Beiträge von MetalPirate im Thema „Wie sind eure Eindrücke von Haspelknecht ?“

    In gewisser Weise ist die Diskussion über Begrifflichkeiten auch typisch für fast jedes Forum. Das hier ist halt kein Blog oder Podcast oder Youtube-Kanal, wo irgendeiner Macher alles definiert und alle anderen kommentieren nur. Hier geht's "demokratischer" zu; hier darf jeder gleichberechtigt mitdiskutieren -- und das passiert natürlich auch, wenn so viele fach- und sachkundige Personen schreiben wie hier im Brettspiel-Experten-Forum unknowns.de. Das ist Stärke und Schwäche dieses Forums zugleich.


    On-topic: Ich finde "Mangelspiel" hier im weitesten Sinne durchaus passend. Natürlich nicht auf dem Niveau von #ImJahrDesDrachen -- aber welches andere Spiel kommt da schon ran? ;) Bei Haspelknecht drohen am Jahresende empfindliche Strafen (Minuspunkte), wenn bestimmte Abgaben an den Grundbesitzer nicht geleistet werden können. Um diese Abgaben leisten zu können, muss man andere Sachen vernachlässigen, die man eigentlich viel lieber machen würde. Von daher kann ich schon verstehen, dass sich -- übrigens ganz wesentlich über die thematisch Einbettung! -- das Gefühl eines "Mangelspiels" einstellt. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass dieses Gefühl schnell in den Hintergrund tritt, wenn man die Strafplättchen in erster Linie als "2 Minuspunkte" wahrnimmt und rechnet, ob eine alternative Aktion mehr als zwei Pluspunkte bringt, um das zu kompensieren.

    Gesamthaft halte ich Haspelknecht samt Erweiterung für ein überdurchschnittlich gutes Spiel, das ich immer wieder gerne spiele.

    Yep. Sehe ich genauso. Haspelknecht ist aus 2015, wurde aber bei mir 2016, 2017 und 2018 jeweils mindestens einmal gespielt. Das gilt für kein anderes 2015er Spiel bei mir, auch nicht für Marco Polo (und schon gar nicht für Mombasa, The Gallerist, Nippon, Food Chain Magnate oder was es sonst noch so aus 2015 gab).

    Die Erweiterung ist modular und ich habe bisher erst ein Modul gespielt. Einmal. Da möchte ich noch keine Bewertung abgeben.


    Wenn man ein Spiel nach Monaten Pause wieder mal aus dem Schrank holt, dann spielt man halt eher das Grundspiel, erst recht, wenn Anfänger mitspielen. Gilt für alle Spiele, nicht nur für Haspelknecht. Hast du dich bzw. habt ihr euch am Grundspiel schon so sehr sattgespielt, dass du/ihr die Erweiterung brauch(s)t? Haspelknecht ist ein Spiel, das locker für 20+ Spiele gut ist, ohne eine Erweiterung zu brauchen.

    @LemuelG: habt ihr mit zufälligen Technologie-Plättchen gespielt oder mit dem Standard-Setup? Gerade im 2er-Spiel kann das den Charakter des Spiels (und welche Strategien erfolgversprechend sind) deutlich verändern. Die Beobachtung, dass man tendenziell viel forschen muss, würde ich allerdings sofort unterschreiben.


    Wenn die Boni für Stollenabbau alle verfügbar sind (Schubkarre, Öllampe, Lore), kann auch Kohleabbau die Strategie der Wahl sein. Aber wie bei jeder Strategie in Haspelknecht immer nur mit den passenden Errungenschaften dabei, ohne die geht's nicht.

    Und wenn man nicht zu zweit spielt, welches wäre dann das beste?

    Persönliche und vorläufige Meinung nach nur einem 4er-Haspelknecht: der gewinnt auch in großer Besetzung gegen RSF und K&K. Mich spricht das Spielgefühl einfach mehr an.


