Fog of Love - Holpriger Start in unsere Beziehung

  • Ich habe über das Spiel nur Marktplatzanzeigen gefunden, aber keinen eigenen Thread. Darum hole ich das nach mehreren Partien mal nach:


    Meine Frau und ich haben mehrere Runden #FogOfLove gespielt. Dazu haben wir mit dem Tutorial angefangen. Ich muss allerdings zu dem Spiel einiges mehr erklären, weil es auch für uns einige Partien gebraucht hat bis wir wussten, was das Spiel überhaupt sein möchte. Aber lest selbst...


    Grundsätzlich sind die Regeln sehr einfach und verständlich, das Regelheft ist sogar relativ kurz. Das Tutorial an sich ist gut gemacht, man kann tatsächlich ohne eine Zeile zu lesen direkt starten. Allerdings macht es mMn einen großen Fehler, denn es erklärt nach und nach eigentlich nur, wofür welche Karten da sind, aber weniger was man eigentlich macht. #FogOfLove ist ein "Beziehungssimulator" bzw. eine "Romantische Komödie als Brettspiel" wie es auf der Packung steht. Man sollte daher wissen und verinnerlichen, dass das Tutorial einem nicht das Spielgefühl widerspiegelt, welches das Spiel eigentlich vermitteln soll. Daher sollte direkt danach auch eine normale Partie folgen.


    Doch worum geht es - was möchte das Spiel in der Theorie darstellen: Jeder Spieler spielt einen fiktiven Charakter in dersleben frischen Liebesbeziehung. Das Spiel dreht sich grob um die Kennenlernphase. Das an sich klingt ja schonmal interessant! Was das Spiel allerdings darüber erklärt ist, dass man hier und da ein kleines Rollenspiel veranstaltet. Man wird also dazu aufgefordert die Rolle zu spielen und sich Dinge auszudenken. Das fängt z.B. damit an, dass man 3 Aspekte (aus 5 Karten), die einem am Anderen (fiktiven Charakter) gefallen haben, benennt. Natürlich macht es da schon Spaß, wenn man nicht aus der Rolle fällt. Über ein "Mir gefallen deine muskulösen Arme" kann man auch schon ein kleines spontanes Gespräch beginnen anstatt nur die Karte auszutauschen. Das kann schon sehr viel Spaß machen, weil man die Attribute, die das Gegenüber für den eigenen Charakter auswählt, ja gar nicht kennt. Auf diesen Attributskarten stehen dann auch Wesenszüge drauf - und um die dreht sich das eigentliche Spiel.


    Immer, wenn ein Charakter eine Karte ausspielt, muss mindestens eine Person wählen. Entweder beide wählen, oder einer wählt und der andere rät zeitgleich dessen Wahl, etc. Je nachdem, wie sich die Personen entscheiden, erlangt die Person selbst +/- Punkte in den Wesenszügen. Warum braucht man das? Ähnlich wie in #KingsDilemma hat man kleine und große Ziele und möchte am Ende der Runde einen gewissen eigenen (!) Stand auf dem Board haben, den man natürlich nicht kommunizieren darf. In gewisser Weise sagen die Karten: "Habe 5 gelbe Pluspunkte, habe 3 grüne Minuspunkte" und so weiter. Dabei geht es thematisch übersetzt darum, sich selbst und seine eigenen Ziele zu verwirklichen. Die Zufriedenheit spielt auch über das gesamte Spiel eine Rolle, aber die lasse ich hier erstmal aus.


    Unser Spielgefühl dazu war anfangs etwas schwierig zu deuten. Da auf den Wahl-Karten schon neben den Möglichkeiten die Auswirkungen stehen, fühlte es sich anfangs mechanisch an. Warum soll ich das Rollenspiel einbauen, wenn ich nur nach den Punkten entscheide? An sich auch vollkommen richtig. Nach 1-2 Partien ohne Tutorial aber kam so langsam durch, was das Spiel von uns möchte: Ja, natürlich wählt man die Entscheidungen nach seinen Zielkarten, aber die sind ja geheim. Da die Auswahl auch oft darauf ankommt, wie man im Vergleich zum anderen gestimmt hat, muss man also auch überlegen, was der andere für ein Typ ist und was sie/ihn wohl interessiert. Man versucht also schon einzuschätzen, was für ein Typ das Gegenüber ist und geht manchmal auch gern Minuspunkte ein. Denn zwar kann man egoistisch spielen und nur die eigenen Bedürfnisse erfüllen - dann ist aber die Gefahr groß, dass hinterher die "Zufriedenheit" beider nicht zum Sieg ausreicht oder dass die Beziehung am Ende zerbricht - wodurch natürlich auch beide verloren haben.


