Puh... wo fange ich an? Ron, du weißt dass es mich unendlich schmerzt, dass dir AQ nicht zusagt. Das ich anderer Meinung bin ist ja kein Geheimnis, aber: ich kann deine Argumente sehr gut nachvollziehen.
Grundsätzlich haben alle Brettspiele das gleiche Problem: "Die Limitation durch das Vorhandene".
Mal kurz ausgeholt: Ich habe in meiner Jugend unendlich viel P&P mit Freunden gespielt. Hier sind die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt; es gibt kein Loot-Deck, keine durch Karten begrenzte Variation an Gegnern. Selbst wenn ich in einem Setting wie Mittelerde spiele bleibt es dem Spielleiter frei zu entscheiden eigene Kreaturen mit Stats zu erfinden oder eine Keule mit drei Nägeln, die Blutungen erzeugt und gleichzeitig bis zu zwei Gegner trifft und nach drei Kämpfen zerbricht, mir aber drei Holz gibt, die ich dann weiterverkaufen kann.
Setzte ich dieses Gefühl eines "Dungeon Crawlers" (ja, im Grunde waren einige der P&P Spiele von damals auch nichts anderes) als Maßstab für die perfekte Spielerfahrung, werde ich bei fast allen aktuellen Spielen nur selten Freude finden. Natürlich hätte ich dieses Spielgefühl von früher auch gerne verpackt in eine handliche Spielschachtel. Denn ich möchte mir das gerade gefundene Schwert nicht nur auf meinem Charakterbogen notieren, sondern ich möchte es sehen; ich möchte, dass jemand dieses Schwert illustriert hat und ich mich an seinem Anblick erfreuen kann. Und am liebsten hätte ich dann auch diese oben beschriebene Keule als Bild. Und das Loot-Deck sollte somit mindestens(!) 5000 Karten umfassen, so dass jeder Fund eine echte Überraschung ist und ich auch nach dem hundertsten Durchgang noch neue Gegenstände finde, die ich bisher nicht kannte. Computerspiele, wie Borderlands, lösen dieses Problem übrigens damit, dass sie den Waffen-Loot als Baukastensystem zufällig generieren.
Selbiges gilt auch für die Features (jetzt auf AQ bezogen): Warum konnten die Sadler Brüder nicht 500 Feature kreieren, von denen auch immer mehrere in einem Raum erscheinen können und die Räume somit deutlich beleben? Genau, weil das Spiel mit seinem drei großen Schachteln schon viel zu viel Platz weg nimmt. Und wie hätte man das ändern können? Genau, in dem man keine Miniaturen nutzt, sondern bei den guten alten Pappaufstellern bleibt, so wie es auch DUN z.B. macht. Aber das möchte der Käufer nicht, der will Minis
Und hier kommen wir zum entscheidenden Punk: Mit Hinblick auf einen Dungeon Crawler bietet mir DUN das aktuell beste Spielerlebnis und ist in diesem Genre definitiv das erwachsenste Spiel. Denn es kommt viel näher an diese von mir im Bereich P&P beschriebene Spielerfahrung. Mehr Möglichkeiten, mehr Varianz, mehr Loot, mehr Gegner KI, mehr Freiheit. Allerdings auch zu einem Preis: eine deutlich höhere Einstiegshürde.
Ich bin übrigens auch kein Freund von den von dir beschriebenen Berechnungen im Sinne von "jetzt sind noch zwei Karten übrig, da müssen dann ja das Buchregal und der Brunnen drin sein". Das ist auch der Grund, warum ich so schlecht im Skat Spielen bin - ich hab keine Lust mir zu merken, was schon gespielt wurde und was noch kommt
Daher lasse ich solche Gedanken bei Spielen wie AQ auch einfach außen vor und spiele es eher "fluffig". Wo mir das aber besonders negativ aufgefallen ist, war bei "Gloomhaven PDL" und Bloodborne. In beiden Spielen ist es enorm wichtig im Kopf zu halten, welche Kampf-Modifikationen bereits gespielt wurden und welche nicht. Mitunter Gründe, warum beide Spiele bei mir/uns durchgefallen sind.
Um langsam zum Schluss zu kommen (... vielleicht sollte ich doch endlich mit YT starten und "reaction Videos" machen
Wir in unserem Genre der Dungeon Crawler Fans sind ja immer gefangen auf der Suche nach dem heiligen Gral. DUN ist es nicht, geht aber in die richtige Richtung. Und wenn ich erneut den Maßstab der Freiheit und Möglichkeiten eines P&P setzen würde, fallen alle unsere Lieblingsspiele weit ab, da sie viel zu eng gestrickt sind. Egal ob AQ, SM, GD, MA SoB, etc. bei allen gibt es Limitationen und ein gewisses Korsett. Aber wir lieben sie dennoch, weil sie uns ein einzigartiges Spielerlebnis bieten, solange wir sie so nehmen, wie sie designed wurden.
In der digitalen Welt gibt es übrigens ein ähnliches Dilemma: Der Begriff hier ist "open world". Der Wunsch nach unendlicher Freiheit, die in den meisten Spielen leider auch nur auf den ersten Blick vorhanden ist.
Und vielleicht sollten wir (wir hier als Gruppe) auch einfach anfangen und den perfekten Dungeon Crawler selber entwickeln. Schlimmer als der Versuch von Rodger Deering kann es ja auch auch nicht enden