Außergewöhnlich guter, sehr cleverer Kartenmechanismus mit sehr viel Potential

Paleo hat mir außerordentlich gut gefallen und es kam auch genau im richtigen Moment. Ich war so müde gespielt von lang angelegten, großen, üppigen Kampagnenspielen, die einen mit Material und Optionen überschütten und einen gleich für die nächsten Wochen und Monate beanspruchen, wenn man denn da durch- und weiterkommen möchte. "A Game to rule them all... and in the darkness bind them..."


Und da ich erneut den Versuch eines (epischen) Abenteuer-Kampagnen-Geschichten-Buch-Lesen-Spieles befürchtete, an dem man wieder wochenlang hängt, hätte ich es mir beinahe nicht gekauft.

Da ich kooperative Spiele aber mag, Mammuts einfach total schön sind... ist es quasi als Versuch dann glücklicherweise doch noch auf meinem Spieltisch gelandet. Das Spiel ist völlig anders als erwartet.

In vielen kleineren Leveln/Kombis ist es knackig schwer, mit einem überaus aus kurzweiligen und fordernden Kartenmechanismus. Ich bin kontinuierlich gefordert und stehe vor relevanten Entscheidungen, muss Risiken abwägen und mich auch oft ins Ungewisse begeben.


Das Spiel ist wirklich toll, aber keine Kampagne in dem Sinne.

Es bietet jede Menge (naja... eigentlich 10) Spielmodule, die man nach Belieben miteinander kombinieren kann. Die so kombinierten Level kann man dann nach Lust und Laune schwieriger, leichter oder sehr schwer gestalten. Aber eines hat man nicht: eine Kampagne über mehrere sich bedingende und aufeinander abgestimmte Szenarien, die man aufeinander aufbauend spielen muss. Ich bin mir sicher, dass so ein Spiel mit dieser Thematik möglich wäre. Und auch als Legacy Variante gäbe es da mit Sicherheit Potential.


Aber bei Paleo spiele ich szenisch einen Level, gewinne oder verliere. Und dann kann ich in einen neuen Level mit völlig anderen und neuen Herausforderungen starten. Ich nehme also aus der vorherigen Partie keine dauerhaften Gegenstände mit, ich muss keine bestimmten Dinge finden, erhalten oder heraussfinden, bevor ich weiterspielen kann. Ich baue auch keine Steinzeitzivilisation auf. Ich versuche einfach nur mal ein paar Tage zu überleben ;) ... und vielleicht noch eine gute Idee zu haben.


Ich spiele unterschiedlich(d) fordernde Level, die aber alle in sich so schlüssig, rund und clever sind und so voller toller Ideen stecken, dass man schlussendlich wirklich das GEfühl eines Abenteuerspieles hat. Man muss Dinge erforschen, kennenlernen, herausfinden, besser werden, Fähigkeiten entwickeln und vor allem natürlich: die eigene Gruppe bzw. den Stamm überleben lassen. Man muss seine Umgebung kennenlernen, Gefahren abschätzen und den Stamm weiterentwickeln.

Und das alles läuft mittels eines Kartendecks. Ein großer Stapel der an alle verteilt wird. Aus der eigenen Hand werden nun Karten für die Aktion ausgesucht und ausgespielt. Und das ist hier halt der ganz besondere Kniff: die Entscheidung darüber welche Karte ich nehme, muss ich anhand der Kartenrückseiten treffen. Möchte ich in den Wald gehen, weil wir Holz brauchen? OK, dann nehme ich eine Waldkarte, drehe sie um und stelle mich dann dem, was mir dort begegnet. Das kann sicheres Unterholz sein, kann aber auch etwas Gefährliches sein, oder ich werde vom schlechten Wetter überrascht o.ä. Die meisten Karten bieten aber auch eine Helfen Aktion. Denn da wir ja hier kooperativ spielen, können wir uns untereinander helfen, müssen dafür dann aber eben auch eine Karte ausspielen/nutzen.

Es gibt aber auch rote Karten, die idR immer eine Gefahr sind und idR für Schaden in der Gruppe sorgen. Wird der Stamm stärker, dann kann man aber auch diese roten Gefahrkarten (gemeinsam) besiegen und durch das Ausfiltern der Gefahren wird die Umgebung sicherer und man schafft es so über überaus pfiffiges Karten-Dis-Building Erkundung, Spannung, Herausforderung und Entscheidungsoptionen zu verbinden.


Großartiger Kartenmechanismus, sehr klug und rund. Ein spannendes forderndes Spiel, das einfach ganz außergewöhnlich gut ist. Es ist sehr viel taktischer als strategisch. Strategie hat es eigentlich kaum - ehrlich gesagt. Ich meine natürlich muss ich, wenn ich Tiere erlegen will auch Speere haben. Aber das ist für mich eher grundsätzliches Wissen, Notwendigkeit und Verständnis als tiefergehende spielerische Strategie. Der Glücksfaktor ist hier sehr hoch, das muss man ganz klar sagen. IdR gefällt mir das auch gar nicht so gut in diesen Dosen. Und tatsächlich spiele ich auch strategische Spiele sehr viel lieber. Aber bei Paleo überzeugen halt ganz andere und so viele Dinge und da ist halt vor allem auch diese fordernde Dynamik des Spieles zu nennen.


Ein paar kleinere Sachen können irritieren, wie dass man als Gruppe zwar noch nicht die Fähigkeit entwickelt hat Seile aus Holz zu produzieren, aber schon einen Menschen in der Gruppe hat, wer über ein Seil als Grundausstattung verfügt. Nun gut...

Ich werde die Reise von Paleo doch weiterverfolgen, obwohl ich nach etwas über 30 Partien erst einmal auch eine längere Paleo Pause brauchte und dachte, dass es dies jetzt erst einmal für mich damit gewesen sei. Tatsächlich habe ich jetzt nach einer Paleo Pause wieder Lust dazu entwickelt und mein Interesse an dem Spiel und welchen Weg es nehmen wird besteht. Nicht zuletzt deswegen, weil ich hier im Forum einen Blick auf ein Foto für die Erweiterung werfen konnte. Really? Dodo-Farm und Brotbacken?... tja, kannst nix machen, musste warten, bis das endlich kommt...


Paleo liefert auch ein paar leere Karten mit, so dass man sich eigene Ideen kreieren kann.

Ich habe mir eine Philosphin gebastelt. Die kommt schon mit einer Idee ins Spiel, während andere halt Speere oder Seile haben.


Großes Lob an diesen tollen Kartenmechanismus.

:thumbsup::thumbsup: