Alles anzeigenMich würde einmal interessieren wo du die Zielgruppe für dein Spiel siehst.
Nach meinem Eindruck ist es zu komplex, zu grüblerisch und stellenweise zu unthematisch um Fußballfans aufgrund des Themas zu einem Kauf zu veranlassen. Nach meiner Einschätzung würde eine deutlich leichter Kost einen größeren Anreiz für eine Probepartie bieten, für Spielende die sich hauptsächlich von dem Thema angesprochen fühlen.
Für Spielende, die mehr aus der grüblerischen Ecke der 2-Personen spiele kommen, dürfte allerdings das Spiel doch etwas zu viel Thema haben. Alleine der riesige Spielplan könnte hier viele abschrecken. Im Vergleich dazu denke ich hier an recht abstrakte Spiele wie Schach, Yinsh oder Onitama.
Ohne jetzt ein Spiel beurteilen zu wollen hat zum Beispiel Karak für mich eine eindeutige Zielgruppe. Nerd-Eltern die ein sehr einfaches Fantasie-Spiel mit ihren Kindern spielen möchten.
Ich stelle mir immer die Frage wem würde ich meinen neuen Prototyp empfehlen. Also in etwa so: „Ich würde dir empfehlen meinen neuen Prototyp einmal auszuprobieren, wenn dir Spiele wie …. gefallen“. Wenn man keine gute Beispiele für einen Vergleich hat, hat man entweder etwas völliges neues entwickelt, oder keine wirklich Zielgruppe.
Hi Marcus, ers Mal Danke für Deine Gedanken über das Spiel.
Einem Verlag habe ich Soccéno vorgestellt. Er hat weitgehend die Zielgruppe Familie und bringt auch immer mal wieder Fußball Spiele auf den Markt, die auch von gestandenen YoutTubern begeistert beworben wurden, heute aber nicht mehr zu finden sind, ...also die Spiele. Der Redakteur fand manche Ansätze interessant, sagte aber direkt ab ohne auch nur den Prototyp anzufordern. Sie suchen Spiele, die einen gewissen Glücksfaktor haben. Die Mail schloß er mit den Worten, er verstehe auch nicht, warum Fußball Brettspiele auf dem Markt nicht funktionieren. Vielleicht hat er sich die Frage unbewusst selbst beantwortet.
Dieses Jahr beschloß ich spontan, auf das Göttinger Autorentreffen zu gehen, war mit meinem Sohn dort. Nicht ein Verlag hat sich auch nur in der Nähe unseres Tisches blicken lassen. Aus dieser Sicht ein völliges Desaster. Natürlich hatte ich auch in praktischen Dingen in Vorbereitung der Messe Fehler gemacht. Mir wurde erst im Laufe der Messe klar, wie der Markt funktioniert. Das ergab sich auch in vielen Gesprächen mit anderen Autoren, die mittlerweile seit Jahren dabei sind und die Fallstricke kennen, weil selbst durchgemacht.
Gegen späten Nachmittag war plötzlich auch ein wenig öffentliches Publikum in der Halle. Eigentlich war der Tag nicht für Publikum zugänglich. Aber sie waren da. Mein Sohn war alleine am Tisch, ich im Gespräch paar Tische weiter. Ich konnte beobachten, dass eine Mutter mit zwei Jungs, irgendwas zwischen 10 und 13 an unserem Tisch standen und das Spiel mit meinem 16 jährigen Sohn anspielten. 10 Minuten später zog die Mutter die Kids vom Tisch weg um weiterzugehen, die anderen Tische zu besuchen. So 20 Minuten später erschienen die beiden ohne Mutter wieder bei meinem Sohn am Tisch und spielten 15 Minuten weiter, ehe die Mutter sie endgültig wegrief.
