Probleme mit der Schule... was nun?

  • Danke nochmal an alle, die sich hier mit tollen Tipps beteiligt haben - das hat mir durchaus weitergeholfen - v.a. innerlich ;)


    Ich werde den Thread bei Gelegenheit mal löschen - das Internet vergisst nie und so... ist ja schon etwas persönlich ;)

    Wäre toll wenn du nur deinen Teil löschst oder editierst, hier hat sich doch einiges hilfreiches gesammelt.

  • ES und LE gehen häufig miteinander einher. Vielleicht hilft das ja weiter. Traurigerweise wird man ja manchmal mit Fachbegriffen und Abkürzungen als Abschreckung zugeworfen. Und wenn man dann da mithalten kann, findet man manchmal mehr Gehör. Ich würde an deiner Stelle einfach mal gezielt nach Fördermöglichkeiten bzw. einem AO-SF-Verfahren für ES und LE fragen und dann mal schauen, was da passiert. Das kann auch wichtig sein, falls ein Förderbedarf festgestellt wird und dieser ggf. beizeiten auf eine weiterführende Schule mitgenommen wird.

    Wie gesagt: Alles NRW. :saint:

    AO-SF-Verfahren soll zum neuen Schuljahr eingeleitet werden. 10 Wochen vor den Sommerferien lohne sich das nicht unbedingt :/

    Das ist übrigens normal, also die haben eigene Fristen. Das würde jetzt gar nicht mehr realistisch möglich sein. Die Aussage stimmt daher :)

    Drücke dir die Daumen für dich und euer Kind! Alles Gute,
    Lg

  • Brettspiel Dude : Wie geht ihr denn jetzt vor bzw. was habt ihr für euch mitgenommen?

    Das nächste ist ein Gespräch mit der Lehrerin morgen - und dann wollen wir nochmal weiter mit ihm in die Diagnose gehen - ich war immer schon der Auffassung, dass die Schublade ADHS allein nicht ausreicht, um ihn zu beschreiben. Ein paar sehr gute Hinweise in Richtung Hochbegabung oder Autismus habe ich hier schon bekommen. Allerdings muss ich mit ihm nochmal dringend ins Gespräch gehen. Er scheint auch teilweise sein ADHS als Ausrede zu nutzen, um Arbeit komplett zu verweigern bei Fächern, die ihm keinen Spaß machen (v.a. Kunst)

  • Brettspiel Dude : Wie geht ihr denn jetzt vor bzw. was habt ihr für euch mitgenommen?

    Das nächste ist ein Gespräch mit der Lehrerin morgen - und dann wollen wir nochmal weiter mit ihm in die Diagnose gehen - ich war immer schon der Auffassung, dass die Schublade ADHS allein nicht ausreicht, um ihn zu beschreiben. Ein paar sehr gute Hinweise in Richtung Hochbegabung oder Autismus habe ich hier schon bekommen. Allerdings muss ich mit ihm nochmal dringend ins Gespräch gehen. Er scheint auch teilweise sein ADHS als Ausrede zu nutzen, um Arbeit komplett zu verweigern bei Fächern, die ihm keinen Spaß machen (v.a. Kunst)

    Gespräche sind immer gut. Als kleiner Tipp vielleicht: Frag ihn wieso er das macht…


    Meine Schwester kann zum Beispiel kaum im Musikunterricht folgen. Der Lehrer ist schon ganz verzweifelt 😅 nach mehreren Gesprächen mit ihr, sind wir dahinter gekommen, dass der Musikunterricht in einem anderen Raum stattfindet (Raumwechsel ist schon mal ein Stressauslöser), dann gibt es keine festen Sitzplätze (weiterer Stressauslöser) und dann haben sie auch noch ganz andere Stühle, als gewohnt.


    Bedeutet, dass meine Schwester schon bevor der Unterricht anfängt auf der Stressskala ganz oben ist/war 😅 und dazu kam dann noch ein etwas unstrukturierter Unterricht (ist eben ein kreatives Fach) 😅

    Mit ein paar neuen Regelungen (sie bekam einen festen Sitzplatz und der Lehrer sagt am Ende der Stunde, was in der nächsten besprochen wird) ist es schon viel besser geworden.


    Will sagen, vielleicht kommt dein Sohn mit der offenen Unterrichtsstunde nicht so zurecht oder sie arbeiten an Gruppentischen, anders als in den anderen Fächern oder die Kinder dürfen sich während des Kunstunterrichts unterhalten (so ist es bei meiner Schwester). Ich weiß nicht, wie es mit der Feinmotorik bei deinem Kind bestellt ist. Bei meiner Schwester ist das schon immer ein großes Thema, deshalb fallen ihr Sport und Kunst sehr sehr schwer, auch wenn sie es eigentlich gerne macht.

    Das sind alles Faktoren die dazubeitragen könnten, dass dein Sohn sich „drückt“. Deshalb kommt es vielleicht so rüber als würde er sein ADHS als Ausrede nutzen, aber nur weil er vielleicht noch nicht soweit ist, diese Umstände zu kommunizieren oder selbstständig in einen Zusammenhang zu bringen 😊


    Wäre also vielleicht gut, erst das abzuklären bevor ihm unterstellt wird (nicht so böse gemeint, wie es sich anhört 😅), sein ADHS als Ausrede zu nutzen. Und da Kinder in diesem Alter selten Ursache und Wirkung analysieren können, sind wir Erwachsenen dabei gefragt.

    Manchmal ist es gut „outside the box“ zu denken, um erfolgreich Lösungen zu finden.


    Ist übrigens auch wieder ein gutes Training für deinen Sohn. Darüber nachdenken, was das eigentliche Problem ist und gemeinsam eine Lösung/Strategie zu erarbeiten, wie man es doch schaffen kann.


    Und wenn am Ende, dann doch die Unlust als Ergebnis rauskommt, kann man immer noch darauf einwirken :)


    Viel Erfolg morgen bei eurem Gespräch :)

    6 Mal editiert, zuletzt von Lydia ()

  • Hat aus meiner Sicht was mit der Motivation zu tun - mir hat er zu Weihnachten ein Mandala ausgemalt - und scheiß die Wand an sieht das toll aus!

