Twilight Azeroth (Twilight Struggle Retheme)

  • Ahoi zusammen!


    Ich bin ein Fan vom klassischen wie genialen Twilight Struggle (Disclaimer: Welches ich auch besitze und direkt beim Verlag gekauft habe). Dennoch störte mich immer die recht trockene Präsentation, das Material und die in meinen Augen tristen Karten. Mit meiner Frau konnte ich das Spiel auch nie auf den Tisch bringen, weil es sie vom Thema ziemlich abschreckt. So unterhaltsam war/ist der kalte Krieg auch nicht wirklich.


    Ich bin aber auch ein noch größerer Fan von Warcraft und seiner Welt (pun included) und habe schon mit meinem Pax Nordend (Pax Pamir 2 Retheme) bewiesen, dass ich ein spannendes, aber thematisch für uns nicht so passendes Spiel durch ein für mich spannenderes Fantasy-Thema und schöneres Material für meine Sammlung "retten" kann. Was liegt da also ferner, als genau das mit Twilight Struggle zu wiederholen?


    So habe ich zu Beginn erstmal die Karten studiert und habe mir alle Verknüpfungen und Verbindungen herausgeschrieben. Sogar einige Taktiken habe ich mir auf twilightstrategy.com durchgelesen und notiert. Und dann kam der spaßige Teil der Recherche: Ich habe Warcraft 3 und The frozen throne nochmals durchgespielt - was ein Fest nach über 20 Jahren!


    Mit dieser Vorbereitung bin ich dann jede Karte nochmal durchgegangen und habe mir überlegt, wo ich das Retheme zeitlich ansiedeln könnte und welche Figuren wo vorkommen müssen. Und das ist gar nicht so schwierig (Achtung, jetzt kommt Nerd-Kram!): Zur Zeit der Invasion der Brennenden Legion ("Reign of chaos") finden wir genau den Zustand, den wir brauchen. Es gibt einen gemeinsamen Feind, den es zurückzuschlagen gilt. Dennoch schenkt man sich keinen Meter Boden und wie wir aus der weiteren Geschichte der Spielewelt wissen, gab es nicht nur einen großen Krieg, sondern gleich mehrere.


    Wir beginnen also im frühen Krieg mit Thrall als Kriegshäuptling bzw. König Menethil, die beide von Medivh in ihren Träumen heimgesucht werden - dieser "tingelt" von Person zu Person und versucht sich Gehör zu verschaffen - die perfekte "China-Karte". Im mittleren Krieg dann befinden wir uns in der Zeit von Garrosh und Vol'Jin auf Seite der Horde sowie Varian Wrynn auf Seite der Allianz, welche dann im späten Krieg durch Sylvanas und Andiun abgelöst werden. Dabei dürfen natürlich die Persönlichkeiten wie Maiev Schattensang und Illidan, Tyrande, Jaina, Uther und viele weitere Bekannte Gesichter nicht fehlen! Es gibt hier zu viele Verbindungen und wirklich toll passende Wechselwirkungen, um sie alle aufzuzählen. Es war aber als WoW-Fan ein Fest diese herauszusuchen und mit TS in Verbindung zu bringen! Dieser Vorgang hat - natürlich immer in meiner Freizeit wenn mal kreative Energie übrig war - gut und gerne 3-4 Monate gedauert.


    Dann ging es an den Spielplan und hier war meiner Meinung nach noch sehr viel Fleisch am Messer! Zuerst nahm ich mir die Karte von Azeroth (der Welt von Warcraft) und versuchte zu ermitteln, welche Länger denn welche Gebiete sein könnten. Interessanter Weise passte es in den meisten Fällen extrem gut, sodass ich mir Vashj'ir und Pandaria (als Mittlerer Osten und Afrika) noch dazu ziehen musste. Die Größenverhältnisse sind natürlich nicht mehr originalgetreu, aber es funktioniert. Ich mochte die Zustands-Token aus dem Original nicht, also wollte ich, dass Karten, die das Spiel langfristig beeinflussen und einen andauernden Effekt haben, auch auf dem Spielfeld sehen. Und zwar mit der Region/dem Gebiet verbunden, das von ihnen beeinflusst wird. Gesagt - getan. Dadurch wuchs die Karte immer weiter. Dann gefiel mir nicht, wie die Länder dargestellt wurden - es war immer nur für einen Spieler gut zu sehen und da vielleicht jeder weiß, wo Polen liegt, aber nicht auswendig wo Dalaran verortet ist - habe ich die Darstellung komplett überarbeitet. Dazu noch eine größere Stabilitätszahl und eine bessere Kennzeichnung für Regionenzugehörigkeit und Status (umkämpft oder nicht) und fertig waren die Gebiete. Die Anzahl, Orientierung und Verbindungen sind natürlich 1:1 dem Original entsprechend. So misst die finale Playmat 170x90cm - ein Traum im Vergleich! Es fühlt sich nicht mehr an wie ein Brettspiel, sondern wie eine Weltkarte während einer Taktikbesprechung ;)