    Spannend ist dabei, dass die großen Zielkarten (physisch und inhaltlich) sich stets wechseln können. Mal muss man eine bestimmte ablegen, mal darf man wählen, mal darf man abgeworfene wieder auf die Hand nehmen.


    Alles in allem ist es schon sehr interessant umgesetzt. Sobald man versteht, wie das Spiel funktioniert und wie man gewinnt, ist es tatsächlich ein simuliertes Kennenlernen einer fiktiven Person. Man versucht zu erahnen, was diese Person triggert und wofür sie brennt. Eine ganz normale Kennenlernphase einer frischen Beziehung eben. Die Reise führte uns also von einem merkwürdigen "Wieso sollte ich?!" über ein "Klar sollte ich!" zu einem sehr runden Verständnis von Mechanik und Thema. Das alles hätte man abkürzen können, wenn das Spiel ein paar Zeilen mehr darüber enthalten hätte, wie man gewinnt und was das Spielziel bzw. die Kernmechanik ist. Denn das Tutorial erklärt nur, wie einzelne Kartentypen funktionieren, aber eben nicht "wie" man spielt.


    Darüber hinaus noch ein ganz ganz fetter Minuspunkt: Alle Personen auf den Karten sind weiblich. Das führte dazu, dass selbst meine Frau irgendwann sagte, dass sie irgendwie keine Lust mehr hätte, das zu lesen. Denn einerseits fühlt sie sich auch von "Spieler" angesprochen, andererseits werden die Texte länger und der Lesefluss bzw. Verständnisfluss ist einfach murks für uns. Schon klar, dass gerade dieser Unterschied genau darauf hindeuten soll, dass es wohl für manche Frauen auch komisch sein soll, mit dem männlichen "Spieler" angesprochen zu werden. Und "Spielerin/Spieler" möchte auch keiner. Aber gerade in so einem Spiel führte uns das zu manchmal zu denkfehlern, weil wir von der weiblichen Spielfigur ausgegangen sind. Nächste mal, wenn sowas auftaucht, werden wir einfach ein lesbisches Päarchen spielen, dann hat sich der Salat ;) Wie schon oft gesagt, ich darf als Mann eigentlich kein Urteil darüber fällen, ob es für Frauen OK ist als Spieler bezeichnet zu werden. Allerdings kenne ich keine Frau, für die das ein Problem ist oder die sich davon diskriminiert fühlt. Und dahin soll die Diskussion auch gar nicht abdriften. Ich möchte zumindest festhalten, dass es für mich bzw. uns den Lese- und Spielfluss deutlich gehemmt hat. Das soll bitte auch keine Diskussion darüber starten - das hatten wir an anderer Stelle schon.


    Darüber hinaus bleibt zu sagen: Sieht man über die "Spielerinnen" und das Tutorial hinweg, macht das Spiel nach 1-2 Partien wirklich eine Menge Spaß und darf bleiben!

  • Ich hab noch nicht viel Spielerfahrung in Fog of Love, aber bisher gefällt es mir richtig gut. Eins der Spiele, die zwar eine befriedigende Mechanik mitbringen, bei denen aber vor allem zum Schluß eine interessante Story rauskommt. Ich schreibe die Highlights der Partnerschaft samt Namen und Ergebnis auf eine kleine Karteikarte und lege sie als Historie dem Spiel bei.


    Dass man die Ergebnisse direkt sieht, finde ich eher gut. Sonst wären manche Auswirkungen zu beliebig ("Wie, ich dachte Frühstück im Bett mit Croissants kommt meiner faulen Art entgegen, aber hier wird auf Extravaganz gewertet"), so wie in manchen Videospielen, wo man den Tonfall der Konversation wählen kann und der Spruch, der rauskommt, gar nicht dem entspricht was man wollte.


    @Spieler vs Spielerin: Mir gefällt's. Einfach als Erinnerung, dass unsere Sprache oft männlich geprägt wurde (bzw. sich die männliche Form als Standard durchgesetzt hat). Was durch die kürzere Form ja praktikabel ist. Aber ich sehe es als positiven Denkanstoß.


    Schließe mich jedenfalls deinem positiven Fazit an und finde das Spiel viel zu unterrepräsentiert! Ich hoffe sehr, dass die Erweiterungen auch auf Deutsch kommen, denn Mischen mit Englisch würde ich nicht wollen. Das ist vielleicht auch das Hauptmanko: Irgendwann werden die Karten so bekannt, dass sie nicht mehr spannend sind und Erweiterungen her wollen. Meinen Spielspaß werde ich bis dahin aber raus haben.