    Wobei man in Sachen Spielerzahl bei Haspelknecht noch auf eine selten zu findende Besonderheit hinweisen sollte: da bekommt ausgerechnet das 3er Spiel einen etwas anderen Charakter als 2er und 4er. Da sind nämlich 2 von 3 statt 1 von 2 bzw 2 von 4 der Scheibenpools, also zwei Drittel statt der Hälfte, mit Wasser-Malus bei der ersten Runde Scheibennehmen versehen, d.h. das Spiel wird verwässert, ;) äh, ich meine natürlich: die Beseitigung des nervigen Grubenwassers wird deutlich wichtiger. Zu dritt habe ich den Haspelknecht noch nicht gespielt, aber den Unterschied dürfte man vermutlich spüren, deutlich eher als den mit der Spielerzahl steigenden Anteil gelber Scheiben (4/18 - 7/27 - 10/36 bei 2-3-4 Spielern) oder die höhere Wahrscheinlichkeit extremerer Scheibenverteilungen bei 2-3-4 Scheibenpools. Letzteres finde ich sogar ausgesprochen clever, um die Wichtigkeit der Spielerreihenfolge ein bisschen mit der Spielerzahl zu skalieren.


    Insgesamt glaube ich, dass mein mathematisch-analytisches Herangehen als Ingenieur relativ wenig mit dem zu tun hat, wie Autor Thomas Spitzer sein Spiel designt hat -- anders als z.B. bei den von mir sehr geschätzten Spielen eines Stefan Feld, seines Zeichens Mathematik-Lehrer -- aber umso erstaunlicher ist es vielleicht, wenn der Haspelknecht auch aus meiner Perspektive heraus mich in vielen Details begeistern kann...
    :thumbsup:

    Gesternabend schon wieder Haspelknecht. Dass meine Frau sowas Anspruchsvolles von sich aus vorschlägt, und das abends nach einem etwas anstrengenden Tag mit unserer Kleinen :baby: , das sprich sehr für das Spiel. Das erste Mal mit zufälliger Plättchenwahl. Im 2er fehlenden dann ein paar Plättchen, bei uns u.a. der aufgewertete Knecht, d.h. sämliche Forschungsarbeit MUSS dann der Bauer machen. Dafür waren alle vier Gebäude drin. Gewonnen hat am Ende nicht meine Frau mit allen vier Gebäuden, auch wenn ich sie zwischendrin mal auf der Siegerstraße gesehen habe. Am Ende ein paar Fehlerchen zuviel gemacht und ich bin mit meinem Ritt auf der Rasierklinge in den letzten Runden durchgekommen, alles hing am richtigen Erreichen von ein paar Einmal-Boni, die direkt schon verplant waren. Unterschätzt die Kohlensäcke (Errungenschaft 34) nicht, die transformieren zwei nutzlos herumliegende Kohlenwürfelchen (okay, 2 Siegpunkte sind's idR auch) in Taler und Getreide, was sich flexibel für weitere Aktionen (-> Leiharbeiter) nutzen lässt. Damit den Adligen bezahlen ist nur Fallback.


    Wenn @Spielteufel schreibt, dass man an diversen Stellen aufpassen muss, sich nicht in eine Sackgasse zu manövrieren, dann kann ich das nur unterschreiben. Eine ungenutzte Aktionsscheibe verfallen lassen oder fehlendes Holz zur Stollensicherung oder die nur zwei statt der möglichen drei Aktionen des Haspelknechts genutzt (weil er z.B. dringend das Grubenwasser wegschaffen muss, damit der Hauer arbeiten kann, und man keine schwarze Scheibe hat, um es jemandes anderes machen zu lassen) oder das ungenutzt im Winter weggeschmissene Getreide bringt einen alles nicht um, aber es kostet schnell mal ein paar Siegpunkte. Anders als z.B. bei Grand Austria Hotel liegen Fehler aber nie an den blöden Würfeln, auch nur in Ausnahmefällen an Mitspielern, sondern diese ganzen Fehlerchen sind immer und ausschließlich eigene Fehler. Kein Holz geholt? Selbst Schuld, du hättest genug Zeit dafür gehabt. Negative Auswirkung vorhanden, dabei aber nie dramatiasch fies und immer 100% thematisch begründet. Ein ganz ähnliches Spielgefühl wie z.B. bei Agricola, das verlangt teilweise eine ähnliche kurz- bis mittelfristige Vorausplanung, z.B. für die Kette Holz holen - Zäune bauen - Tierzucht starten.


    Die 11 Punkte Unterschied, von denen Spielteufel berichtet, ist nach meiner Einschätzung schon ungewöhnlich viel. Wer keinen groben Fehler macht, sollte am Spielende idR bei 40 bis 50 Punkten landen. Im Endeffekt gewinnt dann der, der weniger Fehler gemacht hat, eine gute Grundstrategie hat, einen Plan B nicht vernachlässigt hat, und clevere Lösungen für die wechselnden taktische Anforderungen durch die Scheibenauswahl findet. Auch wieder: ganz ähnlich wie das, was Agricola für mich ausmacht, nur eben mit Aktionsscheiben statt Ressourcen-Anhäufungsfeldern und weniger asymmetrisch. Ich sag mal: wer Agricola liebt, wird Haspelknecht als kürzere, konzentriertere, verdichtetere Realisierung eines ganz ähnlichen Spielgefühls auch mögen.

