[2022] Roll Camera!: Das Filmemacher Brettspiel

  • Das englischsprachige Original von Roll Camera gibt es zwar schon ein wenig länger, aber die lokalisierte Version ist noch relativ neu. Und gerade bei so einem thematischen Spiel empfehle ich die Sprachversion, in der man sich zu Hause fühlt. Schliesslich wollen alle Gags und Insider-Anspielungen verstanden werden. Da allerdings einige Fachbegriffe der Filmwelt verwendet werden, gibt es hinten in der Anleitung ein kleines Glossar - Gaffer & Co ist eben was ganz anderes als im allgemeinen Sprachgebrauch. Die Übersetzung ist dabei wirklich gut gelungen und mir an keiner Stelle negativ oder aufgesetzt aufgefallen. Auf BGG wird allerdings bemängelt, dass auf dem Spielplan beim Schneideraum eine missverständliche Szenen-Überleitung verwendet wurde: WEIL anstatt DESWEGEN

    Roll Camera spaltet ein wenig die Gemüter und Spielegeschmäcker. Bricht man es auf seinen spielmechanismen Kern herunter und lässt das komplette Thema weg, weil es einen eventuell gar nicht interessiert, dann bleibt arg wenig übrig. Eigentlich nur ein kooperativ-seichtes Puzzle, bei dem man Würfelseiten einzelnen Aktionen zuordnet, um Aufgabestellung zu erfüllen, die gewisse Würfelanordnungen verlangen. Dabei begrenzen die Ressourcen Zeit und Geld, in Form von Spielrunden und Aktionen, die Möglichkeiten und die Spiellänge sowie erfordern effektive Aktionsauswahl. Klingt langweilig, wäre es auch, wenn es das Thema nicht geben würde. Und das quillt aus jeder Pore des Spiels.

    Hier geht es ums Filmemachen. Irgendwo zwischen Independent-Anfänge und Hollywood-Träume. Malachi Ray Rempen ist Game-Designer,Illustrator, Filmemacher und Cartoonist und ist in allen Rollen hauptverantwortlich für Roll Camera. Das merkt man und das tut dem Spiel gut, denn hier war augenscheinlich jemand am Werk, der sich in der Filmbranche bestens auskennt. Wer selbst einmal mit dieser Branche in Berührung gekommen ist, der wird deshalb vieles in der comicartigen Überspitzung wiedererkennen. Und wer auch nur ein wenig der Faszination der laufenden Bilder verfallen ist und sich ebenso für das "Making of" interessiert, kann etliche tolle Schmunzel-Momente in seinen Spielpartien erleben. Zumindest wenn die Mitspieler ebenso ticken. Die Spieleschachtel ist übrigens eine Filmklappe und das Inlay einer Filmrolle nachempfunden. Das Thema steht eben über allem.

    Mit meiner begrenzten Spielerfahrung von bisher nur einen entspannt-spannenden Partie, empfehle ich eine Dreierrunde. So ist jeder öfter der aktive Spieler am Zug und weniger oft in nur beratender Funktion. Zudem drohen die kooperativen Planungen aufgrund zu vieler Meinungen nicht auszuufern. Denn Roll Camera lebt für mich davon, dass es kompakt in einer Stunde gespielt wird, alle dabei ihren Spass haben und zeitgleich die Herausforderung, einen trashigen Kultfilm oder einen Meilenstein der Filmgeschichte in fünf Szenen zu drehen. Zu sehr durchdacht, zerquatscht und optimiert und dabei in die Länge gezogen, dafür ist es mir spielmechanisch dann doch etwas zu seicht. Dafür suche ich mir lieber komplexere Spiele. Als das, was Roll Camera aber ist und auch sein möchte, kann ich es nur empfehlen. Allerdings nur, wenn man das Thema mag und auch im Spiel erleben möchte.

    Genau da scheint auch der Knackpunkt zu liegen. So ist Roll Camera in der spielbox nur arg durchschnittlich und damit übersehenswert weggekommen. Da lag der Fokus in meiner Wahrnehmung zu sehr auf die Spielmechanik, wenn auch das Thema gelobt wurde. Für mehr Anspruch gibt es noch Studio-Karten, die Rahmenbedingungen vorgeben und das Spielziel schwieriger machen. Zudem gibt es auch einen Solo-Modus, wobei man dabei einfach nach normalen Regeln das Spiel alleine für sich spielt. War für mich nur fürs Kennenlernen der Regeln interessant, da mir darüber hinaus das gemeinsame Beratschlagen von Ideen fehlte und das gemeinsame Schmunzeln rund um die Problem-Karten, Drehbuchnamen, Filmszenen und der sich daraus entwickelnde Film, den man sich abschliessend erzählen kann, wenn man mag. Wer allerdings nicht mag und davon nicht fasziniert ist, sollte sich fragen, ob das Spiel überhaupt für einen taugt.

