Nach unserem letzten grandiosen Scheitern war es gestern (und heute) nun in einem Anfall sponaner Spielwut soweit: Sands of Shurax Reloaded
Der Echsenmenschen-Assassine Critique al’Stabbah und die aus Tarri stammende Dervish(in?) Ras’al’Jule brechen in die Ungewissheit der Wastes auf. Essen, Gold, ein paar rostige Waffen... alles am Start. Kurz darauf erspäht Critique al’Stabbah hinter den Wolken eine schwebende Stadt – die Legenden hatten davon berichtet, aber niemand hatte sie jemals gesehen. Das konnte nur ein gutes Zeichen sein. Eine Annahme, die sich bestätigte, tauchte doch hinter der nächsten Düne ein Karawanenlager auf, das die langsam zur Neige gehenden Vorräte wieder auffrischen könnte. Glücklicherweise handelte es sich bei dem Karawanenmeister um einen kultivierten Zeitgenossen aus Phorora, dem die eigene Bereicherung nicht oberstes Ziel war, und so konnten die beiden Helden ausgeruht und wohlgenährt die Erkundung der Wüste fortsetzen. Ziel ihrer Neugier war eine ganz bestimmte vom Sand bedeckte Region, die angeblich den Schlüssel zur legendären schwarzen Pyramide versteckt halten sollte. Die Gelehrten der Stadt Phorora waren sehr an allfälligen Erkenntnissen dazu interessiert.
Wie sich herausstellte, hatten Aufzeichnungen, Gelehrte und Gerüchte nicht gelogen und der Schlüssel war tatsächlich dort verborgen. Der Weg zurück zum Karawanen führte vorbei an einigen frischen Kristallen, die der Ravager auf seiner zerstörerischen Reise durch die Lande zurückgelassen hatte. Critique al’Stabbah konnte es nicht lassen und musste sich das Ganze näher anschauen, also folge Ras’al’Jule wohl oder über nach. Beide fühlten sich danach zwar etwas müde, aber sonst eigentlich ganz gut. Es sprach also nichts dagegen, grade noch ein paar mehr Kristalle mitzunehmen, lagen ja eh auf dem Weg...
Zurück im Karawanenlager kauften sie sich einen Platz in der nächsten Karawane nach Phorora, um den Gelehrten dort von ihren Erfahrungen zu berichten. Die Reise war lang und gefährlich, und nur knapp überlebten sie die Begegnung mit einigen Sandräubern. Dort stellte sich auch heraus, dass der Besuch der Kristalle wohl nicht ganz ohne Folgen geblieben war: Ras’al’Jule adaptierte ungeheuer schnell an neue Umstände, und das Blut von Critique al’Stabbah war extrem ätzend geworden. Die Sandräuber hatten ihn verwundet und waren danach von den paar Blutspritzern regelrecht zerfressen worden. Eine weitere Erfahrung, welche die Gelehrten in Phorora mit höchstem Interesse vernahmen.
Nach einer weiteren Karawanenreise zurück in die Wastes sollte der Moment kommen, der zum Wendepunkt ihrer Geschichte werden würde. Die beiden Gefährten, inszwischen schon etwas bewanderter in den Gefahren und Herausforderungen der Wüste, streiften durch das Ödland und stolperten irgendwann über einen halb im Sand verborgenen Gegenstand. Ein alte Öllampe – staubig und voller Sand. Critique al’Stabbah, dem Verkauf von potentiell wertvollen Dingen nie abgeneigt, rubbelte die Staubschicht etwas ab. Hervor kam eine wunderschön gravierte, fein gearbeitete Oberfläche. Und, viel wichtiger, ein versklavter Dschinn, der 3 Wünsche gewährte. Sehr praktisch. Nach kurzer Diskussion erschienen die beiden Helden mitsamt Lampe und um 300 Gold reicher wieder in Phorora und trainierten, was das Zeug hielt. Ein einschneidender, bezeichnender Moment, denn von nun sollte man sich ihrer erinnern...
Das Spielfeld im Early Game. Es ist alles noch recht klein und überschaubar.