    Oh Mann, je mehr Du über das Spiel schreibst, desto mehr Interesse habe ich.

    :D


    Heute abend als 2er mit meiner Frau gespielt. Standard-Zweier-Aufbau. Auch das zweite komplette Spiel wieder mit knapp 50 Punkten gewonnen, ich glaube es waren 48 am Ende. Dabei den blöden Adeligen dieses Mal weitgehend ignoriert (4 Schuldscheine = 7 Minuspunkte am Ende), wenn ich mich recht erinnere, im ganzen ersten Jahr nicht einmal Nahrung produziert, aber dafür die Pinge im ersten Jahr schon leergeräumt und den kompletten Stollen am Ende. Am Ende Boni für Schubkarre und Öllampe, dazu für die (optimiert vielen!) Schlägel & Eisen Symbole. Am Ende noch einen Haufen Kohle im Schacht gehabt, da habe ich sogar noch Punkte verschenkt. Ich glaube, auf oder sogar über die 50 Punkte (-> eine Runde auf der Zählleiste) kann man kommen.


    Ich behaupte nach knapp 3 Partien nicht, dass das Spiel super wäre. Es ist irgendwas zwischen (mindestens) gut und super, aber wo genau, das wird erst die Zeit zeigen. Es gibt noch viel zu entdecken und noch macht mir das Spiel super viel Spaß. Wobei ich mittlerweile den Eindruck habe, dass man zum Gewinnen viel forschen muss. Es geht weniger um forschen oder nicht forschen, sondern eher darum, welche Technologien zur eigenen strategischen Grundrichtung und zu den aktuellen taktischen Zwängen am besten passen. Diese Errungenschaften MUSS man sich holen, sonst kann man nicht gewinnen. (Und idealerweise sollte man vielleicht auch den Konkurrenten "ihre" benötigten Technologien nicht als erstes lassen, wenn man's auch brauchen kann. Jeder Siegpunkt zählt. In der Forschung, auch in der Option, dafür Zusatzkosten zu zahlen, um den Nachbarschaftszwang zu umgehen, steckt mehr Spieler-Interaktion drin, als man auf den ersten Blick sieht.)


    Das Spiel hat noch viele Kleinigkeiten, die mir so langsam auffallen. Beispielsweise die Begrenzung der Kohlewürfelwertung gegen Ende durch den Haspelknecht. Hartes Limit: lässt sich nur einmal aktivieren und mehr als maximal drei Kohlewürfel zieht der Kerl pro Jahreszeit nicht aus dem Schacht hoch, sonst bleibt die Kohle eben am Fuße des Schachtes liegen. Heißt: Kohlelagerung ist doch wichtig, wenn man mit Kohle punkten will. (Das "erst ab drei Kohlewürfelchen gibt's Punkte dafür" ist clever!) Heißt auch: Wasservermeidung ist halbwegs wichtig (Eimer, Scheibennehmen, letzteres mit Implikationen für Reihenfolge). Heißt ebenfalls: eventuell genug Nahrung produzieren, um den Haspelknecht damit bezahlen zu können, bewusst auch im Frühjahr, statt des eigentlich naheliegenden Sommers (-> +1 Bonus), dabei auch gerne die Abgaben am Ende ignorieren, d.h. mit Getreide Haspelknecht und/oder Hauer aktivieren, und am Ende ganz bewusst den/die Schuldschein(e) freiwillig nehmen, das kann sich unter dem Strich rechnen. Ganz andere Sache noch zum Zweierspiel: die Verteilung der Scheiben ist merklich anders. 4er: 10/36 = 28% gelb, 2er: 4/18 = nur 22% gelb. Mehr als 2 gelbe Scheiben nimmt man da selten. Ich glaube, das von mir heute intuitiv gespielte "verliere nicht zu viel Zeit/Aktionen/Fortschritte mit gelben Scheiben, nimm ruhig die Schuldscheine" ist zumindest im 2er Spiel keine soooo schlechte Idee...



    Dabei habe ich es ja in Essen schon gespielt, fand es aber nur "ok".