    Alles allerdings, was er in der Schule "malt", sieht aus wie von einem halbwegs unbegabten Labrador gezeichnet. Wir haben aber immerhin schon mal insofern umstrukturiert, dass die Integrationskraft ihn nun auch da begleitet.


    <edit: Und das ist überhaupt eine der wichtigsten Dinge für das Gespräch morgen: Er braucht wohl - mehr als andere Kinder - eine intrinsische Motivation. Bei den anderen reicht vielleicht (Beispiel Kunst), die "natürliche" Freude am Malen von Kindern - das hat er aber selbst nie gern gemacht. Insofern müsste man halt schon darstellen, WARUM man jetzt ein Herbstbild malen möchte.

  • Hat aus meiner Sicht was mit der Motivation zu tun - mir hat er zu Weihnachten ein Mandala ausgemalt - und scheiß die Wand an sieht das toll aus!

    Alles allerdings, was er in der Schule "malt", sieht aus wie von einem halbwegs unbegabten Labrador gezeichnet. Wir haben aber immerhin schon mal insofern umstrukturiert, dass die Integrationskraft ihn nun auch da begleitet.

    Zu Hause ist es auch ruhig… und er ist in einer sicheren Umgebung… und er kann sich alle Zeit der Welt lassen.

    Solche Faktoren können (müssen aber nicht) einen enormen Einfluss haben.

    Meine Schwester hat in manchen Mathestunden nichts auf die Reihe bekommen in der Schule, zu Hause war es gar kein Problem. Sogar das nacharbeiten hat sie nicht gestört 😅


    Aber klar, kann es auch an der Motivation liegen. Da kennt ihr euren Sohn am besten :)

    2 Mal editiert, zuletzt von Lydia ()

  • <edit: Und das ist überhaupt eine der wichtigsten Dinge für das Gespräch morgen: Er braucht wohl - mehr als andere Kinder - eine intrinsische Motivation. Bei den anderen reicht vielleicht (Beispiel Kunst), die "natürliche" Freude am Malen von Kindern - das hat er aber selbst nie gern gemacht. Insofern müsste man halt schon darstellen, WARUM man jetzt ein Herbstbild malen möchte.

    Sehr sehr wichtiger Punkt!! :)

  • Hat aus meiner Sicht was mit der Motivation zu tun - mir hat er zu Weihnachten ein Mandala ausgemalt - und scheiß die Wand an sieht das toll aus!

    Alles allerdings, was er in der Schule "malt", sieht aus wie von einem halbwegs unbegabten Labrador gezeichnet. Wir haben aber immerhin schon mal insofern umstrukturiert, dass die Integrationskraft ihn nun auch da begleitet.

    Es ist aber auch ein großer Unterschied, ob etwas ausgemalt wird, oder eine freie Zeichnung/Malerei angefertigt werden soll.

    Neben den von Lydia angeführten Punkten, kann der feste Rahmen der Vorzeichnung auch zu einem größeren „Sicherheitsgefühl“ bei Deinem Sohn führen.

  • Hat aus meiner Sicht was mit der Motivation zu tun - mir hat er zu Weihnachten ein Mandala ausgemalt - und scheiß die Wand an sieht das toll aus!

    Alles allerdings, was er in der Schule "malt", sieht aus wie von einem halbwegs unbegabten Labrador gezeichnet. Wir haben aber immerhin schon mal insofern umstrukturiert, dass die Integrationskraft ihn nun auch da begleitet.

    Es ist aber auch ein großer Unterschied, ob etwas ausgemalt wird, oder eine freie Zeichnung/Malerei angefertigt werden soll.

    Neben den von Lydia angeführten Punkten, kann der feste Rahmen der Vorzeichnung auch zu einem größeren „Sicherheitsgefühl“ bei Deinem Sohn führen.

    Kenn ich übrigens auch von mir. Hab ewig lang Miniaturen BEmalt. wenn ich frei etwas malen soll, werden das hauptsächlich kubische Sachen.

  • Generell ist es auch wichtig, dass Betroffene und Angehörige zu Experten auf dem Gebiet werden. Leider ist die Fehlerquote bei Diagnosen immer noch bei über 50 % bei jeglichen Arten von ADHS, Bipolar, Borderline, etc. und oft werden diese auch miteinander verwechselt. Selbsthilfegruppen stemmen immer noch über 70% der Arbeit die eigentlich das medizinische System erledigen müsste. Der Austausch unter Betroffenen ist übrigens enorm wichtig, ebenso die Ernährung, Vitaminpegel, Abbau der überschüssigen Energien durch Auspowern... etc.

    L'Art Noir
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  • Generell ist es auch wichtig, dass Betroffene und Angehörige zu Experten auf dem Gebiet werden.

    Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. Genau der Grund wieso ich mittlerweile betroffene Familien berate und Fachpersonen fortbilde.

    Leider ist die Fehlerquote bei Diagnosen immer noch bei über 50 % bei jeglichen Arten von ADHS, Bipolar, Borderline, etc. und oft werden diese auch miteinander verwechselt.

    Ja und nein. Die Aussage ist zu pauschal und muss differenziert werden:
    Die ADHS Diagnostik ist sehr gut und ziemlich treffsicher - wenn denn dann Mal ADHS im Raum steht. Besonders bei hypoaktiver ADHS (also die ruhige, in sich gekehrte Form, die besonders häufig bei Mädchen/Frauen aufzutreten scheint) werden leider viel zu oft, viel zu lange und oft auch viel zu beharrlich Depressionen oder die Borderline Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, obwohl es eigentlich ADHS ist, dass die Probleme verursacht und eine Depression (oder vermeintliches Borderline) sich nur durch die nicht erkannte ADHS entwickelte. Klar - wer immer auf die Schnauze fliegt wird irgendwann depressiv - salopp ausgedrückt.

