Heute am Nachmittag eine entspannte Erstpartie Rocketmen zu zweit mitgespielt. Ein erneuter Deckbuilder von Martin Wallace, diesmal aber mit Thema Weltraum-Missionen in den Erdorbit, auf den Mond und zum Mars in einer ungenannten näheren Zukunft. Von der Optik im Hard-Science-Fiction-Genre eingeordnet, weil alles doch recht nüchtern und sachlich daherkommt, Also keine ungekehrten Tachyon-Impulse oder fliegende Weltraum-Drachen oder so. Die Optik lenkt nicht vom Spielgeschehen ab, passt sich gut in die Story des Eurogames ein und stört weiter nicht.
Ohne die Kickstarter-Miniaturen für die Missionsziele in Form von Raumstationen, Satelliten, Basen & Co, die auf durchsichtigen Ständern über den Spielplan schweben und ohne die Abschussrampe samt Plastikrakete, die man Richtung Missionsziel bewegt, würde das alles arg unspektakulär und platt auf dem Spielplan wirken. Durch die Neopren-Playmats als vergrösserten Spielplan und die Spielerablagen für jeden Mitspieler konnte ich zudem die Karten gut greifen, weil hier wird viel mit Karten hantiert. Da zudem auch noch oft gemischt wird, kamen mir die Kartenhüllen entgegen, weil ich so einfachst die Karten ineinanderschieben und somit das Mischen beschleunigen konnte. Da die Karten zudem bis an den Rand bedruckt sind und nur typische Brettspielqualität und keine Amigo- oder ASS-Spielkartenqualität haben, werden diese vor zu heftiger Abnutzung geschont. Denn eigentlich ist es spielentscheidend wichtig, dass man anhand der Kartenrückseite seines Nachziehstapels oder des Kartenstapels für den Missionsfortschritt keine Karte wiedererkennt.
In Summe würde das Spiel ohne die Kickstarter-Ausstattung mitsamt Miniaturen nur ein 08/15 Eurogame mit Deckbuilding-Mechanismus sein. Würde ich mir persönlich das Spiel kaufen, ich hätte genau zu dieser Ausstattung gegriffen. Wertet das Spiel auf und sorgt für mich für eine bessere Atmosphäre und mehr Kopfkino als Papp-Plättchen das für mich könnten. Einzig die drei Metallscheiben als Planeten fallen qualitativ deutlich ab, weil die Prägung schlicht schlecht und kaum erkennbar ist.
Rein spielerisch war ich hingegen zunächst skeptisch, ob dieses Deckbuilding-Konstrukt von Herrn Wallace was taugen würde. Denn Mythotopia ist in der Erstpartie bei mir durchgefallen und den inoffiziellen Nachfolger "A Handfull of Stars" habe ich nach zwei quälenden Erstpartien wieder verkauft. Aber Rocketmen kann was, auch wenn es nicht ein so vielschichtig komplexes Spiel wie "A few Acres of Snow" ist und sein will. Im Kern optimieren wir unser Deck, indem wir bessere Karten kaufen, die Sonderfunktionen und Mehrwerte bieten. Das alles mit dem Ziel, so schnell wie eben möglich mehr Siegpunkte als die Mitspieler durch erfolgreiche Weltraum-Missionen und aufgekaufte Katastrophenkarten und erfüllte persönliche Zielkarten zu erreichen. Dazu spielen wir unser Missionsziel aus und bauen unsere Rakete als Kartenauslage.
Irgendwann haben wir unser Deck soweit optimiert und unsere Mission ausreichend gut durch ausgespielte Karten vorgeplant, dass wir den Missionsstart wagen. Dann werden Boni und Kartensonderaktionen genutzt, um den Abstand nach Raketenstart (glückt immer, es braucht nur je nach Missionsziel ein Minimum an Schubraketen) zum Missionsziel zu verkürzen. Weil den Rest der Wegstrecke muss über einen Push-Your-Luck-Mechanismus zurückgelegt werden. Nach und nach zieht man eine vorgegebene Kartenanzahl und hofft, dass die Kartensumme reicht - schön abgetragen per Plastikrakete auf der Playmat. Hier kann man sein nötiges Kartenglück und die Restwegstrecke minimieren, indem man ausreichend gut und viel passende Karten vorab ausgespielt hat, was aber ein Tempoverlust bedeutet. Also geht man Risiken ein, damit man eben wirklich der Erste ist, der eine solche Mission erfolgreich ausführt, was Sondersiegpunkte gibt. Überreizt man sein Glück oder hat schlicht Pech, dann kann so eine Mission auch scheitern und hat man nicht vorzeitig abgebrochen, werden alle vorab ausgespielten Karten abgeworfen, was einen nochmals weiter zurückwirft als nur eine abgebrochene Mission, die man später erneut startet.