    Magst du mal ein bisschen berichten, warum "Haspelknecht" dich nicht 100%-ig überzeugen konnte? :)


    Dass ich von dem Spiel so begeistert bin, wie man bei aller Vorsicht nach wenigen Partien nur sein kann, das sollte mittlerweile klar geworden sein. :) Aber je mehr unterschiedliche Ansichten in dem Thread, bewusst auch negative, umso besser und informativer wird es insgesamt.

    Wie ist denn die Varianz zu sehen? Weil im Spiel zu viert kommen ja immer alle Hexplättchen der Verbesserungen ins Spiel, nur eben teils anders, weil zufällig angeordnet.

    Sehr gute und wichtige Frage, die auch bei mir ganz oben auf der Liste der Fragen zu Haspelknecht stand. Deshalb ein mit aller Vorsicht zu genießender vorläufiger Ersteindruck nach einer 4er-Partie und einer nach 2/3 abgebrochenen 2er-Partie, ohne Anspruch darauf, dass ich das in einem Jahr noch genauso sehe... :D



    Die vom Spiel genau so vorgehene Variation liegt -- im Gegensatz zu den meisten anderen Spielen -- eben nicht in der Auswahl von X aus Y Errungenschafts-Plättchen (mit Y > X), sondern in der Anordnung der X Plättchen. Welches Plättchen benachbart zu welchem anderen liegt, ist extrem wichtig, weil man sich nur auf Nachbarplättchen technologisch ausbreiten kann. Zumindest sofern nicht ein Mitspieler die gewünschte Errungenschaft schon hat, was dann aber mit Zusatzkosten verbunden ist.


    Mein Bauchgefühl ist, dass das Spiel für genau die vorhandenen 20 Plättchen ausgelegt ist. Ich glaube (!), dass eher das 2er-Spiel durch fehlende Plättchen leidet als das 4er durch fehlende Variation. Nämlich durch eventuell schlechteres Balancing und Verlust strategischer Optionen. Einfaches Beispiel als Beleg: die Gebäude, die man rechts am Spielertableau anbaut. Im 4er-Spiel stehen vier Gebäude zur Verfügung. Je nachdem, wieviele man davon baut, gibt's in der Schlussabrechnung 1/3/6/10 Punkte. 10 Punkte ist schon verdammt viel bei Haspelknecht. Durch das Erforschen selbst gibt's ja auch nochmal Punkte und die Gebäude bringen alle auch nutzbare Vorteile. Wer alle vier Gebäude im 4er-Spiel schafft, dürfte ziemlich sicher um den Sieg mitspielen. Im 2er mit dem empfohlenen Anfängeraufbau, d.h. in den vier Reihen die Plättchen mit den Nummern 1-3, steht dagegen nur ein einziges Gebäude zur Verfügung. Gebäudebau fällt da als Siegstrategie schon mal sicher flach.


    BTW: In den "draft rules" waren noch vier Bonusplättchen beschrieben, je eines pro Stufe. Ja, diese Plättchen hätte ich auch gerne noch dabei gehabt. Eine Variationsmöglichkeit zu haben ist immer besser als sie nicht zu haben. (Der Autor meinte auf meine diesbezügliche Nachfrage auf BGG, dass die eventuell in einer Erweiterung kommen könnten.) Trotzdem sind meine Bedenken wegen fehlender Variabilität aus den oben genannten Gründen ziemlich entkräftet. Die Anordnung ist wichtig und die auf der letzten Seite unter "Varianten" abgebildeten nicht-flächigen Anordnungsmuster mit Einschnitten, Löchern & Co sind doch nicht so sehr "Gimmick" oder vorgegaukelte Pseudo-Variabilität, wie ich beim Regelstudium und vor dem ersten Spiel noch dachte. Die Anordnung macht einzelne Strategien sofort mehr oder weniger gut realisierbar und fügt Haspelknecht ein "Spielaufbau lesen" als "Spiel vor dem Spiel" dazu -- in meinen Augen ein klarer Pluspunkt bei einem Spiel, das definitiv sehr viele unterschiedliche Wege hat, um Punkte zu kriegen, bis hin zu so exotischen Sachen wie: "im nennenswerten Umfang Punkte machen durch Lagerbau und Einlagern der richtigen Ressourcen im Winter". Da sind meinem analytischen Blick einige Sachen begegnet, die viele Spieler am Anfang garantiert nicht entsprechend zu würdigen wissen... :)

    Wie sind eure Eindrücke von Haspelknecht?

