Ihr solltet mal den Coop Modus probieren. Da wird der Zufall immerhin durch das gemeinsame Agieren in seine Grenzen gewiesen... ?
Könnte eine Lösung für mich sein, wobei dann der ganze Paranoia-Faktor, den ich ziemlich gut fand, wegfallen würde. So hatte ich den Kurs überprüft, mitgeteilt, dass wir eben nicht zur Erde fliegen und dann ... wegen Toilettenpause völlig vergessen mir zu merken, welcher der richtige Kurs war. Weil mich zusätzlich verwirrt hatte, dass die Kursziele nicht alphabetisch angeordnet waren. Also auf gut Glück auf A eingestellt und dann in einem Computerraum per Pilotenfähigkeit den Kurs nochmals überprüft und den Kurs zur Erde bestätigt.
Plötzlich stiefelte der Soldat in Richtung Brücke, blieb im Aliennestraum zusammen mit mir stehen und zerstörte die Tür zur Brücke. Zuerst dachten wir, dass er Alieneier einsammeln wollte. Dann hatte ich die Befürchtung, dass er den Kurs umstellen wollte, den ich so mühsam korrigiert hatte. Er hat hingegen nur überprüft, ob wir wirklich zur Erde unterwegs sind. Meine Amnesie, dass ich den Kurs nicht mehr wusste, kam ihm ebenso merkwürdig vor, wie mir sein Verhalten.
Auf diese Art erzählt das Spiel seine kleinen Geschichten innerhalb einer Partie. Zwar durch Zufall entstanden, aber ohne dieses mitschwebende Misstrauen, ob die lieben Mitspieler nicht ganz gegensätzliche Ziele haben, würde mir in dem Spiel enorm viel fehlen und es würde mehr zu einer kooperativen Optimierungs-Herausforderung verflachen, in der man mehr die Spezialfähigkeiten seines Charakterkartendecks gegenseitig ergänzen würde: Der eine Spieler scannt einen Raum aus Entfernung, zwei andere Spieler stiefeln zusammen los und suchen dort nach Gegenständen, während ein vierter Spieler für die Gruppe schon mal bessere Gegenstände zusammenbaut. In semikooperativen Runden muss man sich hingegen das Vertrauen zunächst erarbeiten.
Dabei hat Nemesis einige gute Spielmechaniken und ist auch gut umgesetzt:
- Die Miniaturen sehen gut aus in dieser akzentuierenden Bemaltechnik im Vergleich zum Plastikgrau
- Der ganze düstere Look des Spiels erzeugt eine glaubwürdige und beklemmende Alien-Atmosphäre
- Die Anzahl der Suchoptionen wird per Raumausrichtung angezeigt und braucht damit keine Statusmarker
- Jeder Charakter hat sein eigenes auf seinen Beruf ausgerichtetes Kartendeck
- Die Inifiziertenkarten mit dem Rotfolien-Check ist spielerisch interessant und gut umgesetzt
- Gegenstände lassen sich vielfältig einsetzen, auch zur Freischaltung von Spezialgegenständen des Charakters oder zum Bau besserer Gegenstände
- Vielfältige Raumaktionen (deren Funktionen man allerdings etwas umständlich auf der übergrossen doppelseitigen Spielhilfe nachschlagen muss)
- Bezahlsystem von Aktionen durch die eigenen andere Aktionskarten, was die Auswahl im Laufe der Spielrunde gezielt beschränkt
- Spannendes Verwundungssystem mit leichten Wunden, die zu unterschiedlich schweren Wunden werden, die einen gezielt behindern
Dem gegenüber steht allerdings die nicht vorhanden Charakterentwicklung in einer Partie. Ich werde durch erfolgreiche Alienkämpfe oder durch andere Aktionen weder besser noch sonstwie belohnt. Hier fühlt sich das Spiel für mich unbefriedigend an, weil diese ganzen kleinen Erfolgserlebnisse so völlig fehlen. Stattdessen freue ich mich eher, dass ich nicht schon per Zufallsfaktoren gestorben oder auf dem Weg dorthin bin.
Ob ich überhaupt Gegenstände finden kann und wie viele und ob die dann auch noch für mich nützlich sind, ist zum größten Teil reiner Zufall. Den kann man höchstens durch die Aktion minimieren, die dann Zeit und Aktionskarten kostet, um sich einen noch verdeckten Raum anzuschauen, ob man dort überhaupt suchen kann. Wie viele Gegenstände man dort finden kann, ist hingegen erst klar, wenn der Raum erstmalig erkundet wurde und dann muss man zum Suchen auch seine Suchen-Karten aus dem Kartendeck auf die Hand gezogen haben oder sich eben gezielt aufgespart haben, was aber den vorherigen Aktionsspielraum begrenzt hat.
Da macht es einem das Spiel nicht einfach und begrenzt sich meiner Meinung selbst in seinen Möglichkeiten. Weil wer durch den zufälligen Raumaufbau und blöde Verteilung der zufälligen Raummarker keine Gegenstände finden kann, kann auch keine besseren Gegenstände bauen und kann sich gegen Aliens kaum verteidigen und somit die Raumbereiche nicht mehr nutzen, in denen Aliens unterwegs sind. Zudem gibt es ja auch noch die Mitspieler, die in Konkurrenz untereinander sich Suchoptionen wegschnappen und damit verringern, da man pro Raum nur sehr begrenzt suchen kann. In Summe hatte ich das Gefühl, dass wir in unserer Partie schlicht zu wenig Chancen auf Gegenstände hatten. Eben begründet durch den Zufallsaufbau.
Nemesis verteilt ordentlich Zufallsarschtritte, um die düstere und beklemmende und fast ausweglose Stimmung aufzubauen und zu erhalten. Der Eigenanteil, etwas dagegen zu wirken, kommt leider nicht gegen den Zufall an. So wird man ein wenig bis ein wenig arg viel (eben zufällig) zum Spielball der Gegebenheiten und kann zufällig enstanden kaum bis wenig etwas machen, was einem voranbringt oder findet sich in einer zufällig entstandenen Abwärtsspirale wieder:
Munition ist aus. Aliens überall. Keine Suchoptionen in Reichweite für neue Munition. Verletzt und blutend. Aber um die Blutung zu stoppen, muss man einen Raum mit Suchoptionen finden und verwendet dafür seine Aktionen, um zu überleben, später Munition oder bessere Gegenstände zu finden, um sich dann um sein Missionsziel zu kümmern, während jemand die Selbstzerstörung aktiviert hat und die Zeit tickt.
Wie gesagt: Das Spiel kann tolle Geschichten erzählen, die sich durch die Zufallsfaktoren ergeben. Nur ist es dann weniger ein Spiel, das sich aus den eigenen Aktionen ergibt. Sondern eher ein Spiel, das sich selbst diese Geschichten aufbaut. Amitrash eben mit für mich, je nach Spielsituation, zu begrenzten Eigenanteil am Spiel.
Nochmals mitspielen? Ja, auch um selbst herauszufinden, ob die eine Erstpartie völlig typisch war oder nur eine Extreme durch Zufall entstanden. Ansonsten hat das Spiel für mich aber noch zu viele Ecken und Kanten, weil mehr wert auf Atmosphäre und weniger auf selbstgestalterische spielerische Möglichkeiten gesetzt wurden, um es zwingend selbst besitzen zu wollen. Mal sehen, wie es sich mit seinen ganzen Erweiterungen entwickelt und dann irgendwann als 3rd-Edition von einem großen Verlag überarbeitet aufgegriffen wird.