Critique al'Stabbah im Early Game, direkt nach dem exzessiven Training in Phorora. 149 Gold gut investiert in bessere Stats.
Critique al’Stabbah und Ras’al’Jule schrieben von diesem Augenblick an Legenden, die niemand in Shurax je vergessen wird. Sie bereisten die gesamte Ödnis, erforschten längst vergessen geglaubte Ruinen, Höhlen und Krypten. Gegner, von deren Macht nur in Märchen oder Schauergeschichten erzählt wurde, lagen vor ihnen im Staub. Wenn sie durch Städte schritten grüssten Stadtwachen hochachtungsvoll, und ihr Auftritt in einer Arena war ein Event, zu dem Menschen von nah und fern strömten.
Mid-Game, irgendwann nach 5-6 Stunden Spielzeit mitten in der Nacht. Vielleicht waren es auch schon 7-8 Stunden, wer weiss das schon...
Doch ihre Abenteuer in der Ödnis und die konstante Exposition gegenüber den Relikten des titanischen Ravagers hatten Spuren hinterlassen: Die beiden Helden hatte nicht mehr viel mit den Wesen zu tun, die sie einmal gewesen waren. Critique al’Stabbah war nun ein langbeiniges, schuppenbedecktes Kristallwesen, das nicht nur Schaden reflektierte und sich an der Lebenskraft der Gegner labte, sondern von so ätzendem Blut durchflossen, dass jeder kleinste Kratzer selbst für die mächtigsten Gegner tödlich wäre. Seine Partnerin, Ras’al’Jule, hatte inzwischen mehr Ähnlichkeit mit einem Wyrm als mit einem Menschen: Flügel, Kristallschuppen, Klauen, Schwanz und ihre Dolche zerfetzten in einem Wirbelwind alles, was sich ihr in den Weg stellte. Darauf zu hoffen, sich an Ras’al’Jule vorbeizuschleichen war dabei ebenso töricht wie aussichtslos. 4 Augen waren konstant in Bewegung und scannten jedes noch so kleine Detail.
Der Ravager – dieses titanische, uralte Wesen, um das sich zahllose Mythen rankten – suchte verzweifelt einen Ausweg aus der Ödnis. Seine kleinen, überall verstreuten Schwärme hatten ihn vor der drohenden Gefahr gewarnt. Er wusste, dass eine Begegnung mit den Helden für ihn tödlich sein würde. Er hoffte auf einen Weg in den kühleren Norden, vielleicht in einen schönen Wald oder in die fruchtbaren Lande zwischen den Zwergenfesten. Doch die Optionen schwanden dahin. Er war fast überall in der Ödnis gewesen, ohne Erfolg. Ein letzter Ort blieb ihm noch, vielleicht würde es dort einen Ausweg geben...?
Doch dort warteten sie. Critique al’Stabbah und Ras’al’Jule. Der Ravager fügte sich ins Unvermeidliche und stellte sich zum letzten Kampf, mit allem was er hatte. Doch es war aussichtslos. Nach einem kurzen, brutalen Showdown wurde der Ravager vernichtet, und die Bevölkerung vernahm mit Ehrfurcht, dass der Ravager für immer besiegt worden war.
Was ein Spiel... Ich glaube, wir haben es jetzt endlich verstanden...
Die beiden Charaktere und das Spielfeld am Spielende, nach rund 10 Stunden Spielzeit.
Fazit:
Ich muss meinen bisherigen Eindruck etwas revidieren.
Wenn man den Anfang übersteht und ordentlich erkundet – was nicht schwer ist – dann kann man bei Sands of Shurax völlig ausrasten beim Leveln. Wirklich völlig ausrasten. Obendrauf dann noch die Mutationen. Critique al’Stabbah teilte am Ende bei Verwundung 256 Schaden aus, zusätzlich zu dem Schaden, den er sowieso machte. Favored Opponent damage waren (1W6+6W4)x8, auf praktisch jeden Typ Gegner im Spiel (der Ravager hatte 272 favored opponent damage kassiert). Ras’al’Jule mit voller Ausnutzung ihrer Dervish-Mastery bei 345 dmg, plus favored opponent damage uswusf.