    Bzgl. Borderline haben wir sogar ganz konkrete Hinweise, dass die Diagnose entweder a) oft falsch ist oder b) als eigene Diagnose gar nicht so valide ist.
    Denn Studien zeigen, dass der Einsatz von Methylphenidat (der Wirkstoff von Ritalin) das Suizidrisiko bei Borderline-Patienten senkt und deren Wohlbefinden deutlich steigert. Gleichzeitig wissen wir, dass Methylphenidat so nur bei ADHSlern wirkt. Jetzt muss man nur 1 und 1 zusammenzählen :). Leider benötigt es rein wissenschaftlich auch für 1 und 1 weitere Studien um das wirklich zu bestätigen.

    Mit dem Bipolar ist das auch so ne Sache. Denn ADHSler sind durchaus "bipolar". Aufgrund der emotionalen Impulsivität geht es eben immer wieder von "himmelhoch jauchzend zu tod unglücklich" und das innerhalb von Sekunden. Das als eigene Diagnose zu stellen, verkennt aber die Dynamik bei ADHS bzw. verkennt ADHS generell.

    Es scheint Bipolarität als eigenständiges Symptom ohne ADHS aber durchaus zu geben.

    Am Ende kann ich mich nur dem Appell eines Psychotherapeuten anschließen: Bei jeder psychischen Behandlung - ob psychiatrisch oder psychotherapeutisch - sollte eine ausführliche ADHS Diagnostik am Anfang stehen. Denn unerkannt, werden auch die Probleme die darüber liegen nie wirklich gut. Und Studien in Psychiatrien (und Gefängnissen) haben gezeigt: Enorm viele Betroffene der entsprechenden Einrichtungen haben eine nicht erkannte ADHS (die dann im Rahmen der Studie erkannt wurde).

    Häufigste Psychiatrische neurologische Entwicklungsstörung sollte doch alles sagen. Die Dunkelziffer an Betroffenen ist hoch - ohne das es eine Modediagnose ist oder "jeder die Diagnose bekommt". Ne, nicht jeder - noch viel zu wenige.

  • Denn Studien zeigen, dass der Einsatz von Methylphenidat (der Wirkstoff von Ritalin) das Suizidrisiko bei Borderline-Patienten und deren Wohlbefinden deutlich steigert.

    Ist das genauso gemeint, wie Du es geschrieben hast? In meinen Ohren klingt das erstmal wie ein Widerspruch? Wenn mein Wohlbefinden steigt, warum sollte ich mich dann suizidieren?

    Nein, da hab ich ein Wort vergessen 😁

    Das suizidrisiko wird gesenkt, das Wohlbefinden gesteigert.


    Edit: ist korrigiert. War früh heute morgen 😅

  • Zitat

    Ja und nein. Die Aussage ist zu pauschal und muss differenziert werden:

    In der bundesweiten Praxis sieht es so aus, das egal welcher Bereich man es sehr schwer hat überthaupt eine Diagnose zu bekommen oder zumindest zeitnah, was in etwa 2-3 Jahre entspricht. In der Regel hat mann danach dann eine 50:50 Chance, dass richtig diagnostiziert wird (ADHS-Modediagnose für alles und Borderline für alles lassen hier grüßen) und dann nochmal eine sehr hohe Chance von über 60%, dass man mit der Diagnose weitgehen alleingelassen wird. Und selbst wenn dann die Diagnose steht wird oft nicht im Spektrum unterschieden (Bipolar 1, 2 und Rapid Cycling z.B. müssen völlig verschieden behandelt werden) oder gerne auch mit Medikamenten zugeschüttet statt die natürlich aufwendigere vollumfängliche Therapie anzugehen.

    Vom durchführen des Trialogs reden wir hier noch nicht einmal. Und sehr oft werden auch die Komorbiditäten nicht diagnostiziert oder falsch oder die richtige Therapiereihenfolge ignoriert (z.B. Immer zuerst die nicht genetisch bedingte Angststörung, dann komorbides Borderline/ Bipolar, etc.).

    Und dann haben wir die Ärzte, die Störungen/Neurodiversitäten auch noch immer als Krankheiten sehen und deshalb so behandeln, als ob man sie wie eine Grippe oder Armbruch auskurieren könnte.

    Die verschiedenen Störungen/Neurodiversitäten können ähnliche Symptome haben, und auch komorbid sein, aber zu sagen, dass ein ADHSler auch etwas bipolar ist wäre falsch... Die Ursachen sind unterschiedlich, nur die Effekte für Unerfahrene gleich auf den ersten Blick. Ich kenne genügend dominant Bipolare mit komorbidem ADHS (Der umgekehrte Fall ist extrem selten, ebenso dominantes Boderline und komorbides Bipolar), um das recht gut einschätzen/wissen zu können. Wir haben es hier ja auch nicht mit Schubladen zu tun, sondern mit Spektren, d.h. Überlappungen in diversen Bereichen die aber unterschiedliche Ursachen haben sind zu erwarten. Mit ausreichender Erfahrung kann man die beiden Neurodiversitäten/Störungen aber gut voneinander trennen.

    Die körperchemisch bedingte Depression oder Manie eines Bipolaren sollte übrigens nicht mit den guten und schlechten Stimmungsphasen anderer Diversitäten/Störungen verwechselt werden, die sind weitaus extremer als man sie sich als Nichtbebtroffener auch nur ansatzweise vorstellen kann. Medizinisch gesprochen würden die körperchemischen Vorgänge dabei einen Durchschnittsmenschen tatsächlich umbringen, weil die dabei agierenden Stoffe in so hohen Dosen vorkommen, dass es normale Körper nicht verkraften würden.

    Bipolar und ADHS sind übrigens eigenständige Diagnosen... und Bipolar kommt bei etwa 2% der Weltbevölkerung vor, ist also deutlich häufiger als ADHS. Komorbiditäten gibt es natürlich immer, machen aber bei beiden keinen so großen Anteil aus... kommen in den jeweiligen Bereichen also nicht über 5-10% hinaus.

