Andean Abyss

  • Also, während ich im letzten Sommer noch eine ablehnende Haltung dem Spiel Andean Abyss von Volko Ruhnke gegenüber eingenommen habe, hat mich mittlerweile die Begeisterung gepackt, und sehr liebe Freunde haben das erkannt und es mir geschenkt. (Juhu!!)


    Worum geht es? Um Kolumbien in den 90er Jahren. Linke und Rechte Guerillas, Drogenbosse und eine hart durchgreifende Regierung mit wenig Rücksicht auf die Verluste. Die Spieler nehmen eben diese Rollen ein: Regierung, FARC, AUC und Drogen-Kartelle.


    Das besondere daran ist, dass jede dieser 4 Fraktionen ihre eigenen Ziele hat, die teilweise mit den Zielen der anderen Spieler kollidieren, teilweise aber auch parallel erfüllbar sind. Dennoch möchte man ja als einziger am Ende der Sieger sein. Also geht man früher oder später doch gegen die anderen Spieler vor.
    Während die Regierung möglichst viel Unterstützung im Land sammeln möchte, strebt die FARC das Gegenteil an - möglichst viel Widerstand. Beide Fraktionen sind rein zahlenmässig die Stärksten und damit passt es, dass sie gegeneinander aufgestellt sind. Die paramilitärische AUC sieht sich selbst als eine Art Polizei und hat damit wenig mit der Regierung am Hut (aus ihrer Sicht) und versucht lediglich stärker positioniert zu sein, als die FARC: Mehr Basen im Land als die FARC haben.
    Schliesslich gibt es noch die Kartelle, die einfach nur ihre Geschäfte im Auge haben: Viele Basen im Land und viel Geld "erwirtschaften".


    Drei der Fraktionen sind sich doch recht ähnlich; nämlich die drei aufständischen Fraktionen. Diese haben als Spielsteine zum Einen Guerillas, die entweder verdeckt agieren oder aber aktiv und "sichtbar" sind, sobald sie handeln; und Basen, die sie in den Regionen und Städten einrichten können. Die Regierung stemmt mit Polizei und Militär dagegen, diese agieren natürlich nicht im Untergrund, sondern sind immer aktiv. Sie können aber nur gegen auffällige Guerillas vorgehen - sie müssen also warten, bis diese aktiv werden, oder selbst losziehen und diese aufstöbern.
    Das ist mit dem Spielmaterial sehr, sehr schön umgesetzt: Die Guerillas sind Oktaeder in der Spielerfarbe, die auf einer Seite ein eingestanztes Fraktionssymbol in Farbe haben! Ist das Symbol sichtbar, ist der Guerilla aktiv. Das wäre auch mit Countern gegangen, aber diese Lösung ist einfach ein Augenschmaus!


    Der eigentliche Motor des Ganzen sind Ereigniskarten, die Runde für Runde abgearbeitet werden; vier mal unterbrochen von Wertungen ("Propaganda"-Karten). Auf den Ereignissen sind die Fraktionen in einer Reihenfolge abgebildet, welche die Initiative in der aktuellen Runde vorgibt: Von links nach rechts darf man agieren. Nur: Wer in einer Runde agiert, der muss in der folgenden Runde aussetzen! Das ist spannend, da man auch immer die Karte der folgenden Runde schon sehen kann, und so immer abwägen muss, was nun besser ist - diese Runde agieren, oder lieber passen, weil es in der nächsten Runde wichtiger ist?


    Später vielleicht mehr - das Spiel ist große Klasse!!

  • Großartig Tom!


    Ich bin schon schwer beeindruckt von dem Spiel.


    Die Schwierigkeit der Regierung besteht vor allem darin, sich einerseits in eine gute Position zu bringen, andererseits aber keine der Fraktionen zu stark werden zu lassen. Natürlich kann man der FARC ständig eins auf den Deckel geben. Wenn dann die Kartelle die 14. Basis platziert haben, wird es eng. Irgendwann nach der ersten Propagandarunde schwimmen die nämlich in Geld.