Am Ende des Tages war ich natürlich erst mal deprimiert und spielte mit dem Gedanken, das Projekt in die Tonne zu treten. Mit laufendem Abstand zu diesem Tag analysierte ich nochmal rationaler. Ja, kein Verlag hat sich für Soccéno interessiert. Andererseits hatte es sich auch kein einziger Verlag angeschaut. Die Frage, ob das Spiel nun zu schlecht ist, war deshalb auch nicht beantwortet. Andererseits gab es die 2 Jungs, die trotz dem riesigen Angebot an teilweise wirklich tollen Spielideen zu meinem Sohn an den Tisch zurückgekehrt sind um Soccéno nochmal zu spielen. Sie hätten es nicht tun müssen. Ich hab meinen Sohn später gefragt, wie es war. Es hatte ihnen gefallen.
Der Fisch, der Wurm und der Angler
Verlage werden Soccéno nicht umsetzen, das ist mir mittlerweile klar. Verlage definieren ihre Anforderungen an ein Spiel und verfahren ziemlich konsequent nach diesem Raster. Ich denke, daß Soccéno wohl immer durch dieses Raster fallen wird, unter anderem, weil sie eine eindeutig eingrenzbare Zielgruppe dafür nicht sehen, ähnlich wie Du es ja auch in deinem Beitrag problematisierst. Damit wird es für sie nicht skalierbar und somit unkalkulierbar.
Aber vielleicht gibt es ja eine Zielgruppe, die bisher nur nicht auf dem Radar der Spielbranche erfasst ist. Soccéno ist ja ein rein kompetitives Spiel, eigentlich ein Turnierspiel, bei dem man sich gegen seinen Gegner beweisen kann. Der Reiz, seine Idee und Taktik vielleicht an einem bis dato völlig unbekannten Gegner zu testen.
Etwas was ja auch Jugendliche täglich online suchen und erleben. Wer ist der bessere von uns beiden, in der Gruppe? Oder die Familien, die heute auch durch das Onlinezocken Zeitalter aufgespalten werden. Gemeinsam zuhause aber dennoch getrennt. Bei vielen Familien sind Brettspiele kein Thema. Vater und Sohn bei Fortnite wird es kaum geben. Aber vielleicht ja bei einer an Fußball angelehnten Competition, die beide im gegenseitigen Wettbewerb fordert. Auch den Sohn, der spielerisch abstrakt agieren lernt. Und vielleicht sind das Jugendliche, die mit Brettspielen ansonsten wenig anfangen können, ebenso wie ja auch viele Väter. Aber sich gegenseitig am Thema Fußball zu beweisen ändert das für beide.
Ich hatte am Anfang keine bestimmte Zielgrupppe im Visier, weil ich mich auch überhaupt nicht als "Spieleautor" sah. Ich sah es mehr als Herausforderung, den Widerspruch der Dynamik von Fußball und der Statik eines Brettspiels aufzulösen, so weit es eben geht.
Und noch kurz zu deinen anderen Anmerkungen:
Die Spannungsfelder Thematik/Abstraktion/Strategie/ Grübel Lastigkeit/Faktor Glück" sind natürlich die Dinge, die mich seit dem ersten Tag begleiten. Sie sind mein geistiger Brainfuck als Ausgleich zur körperlichen Arbeit. Das Grund Dilemma kann ich nicht lösen, weil ich das Grübeln nie vermeiden kann, wenn ich ein Spiel will, in dem es keinen Einfluss von außen gibt. Selbst der Einsatz von Würfeln oder Karten würde das Grübeln nicht verhindern. Es soll ja auch gegrübelt werden. Die einzige Möglichkeit war, den strategischen und damit zu grüblerischen Ansatz soweit zu minimieren und zu erschweren als geht. Die Quadratur des Kreises sozusagen.
Da ich hier mit Worten des erläuterns natürlich immer wieder an Grenzen stosse, werde ich innehalb der nächsten 14 Tage ein kleines Making of Video machen, in dem ich das Spiel erkläre und einiges vielleicht dadurch etwas klarer wird. Denn alles was mich schon bei der Entwicklung von Soccéno forderte entspricht eigentlich weitgehend den Kritikpunkten, die hier im Thread zu lesen sind.
In diesem Sinne