deutsche Version ist grafisch besser, besitzt ein modulares Spielbrett, aufeinander aufbauende Einstiegsszenearien, die einen schrittweise an die Regeln heranführen.

    Die Orginalversion besitzt eine deutlich höhere Einstiegshürde, da man halt direkt mit dem vollen Regelwerk konfrontiert ist (sicher kein Problem für erfahrene Spieler, für Gelegenheitsspieler aber schon).

  • Ich wollte mit etwas Verspätung noch Danke sagen für die ganzen vielen tollen Antworten hier! Auch die Infos aus der Branche selbst, wie in den Antworten von Ben, Thygra und Poet zu lesen, waren sehr aufschlussreich. Viele der genannten Beweggründe für einen Bildwechsel hatte ich so gar nicht auf dem Schirm, leuchten mir aber ganz oder zumindest teilweise ein.


    Zugegebenermaßen bin ich auch überrascht, dass man einzelne Teile eines Spiels abändern kann (also z.B. wie von Ben genannt, einzelne Illustrationen austauschen). Ich hatte immer vermutet, inhaltlich sei ein Spiel ein Gesamtpaket, das man zwar übersetzen darf, ansonsten aber unbearbeitet lassen muss. Interessant zu hören, dass dem nicht so ist, und so Unzulänglichkeiten aus dem Originalspiel (mir fallen da spontan problematische oder unverständliche Anweisungen in der Spielanleitung ein) eigentlich in einer lokalisierten Version des Spiels ausgemerzt werden könnten.

  • Zugegebenermaßen bin ich auch überrascht, dass man einzelne Teile eines Spiels abändern kann (also z.B. wie von Ben genannt, einzelne Illustrationen austauschen).

    Man benötigt dazu natürlich immer die Erlaubnis des Lizenzgebers, aber dies ist meist nur eine Formalie, denn beide Seiten wollen dasselbe, nämlich möglichst viele Exemplare verkaufen.

  • Zugegebenermaßen bin ich auch überrascht, dass man einzelne Teile eines Spiels abändern kann (also z.B. wie von Ben genannt, einzelne Illustrationen austauschen).

    Kann das zwar nur von außen beurteilen, aber ich könnte mir vorstellen, dass gerade Thunderworks Games da unkompliziert ist. Die haben durchaus Erfahrung mit Europa, Tenpenny Parks wurde von Dutrait illustriert, Cape May sogar von Michael Menzel (lustigerweise haben beide Spiele noch keinen deutschen Verlag gefunden, obwohl sie sowohl ziemlich gut als auch ziemlich Euro-lastig sind).


    Von daher könnte ich mir vorstellen, dass sie selber wissen, dass es für Europa/Deutschland evtl. andere Vorstellungen von den jeweiligen Vertlagen gibt.

  • Jeder Verlag (sofern er nicht völlig neu im Business ist) weiß eigentlich, dass der Markt in fast jedem Land sehr unterschiedlich funktioniert und dass die Partnerverlage, die man sich für Lokalisierungen sucht, sich üblicherweise immer besser in ihrem eigenen Markt auskennen als man selbst. Insofern vertraut man seinen Partnern üblicherweise, dass die auch wissen, warum sie was tun. (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel.)