    Ich habe schon ein paar Live-Spiele hinter mir und fand sie jedesmal wirklich schön. Gegen UliBle habe ich via Vassal gespielt. Das war manchmal etwas mühsam, da man für eine kleine Entscheidung z.B. während der Propagandarunden auf den anderen warten musste. Es war aber auch unser erstes Spiel mit Vassal, da waren wir noch nicht richtig eingespielt.


    Wenn Du Lust hast, schick mir doch eine PM.


    LG


    Gerrit

    Mit Gewaltlosigkeit hat noch nie jemand etwas erreicht. (Montgomery Burns)

    Ich habe zwar keine Lösung, aber ich bewundere das Problem. Präsident der EZB. (Das Känguru)


    Zum Spieleblog


  • Ich bin nicht ganz so angetan vom Spiel - habe aber auch nicht genügend Spielerfahrung sammeln können.


    Das System ist ungewöhnlich, ja außergewöhnlich. Ich komme bei fast allen Spielen jedoch vom Thema und hier enttäuscht mich Andean Abyss (bisher).
    In meinen Augen setzt es COIN-Operationen nur unzulänglich um. Diese bestehen eben nicht nur aus Militär- und Polizeiaktionen, auch wenn uns dies das US-Militär vielleicht glauben machen möchte.


    Wie gesagt, für ein abschließendes Urteil habe ich zu wenig gespielt.


    Uli

  • Zitat

    Original von ulible
    (...) Diese bestehen eben nicht nur aus Militär- und Polizeiaktionen, auch wenn uns dies das US-Militär vielleicht glauben machen möchte.(...)


    Naja, es gibt ja die "civil actions", das ist natürlich stark abstrahiert. Meiner Meinung nach kommen ja die Schwierigkeiten in der Realität gerade daher, daß es relativ unklar ist, wie genau man die Zivilbevölkerung auf die Seite der Regierung bekommt... Oder anders formuliert, daß das Spiel an der Stelle schwammig wird, liegt meiner Meinung nach daran, daß es da in der Realität eben keine "Mechanik" gibt, die man ins Spiel transferieren könnte!


    Aber aufgefallen ist mir das auch (ohne, daß es meiner Freude an dem Spiel einen Abbruch tut).

    UpLive [bgg for trade] - einfach anschreiben, wenn Dich davon was interessiert!

  • Abstrahieren muss man natürlich - aber auch die militärischen Operationen sind ja im Spiel extrem abstrakt. Ich vermute, dass der Autor seinen Fokus bewusst gewählt hat.


    Für mich ist dies (momentan) ein Mangel.


    Uli

  • Zitat

    Original von [Tom]
    Gerrit: Danke für das Angebot, aber auf VASSAL habe ich keine Lust. Das Spiel ist so schön, das möchte ich auf dem Tisch spielen! :)


    Kein Problem: steig in den Flieger, unterwegs nimmst Du noch Ulible mit und dann zocken wir in Berlin. :)



    Zitat

    Original von ulible
    Abstrahieren muss man natürlich - aber auch die militärischen Operationen sind ja im Spiel extrem abstrakt. Ich vermute, dass der Autor seinen Fokus bewusst gewählt hat.


    Richtig. Abstrakt ist der richtige Ausdruck dafür. Vielleicht etwas weniger als Twilight Struggle, aber wer ein klassisches Wargame erwartet wird entäuscht. Mich reizt die Mechanik besonders.

    Mit Gewaltlosigkeit hat noch nie jemand etwas erreicht. (Montgomery Burns)

    Ich habe zwar keine Lösung, aber ich bewundere das Problem. Präsident der EZB. (Das Känguru)


    Zum Spieleblog


  • Zitat

    Original von ulible
    Abstrahieren muss man natürlich - aber auch die militärischen Operationen sind ja im Spiel extrem abstrakt. Ich vermute, dass der Autor seinen Fokus bewusst gewählt hat.


    Für mich ist dies (momentan) ein Mangel.


    Uli


    Mir ist momentan dennoch nicht ganz klar, was Dir an dem Spiel fehlt.
    Magst Du das genauer beschreiben? Interessiert mich schon...

  • Tom,


    wie gesagt, mechanisch finde ich das Spiel sehr reizvoll.