    Auch ADHS wird immer noch zuviel falsch diagnostiziert und bei bestimmten Ärztekreisen ist es immer noch eine All-In-/Lifestyle-Diagnose. Was den tatsächlich von ADHS Betroffenen oft genug wichtige Sitzungen und Diagnosen verwehrt.

    L'Art Noir
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    Einmal editiert, zuletzt von AndreMW ()

  • Puh AndreMW.

    Auch ADHS wird immer noch zuviel falsch diagnostiziert und bei bestimmten Ärztekreisen ist es immer noch eine All-In-/Lifestyle-Diagnose

    Falsch. Das gibt die Studienlage einfach nicht her. Das mag anekdotische Evidenz sein (und damit wertlos). Die Prävalenz von 3 Jährigen bis 18+ zeigt ganz klar, dass wir eine erhebliche Unterdiagnostizierung haben. Bevor man ADHS diagnostiziert bekommt, hat man meistens ne Depression, Angststörung und/oder Borderline diagnostiziert bekommen und selbst bei Kindern wird häufig lange abgewunken.

    Ein Grund dafür sind die veralteten Diagnosekriterien die viele Ärzte leider noch einsetzen, ein weiterer ist die hohe ADHS Skepsis in Deutschland und zuletzt der Mangel an psychiatrischen Kassensitzen und das eine ADHS Diagnose, besonders wenn ausführlich gemacht, für den Psychiater nahezu ein Minusgeschäft ist.

    ADHS hat eine weltweite Prävalenz von 5-8%. Bewiesen in unzähligen Studien und Metastudien. Es ist die häufigste psychiatrische "Erkrankung" (besser neurologische Entwicklungsstörung). Dagegen sind die 2% Bipolar halt nicht Mal die Hälfte.

    Dann haben wir die hohe Erblichkeit bei ADHS aufgrund der multifaktoriellen genetischen Grundlage. Bis zu 80% bei Einem Elternteil. Hinzu kommt, dass ADHSler häufig Rudeltiere sind und sich gegenseitig oft am besten finden.

    Des Weiteren sehen wir bei ADHS sehr schnell ob die Diagnose richtig war - nämlich durch die Medikamente. Methylphenidat und Lisdexamfetamin hemmen den Abbau von Dopamin und Noradrenalin. Menschen mit einem normalen Haushalt dieser Hormone werden von den entsprechenden Medis gepusht. Es ähnelt (wenn auch nicht so stark) gängigen aufputschmitteln.

    ADHSler werden ruhig. Sortiert, geordnet, konzentrierter. Das genaue Gegenteil der Wirkung eines neurotypischen Menschen.

    Ritalin wird oft als Studentendroge missbraucht, weil es "normale" in einen hyperfokus pushen kann. Ich wünschte manchmal, die Wirkung wäre bei mir auch so. Besonders hat ein normaler Mensch diese Wirkung bereits locker bei 5mg Einzeldosis Methylphenidat. Ich fang erst ab 30mg (retardiert, also ca. 15mg Einzeldosis) an überhaupt was zu merken.

    Eine falsche ADHS Diagnoste zeigt sich also sehr schnell und ist insgesamt heute sehr selten.

    Am meisten Probleme gibt es noch bei ADHS und Autismus-Spektrum. Weil häufig entweder der Autismus, oder das ADHS übersehen wird. Wobei die ADHS Prävalenz bei Autisten bei ca. 80% liegt.

    oder gerne auch mit Medikamenten zugeschüttet statt die natürlich aufwendigere vollumfängliche Therapie anzugehen.

    Bezogen auf ADHS: Wir wissen, dass aufgrund des Dopamin und Noradrenalinmamgels im Gehirn, stimulanzien - allem voran Methylphenidat bei Kindern und Jugendlichen und Lisdexamfetamin bei Erwachsenen die beste und einfachste Therapie sind. Aber ja, es sollte nicht die einzige bleiben, denn die bis zum Beginn der Therapie erlernten negativen Verhaltensweisen und Denkmuster müssen auch bearbeitet werden, das passiert allein durch Medikamente nicht, Medikamente geben die Basis dafür. Die Verfügbarkeit an Verhaltenstherapeutischen Plätzen ist aber - wie generell in der Psychotherapie - miserabel. Da können aber die Psychiater nichts für, also tun diese, was sie können - Medikamente verschreiben. Und das ist im Fall von ADHS halt besser als nichts.

    Bipolar und ADHS sind übrigens eigenständige Diagnosen...

    Ich habe nichts anderes behauptet, ich habe nur ergänzt, dass ADHSler häufig auch bipolare Symptome haben - eben durch die emotionale Impulsivität. Als jugendlicher wurde bei mir eine bipolare Störung vermutet. Adhs konnte es ja nicht sein, ich war gut in der Schule und vor 16/17 Jahren galt noch: ADHSler sind nicht auf dem Gymnasium.

    oder die richtige Therapiereihenfolge ignoriert (z.B. Immer zuerst die nicht genetisch bedingte Angststörung, dann komorbides Borderline/ Bipolar, etc.).

    Studien und did Psychiater mit denen ich arbeite zeigen und betonen immer wieder - wenn eine ADHS vorliegt muss diese primär behandelt werden. Erst dann sind überhaupt die Möglichkeiten da, andere Störungen konkret anzugehen.

    Genau aus diesem Grund werden unentdeckte ADHSler jahrezehnte für ihre Depressionen behandelt, kommen aber nie wirklich voran. Weil die Depression erst angegangen werden kann, wenn ein Grundmaß an "Ordnung im Kopf" herrscht. Genauso mit der Angststörung.

    Daneben ist die Therapiereihenfolge - zum Beispiel auch die Frage was man gleichzeitig angeht immer individuell nach Situation des Betroffenen zu beurteilen.

    Mit Verlaub, deine Aussagen sind mir zu anekdotisch und pauschal.

  • Falls ich mich hier mal einklinken darf - wir haben kürzlich endlich die Autismus-Diagnose für unseren nun 5-jährigen Sohn bekommen.