    Aktuell läuft in der Spieleschmiede die Unterstützung der Erweiterungen B-Movies und Superhelden in deutscher Sprachversion. Geplante Auslieferung im Sommer 2023. Das Grundspiel ist derweil nur begrenzt im Versand verfügbar, da einige Fachhändler es nur vor Ort verkaufen. Im Zweifel dort nachfragen. Da Roll Camera nicht jedem fernab der ersten Schmunzel-Partien der neuentdeckten Anspielungen gefällt, gibt es aber auch etliche Spiele auf dem Gebrauchtmarkt aktuell.

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    Einmal editiert, zuletzt von ravn (12. Dezember 2022 um 13:31)

  • In zwei Runden gefloppt. Thema und Illustrationen wurden gelobt, mechanisch schon arg limitiert. Zu viert halt sehr zäh, vorallem bei den Ideenkarten pralllen gerne Meinungen aufeinander... Würde es eher zu zweit spielen, wer ein Exemplar möchte der kann sich gerne per PN melden, ich würde meine Ausgabe abgeben... ;)

  • In unserer Theater-affinen Viererrunde ist es wirklich sehr gut angekommen, aber ja, es lebt vom Thema und davon, dass man sich schon in seine "Rolle" hineinversetzt. Die reine Mechanik ist überschaubar, und reduziert man das Spiel darauf (wie es wohl zahlreich in der Spielbox vorgekommen ist), ist es halt ein durchschnittliches Optimierungsspiel - dem Spiel als Ganzes wird eine solche Bewertung aber imho nicht gerecht.

  • In zwei Runden ausprobiert und ich werde es erstmal noch behalten. Aber nicht lange, ein oder zwei Mal spielen und dann ist's gut. Das wird der geschätzte Zeitpunkt sein, an dem sich die Ideenkarten nicht mehr neu und damit nicht mehr so lustig anfühlen. Die finde ich nämlich ebenfalls wirklich witzig und gelungen! Ebenso die asymmetrischen Rollen, die das Ganze spaßbringend beleben, richtig gut. Humor in Spielen ist Geschmackssache, aber Roll Camera hat das, auch dank toller Lokalisierung, super hinbekommen. Und das Thema kommt klasse rüber.

    Roll Camera wirkt wie ein Optimierpuzzle, aber dieses spielt beim Spielspaß nicht die Hauptrolle. Auch der kooperative Faktor verlockt dazu, über einige Karten zu diskutieren und es rational zu sehr zu zerplanen. Wir haben es zweimal durch zuviel Nachdenken zerspielt. Das nächste Mal versuche ich es kurzweiliger zu halten, vor allem durch weniger Diskussionen bei den Ideenkarten. Dennoch wird es nicht bleiben, eben weil die Mechanik dafür zu dünn ist. Die Studiokarten machen das Spiel schwieriger, aber in meinen Augen nicht nennenswert interessanter.

    Wir sind darauf getrimmt, dass in vielen Spielen der Sieg bzw. das Ende der entscheidende Moment für den Triumph ist. Bei Roll Camera muss man als Erklärer aus meiner Sicht rüberbringen, dass es vielmehr um das gelebte Miteinander während des Spiels ist. Alleine die Tatsache, dass man auch gewinnt, wenn man einen richtig schlechten Film produziert, spricht schon dafür. Dafür hatten wir zu viel Ehrgeiz, wohl fehl am Platz. Flott spielen. Spaß haben. Das in Kombination mit der richtigen Gruppe, die sich auf die Späße einlässt, die die Rollenkarten mit sich bringen, hat durchaus Potential für ein schönes Spielerlebnis, wir hatten Lacher und viel Applaus in der ersten Runde. Aber wie gesagt, mir reicht das dann nach 2-3 Mal. Bin also exakt der Spielertyp, den Ravn im letzten Paragraph anspricht. Ich hatte mir erhofft, dass es eine Art kooperativer Euro für Wenigspieler wird. Und sowas in der Art ist es auch. Aber es hängt zwischen den Stühlen, so dass ich lieber zu den Alternativen greife, die stärker zu den Polen neigen, z.B. Paranormal Detectives. Ich würde übrigens eher in größerer Gruppe spielen. Man kommt zwar seltener dran und auch bei den Ideenkarten steuert man weniger bei. Aber mit weniger Rollen geht für mich ein wichtiger Teil der Unterhaltung verloren.