    Ich mochte auch die Idee der Zahlenwürfel statt Tokens, also bestellte ich eine ganze Menge Holz-W6 in 4 verschiedenen Farben (je 1x für Einfluss und je 1x für Kontrolle). Dazu gab es dann ein selbst entworfenes 3D-Insert und 3D-Marker und fertig ist das schöne Spiel! Zum Schluss habe ich noch die Karten als Proxies ausgedruckt und mit dem Rest meiner WoW-TCG-Karten (als Hintergrund) gesleeved. Ein wenig musste ich inhaltlich verändern: Die "erforderlichen militärischen Operationen" sind nun schlicht zur Schau gestellte "Aggression" und der Defcon-Status ist die Feindseligkeit. Das bedeutete auch, dass ich die Skala dafür invertieren musste, was wiederum Textänderungen an einigen Karten nach sich zog. Darüber hinaus ist das Spacerace nun der Schlachtzugleiste gewichen, an deren Ende natürlich der Lichkönig Arthas auf uns wartet.


    Alles in allem hat mich dieses Projekt nun seit Sommer 2023 begleitet und ich bin nun endlich so weit, dass ich es spielen kann. So ist das Spiel für mich noch interessanter, obwohl es natürlich inhaltlich 1:1 identisch ist. Außer, dass diese Version ein für mich netteres Thema hat. Und opulenter aussieht. Und zugänglicher ist, weil ich eine große Menge "usability-features" eingebaut habe. Kurzum: Mein bisher aufwendigstes aber auch spannendstes Retheme :)


    Disclaimer: Da hier kein Verkauf, keine Verbreitung, keine Werbung (über diesen Bericht hinaus), und keine finanzielle Absicht sowie keine "Raubkopie" besteht, ist die Nutzung der Grafiken (die ich natürlich nicht alle selbst gezeichnet sondern im Internet herausgesucht) habe, durch §53 des UrhG abgedeckt und legal. Ich gebe keine Daten heraus, ich lade keine Vorlagen hoch, es ist ein Liebhaberprojekt für den eigenen Spieletisch und -Schrank, das mein Haus nicht mehr verlassen wird.


    Zum Schluss habe ich euch noch ein paar Impressionen hochgeladen.

  • Also nix für ungut, aber meiner Meinung nach braucht Twilight Struggle kein anderes Thema.

    Im Gegenteil: Gerade das Thema macht dieses Spiel doch so interessant und reizvoll.

    Irgendein x-beliebiges Fantasythema da drauf zu setzen, macht das Spiel viel unattraktiver.

    Will damit überhaupt nicht deine Arbeit schmälern, aber ein Twilight Struggle mit 08/15 Fantasythema - nö brauche ich nicht.

  • Es ist halt kein x-beliebiges Fantasythema. Sondern es ist World of WarCraft zu Zeit von Wrath of the Lichking.

    Für mich steht das thematisch auf der selben Ebene wie das historische Original. Mit dem Unterschied das Mätthis Umsetzung optisch wesentlich thematischer daher kommt.

  • Ich finds auch sehr sehr schön umgesetzt, Ich gehöre aber auch zu der Fraktion die da nicht noch ein anderes Thema für braucht unbedingt.

    Gibt ja auch schon andere Spiele, die da sehr sehr ähnlich sind

  • x-beliebiges Fantasythema da drauf zu setzen, macht das Spiel viel unattraktiver

    WoW ist genau so beliebig wie das originale Thema, was das Spiel betrifft. Und ich muss dir sagen, dass Du diese Aussage nur triffst, weil du anscheinend Warcraft und dessen mittlerweile seit 30 Jahren wachsende Geschichte nicht kennst. Denn Kern der Arbeit war nicht einfach irgendwelche Orcs auf die Karten zu setzen, sondern thematisch korrekte Verbindungen zu finden. Und wenn ich mir das Original ansehe, sind hier vielleicht mehr thematische Umsetzungen als im Original (in dem manche Karten zwar nach etwas thematischem benannt sind, aber schlicht „irgendwas“ machen).