Wo bei Dead King und Adrimon irgendwann das Spiel ein Ende setzt, hat man bei Shurax – entsprechend Exploration vorausgesetzt – massig Zeit. Wir hatten alle HOTtiles draussen und haben angegriffen, bevor der Ravager das letzte Remnant-Tile legen konnte. Sprich: Wir waren noch immer in Akt 2.
Ich bleibe dabei:
Hexplore It ist – nüchtern betrachtet – kein gutes Spiel. Es ist der Himmel auf Erden für Level-Up-Fetischisten und Stat-Maximierer, für Abenteurer denen Balance und Spielzeit egal ist, für Leute denen Freiheit wichtiger ist als „tighte Mechanik“. Und es ist die Hölle auf Erden für Menschen, die eine ausbalancierte Spielerfahrung mit guten, sinnvollen Mechaniken und taktisch fordernden Kämpfen in überschaubarer Zeit haben wollen.
Das gilt für Shurax noch viel mehr als für die Vorgänger – es ist einfach wahnwitzig. Wahnwitzig cool, weil es 4 verschiedene Siegbedingungen gibt, wir Astonal hätten anwerben können (damals aber noch zu schwach waren), Gambling Dens bauen können, in die schwarze Pyramide gehen können... Das Spiel ist deutlich vielseitiger als die Vorgänger, und nach einer halben Partie (also nach so 5-6 Stunden) hat man dann auch die Regeln drin un es läuft schön rund. Und gleichzeitig ist es einfach wahnwitzig aufgebläht mit seinen zig Sonderregeln, Keywords, seinen (oft halbgaren – Arena und Scarabs) Regelkonstrukten für all den Kram der gemacht werden kann und der passieren kann, den Links auf andere Spiele der Reihe (alle! Items der anderen Spiele sind teilweise kaufbar... wie wär’s, wer will gerne nachschauen gehen? )
Gleichzeitig leidet Sands of Shurax initial am gleichen Problem wie die Vorgänger: Es ist am Anfang sehr schwer, und je länger man spielt, desto einfacher wird es. Das ist dabei vom Gefühl her bei Shurax noch stärker ausgeprägt, weil es noch mehr Variablen gibt, die einfach vom Zufall abhängig sind. Da sind die Würfelwürfe, die am Anfang halt nur bei 1-3 auf einem W10 erfolgreich sind. Da sind die Circumstances, bei denen auch am Anfang schon Level 5 Gegner dabei sein können. Soweit nicht anders als beim Rest. Der Rest hat aber nicht auch noch ein Karawanendeck, das gerade am Anfang wertvolles Essen kostet und den Spielern nicht nur die Gegner aus dem Circumstance-Deck vorsetzt, sondern mit Pech auch mal einen Boss. Wir hatten beispielsweise direkt nach unserer 300-Gold-Level-Up-Aktion auf dem Rückweg den Level 4 Boss vor der Nase. Überlebt, aber nur sehr knapp. 2 Runden davor wäre es einfach unser Tod gewesen. Später kippt es dann völlig ins Gegenteil und selbst auf Episch wird mit Bossen der Boden gewischt.
Trotz allem finde ich Shurax eine gelungene und sehr coole Fortsetzung der Reihe. Die Mutationen machen die Helden nochmal deutlich interessanter und vielfältiger, und allein die Vielfalt an Möglichkeit des Spiels selber ist genial. Es treibt einfach sowohl Stärken als auch Schwächen der Reihe auf die Spitze. Ich würde es wohl niemandem empfehlen, der vorher keinen Kontakt mit der Reihe hatte, da ist imho Dead King oder Adrimon besser geeignet. Aber wenn man die beiden kennt und trotz all ihrer Schwächen ohne Wenn und Aber mag, dann ist Sands of Shurax eine Monstrosität, die in ihrem Wahnwitz trotzdem cool ist und die man vielleicht mal näher anschauen sollte.
Ich freu mich auf Volume IV.