    Bei der B-Movie Erweiterung frage ich mich, ob die neuen Ideen, die ich an sich klasse finde, das Spiel nicht eben doch wieder soviel verlängern, dass ich weniger Spaß damit hätte. Nett finde ich sie sehr wohl, vor allem die Props. Wiederspielwert steigt damit auch.

    TL;DR: Wir hatten spaßige Momente und ich mag das Spiel. Dank frischem Thema und witziger Elemente einen Versuch wert, wenn man es als Erlebnis- und weniger als Optimierspiel versteht. Mit den enthaltenen, schlichten Mechaniken für meine Gruppe zu lange und wenig reizvoll für das, was es sein möchte.

  • Als Ergänzung zu meinem letzten Post: Ich habe es wie geplant noch ein drittes Mal auf den Tisch gebracht, diesmal in einer Runde, die weniger auf Spielmechaniken achtet als auf den Spielspaß. Wir spielen sonst maximal Kennerspiele.

    Ihnen hat es super gefallen. Das fing schon bei der so passenden Filmklappenbox an. Weiter ging der Spaß mit den Rollen, die wir alle gut ausgelebt haben, wenn man das weglässt ist das Spiel meiner Meinung nach maaaaximal der halbe Spaß. Ich habe anfangs betont, dass man es möglichst nicht so genau ausrechnen oder diskutieren, sondern eher runterspielen soll. Insbesondere bei den Ideenkarten nicht zu lange fackeln, weder bei der eigenen noch bei der dann ausliegenden Auswahl. Das hat das Spiel beschleunigt und so hat es dann auch den Fluss und die Dauer gehabt, die ich erwartet hatte. Es gab viel Gelächter und auch die Tatsache, dass wir genau im letzten Zug den vom Studio geforderten Film "Törichte Trottel" drehen konnten, brachte Drama in die Runde.

    Für mich war das definitiv die beste meiner drei Erfahrungen. Mit der B-Movie Erweiterung wären noch mehr lustige Momente drin gewesen, ich bin mir sicher, dass sie die Requisiten gefeiert hätten.

    Dennoch, ich bin damit durch. Man macht zu oft das Gleiche und der Entscheidungsraum ist mir nicht interessant oder gar reizvoll genug. Hab es direkt für 15€ an eine der Mitspielerinnen gekauft, die sich über ihren Schatz gefreut hat. Bleibt mir trotz der Kurzlebigkeit in meinem Haushalt als Spiel mit viel Herzblut und guter Produktion in Erinnerung.

  • Die Schmiede hat jetzt endlich die Erweiterung und das erste Storypack ausgeliefert mit genau einem Jahr Verspätung. Ich teile die hier geäußerte Kritik an der Mechanik nicht so ganz. Ich finde, es ist ein nettes kleines Puzzle, das gut funktioniert und bei dem ich oft denke, es ist aussichtslos/verloren, aber dann kommt doch noch ein Kniff in den Sinn, um doch zu gewinnen. Da fängt der Tenor des Spiels die Realität einer Independent-Produktion ganz gut ein. Im Grundspiel kann man noch kritisieren, dass man die Szenen im Storyboard ohne den entsprechenden Mitarbeiter oder passende Idee nicht austauschen kann, was die Sache etwas schwieriger/glückslastiger macht, aber diese Aktion wird mit der Erweiterung nachgereicht.

    Ich habe jetzt nicht Buch geführt, aber dürfte so um die 15 Partien absolviert haben, Hälfte solo, Hälfte mit 2-3, und mir macht es durchaus immer noch Spaß. Klar, es ist jetzt nichts, das ich alle 1-2 Monate spielen würde, aber Abwechslung ist durch die Rollen, Titel oder Szenen schon weiterhin gegeben. Die Erweiterung vervierfacht die Szenenmenge ja nochmal und ein paar neue Ideen und Probleme kommen auch hinzu. Ja, da stimme ich zu, dass die nach 2-3 Partien bekannt sind und ein wenig an Reiz verlieren, als lockeres, nicht zu seichtes Puzzle mit toll umgesetztem Thema mag ich es aber.