    Die Verbindung zwischen Das Ausmerzen von Stratholme -> Medivhs Prophezeiung -> Allianz - > Belagerung von Karazhan ist wahrscheinlich sogar eine weniger abstrakte und direktere als zwischen Chinesischer Bürgerkrieg -> „Die China-Karte“ -> UDSSR -> Formosa Resolution. Und von diesen Beispielen gibt es einige. Es ist also nicht einfach nur ein optisches Retheme. Gerade darum hat die Umsetzung ja Monate gedauert :)

  • Da hast du in der Tat Recht.

    Ich kenne WoW nicht und es mir tatsächlich völlig egal.

    Dagegen ist das zeitgeschichtliche Thema von Twilight Struggle für mich einfach superspannend.

    Von WoW gibt es doch meines Wissens schon genug Spiele.

    Aber wie schon gesagt: Wer mit diesem Fantasysetting mehr anfangen kann, möge damit glücklich werden.

  • Weltraum ? Twilight Struggle ?

    oh je, da hab ich nicht gescheit gelesen. Dann könnte es ja doch interessant sein ;)

    Dachte schon du meinst die Space Race Leiste.

    geekeriki.tv

    YouTube.com/geekeriki

  • Da hast du in der Tat Recht.

    Ich kenne WoW nicht und es mir tatsächlich völlig egal.

    Dagegen ist das zeitgeschichtliche Thema von Twilight Struggle für mich einfach superspannend.

    Von WoW gibt es doch meines Wissens schon genug Spiele.

    Aber wie schon gesagt: Wer mit diesem Fantasysetting mehr anfangen kann, möge damit glücklich werden.

    Ist auch alles gut, muss ja auch nicht. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass es eben mehr ist als bloße Optik :)


    Ein Beispiel dafür, die Geschichte zweier Charaktere erzählt in Karten. Wer die Geschichte kennt, wird sie vielleicht erkennen ;)


    Edit: Und dabei habe in noch ein paar Allianz-Karten vergessen…

  • (...) Die Verbindung zwischen Das Ausmerzen von Stratholme -> Medivhs Prophezeiung -> Allianz - > Belagerung von Karazhan ist wahrscheinlich sogar eine weniger abstrakte und direktere als zwischen Chinesischer Bürgerkrieg -> „Die China-Karte“ -> UDSSR -> Formosa Resolution. (...)

    Da Frage ich mich, ob Du vielleicht einfach nur mehr über WoW als über die Formosaresolution weißt?

    Zunächst erscheint es schwer vorstellbar, dass eine von vergleichsweise wenig Personen ausgedachte, fiktive Geschichte auch nur annähernd den Detailreichtum und die Komplexität der von Milliarden Personen tatsächlich erlebten Geschichte erreichen oder gar übertreffen könnte.

    Dabei wäre das sogar ein Argument für das Retheme – gerade weil es sich "nur" auf WoW bezieht, ist es für Kenner der Materie zugänglicher, wohingegen die Zusammenhänge des Kalten Krieges viel schwerer zu überblicken sind, selbst von Zeitzeugen (oder gerade von Zeitzeugen).

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  • Das meinte ich anders, darum schrieb ich "direkter" statt "besser" :) Lass mich erklären:


    Die Verbindungen in der WoW-Variante beziehen sich auf Ereignisse, die teilweise nur Stunden auseinander liegen. (Arthas brennt Stratholme inkl. seiner Einwohner nieder (Ausmerzen von Stratholme) und bricht dadurch mit Uther und Jaina, die das Gemetzel nicht gutheißen. Dadurch sieht Medivh seine Chance endlich gehört zu werden und erscheint Jaina, kurz nachdem sie sich von Arthas abgewandt hat und überzeugt sie nach Kalimdor zu ziehen.) -> Spieleffekt: Platzier die Allianz 3 Einfluss in "Das Ausmerzen von Stratholme" erhält sie Medivhs Prophezeiung aufgedeckt und spielbereit.



    Wie Du schon sagst sind die Ereignisse im Original "weiter gefasst" und dadurch ein wenig passiver, indirekter. Der chinesische Bürgerkrieg ist natürlich ein viel größeres Event (und dadurch viel unbestimmter) als das Ausmerzen von Stratholme, was an einem einzigen Tag geschah. "Die China-Karte" ist eigentlich total abstrakt, darum heißt sie wohl auch so. Bei "mir" heißt sie "Medivhs Prophezeiung", welcher in der Geschichte als letzter Wächter Tirisfals die Gefahr durch die Brennende Legion kommen sah und darum (mehrfach!) versuchte sowohl die Allianz als auch die Horde zu beeinflussen gemeinsam in den Krieg zu ziehen. Er tingelte also mehrfach zwischen den Fraktionen hin und her - genau, was die Karte auch macht. Wo macht er das? In den Östlichen Königreichen (=Asien). Darum ergibt er als "China-Karte" auch total Sinn. Solang er seinen Einfluss in den Östlichen Königreichen wirkt, ist er stärker.



