Knapp 55 Stunden habe ich in den spartanischen Gewässern im 2. Zyklus von ATO verbracht. Mehrmals habe ich hier über meine Erfahrungen – die in einer Achterbahnfahrt glichen - berichtet. Nach einigen Wochen ist nun mein Review zu Cycle 2 fertig. Wie immer habe ich auf Spoiler verzichtet.
Besser als Cycle 1:
Die Story. Ich. liebe. die. Story. Beste mir untergekommene Geschichte in einem Brettspiel. Mit Riesenabstand. Mich hat die Story mit der direkten, epischen Art auf einer emotionalen Ebene viel mehr mitgenommen und ich habe konstant mit meinen Argonauten und Verbündeten mitgefiebert. Aber: Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob die Story an sich so toll ist, oder einfach wie die Art der Geschichtenerzählung durch die Nebenquests, die Atmosphäre, die Kämpfe und die Geschehnisse auf der Karte die Story zu dem aufgebauscht hat, was es für mich schlussendlich war. So oder so – es war mega … mit einem megabefriedigenden Ende.
Dazu beigetragen hat der Aufbau der Story. Der Nietzschean wurde filmreif eingeführt, direkt wurde die raue Welt Spartas gezeigt, die Fraktionen toll in Szene gesetzt und die Katz- und Mausjagd fand ich sowohl thematisch, als auch mechanisch gut umgesetzt. Es gab immer wieder schöne Wendungen und von Anfang bis Ende waren die Begegnungen mit dem Nietzschean stringente Highlights.
Mir haben die Fraktionen deutlich besser gefallen. Deren Ziele und Absichten waren greifbarer und realistischer als im ersten Zyklus. Die Spannungen innerhalb der Fraktionen waren zwar spürbar mit seltenen Auswirkungen auf das Spielerlebnis, sie standen sich aber nicht so konträr gegenüber wie im ersten Zyklus. Einige interessante Plottwists wurden angeteasert, vielleicht wäre bei einem anderen Vorgehen hier ein anderer Endeindruck entstanden. Insgesamt fand ich die drei Fraktionen ausgereifter, interessanter und erinnerungswürdiger.
Das grundlegende Thema wurde besser eingefangen. In Cycle 1 war ich lange an der grundsätzlichen Hintergrundgeschichte nicht interessiert, da ich zu wenige Informationen hierfür bekam und mir sich das Meiste erst am Ende erschloss. Man stochert dort viel im Nebel umher, obwohl das Labyrinth an und für sich omnipräsent ist. In Cycle 2 ist das Thema nicht subtil im Hintergrund eingewebt, sondern man bekommt es aktiv ins Gesicht geklatscht. Insofern wusste ich von Anfang an viel mehr Bescheid, um was es überhaupt geht und meine persönlichen Präferenzen wurden öfters getriggert.
Über die atemberaubende Atmosphäre habe ich schon öfters berichtet und diese ist in meinen Augen auch der Selling Point vom zweiten Zyklus. Da passt alles wie Arsch auf Eimer und greift ineinander über. Der Nietzschean, das Setting, die Kämpfe, der Burden, die Nebenabenteuer, die Rolle der Argo, die Clue Cards, die Map und die Fraktionen. Das ist so ein toller Mix mit ganz, ganz vielen Wechselwirkungen, die alle funktionieren.
Der Nietzschean als Antagonist überzeugt auf ganzer Ebene. Eigentlich ist das ein Gegenspieler wie es im Buche steht. Aber durch die Einführung, die erzählten Geschichten der Bewohner Spartas über ihn, den immer wieder gefährlichen Begegnungen mit ihm und das Artwork erwachte bei mir der Nietzschean immer wieder zum Leben und provozierte das Kopfkino gerade so. Ich hatte immer wieder Angst vor dem arroganten Arsch und wollte ihn doch um jeden Preis fallen sehen. Bester. Gegenspieler. Ever.
In den Endkampf spielten meine bis dato getroffenen Entscheidungen eine große Rolle und immer wieder wurden diese mit eingewoben. Daher fühlt sich die Geschichte der Argonauten in Sparta auch so lebendig an. Des Weiteren waren die spielmechanischen Umsetzungen des Kampfes mehr als gelungen und der Nietzschean durfte noch einmal alles auspacken. Toller Endkampf welcher mich komplett zufrieden zurück lies.