    Wir haben auch den Verdacht auf ADHS, vor allem, da ich selbst wohl ziemlich sicher (undiagnostiziert) ADHS habe. Wenn ich hier dem Verlauf folge und richtig interpretiere, sollten wir auch versuchen, eine ADHS-Diagnose für ihn zu bekommen?

    Wir möchten natürlich, dass er beim Eintritt in die Schule so wenig Probleme wie möglich haben wird. Wir hatten bereits darüber nachgedacht, wenn möglich mindestens fürs erste Jahr eine Schulbegleitung für ihn zu beantragen.


    Und wie sieht es denn bei mir aus, sollte ich mich selbst um eine Diagnose bemühen? Ich denke eigentlich, dass ich ziemlich 'alltagstauglich' bin, aber wenn man meinen Lebensweg anschaut, ergibt das im Nachhinein betrachtet schon alles irgendwie Sinn...


    Danke euch! :danke:

  • Xologrim

    Vielleicht hilft es dir, wenn ich von mir erzähle:

    Ich war immer etwas schwierig in Bezug auf Freundschaften, chaotisch, unordentlich, aber ich kam gut klar. Dachte ich zumindest. Ich dachte auch allen geht es so wie mir.

    Der Wink auf ADHS kam durch meine Arbeit als Lerntherapeut. 90% meiner Klienten haben ADHS und irgendwann sagte ich zu meiner Frau: Du, meine Klienten, die sind wie ich.


    Heute macht alles Sinn und mit Therapie und Medikamenten ist vieles so viel einfacher. Das Leben ist einfacher, weniger anstrengend und damit besser geworden. Insofern: auch wenn ich ein sehr funktionaler ADHSler bin, bin ich sehr froh um die Diagnose. (kümmer dich aber vorher um Lebensversicherung und Berufsunfahigkeitsversicherung. Die sind mit ADHS nahezu unmöglich oder sehr sehr teuer).

    Für dein Kind gilt das selbe. Autismus und adhs überschneiden sich und widersprechen sich häufig. Wenn beides vorliegt, ist es wichtig beides zu behandeln. Eine Autismus Therapie enthält z.b. Keine Medikamente, ohne die der Dopamin und Noradrenalinmangel aber nicht in den Griff zu bekommen ist - man arbeitet also ständig mit einem Gehirn, dass eigentlich besser funktionieren könnte, es aber ohne die Stoffe nicht kann.

    Das kann klappen, ist aber nicht effektiv und meiner persönlichen Meinung nach unnötig anstrengend, Zeitraubend und Kräfte zehrend. Bei so gut wie keiner Krankheit laviert man so um Medikamente herum wie bei ADHS 😅

    Disclaimer: ich bin kein Psychiater. Am Ende entscheidet das alles ein Psychiater nach einer ordentlichen Diagnostik und Untersuchung.

  • So, Quellenlage ( AndreMW )

    ADHS-Medikamente bei Borderline (2023)

    Quelle: https://jamanetwork.com/journa…kopen/fullarticle/2805752

    Question: What is the comparative effectiveness of pharmacological treatments on the risk of suicidal behavior among individuals with borderline personality disorder (BPD)?

    Findings: In this comparative effectiveness research study of 22 601 individuals with BPD, the use of attention-deficit/hyperactivity (ADHD) medication was associated with a reduced risk of suicidal behavior. No other pharmacotherapy (ie, antidepressants, antipsychotics, mood stabilizers, or benzodiazepines) was associated with a reduced risk of suicidal behavior.

    Die globale Prävalenz von ADHS bei Kindern und Jugendlichen (2023)

    Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10120242/

    Results: This analysis includes 61 cross-sectional research, with 53 research used to determine the prevalence of ADHD in children, 7.6% of 96,907 children aged 3 to 12 years had ADHD (95% confidence interval: 6.1–9.4%), and 5.6% of teenagers aged 12 to 18 years have ADHD (95% confidence interval: 4.8-7%). The prevalence of ADHD in children and adolescents according to the DSM-V criterion is also higher than previous diagnostic criteria, according to studies.

    Der große wissenschaftliche ADHS-Konsens (The World Federation of ADHD International Consensus Statement - 208 Evidence-based Conclusions about the Disorder) (2021)

    Quelle: https://www.sciencedirect.com/…4976342100049X?via%3Dihub

    Highlights

    - ADHD occurs in 5.9 % of youth and 2.5 % of adults.

    - Most cases of ADHD are caused by the combined effects of many genetic and environmental risks.

    - There are small differences in the brain between people with and without ADHD.

    - Untreated ADHD can lead to many adverse outcomes.

    - ADHD costs society hundreds of billions of dollars each year, worldwide.

    Effizienz der ADHS-Medikamente in der Behandlung von ADHS (2018)

    Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6109107/

    Findings: 133 double-blind randomised controlled trials (81 in children and adolescents, 51 in adults, and one in both) were included. The analysis of efficacy closest to 12 weeks was based on 10 068 children and adolescents and 8131 adults; the analysis of tolerability was based on 11 018 children and adolescents and 5362 adults. The confidence of estimates varied from high or moderate (for some comparisons) to low or very low (for most indirect comparisons). For ADHD core symptoms rated by clinicians in children and adolescents closest to 12 weeks, all included drugs were superior to placebo (eg, SMD −1·02, 95% CI −1·19 to −0·85 for amphetamines, −0·78, −0·93 to −0·62 for methylphenidate, −0·56, −0·66 to −0·45 for atomoxetine). By contrast, for available comparisons based on teachers' ratings, only methylphenidate (SMD −0·82, 95% CI −1·16 to −0·48) and modafinil (−0·76, −1·15 to −0·37) were more efficacious than placebo. In adults (clinicians' ratings), amphetamines (SMD −0·79, 95% CI −0·99 to −0·58), methylphenidate (−0·49, −0·64 to −0·35), bupropion (−0·46, −0·85 to −0·07), and atomoxetine (−0·45, −0·58 to −0·32), but not modafinil (0·16, −0·28 to 0·59), were better than placebo. With respect to tolerability, amphetamines were inferior to placebo in both children and adolescents (odds ratio [OR] 2·30, 95% CI 1·36–3·89) and adults (3·26, 1·54–6·92); guanfacine was inferior to placebo in children and adolescents only (2·64, 1·20–5·81); and atomoxetine (2·33, 1·28–4·25), methylphenidate (2·39, 1·40–4·08), and modafinil (4·01, 1·42–11·33) were less well tolerated than placebo in adults only. In head-to-head comparisons, only differences in efficacy (clinicians' ratings) were found, favouring amphetamines over modafinil, atomoxetine, and methylphenidate in both children and adolescents (SMDs −0·46 to −0·24) and adults (−0·94 to −0·29). We did not find sufficient data for the 26-week and 52-week timepoints.