    Meinen Ersteindruck hatte ich im Wochenthread beschrieben: (Link)


    Mir hat es viel Spaß gemacht. Es ist im positiven Sinne etwas "unmodern". Moderne Spiele sind oft eher mechanisch als thematisch geprägt und die Schwere kommt eher durch komplizierte Regellastigkeit. Haspelknecht ist da ein Gegenentwurf. Es ist komplex, ohne kompliziert zu sein. Holt aus recht einfachen Mitteln schön knifflige Grübelproblemchen raus.



    (Zitat aus Wochenthread, zum Problem "konstanter Mangel":)

    Du kannst ja mit Getreide auch noch ein paar Aktionsfelder aktivieren. Dadurch kannst du dir ein wenig Abhilfe schaffen und brauchst hier und da mal weniger gelbe Aktionsscheiben...

    Ja, das ist so eine der typischen fiesen kleinen Gemeinheiten im Design: Getreide ersetzt mir die gelbe Scheibe beim Bezahlen des Kohlengräbers. Aber ich brauche am Ende des Jahres Getreide auch als Abgabe an den adeligen Ausbeuter, sonst gibt's Minuspunkte. Später, nach Ersetzung der Pinge durch Schacht und Stollen ganz ähnlich: Bezahlung von Haspelknecht und Hauer mit Getreide oder Taler, wovon ich auch immer zu wenig habe, gerade bei den Talern, die ich in der Regel nur mit Einmalaktionen kriege. Überall klemmt's, was beim Nehmen der Scheiben -- eigentlich einer ganz simplen Aktion -- schon schöne Entscheidungsdilemmata aufbaut, gerade in Kombination damit, dass es gleichzeitig auch die Spielerreihenfolge für das nächste Scheibennehmen bestimmt, für die man schon die Hälfte der Auswahl vorab kennt. Hohe Komplexität aus eher einfachen Regeln und ohne dass man hintereinander ein Dutzend unterschiedlichster Phasen und Unterphasen der Reihe nach abarbeiten muss. Scheibennehmen bestimmt die Reihenfolge fürs nächste Scheibennehmen, fertig, ohne weitere unnötig verkomplizierende Entscheidungsschritte. Das gefällt mir ausgezeichnet.


    Ich bin sowieso der Meinung, das jedes wirklich gute Spiele einen tollen, knackigen und auf den Punkt gebrachten Hauptmechanismus braucht. Das hat Haspelknecht mit dem Scheibennehmen, das nur auf den ersten Blick ziemlich unscheinbar daher kommt. "Auf den Punkt gebracht" dabei bitte nicht mit "Streamlining" verwechseln. Streamlining nur für den Rest. Der eine, zentrale Hauptmechanismus darf auch ruhig den Kopf kräftig rauchen lassen, und das ist bei Haspelknecht definitiv der Fall. Wie im Wochenthread beschrieben: wir wollten eigentlich unser Kennenlernspiel nur flott aus dem Bauch raus runterspielen, aber dann sitzt man vor den vier Scheibenpools, soll einfach nur alle Scheiben einer Farbe aus einem davon nehmen ... und die Zahnrädchen im Gehirn fangen immer schneller an zu rotieren...



    wie sieht es mit der Komplexität und der Spieldauer aus ?

    Thema Spieldauer: 3 "Jahre" x 3 "Jahreszeiten" = 9 Aktionsplanungen pro Spieler im gesamten Spiel. Jeder verteilt dann maximal fünf (oft auch vier, seltener drei) zuvor genommene Aktionsscheiben auf seine Arbeiter. Das ist dabei auch gewissen Einschränkungen unterworfen (man hat maximal zwei von drei Scheibenfarben und darf pro Arbeiter in der Regel nur eine Farbe zuweisen), so dass das Verteilen auch keine überbordende Komplexität hat. Zumal man beim Nehmen idR schon eine recht gute Vorstellung hat, was man mit den Scheiben machen will. Außerdem geschieht das Verplanen der Scheiben simultan.


    Mal überschlägig rechnen: zwei Minuten für Nehmen + Auflösen der Aktionen pro Spieler, ein bisschen Aufschlag dazu, gibt 20 min / Spieler für die individuell durchzuführenden Züge. Dazu großzügig bemessene 15 Minuten pro "Jahr" (Aufbau pro Jahreszeit, simultanes Verplanen, Winter-Jahreszeit-Verwaltung am Ende) und 5 Minuten für die Schlussabrechnung am Ende. Gibt 50 Minuten + 20 min/Spieler. Also 1:30 h zu zweit bis 2:10 h zu viert. Jo, dürfte nach meinem Ersteindruck so in etwa hinkommen, wenn kein extremer Grübler am Tisch sitzt. Bei schnellen und erfahrenen Spielern vermutlich auch merklich weniger.