    Ich hatte damals auch die Arbeit an einer kompetitiven Variante begonnen. Dies aber erstmal aufgeschoben, weil ich die Erweiterung abwarten/einbinden wollte. Jetzt werde ich erstmal die Erweiterung ein paar Mal spielen und dann vielleicht mal schauen, ob ich die Variante irgendwie zufriedenstellend umsetzen/abschließen kann.

  • Der Erweiterung liegt zudem ein Stanzbogen mit allerlei Requisiten bei. Rein spielmechanisch haben die keinerlei Bedeutung oder Auswirkung. Stattdessen sind die dazu da, um den gedrehten Szenen mehr thematische Substanz und Abwechslung zu geben, um die fortlaufende Story zu unterstützen, die man optional am Ende des Drehs sich gegenseitig erzählen kann.

    Wer so etwas mag, liegt mit der Erweiterung wohl richtig. Zwar gibt es mit dem Drehbuch, das jetzt aus 3 statt 2 Karten besteht, mehr Anforderungen, wie der Film sein soll und dazu mehr Szenenkarten, die diese Anforderungen unterstützen und ebenso zwei neue Aktionsfelder, um die Anforderungen erfüllen zu können falls der Zufall nicht auf der eigenen Seite mitspielt, aber das bohrt das Grundprinzip der kooperativen Puzzles "nur" auf. Im spielmechanischen Kern bleibt alles gleich, nur kommt eben der Mechanismus "Genre-Anforderungen" noch dazu und Ausrüstungskarten, die individuell dabei helfen können. Zusätzlich noch eine Menge an mehr Karten und Charakteren für mehr Varianz.

    Wer mit dem Thema weiterhin nix anfangen kann, dem empfehle ich, weiterhin einen Bogen um das Spiel zu machen. Dazu atmet das Spiel zu viel Thema, als dass man das ignorieren sollte. Wer Filme und besonders die Filmproduktion faszinierend findet, bekommt hier allerdings eine Extraportion Abwechslung und neue Herausforderungen dazu,. Ich befürchte allerdings, da das Spiel thematisch wie spielmechanisch so speziell ist, dass es weiterhin unter dem Radar segeln wird. Ein Liebhaberspiel - von dem Macher und für die passenden Spieler.

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  • Der Stapel wird sonst zu hoch und ggf gibt es Karten, die Dich eine Szene auswählen lassen, was bei 100+ zu viel wäre. Effektiv siehst Du ja eh nie mehr als rund 10 Szenen in einer Partie, oder?

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  • Ich habe am Wochenende die ersten drei Partien solo mit der Erweiterung gespielt. Insgesamt eine wirklich schöne Ergänzung. Die Einbindung der Genremarker ist zwar etwas simpel, da hätte ich mir einen größeren Kniff gewünscht, aber dafür erhöht sich auch die Komplexität nur minimal. Das Equipment bringt starke Möglichkeiten mit, deren (einmaliger) Einsatz/Timing gut überlegt sein will und auch die beiden neuen Hauptaktionen sind gut. Allgemein kein großes Redesign - war mMn auch nicht nötig - sondern kleine Zusätze und eben viel mehr Content für die Wiederspielbarkeit.

    Ich habe jetzt vorab nicht alles angeschaut, sondern möchte mich Schritt für Schritt überraschen lassen, aber durch die zusätzlichen Problem-, Ideen- und Szenenkarten kommt nicht nur über die höhere Anzahl mehr Varianz rein. Besonders gut gefallen haben mir insbesondere die Probleme, die erst nach ein paar Runden triggern und dass die dritte Aktion der Playerboards jetzt immer etwas anders sind - im Grundspiel ist da ja immer die gleiche Spezialaktion. Auch die variantenreicheren Boni der Szenen bringen mehr Abwechslung.

    Das Storyboard auszutauschen hat sich wie erwartet als beliebte und sehr starke Aktion herausgestellt. Gerade in der einzigen Partie, die ich verloren habe, habe ich es sehr häufig genutzt. Aber die Niederlage lag nicht daran, sondern an einem Irrtum bzgl. der Genremarker. Sonst hätte ich wohl gewonnen, habe aber mit einfach bzw. einfach/normal und ohne Produktionsfirmen erstmal zum Reinkommen relativ leicht begonnen. Ja, mit allen Karten wird der Stapel zu hoch in dem Sinne, dass man die Titelkarten nicht mehr richtig sieht, ansonsten hätte man auch den ganzen Stapel nutzen können.

    Einmal editiert, zuletzt von anke79 (5. August 2024 um 14:08)