    Miss Diagnosis - A systematic Review of ADHD in adult Women (2023)

    Quelle: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/10870547231161533

    Results:

    Four key themes emerged: Impacts on social-emotional wellbeing, Difficult relationships, Lack of control, and Self-acceptance after diagnosis.

    Conclusion:

    This knowledge can be used to advance the understanding of ADHD in adult women and the implications for late diagnosis in women.

    Methylphenidat und Autismus-Spektrum (2020)

    Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7463802/

    Abstract:
    Autism spectrum disorder (ASD) often co-occurs with attention deficit/hyperactivity disorder (ADHD). Although methylphenidate (MPH) efficacy and safety are well-demonstrated for ADHD, evidences are scant in the context of ASD. This naturalistic study aimed to analyze long-term MPH efficacy and safety in 40 ADHD children and adolescents with comorbid ASD, comparing them with 40 ones affected by ADHD without ASD. Treatment lasted from 6 to 156 months (longer than 24 months in more than three quarters of patients). Efficacy and safety were measured by clinical global impression and children global assessment scales; influence of intellectual functioning was examined. Comparisons between groups were made by Wilcoxon or Friedmann tests; relationships between functioning scores and other characteristics were analyzed by ordinal logistic and linear regression. Results demonstrated that MPH in patients with ASD was associated with significative reduction of illness severity, clinical improvement and amelioration of global functioning, without significant differences with patients having ADHD without ASD. The trend of reduction of illness severity and increase of global functioning were favorably related with intellectual functioning. No serious adverse events were reported. The findings showed that long-term MPH was effective and well-tolerated in ADHD children and adolescents with comorbid high functioning ASD.

    Aber immer noch relevant

    Nein, eben genau das nicht mehr. Denn in den letzten 15 Jahren hat sich in der Forschung massiv was getan, besonders im Hinblick auf bildgebende Verfahren im Gehirn und die Messung von Aktivität des Gehirns durch Dopamin / Noradrenalin. Wir wissen nun sogar konkret, dass das Gehirn von ADHSlern anders entwickelt ist durch den Mangel an Dopamin und Noradrenalin und besonders in der Kindheit und Jugend auch zurück hängt. Tut mir Leid Andre, du bist hier leider auf dem "alten" Stand der heute noch so viele Probleme in der Behandlung macht, weil genau die Dinge die du wieder gibst, eine effektive Behandlung teilweise ver- oder behindern.
    Nachtrag: Und ich meine das nicht als bösen Vorwurf, sofern du bereit bist, dein Bild zu überdenken. Ich mach das Ganze nun seit ca. 2 Jahren und es ist extrem anstrengend, auf dem Stand der aktuellen Forschung zu sein und diese auch einzuordnen. Nicht jede Studie die einen Hinweis auf etwas findet, beweist gleich etwas. Deswegen achte ich sehr auf Metastudien und auf in Zeitschriften für Psychiatrie publizierte Studien, sowie der Rückgriff auf den ADHS-Deutschland e.V.

  • Studie 1 beschäftigt sich hauptsächlich mit Borderline und Off-Label Verwendung von ADHS-Medikamenten für Borderline.
    Studie 2 gibt Zahlen für Kinder, aber nicht den Anteil aller ADHS. Zudem ist sie stark von den Diagnosen abhängig, die nicht auf ihre Korrektheit überprüft wurden.

    Studie 3 belegt, dass die Gesamtzahl auf jeden Fall 5 oder weniger % sind.

    Studie 4-5, ich hab nie in Abrede gestellt, dass die Medikamente wirken, aber auch die Leitlinien raten von einem zu großen Fokus allein darauf ab. Und tatsächlich wird im Durchschnitt immer noch mehr als notwendig verschrieben und sogar einige Nebenwirkungen der Medikamente auf ADHS geschoben.

    Die reine Dopamin-Theorie ist zudem wiederlegt, da wie auch bei fast allen anderen Störungen/Neurodiversitäten die Vorgänge weitaus komplexer sind als früher dargestellt. Es gibt eben nicht das eine Wundermittel oder Wundergen mit dem sich alles regeln lässt. Deswegen setzt sich die vollumfängliche Behandlung, die Medikamente nur als eine Stellschraube von vielen ansieht immer mehr durch.

    L'Art Noir
    Game Design, Translation and Media Studio

    Einmal editiert, zuletzt von AndreMW ()

  • Studie 1 beschäftigt sich hauptsächlich mit Borderline und Off-Label Verwendung von ADHS-Medikamenten für Borderline.

    Ja richtig. Und davon habe ich in meinem Beitrag gesprochen. Und aufgrund dieser Studie gibt es wissenschaftlich aktuell die Überlegung inwieweit Borderline eigentlich Borderline, oder eben ADHS ist.

    Studie 4-5, ich hab nie in Abrede gestellt, dass die Medikamente wirken, aber auch die Leitlinien raten von einem zu großen Fokus allein darauf ab.