  • Erweiterungen sind unbedingt willkommen! Ich hoffe nur, dass die Verkaufszahlen auch dafür sprechen.


    Was man neben den Punkten/der Thematik mal hervorheben muss ist, wie unglaublich gut die Geschehnisse und deren Auswirkungen zu den Wesenszügen passen: Stehen auf meinen Karten Adjektive wie "introvertiert", "artbeitssüchtig" und "hinterhältig", dann passen die Auswirkungen der Karten tatsächlich zu diesen Charakteristika - auch wenn man nur nach Symbolen spielt. Und von diesen Karten gibt es einen richtig dicken Stapel. Das ist schon sehr gut gemacht!

  • Bei uns ist Fog of Love komplett durchgefallen. Ich dachte mit diesem Konzept uU meine nicht-Spieler Frau an den Spieltisch zu bekommen und sie war auch von der Grundiedee erstmal super angetan. Uns hat das Spiel aber völlig ratlos zurückgelassen und jetzt hat keiner mehr Lust drauf.

    Man muss dazu sagen, dass wir beide eher schlechte Rollenspieler sind, das macht sicher ne Menge aus. Wir haben aber beide schon mehr oder weniger erfolgreich „normale“ Fantasy PnPs gespielt und dabei auch Spaß gehabt.


    Es fing an, dass wir beide Charaktere hatten, mit denen wir uns weder persönlich identifizieren konnten, noch in Reallife Sympathie für den jeweils anderen hätten. (meine fiktive Frau war im Prinzip mein totaler Antityp). Außerdem wurden wir ständig vor „Probleme“ gestellt, die nichts mit unserer Erfahrungswelt zu tun haben bzw. die ich persönlich eher belächle und nur aus schlechten Ami-Kitsch-Komödien kenne. „Schatz, seh ich in dieser Jeans zu dick aus?“ Wtf, was soll so eine Frage? ich weiß erstmal überhaupt nicht, wie das alter Ego meiner Frau im Spiel wirklich aussieht (bzw wie ihr die fiktive Hose steht) und außerdem weiß ich nicht wie mein alter Ego dazu steht bzw. welchen Geschmack er hat. Außerdem muss ich ja noch Punkte sammeln um (zusammen?) glücklich zu werden - also nehm ich halt B aber eigentlich ist es mir vollkommen wurscht. Und so ging das dann weiter.

    Irgendwann sind wir dann (da wir das Spiel beim besten Willen nicht ernst nehmen konnten) noch kurz in die alberen Schiene ala American Pie und Verrückt nach Mary abgerutscht und habens so versucht, aber das hat auch nur kurz getragen und das wars dann.

    Ich hab schon ernsthaft in Erwägung gezogen, dass wir einfach zu blöd für das Spiel sind oder zu empathielos um uns in unsere (völlig bescheuerten) Rollen einzufinden oder zu fantasielos um uns aus „Seh ich in der Hose dick aus?“ eine romantische Situation zu generieren , die auch nur im Ansatz an eine Lovestory erinnert (was wohl zugegebenermaßen schon irgendwie geht) , aber ich schiebs lieber aufs Spiel :).


    Trotzdem gut zu lesen, dass das Spiel durchaus auch gut ankommt (das Konzept ist ja tatsächlich mal interessant), für uns wars halt nix.

  • PowerPlant - freut mich zu hören dass es bei dir gut aufgehoben ist, dann hat das Spiel ja ein neues Zuhause gefunden. 😀 Mir/uns war es tatsächlich zu mechanisch und irgendwo zu wenig Spiel. Meiner Frau fiel es zudem sehr schwer, sich in die jeweilige Rolle fallen zu lassen.


    Was ich - neben den tollen Komponenten - sehr gut fand war die gegenseitige Vergabe von Eigenschaften am Anfang, das hat schon für einige Lacher gesorgt.

