Achtung, langer Jammer-Text voraus. Aber ich glaube, ich werde hier (auch als Stellvertreter meiner Zunft) aus diversen Richtungen falsch verstanden.
Ich mag meinen Beruf wirklich. Ich erkenne auch an, ohne dass ich jetzt einen Firmenwettstreit anzetteln will, dass die DP/DHL in vielen Bereichen versucht, noch gewisse Standards einzuhalten. Bei der DHL z.B. sind entgegen aller Klischees in der Zustellung an sich keinerlei Subunternehmer involviert. Das betrifft nur "Randtätigkeiten" wie Zu- und Abfuhr von Briefen und Paketen zu den Stützpunkten. Bei mir muss sich auch wirklich keiner rechtfertigen, wie und warum man jetzt was bestellt. Ich kann und will natürlich erst gar nicht erwarten, dass man sich bei seiner Bestellung auch noch fünf Minuten Gedanken macht, wie und von wem das Paket nun genau angeliefert wird. Das mache ich als Privatperson ehrlich gesagt auch nur selten. Ja, weil man das tatsächlich auch erwarten kann, weil es der Job von denjenigem ist. Und mit 98% der Kundschaft kommt man auch bestens aus. Und ich bin einiges gewohnt und auch gewillt, mitzumachen. Ich beherrsche zum Beispiel von den 21 Bezirken meines Stützpunktes 13, in einem anderen Stützpunkt 7 von 23. Der Schnitt eines normalen Zustellers liegt bei so 3 bis 4 Bezirken. Egal.
Nur: Ich bin wirklich kurz davor, hinzuschmeißen. Bzw. bin zumindest soweit, dort nicht mehr Vollzeit arbeiten zu wollen. Ich bin 52, "erst" seit 10 Jahren bei der Post und körperlich eigentlich wirklich gut drauf. Aber der Job zermürbt einen. Und das eben längst nicht nur physisch.
Ich bin darüber hinaus gesellschaftspolitisch interessiert. Und zumindest von der Einstellung her das, wofür man aus einer bestimmten Ecke verächtlich "Gutmensch" genannt wird (beschämenderweise hapert es mitunter an der praktischen Umsetzung...). Ich bin dabei weder extremer Linker noch habe ich vor, mal auf einem Einsiedlerhof zu landen und in völliger Askese zu leben.
Aber es macht mich ernsthaft zunehmend fertig, mehr und mehr nur noch zu einem (noch dazu billigen) Handlanger eines völlig ungebremsten, teilweise hirn- wie sinnlosen Konsumrausches zu werden. Wo man teilweise einem einzigen jungen Mädel im Monat kubikmeterweise ihren Fast-Fashion-Krempel hin- und herkarrt - weil: ist ja alles kostenlos. Wo die Kundschaft an der Haustüre so fixiert auf ihren bestellten Dreck ist, dass sie nicht mal mehr "Danke" oder "Tschüss!" sagen kann. Wo schon die vier-, fünfjährigen Kinder fragen "Mama, was ist denn heute in den Paketen drin?". Beispiel Trinkgeld: Natürlich macht man den Job nicht deswegen. Ich finde auch, dass niemand moralisch verpflichtet ist, da mal was zu geben. Es ist aber auch irgendwie bezeichnend, dass am ehesten die was geben, die im Jahr vielleicht zehn Pakete bekommen und eigentlich selbst nicht viel haben. Einfach aus Respekt vor dem Beruf. In den gut zehn Jahren kann ich glaube ich die Trinkgelder von unter 40-jährigen an einer Hand abzählen. Die Frau eines Multimillionärs hat sich mal nicht entblödet, mir zu Weihnachten ein Schuhputzset Marke Ein-Euro-Shop zu schenken. Viele aus der jüngeren Generation nehmen mich nur noch insofern als Person wahr, als dass man der ja auch gleich noch ein Paket zur Mitnahme in die Hand drücken kann, damit man nicht selber die 800 Meter zur Packstation muss. Natürlich ohne vorher zu fragen, ob ich das überhaupt will (denn: ich muss eigentlich auch gar nicht).
Und das alles von den gleichen Leuten, die sich täglich darüber beschweren, wie dreckig sie doch dran sind. Wie ihnen abwechselnd Russland, die USA, die Grünen oder die Ausländer ihren Wohlstand rauben. Ich kotze, wenn wieder eine dieser "die armen Paketboten zur Weihnachtszeit"-Reportagen in der Zeitung, im Radio oder im Fernsehen kommt. Weil sie eigentlich völlig ignorant sind. Weil sie so tun, als würden wir uns den Rest des Jahres die Füße in den Bauch stehen.
Sorry für den Rant. Aber musste sein.
Und er soll auch erklären, warum ich vielleicht das ein oder andere hier geschrieben habe, was manche nicht so toll fanden. Sorry dafür.
Aber wer glaubt, dass in der Branche nur deshalb immer wieder Personalmangel herrscht, weil sie schlecht bezahlt oder so anstrengend ist, der irrt. Sie wird ja gerne als systemrelevant bezeichnet. Relevant ist für die Meisten aber nur das System an sich, das ihnen hilft, ihren Konsum- und Rücksenderausch (Deutschland ist hier zusammen mit Frankreich europaweit Spitzenreiter) auszuleben. Da haben nicht selten Leute komische Ansprüche an uns, die selber nach dem zweiten Tag heulend heimlaufen würden, wenn sie den Job machen müssten.
Wie gesagt, die Arbeit KÖNNTE echt toll sein. Und ja, es gibt auch mehr als genug Pfeifen in diesem Job, über die man sich zurecht beschwert.