Schade, ganz schön viel Meinung zu einem Thread, den du gar nicht gelesen hast
Zeig mir einen einzigen Politik-Diskussions-Bereich im Internet außerhalb von Politik-Fachforen mit Zugangshürden, in dem man sinnvoll zwischen verschiedenen Meinungen diskutieren kann, ohne dass eine Seite sich mit mehr oder weniger viel Druck "durchsetzt" und die andere Seite vergrault. Einen einzigen. Meine Erfahrung ist: Das gibt's nicht. Leider. Ich würde gerne sehen, wo sowas funktioniert.
Basierend auf diesem Kommentar im Brazil-Thread stellt sich mir die Frage, ob man objektiv definieren kann, unter welchen Prämissen ein vielfältiger (im Sinne von: verschiedene Meinungen aufnehmender und aushaltender) Diskussionsbereich mit Politik-Fokus tatsächlich gut funktionieren kann. Mir ist dabei bewusst, dass das nahe an einem [RSP]-Thema langschrammt, und vielleicht muss der Thread auch dorthin verschoben werden, aber nachdem das Thema auf einem Kommentar von MetalPirate aufsetzt, der dort nicht mehr dabei ist, hätte ich es falsch gefunden, die Diskussion in RSP zu eröffnen.
Disclaimer: Ich mag den RSP-Bereich und habe selbst kein Schmerzempfinden bei den aktuellen Diskussionen dort. Aber andere haben oder hatten das offenbar schon.
Ich persönlich wünsche mir in einer politischen Diskussion Argumente von allen Seiten. Also absolut ein Hinterfragen von geäußerten Meinungen und Positionen, aber eben nicht auf der Ebene "Das ist ja offensichtlich bekloppt", sondern einigermaßen nüchtern (selbst bei emotionalen Themen) und belegt mit Zahlen, Fakten, Beispielen, Analogien oder Erfahrungswerten. Ich wünsche mir, dass Meinungen und Argumente hinterfragt werden und nicht Personen. Ich wünsche mir die grundsätzliche Bereitschaft, sich von guten Argumenten überzeugen zu lassen und diese als solche anzuerkennen - auf allen Seiten einer Diskussion. Ich wünsche mir aber auch, dass sich niemand angegriffen oder unterdrückt fühlt, nur weil er in einem oder auch vielen Themen anders denkt als die Mehrheit. Umgekehrt betrachtet: Wo könnte es einen fruchtbareren Boden geben, auf den die eigenen Argumente fallen könnten, als dort, wo kaum jemand initial die eigene Meinung teilt? Die Wahrscheinlichkeit, dass ich da jemanden (und sei es ein einziger!) dazu bringe, seine Meinung zu überdenken, ist doch viel höher, als wenn mir viele Leute von vornherein zustimmen.
Vor allem aber wünsche ich mir die allseitige Erkenntnis, dass es zu fast jedem Thema berechtigte Argumente für mindestens zwei Seiten gibt. Diese dann zu gewichten, gegeneinander abzuwägen und in eine Position zu überführen, kommt danach und ist oft der eigentliche Gegenstand der Diskussion. Bei vielen Themen wünsche ich mir häufiger ein "Ich bin mir nicht sicher", als festgefügte Meinungen. Ich wünsche mir die Offenheit, sich darüber zu freuen und anzuerkennen, wenn es einem Mitdiskutanten gelungen ist, mit einem Argument einen Denkprozess bei mir anzustoßen (auch wenn ich die 99 anderen Argumente vielleicht falsch finde). Ich persönlich möchte mit den Jahren gern klüger werden, und dazu gehört, dass ich dazulerne und mich und meine Meinungen weiterentwickle.
Was meint Ihr - wie müssten die Diskussionen im "idealen" Politik-Diskussionsforum ablaufen, damit das Forum von allen Beteiligten als fruchtbar und nutzbringend empfunden wird?