    Wenn ich an Counterinsurgency denke, denke aber ich zumindest nicht nur an Militär- und Polizeiaktionen, sondern auch an zivile "Maßnahmen", die die "hearts und minds" gewinnen sollen.


    Wie stark man dazu abstrahiert, ist, so glaube ich, individuell verschieden. Mir gelingt dieser Abstraktionsfaktor nicht.


    Uli

  • Lass´uns ein wenig vom Spiel und Mechanismus zurücktreten - natürlich entziehe ich durch "zivile Maßnahmen" Guerillas den Boden.


    Ich möchte aber auch gar nicht Andean Abyss heftig kritisieren; bei mir hat dieser Aspekt nicht "klick" gemacht.

  • Guckst Du hier:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Counterinsurgency


    bzw. hier:


    http://www.playthepast.org/?p=2378.


    Weiterführend verzweigt der zweite Link auch zum "COIN Manual".


    LG


    Gerrit

    Mit Gewaltlosigkeit hat noch nie jemand etwas erreicht. (Montgomery Burns)

    Ich habe zwar keine Lösung, aber ich bewundere das Problem. Präsident der EZB. (Das Känguru)


    Zum Spieleblog


  • Zitat

    Original von Mapache
    Na dann bin ich schon gespannt auf meine erste Partie. Das Spiel liegt zwar schon zu Hause, aber ich bin zur Zeit im Urlaub in Kolumbien.


    Na, dann freu Dich mal schon. Als ich 2010 in Kolumbien war, hatten die Einsatzkräfte gerade "Mono Jojoy" eliminiert. Danach war die Hölle los. Noch mehr Pllizei und Militär. Denoch ein großartiges Land mit großartigen Menschen.


    Lg
    Gerrit

    Mit Gewaltlosigkeit hat noch nie jemand etwas erreicht. (Montgomery Burns)

    Ich habe zwar keine Lösung, aber ich bewundere das Problem. Präsident der EZB. (Das Känguru)


    Zum Spieleblog


  • So, gestern Abend kam es dann auch endlich auf de Tisch!
    Ich hatte mich vorher bewusst entschieden, es nicht mit weniger als 4 Spielern zu spielen, da ich denke, das führen von 2 Fraktionen verzerrt das (erste) Spielgefühl. Das ist aber eine vollkommen eigene und unfundierte Meinung. :)


    Ja, Mono Jojoy kam auch auf den Tisch - zumindest als Karte - da musste ich gleich an das Thema hier denken.


    Wie waren denn meine Erfahrungen? Also, mir hat das Spiel großen Spaß gemacht. Ich habe die Regierung übernommen, und am Anfang war ich erstmal am rotieren. Was mache ich denn überhaupt?! Ok, die ersten 2 Aktionen habe ich gleich mal als Event genommen, da die Karten zu verlockend waren. Dann erstmal ein "Train", um Truppen ins Spiel zu bekommen und ein "Sweep", um die Truppen zu den Guerillas zu bringen. Und da merkt man schon - das Spiel fliegt für einen selbst nur so dahin!
    Da man maximal alle 2 Runden agieren kann - und manchmal auch lieber passt, um das nächste Event auszuführen (oder zu verhindern), also noch seltener zieht - ist die erste Propaganda-Karte schneller da, als einem lieb sein kann.


    Inzwischen formen sich auch erste Gedanken, wie man als Regierung den Insurgence-Factions in die Suppe spucken kann: Zum Beispiel einen Sweep direkt nach einem Rally machen - dann kann sich der INS-Spieler überlegen, ob er seine nächste Aktion NOCHMAL einen Rally macht, was durchaus auch sinnlos sein kann - nur um seine Guerillas wieder zu verstecken - oder eben einen Assault riskiert durch die Regierung.
    Ach ja, ganz passend habe ich den AUC einen Waffenstillstand angeboten, nur um schon in meiner nächsten Aktion einen Sweep in AUC-Regionen durchzuführen (Hey, ich kläre nur auf - das tut ja keinem weh... ^^) und als es dann so aussah, dass die AUC gewinnen könnte, da war mir auch schon egal, was ich 2 Runden vorher ausgehandelt hatte... ;)


    Ein wirklich, wirklich schönes Spiel!