    Die Leitlinien befinden sich seit 2018 in Überarbeitung. Wir haben einzig und allein in Deutschland den Punkt, dass sich die Leitlinien gegen die erschlagende Evidenz der Wirksamkeit von Medikamenten sträuben. Sie sind das einfachste und beste Mittel.
    Aber:

    von einem zu großen Fokus allein darauf ab.

    sie sollten nie die einzige Therapie sein. Das habe ich in meinem Beitrag auch angesprochen. Es sollte wenn möglich - je nach Konglomerat der Störungen - mind. eine Verhaltenstherapie, eventuell auch eine Psychotherapie stattfinden.

    und sogar einige Nebenwirkungen der Medikamente auf ADHS geschoben.

    und sogar noch viel mehr. Richtig. Weil wir Massenweise Psychiater haben, deren Wissen über Medikamente, die unterschiedliche Wirkung unterschiedlicher Präparate trotz gleichem Wirkstoffs, die unterschiedliche Retardierung der Präparate und die bessere Evidenz von Lisdexamfetamin über Methylphenidat bei Erwachsenen, einfach auf dem Stand von vor 15 Jahren ist.

    Es gibt eben nicht das eine Wundermittel oder Wundergen mit dem sich alles regeln lässt

    Es hat nie jemand von einem Wundermittel gesprochen. ADHS ist nicht heilbar und Medikamente überschreiben keine jahrelang erlernten Verhaltensweisen und Denkmuster. Aber Medikamente gleichen das aus, was physiologisch schief läuft - Dopamin und Noradrenalin im Gehirn.

    Die reine Dopamin-Theorie ist zudem wiederlegt

    Nein, ist sie eben nicht. (Widerlegt schreibt man übrigens ohne ie). Wir wissen: Dopamin und Noradrenalinmangel sind der Grund für die Entwicklung dessen, was wir am Ende Symptome nennen. Das sind Verhaltensweisen und Denkmuster die entstanden sind, weil die entsprechenden Stoffe fehlen und das Gehirn auf der Suche nach Ihnen ist. Aber nicht nur das, Dopamin ist ein Neurotransmitter, das heißt es verbessert die Kommunikation der Neuronen im Gehirn (Stichwort Aktionspotenzial) mit zu wenig Dopamin, schaffen es die Neuronen oft nicht so miteinander zu kommunizieren, wie sie es sollten. Das Ergebnis ist, dass neuronale Verbindungen die sich bilden sollten, eben nicht gebildet werden und dafür andere (weniger optimale oder effektive). Deswegen haben auch die sog. Umweltfaktoren (Erziehung etc.) solch einen großen Einfluss auf die Symptome. Deswegen ist nicht jeder ADHSler ein Zappelphillip (Hyperaktiv) sondern es gibt auch in sich gekehrte, ruhige ADHSler (hypoaktiv).
    Dopamin und Noradrenalin sind vielleicht tatsächlich nicht die einzigen Faktoren im Gehirn. Aber sie sind ein gewichtiger Faktor. Das zeigt eben auch die Therapie mit Abbauhemmenden Wirkstoffen wie Methylphenidat und Lisdexamfetamin.

    Mein Wissen über die aktuelle Studienlage und meine Datenbank gehen weit über das hinaus, was ich hier verlinkt habe. Aber im Gegenteil zu dir, ist mein Kram keine 15 Jahre alt.

    Schauen wir hier: ADHD Diafnostic Trends: Increased Recognition or Overdiagnosis?
    Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9616454/
    Abstract:
    The prevalence of Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD) has seen a consistent rise in recent years. These numbers spark a debate over the reason for the observed trends, with some concerned about over diagnosis and over prescription of stimulant medications, and others raising the issue of diagnostic disparities, particularly in underrepresented populations. In this paper we look at both sides, starting with the history of ADHD and its diagnostic criteria changes, from early concepts of alterations in attention and hyperactivity in the 19th and 20th century, to its introduction in the Diagnostical and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM), and its evolution into how it is defined today. The general broadening of ADHD diagnostically over time plays a role in the increased prevalence over the years, but it is not the only reason. Increased awareness of physicians and the public is also believed to play a big role, particularly in underrepresented minorities and women. However, there continues to be disparities in detection of ADHD in these groups. There are significant consequences to a patient’s social, interpersonal, and professional life when ADHD is left unrecognized and untreated. Thoughtful evaluation, accurate diagnosis, and adequate treatment can make a big difference. (Fettmachung durch mich)

    und hier zur Evidenz der pharmakologischen Therapie:
    "In the first “gold standard” study comparing the different treatment approaches for ADHD alone and in combination (National Institute of Mental Health Collaborative Multimodal Treatment Study of Children with ADHD [MTA study]), the effects of both pharmacological therapy (methylphenidate and intensive counseling) and of multimodal therapy (methylphenidate and intensive behavioral therapy) were significantly more effective after 14 months than behavioral therapy alone or than the “standard” therapy (treatment as usual in the community) of the control group. The multimodal therapy was not significantly superior to pharmacological therapy alone, but did result in significant improvements in ADHD symptoms at a lower dosage of methylphenidate. [240] Since the MTA study, numerous studies have investigated methylphenidate, amphetamine, and nonstimulants like atomoxetine or α 2 -adrenoceptor agonists, such as clonidine and guanfacine, regarding different aspects of effectiveness and tolerability." (Fettmachung durch mich)
    aus: ADHD Current Concepts and Treatments in Children and Adolescents (2020): https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7508636/

    hier noch konkret eine Metastudie zu den unterschiedlichen Wirkstoffen: Comparative efficacy and tolerability of medications for attention-deficit hyperactivity disorder in children, adolescents, and adults - a systematic review and network meta-analysis (2020) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6109107/