Ich hatte leider nur einen Kampf gegen den Burden, welcher ein Riesenupgrade gegenüber dem Persuerfight ist. Schon beim Lesen des Eingangstextes war meine Neugierde geweckt, wie dieses ungewöhnliche Kampfprinzip mitsamt den dazugehörigen Spielmechaniken funktionieren würde. Zu meiner Freude haben die frischen Ideen alle abgeliefert, es gab keine Loopholes und der Kampf war wirklich etwas Einzigartiges. Tolle Idee, Tolle Ausführung. Dieser Kampf hat mir auch noch einmal klargemacht, welche Möglichkeiten sich grundsätzlich mit einem großen Spielbrett eröffnen.
Die zwei Hauptgegner sind ein großer Fortschritt zu Cycle 1. Natürlich wieder gekoppelt mit mehr Verwaltungsaufwand und komplizierten Mechaniken. Aber das hat sich in diesem Fall bewährt und grundsätzlich hat mir Cyclonos gut und die Chimera ausgesprochen gut gefallen. Gerade letztere hat sich komplett eigenständig angefühlt, mit einem tollen Angriffs- und Verteidigungsprofil und einem coolen Push Your Luck Mechanismus.
Ich hatte auch deutlich epischere und vor allem konstant spannendere Kämpfe. Ob das jetzt an dem (doch ziemlich vorhandenen) Zufall in den Prügeleien liegt, an prinzipiell gefährlicheren Gegnern oder auch am Glück beim Würfeln (hallo Awakenings) kann ich gar nicht einschätzen.
Die (inoffizielle) App hat sich als Riesenunterstützung entpuppt und mir viele mühsame Verwaltungsschrittchen abgenommen. Ressourcen, Maptiles, Gear, Technologien, Titanen, Fraktionen, Timeline, Entscheidungsmatrix, Abenteuer, Doom werden hierdurch getrackt … bis auf die Argonauten ansich habe ich alles mittlerweile in den digitalen Helfer verlegt. Witzigerweise stört mich im Gegensatz dazu in KDM die (gleiche) App mehr, als dass ich sie als Hilfe ansehe.
Mir hat das Reisen auf der Karte besser gefallen, bzw. waren sowohl mehr spielrelevante Entscheidungen als auch spielmechanische Prinzipien anzutreffen. Die grundsätzliche Idee mit dem Aufbau der Spielwelt sowie deren Einschränkungen wurde gut umgesetzt und insgesamt musste ich mir mehr Gedanken machen, wie ich zu bestimmten Stellen komme bzw. was der sinnvollste Weg wäre.
Die Clue Karten sind mMn deutlich eindeutiger in der Lesbarkeit, gleichzeitig mit spielrelevanteren Auswirkungen verknüpft und auch mechanisch waren da coole Ideen dabei. Deutliches Upgrade, vor allem da auch wieder die Atmosphäre toll eingefangen wird.
Der Tempel – Dazu sage ich aufgrund von Spoilergefahr nichts. Das Teil ist mir allerdings überaus positiv im Gedächtnis geblieben und will ich unbedingt noch einmal spielen.
Mehr erhofft im Vorfeld
Terrainnutzung: Die Säulen aus Cycle 1 werden weiterhin häufig benutzt, dafür sind die Labyrinth Sachen alle weggefallen. Das finde ich auch okay, da vor allem Ambrosia Tiles, die Argo selber und ganz viel Abgründe genutzt werden. Anfangs dachte ich noch, dass man mehr mit dem Terrain spielen könnte, als es letztendlich kam. Die Argo bspw. wurde bei mir erst im Endkampf wirklich interessant (und gefährlich). Das Terrain hat mich vor allem in meiner Beweglichkeit eingeschränkt, auf die Zugreihenfolge Einfluss gehabt und taktisch musste man sich schon sinnvoll positionieren, um möglichen Todesfolgen zu entgehen. Als Upgrade zu Cycle 1 empfinde ich es letztendlich kaum.
Setboni: Ach hab ich mich gefreut, als die Setboni eingeführt worden. Mir macht es immer viel Spaß bspw. komplette Rüstungssets zu craften und dann den dazugehörigen Bonus abzustauben. Gerade KDM macht das sehr gut über die Boni und die farbigen Wechselwirkungen. Letztendlich gab es in ATO leider nur wenige Items mit einem möglichen Setbonus und insgesamt hatte ich einen Titanen, bei dem ich überhaupt auf den Setbonus gegangen bin. Da hatte ich mir deutlich mehr erwartet. So ist die Umsetzung fast schon vernachlässigbar.