  • Jo, wir fanden es auch schwach Chordcommander. Sehr schade, weil halt initial große Vorfreude geherrscht hatte. Wenn du voll auf Rollenspiel gehst und deinen Charakter spielst, kannst du eigentlich nicht gewinnen. Die Beziehung wird immer in die Brüche gehen, weil beide zu wenige Punkte für ihre Lebensziele haben. Und wenn du voll auf Gewinnen aka Punkte gehst, musst du oftmals "out of character" entscheiden, was den Rollenspielanteil ad absurdum führt. Das war unser Hauptkritikpunkt. Von der völlig vermurksten Kickstarterkampagne mal ganz abgesehen.
    Lg

  • Ich weiß nicht, ob das stimmt. Es kam uns auch erst so vor, aber wie im echten Leben kann man ja nicht nur seine eigenen Bedürfnisse in den Fokus stellen ;)


    Ich glaube der Trick des Spiels liegt darin das Gegenüber kennen zu lernen (um auf dessen Bedürfnisse einzugehen) und dabei die eigenen nicht zu vergessen.

  • Das Spannungsfeld hier ist aber leider gefühlt nicht „Mein alter Ego - Partner“ sondern „Mein alter Ego - Siegpunkte/Mechanismus“.


    Echte Rollenspiele funktionieren nur mit einem guten Spielleiter, der beispielsweise eine Hendlung belohnen kann, die zwar eigentlich dumm, aber dafür charakterkonform ist oder für einen epischen Moment sorgt. Das schafft FoL meiner Meinung nach überhaupt nicht, da hat man eher die Netscheidung was cooles/charakterkonformes zu machen oder halt auf maximale Siegpunkte zu spielen.

  • Echte Rollenspiele funktionieren nur mit einem guten Spielleiter, der beispielsweise eine Hendlung belohnen kann, die zwar eigentlich dumm, aber dafür charakterkonform ist oder für einen epischen Moment sorgt. Das schafft FoL meiner Meinung nach überhaupt nicht, da hat man eher die Netscheidung was cooles/charakterkonformes zu machen oder halt auf maximale Siegpunkte zu spielen.

    Gutes Rollenspiel ist für mich nicht an Belohnung gekoppelt, sondern an eine nachvollziehbare Konsequenz und verständliche Reaktion des Umfelds. Es gibt sogar Rollenspiele, die geben dir bei der Ausspielung einer Schwäche nur eine Belohnung, wenn es wirklich negative Konsequenzen hat. Rollenspiel ist eben das Schlüpfen in eine Rolle mit all seinen Problemen. Wenn ich einen cholerischer Egozentriker spiele und das so ausspiele, erwarte ich ganz sicher nicht eine Belohnung, sondern auch plausible Gegenreaktion. Das kann dann natürlich üble Nachteile habe, aber ist nicht genau das der Spaß?


    Ich kenne das Spiel nicht, aber für mich hört es sich nach den typischen Problemen dieser Art von Spiele an. In den gleichen Topf werfe ich Kings Dilemma oder TIME Stories. Wer nicht den richtigen Zugang durch Rollenspiel findet und damit das Spiel erst richtig aufwertet, dem bleibt der Spielspaß verborgen und meist wird er ihn auch nicht mehr finden.

  • Wir haben nun auch das Tutorial gespielt und hatten leider aber auch Karten gezogen, die so überhaupt nicht zur Situation passten. Dies hätte man in der Tat besser vorsortieren oder als situativen Nachzugstapel einbauen können. Und ich habe mich im Nachhinein sehr geärgert, das Tutorial gespielt zu haben, da es das Spiel zu oft unterbricht und dadurch überhaupt kein Spielfluss zustande kommt. Ich hoffe, dass meine Frau sich noch zu einer zweiten Partie überreden lässt. Es ist bisher selten vorgekommen, dass sie gesagt hat, dass was verkauft werden soll. Hier war es gleich ihre erste Reaktion... Da hätte ich doch auf die Warnungen bzgl. des Tutorial reagieren sollen.

  • Ich weiß nicht, ob das stimmt. Es kam uns auch erst so vor, aber wie im echten Leben kann man ja nicht nur seine eigenen Bedürfnisse in den Fokus stellen ;)

    Ich glaube der Trick des Spiels liegt darin das Gegenüber kennen zu lernen (um auf dessen Bedürfnisse einzugehen) und dabei die eigenen nicht zu vergessen.

    Aber dann ist es am Ende leider genau so, wie es Chordcommander beschreibt. Wenn es dir um das Erlebnis geht, kannst du auch gleich ohne Siegpunkte spielen. Und glaube mir, wenn du in diesem Spiel immer auf Konsens spielst, gewinnt keiner von beiden. No chance. Selbst leichte Ziele sind sehr schwer erreichbar und brauchen viel Übereinstimmung in den Entscheidungen. Und um diese zu erreichen, bist du wie gesagt äußerst oft out of character. Leider! Wir sind wirklich mehr als wohlwollend an dieses Spiel herangegangen.
    Lg