    Findings

    133 double-blind randomised controlled trials (81 in children and adolescents, 51 in adults, and one in both) were included. The analysis of efficacy closest to 12 weeks was based on 10 068 children and adolescents and 8131 adults; the analysis of tolerability was based on 11 018 children and adolescents and 5362 adults. The confidence of estimates varied from high or moderate (for some comparisons) to low or very low (for most indirect comparisons). For ADHD core symptoms rated by clinicians in children and adolescents closest to 12 weeks, all included drugs were superior to placebo (eg, SMD −1·02, 95% CI −1·19 to −0·85 for amphetamines, −0·78, −0·93 to −0·62 for methylphenidate, −0·56, −0·66 to −0·45 for atomoxetine). By contrast, for available comparisons based on teachers' ratings, only methylphenidate (SMD −0·82, 95% CI −1·16 to −0·48) and modafinil (−0·76, −1·15 to −0·37) were more efficacious than placebo. In adults (clinicians' ratings), amphetamines (SMD −0·79, 95% CI −0·99 to −0·58), methylphenidate (−0·49, −0·64 to −0·35), bupropion (−0·46, −0·85 to −0·07), and atomoxetine (−0·45, −0·58 to −0·32), but not modafinil (0·16, −0·28 to 0·59), were better than placebo. With respect to tolerability, amphetamines were inferior to placebo in both children and adolescents (odds ratio [OR] 2·30, 95% CI 1·36–3·89) and adults (3·26, 1·54–6·92); guanfacine was inferior to placebo in children and adolescents only (2·64, 1·20–5·81); and atomoxetine (2·33, 1·28–4·25), methylphenidate (2·39, 1·40–4·08), and modafinil (4·01, 1·42–11·33) were less well tolerated than placebo in adults only. In head-to-head comparisons, only differences in efficacy (clinicians' ratings) were found, favouring amphetamines over modafinil, atomoxetine, and methylphenidate in both children and adolescents (SMDs −0·46 to −0·24) and adults (−0·94 to −0·29). We did not find sufficient data for the 26-week and 52-week timepoints.

    Interpretation

    Our findings represent the most comprehensive available evidence base to inform patients, families, clinicians, guideline developers, and policymakers on the choice of ADHD medications across age groups. Taking into account both efficacy and safety, evidence from this meta-analysis supports methylphenidate in children and adolescents, and amphetamines in adults, as preferred first-choice medications for the short-term treatment of ADHD. New research should be funded urgently to assess long-term effects of these drugs.

  • Geduld ist nun echt nicht meine Stärke 😂

    Aber ich führe genau diese Diskussionen täglich mit Eltern und Fachpersonen die entweder ADHS abstreiten, glauben "wir stellen unsere Kinder ruhig" oder eben auf dem Wissensstand von vor 15 Jahren sind.

    All das ist schade und schadet den Betroffenen. Und ich bin Betroffener. Meine Frau ist Betroffene und anhand dessen was wir über die Erblichkeit von ADHS wissen ist meine Tochter auch betroffen - und ich tue alles dafür das Wissen zu erlangen ihr eine möglichst positive Entwicklung mit und trotz ADHS zukommen zu lassen. Denn wir wissen auch - je besser die Umweltfaktoren desto weniger die Symptome. Und für mich ein Lichtblick:

    Aktuelle Studien deuten(!) darauf hin, dass eine Medikation vor und während der Pubertät die Symptome nach der Pubertät wesentlich abschwächt.

  • Wirklich immer noch eine spannende Diskussion. So tief kann ich fachlich nichts beitragen, gehöre selber zum "betroffenen Kreis" mit Erfahrung und gefährlichem Halbwissen. Spannend finde ich die Aussage weiter oben, das ADHSler sich suchen und finden. Erklärt so einiges über mich ;)


    Ich habe mal ne frage: Wenn Diagnosen wie ADHS oder Spektrumsstörung im Raum stehen: Deuten "komisch" aussehende Bewegungen, z.B. beim Sport in eine Richtung hin? Ich meine jetzt, dass ein Kind halt einfach beim Sport "unrund", nicht richtig "flüssige" Bewegungsabläufe hat. Sonnst beim Laufen oder Radfahren keine Besonderheiten. Das Kind ist jetzt auch eher überdurchschnittlich sportlich, sieht nur in der Bewegung anders als die Vergleichsgruppe aus. Solche Fragen sind ja gelegentlich in den Diagnosebögen drin, und es ist mir jetzt mal akut aufgefallen.

  • Und wie sieht es denn bei mir aus, sollte ich mich selbst um eine Diagnose bemühen? Ich denke eigentlich, dass ich ziemlich 'alltagstauglich' bin, aber wenn man meinen Lebensweg anschaut, ergibt das im Nachhinein betrachtet schon alles irgendwie Sinn...

    Danke euch! :danke:

    Ich habe einen Freund, der sich mit um die 40 auch noch einmal diagnostizieren lassen hat. Auf einmal konnte er rückblickend vieles erklären, war ein ziemliches Aha-Erlebnis, und nun gezielt damit umgehen, was ihm im Alltag/Beruf hilft sowie mit seinem Kind und Partnerschaft.

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  • Ich habe mal ne frage: Wenn Diagnosen wie ADHS oder Spektrumsstörung im Raum stehen: Deuten "komisch" aussehende Bewegungen, z.B. beim Sport in eine Richtung hin? Ich meine jetzt, dass ein Kind halt einfach beim Sport "unrund", nicht richtig "flüssige" Bewegungsabläufe hat. Sonnst beim Laufen oder Radfahren keine Besonderheiten. Das Kind ist jetzt auch eher überdurchschnittlich sportlich, sieht nur in der Bewegung anders als die Vergleichsgruppe aus. Solche Fragen sind ja gelegentlich in den Diagnosebögen drin, und es ist mir jetzt mal akut aufgefallen.

    Schwierige Frage zu der mir tatsächlich nichts konkretes einfällt. Unpassende Verhaltensweisen oder Bewegungen - gibt es durchaus als mit Autismus-Spektrum assoziiert - aber ich finde die Beschreibung zu ungenau und insgesamt ist das kein bestimmendes Merkmal. Da gibt es bei ADHS wie ASS ganz andere Dinge.

    Wenn beides im Raum steht aber auch daran denken: 80% aller ASSler haben ADHS und ca. 20% aller ADHSler sind ebenso ASSler. (und ganz wichtig: Autismus heißt nicht, das man niemandem in die Augen gucken kann oder ein Physik Genie ist :D - ich hab allerdings einen solche Klienten und es ist grandios erfrischend mit einem Menschen zu arbeiten und zu lernen, der/die 20-30min braucht um die ersten 500 Stellen von PI auswendig zu lernen. Da wird einem wirklich erst klar, was unser Gehirn theoretisch leisten kann :O)