Einstieg in Cycle 2: Den Wechsel vom Tutorial in den Cycle 1 fand ich damals schon schlecht gemacht, weil man immer wieder unterbrochen wurde, indem neue Regeln und Modi eingeführt wurden. Ich hatte nicht erwartet, dass mir der Wechsel von Cycle 1 auf Cycle 2 Probleme bereitet. Aber letztendlich lief das ähnlich ab und der Spielfluss in den ersten Stunden im Cycle 2 wurde durch diverse Regelunterbrechungen zerhackstückelt. Ich verstehe, dass der Publisher die ganzen Neuerungen nach und nach an der passenden Stelle einführen möchte, aber mich nervt das maximal, wenn ich immer wieder aus dem Spiel rausgerissen werde und neue Karten, neues Gear, neue Technologien usw. heraussuchen muss.
Gear: Es gibt viele neue Titanen, Waffen, Rüstungen, Items und natürlich auch neue Keywords. Erst habe ich mich über die ganzen frischen Möglichkeiten gefreut und 3,4 mal während des gesamten Zykluses ist es auch vorgekommen, dass ich eine längere Zeit vor dem Spieltisch saß und meine Truppe taktisch neu ausgerüstet hab. Insgesamt ist es leider weiterhin so, dass es mMn einige Unterstützungsitems gibt, die immer mitgenommen werden müssen und die wenigen restlichen Items, je nach Art des Gegners rein- oder rausrotieren. Es gibt zwar in Kombination mit den verschiedenen Titanen zumindest theoretisch unglaubliche viele Gestaltungsmöglichkeiten, aber praktisch wird der Spielraum durch unterschiedliche Beschränkungen (eine Armor, maximal zwei Items, Reaction is King usw.) ziemlich eingedampft. Hier herrscht mMn die größte Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis in ATO vor.
Schlechter als Cycle 1:
Der sowieso schon hohe Verwaltungsaufwand ist noch einmal angestiegen und mit ihm auch die von Goliath so gut beschriebene Mental Load. Gerade letzteres ist im Vergleich zu Cycle 1 deutlich angezogen. Es muss sowohl bei den eigenen Titanen, als auch bei den gegnerischen Primordials in der Abhandlung soooo viel beachtet werden. Zu viel. Immer wieder ist mir aufgefallen, dass ich etwas übersehen habe und ich kann garantieren, dass kein einziger meiner 20+ Kämpfe regeltechnisch 100 % fehlerfrei war.
Die Suche nach den richtigen Regeln und Symbolen. So unglaublich aufwendig, so unglaublich überflüssig. Die Regeln sind verstreut über das Regelheft, die zwei Zyklenhefte (ich habe mehrmals auch noch einmal im Cycle 1 Buch nachsehen müssen), Traitkarten der Primordials, Argo Tech Karten und den großen Story, Doom, Titanen und Primordials Karten. Trotz der ausgedruckten BGG Hilfe und vielen handgemachten Notizen musste ich immer wieder nachschlagen, weil ich irgendein Keyword, ein Symbol oder eine bestimmte Regelauslegung nachschlagen musste. Nervig – vor allem das Finden der gesuchten Information.
Am Ende von Cycle 1 hatte ich lange überlegt, ob ich gegen den gestärkten Persuer kämpfen soll und hatte mich aus Sicherheitsgründen dagegen entschieden. Nun hat es im Cycle 2 überraschenderweise Ewigkeiten gedauert, bis ich gleichwertiges oder besseres Equipment bekommen habe, weswegen ich mich nicht in den Endkampf gegen ihn getraut habe und relativ oft gegen die normale Version kämpfen musste. Problem: Ich mag den Kampf nicht. Das ist für mich kein gut designter Gegner mit enormen Nervpotentzial (Killjoy, 10+ Attacken, Standardaktion). Man war ich froh, als ich ihn endgültig erledigen konnte. Diesen Kampf möchte ich nie wieder spielen.
Die Geschichte der Argo war mein Highlight im ersten Zyklus. Nach und nach hat man mehr über das Schiff erfahren und die Argo fühlte sich mächtig, geheimnisvoll und atemberaubend an. Im zweiten Zyklus lag der Fokus nicht mehr zu 100 % auf dem Schiff und auch die Entdeckungen innerhalb des Schiffs haben mich oft nicht derart in den Bann ziehen können. In meinen Augen eine klare Verschlechterung.
Während im Cycle 1 die Taktik beim Hekaton zwischen Level 2 und Level 3 (?) sowie beim Labystier zwischen Level 1 und Level 2 aufgrund der neuen Monsterprofile jeweils die Kampftaktik angepasst werden musste, fand ich dieses Mal die Gegnerstufen nicht so abwechslungsreich, sondern es war eher mehr vom selben. Eine höhere Varianz im Stufenaufstieg hätte den Kämpfen gut getan, da ich die grundlegende Taktik so gut wie gar nicht ändern musste.