So war es dann auch, dass mein lieber Mitspieler genau die Mission anging, die mir einen Bonus auf einer meiner beiden persönlichen Zielkarten versprach. Aber eben nur, wenn ich dort als Erster da sein würde. Also auf Risiko gespielt und vor ihm meine Mission gestartet, obwohl ich gerne noch etwas mehr Kartenauslage-Vorbereitung in die Mission gesteckt hätte. Die letzte Wegstreckenkarte war dann entscheidend - eine 1:4-Chance, dass alles gut ausgehen würde. Tja, die Karte war gegen mich, die Mission gescheitert und mehrere Spielrunden Aufbauarbeit für die Mission dahin. Eigentlich sollte damit das Spiel schon entschieden sein, so dachte ich. Zumal mein Mitspieler seine Mission schaffte und seine zweite Mission wieder dorthin zu führen schien, wo ich ebenfalls hinwollte, weil ich notgedrungen auf meine andere Zielkarte umgeschwenkt war. Also nochmals volles Risiko eingehen, um den scheinbaren Rückstand wieder aufzuholen? Ich entschied mich dagegen und es zeigte sich später, dass er doch ein weiter entfernteres Ziel ansteuerte und er mir nicht in die Quere kam.
In weiteren Verlauf konzentrierte ich mich auf Missionen im erdnahen Orbit, weil die einfach zu erfüllen waren, ich mein Deck dafür optimiert hatte und die zudem schnell zu erreichende dauerhafte Boni gaben, die ich gut für weitere Missionen gebrauchen konnte. Um meine persönliche Zielkarte zu erfüllen, musste ich allerdings noch einmal zum Mond und einmal zum Mars. Nur so konnte ich das Spiel vorzeitig beenden, weil mein Mitspieler eher langfristig die grossen und punkteträchtigen Missionen plante. Am Ende konnte ich mit einem extrem schlanken Kartendeck die erste Marsmission erfüllen und weil das meine sechste Mission war und auch der Mond und Erdorbit vorab erreicht worden waren und ich zudem zweiter Spieler in der Spielreihenfolge war, konnte ich das Spiel beenden, ohne dass mein Mitspieler noch zum Zug kam. Ganz knapp mit einem Punkt Unterschied gewonnen, obwohl ich die erste und einzige fehlgeschlagene Mission der Spielpartie vorzuweisen hatte.
Gefällt mir. Ist ein gutes Eurogame mit ausreichend genug Weltraum-Thematik für das Genre und einem wirklich gelungenen Spannungsbogen, der sich daraus ergibt, dass man kalkulierte Risiken eingehen muss, um erfolgreich zu sein. Denn wer zu konservativ spielt, braucht schlicht zu viel Zeit und wird viele Bonuspunkte liegen lassen. Und genau diese Abwägung, wann man seine Mission startet oder doch noch eine Runde weiter optimiert vor dem Start oder durch gekaufte Karteneigenschaften diverse Risiken minimiert oder abmildert und daraus seinen Weg zu mehr Siegpunkten als die Mitspieler baut, das alles hat für mich den Spielreiz von Rocketmen ausgemacht. Gerne wieder, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Zumal mit etwas Spielpraxis das Spiel enorm Tempo aufbaut, eben weil man nicht mehr alle Kartentexte zum ersten Mal lesen und verstehen muss. Eine gute 8 von 10 bei BGG in der Kickstarter-Austattung. Ohne diese Haptik durch die Playmats und ohne de Optikmehrwert durch die Miniaturen nur eine BGG 7 für mich.