    Am Ende ist er sogar 1 SP für denjenigen wert, der ihn behält und dadurch quasi auf ihn hört. Denn wie wir alle wissen, hatte Medivh durchaus nicht unrecht mit seiner Sorge ;)

  • Danke für die ausführliche Antwort - "wie wir alle wissen", ist wahrscheinlich ironisch gemeint? :) Ich persönlich weiß gar nichts über WoW, ich kenne auch niemanden, der das so intensiv gespielt hat.

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  • Danke für die ausführliche Antwort - "wie wir alle wissen", ist wahrscheinlich ironisch gemeint? :) Ich persönlich weiß gar nichts über WoW, ich kenne auch niemanden, der das so intensiv gespielt hat.

    Ich auch nicht - und ich kenne auch niemanden, der sich mit WoW jemals befasst hat.


    Ich glaube nicht, daß jemand wirklich objektiv sein kann - alle Meinungen sind subjektiv.
    Natürlich gilt das auch für mich.

  • (...) Die Verbindung zwischen Das Ausmerzen von Stratholme -> Medivhs Prophezeiung -> Allianz - > Belagerung von Karazhan ist wahrscheinlich sogar eine weniger abstrakte und direktere als zwischen Chinesischer Bürgerkrieg -> „Die China-Karte“ -> UDSSR -> Formosa Resolution. (...)

    Da Frage ich mich, ob Du vielleicht einfach nur mehr über WoW als über die Formosaresolution weißt?

    Zunächst erscheint es schwer vorstellbar, dass eine von vergleichsweise wenig Personen ausgedachte, fiktive Geschichte auch nur annähernd den Detailreichtum und die Komplexität der von Milliarden Personen tatsächlich erlebten Geschichte erreichen oder gar übertreffen könnte.

    Es gibt dazu einen Ausdruck, der mir aber grade nich einfällt. Der Kern ist jedenfalls "erfasste Komplexität".

    Es gibt durchaus sehr komplexe fiktive Geschichten. Nehmen wir Ein Lied von Eis und Feuer (oder Das Rad der Zeit). Da gibt es irre komplexe historische und soziokulturelle Entwicklungen und Bezüge.
    Dasselbe gilt für Warcraft auch: Da steckt schon eine sehr, sehr weitreichende und komplexe Historie in der Welt.

    Nun ist die echte Welt natürlich noch sehr viel komplexer, eben weil die fiktive Welt einen Rand hat, eine Grenze, hinter der sie nicht mehr existiert. Das gibt es in der Realität nicht. In der Realität gibt es durchaus Verbindungen, die zeigen, dass der Wiener Kongress ein Faktor war, der zum Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs geführt hat. Das sind Komplexitäten, die fiktive Historien nicht erreichen.


    Was aber entscheidend ist, ist die "erfasste Komplexität". Liest man Ein Lied von Eis und Feuer, oder spielt man Warcraft 1-3 und nochmal die ganze Geschichte von World of Warcraft, besitzt man einen umfassenden Einblick in diese Komplexität. Und die ist vermutlich mehr als das, was man über die Komplexität der Beteiligung Chinas am Kalten Krieg weiß. Aber selbst wenn man sich im selben Maße mit Chinas Anteil am Kalten krieg beschäftigen würde, könnte man nie die gesamte Komplexität erfassen, weil die eben viel zu weit geht, weil es da keine Grenzen gibt.


    Am Ende ist selbst im besten Falle das, was man über China weiß, ebenso komplex, wie das, was man über Azeroth weiß, weil unser Verstand nur bis zu einem gewissen Grad Komplexität erfassen kann. Alles darüber hinaus nehmen wir nicht mehr war.
    Fiktive Historien lassen sich oft in ihrer Gänze erfassen, weil sie von Natur aus selten mehr beinhalten, als wir erfassen können. Und reale Historien können wir nur bis zu diesem Höchstmaß erfassen.
    Das kann dann zum False Balance Schluss führen: "Die fiktive Historie von Azeroth ist ebenso komplex/komplexer als die Historie Chinas." Oder dass Chinas Historie abstrakter sei. Fiktive Historien sind selten abstrakt, weil sie am Ende immer auch "unterhaltsam" sein müssen. Reale Historien sind in den seltensten Fällen unterhaltsam (weswegen sie für Film und Fernsehen auch immer dramaturgisiert werden) und erscheinen daher abstrakter.