Die Belohnungsspirale war bei mir im ersten Zyklus ausgeprägter. Da wollte ich immer wissen, wie es weitergeht, oder ich konnte mich auf neues Gear, neue Technologien, neue Nebenabenteuer freuen. Hinter jeder Ecke lauerte eine Überraschung. Das hat sich prinzipiell gar nicht geändert, aber ich habe mir deutlich öfters Pausen genommen, weil ich den Umbau- und Verwaltungsaufwand gescheut habe.
Der Spielflow wurde bei mir zu oft unterbrochen. Gerade mehrere Kämpfe innerhalb von wenigen Tagen haben mich komplett ermattet zurückgelassen. Durch die Kombination aus Timelinebegegnungen mit ungünstigen, zufälligen Kämpfen (Storyfortschritt, Einholung durch den Adversary und Überraschungsschlachten) ist das leider immer wieder vorgekommen. Zum einen nervt der ständige Umbau und zum anderen ist es mühselig den Überblick zu behalten, wenn so viel auf einmal passiert.
Insgesamt hatte ich 22 Kämpfe, was im Umkehrschluss bedeutet, jeder dritte Tag war für mich mit einem Kampf besetzt. Mir waren es deutlich zu viele Kämpfe, die Hälfte davon hätte für mich auch locker gereicht. Für den Cycle 3 werde ich definitiv (!) Hausregeln verwenden, so dass ich gegen jedes normale Monster maximal einmal auf einer Stufe kämpfe.
Fazit
Cycle I hat für mich mittelmäßig begonnen, sich dann aber nach und nach gesteigert und insgesamt ist ein sehr gutes Spielerlebnis für mich herausgekommen. Cycle 1 hätte ich auch schon um den Tag 65 beenden können, wollte aber dann noch etwas länger auf der Karte herumreißen und bin dann bis Tag 76 in Kreta gewesen.
Cycle II hatte deutlich mehr Höhen, mit epischen Spielsessions, einer tollen Geschichte, viel Kopfkino und atemstockenden Momenten. Leider fand ich gerade den Verwaltungswulst und die Unterbrechung des Spielflows immer wieder nervig, weswegen ich das Gesamtniveau nicht durchgängig auf einem hohen Niveau einstufe. Im Vergleich zu Cycle 1 war es demnach ein häufiges Hoch und runter in der Spielqualität. Auch hier hätte ich noch etwas länger in Sparta bleiben können, habe mich aber ausgebrannt gefühlt und am Tag 64 den Cycle beendet.
Deswegen verbleibt ATO bei mir wie schon im ersten Zyklus bei einer 9 von 10 bei BGG. Ich habe viele wirklich spannende und tolle Augenblicke verbracht. Mit dem Abstand von mehreren Wochen sind mir vor allem bestimmte Storymomente und –entwicklungen im Gedächtnis geblieben. Hingegen weiß ich von den Kämpfen so gut wie gar nichts mehr. Generell sehe ich die Kämpfe bzw. den dafür notwendigen organisatorischen und mittlerweile auch mentalen Arbeitsaufwand, vor allem in Kombination mit den häufigen Kämpfen ohne große taktische Neuerungen, als Achillesferse in dem Spiel an.
Insgesamt tue ich mir mit dem Spiel weiterhin etwas schwer. Grundsätzlich ist in dem Ding so viel Liebe, so viele Details, so viel Playtesting, die Balance stimmt, die Story ist zum Zunge schnalzen, das große Gesamtbild ist atemberaubend und die Motivation weiter zu spielen ist zumindest auf der spielerischen Seite verdammt hoch. Gleichzeitig ist ATO auch maßlos überfrachtet, unnötig verschnörkelt und mit einem (zu) großen Aufwand verbunden. Generell nervt mich am meisten, dass klar wird, worauf das Spiel potenziell zusteuern könnte, wenn die ganzen Mechaniken zumindest zu 80 % ineinandergreifen würden und vor allem der Verwaltungsaufwand geringer wäre.
Im Endeffekt werde ich sicherlich ebenfalls Cycle Nummer 3,4 und 5 spielen, aber bei Twelve Sins of Herakles bin ich immer noch am überlegen, ob ich meinen Pledge nicht doch noch storniere. Und ich werde definitiv Hausregeln verwenden, wenn mir gerade die Kämpfe zu repetitiv werden sollten.