    Thema Komplexität: Bei Haspelknecht hängt das meiner Meinung nach auch stark vom Erklärer ab. Warum das? Ich kenne Leute, die erklären absolut jedes Spiel rein über die Mechanismen. Uarghh. Das geht bei Haspelknecht ziemlich sicher schief. Dann käme dieses schöne Spiel nur als reine Mechanismensammlung rüber. Andersrum funktioniert's dagegen super. Wenn man das Spiel auch thematisch erklärt, dann greift alles wunderbar ineinander. Beispiel Errungenschaften (wer Fotos kennt: das sind die Hexagon-Plättchen). Entweder kostenfrei eine Technologie erforschen, die benachbart zu einer bereits von einem selbst erforschten Technologie liegt, oder dem Mitspieler, der diese Technonologie zuletzt entdeckt hat, dafür eine Ressource zahlen. Ich habe das so erklärt, dass man beim Nachbarbauernhof vorbeischaut und sagt: "Sag mal, Horst, du hast da so ein tolles Gerät, mit dem du dir Licht in deinem Stollen machen kannst, Öllampe oder so ähnlich nennst du es. Kannst du mir erklären, wie das funktiert, kriegst von mir auch einen Eimer Kohle dafür."


    Ein paar potentiell missverständliche Kleinigkeiten gibt's auch in der Ikonografie. Jahreszahl und Siegpunkte könnten z.B. unterschiedlicher sein und die Farbgebung ist auch nicht 100% einheitlich. Darauf sollte man gleich am Anfang hinweisen. Bei den Arbeitern steht als Ertrag, mit dem üblichen Schrägstrich für "oder" gekennzeichnet: Getreide / Holz / Kohle / Wasser(entfernung). Richtig ist: gelbe Scheibe -> Getreide, braune Scheibe -> Holz, schwarze Scheibe -> Kohle / Wasser. Der Schrägstrich ist nur bei Kohle/Wasser komplett richtig, nur die beiden Aktionen fallen funktional wirklich in eine oder-verknüpfte Gruppe mit freier Auswahl durch den Spieler, wenn die passende Scheibe gelegt ist.


    Mit Erklärungen und Aufbauten kann man etwas "nachhelfen". Ich habe das so gelöst, dass ich die Ressourcen in drei Kartenboxen getan und auf den Tisch gestellt habe, dabei (restliche) Kohlenwürfelchen und Wasser ganz bewusst in eine Box, um sie so zu gruppieren und vom Rest abzusetzen. Dazu die drei Ressourcenboxen auf dem Tisch so sortiert, wie es der Reihenfolge der Wertigkeit ihrer zugehörigen Scheiben bzgl. der Zugreihenfolge entspricht. Thema Reihenfolge: habe ich so erklärt, dass Feldarbeit (-> gelbe Scheibe) am aufwändigsten ist und man deshalb in der Reihenfolge nach hinten rutscht, wenn man viele gelbe Scheiben nimmt, während man die Kohle (-> schwarze Scheibe) am Anfang einfach als schwarze Steine von seinem Feld aufsammelt, was weniger Zeit kostet, was weniger Zeit kostet, so dass man in der Reihenfolge nach vorn rutscht.


    In Sachen Thema bietet Haspelknecht schon viel, aber es ist dann durchaus auch Aufgabe des Erklärers, das entsprechend so rüberzubringen, so dass sich die spielmechanischen Zwänge aus dem Thema logisch ergeben. Ich nehme mir dabei dann auch gerne mal das Recht heraus, das etwas auszuschmücken, wenn's der logischen Begründung dient. Das mit der gelbe Scheibe = Feldarbeit steht so z.B. nicht in der Anleitung drin, genauso wenig wie das "dem Bauernkollegen die Technologie abkaufen". Aber ich bilde mir ein, mit meiner Art des Spieleerklärens mehr Erfolg zu haben als wenn man das rein auf Mechanismen reduziert oder gar nur Anleitungen vorliest. Haspelknecht ist eines von den wenigen Spielen, die ihr zugrunde liegendes Thema wirklich zu 100% ausleben. Das muss man meiner Meinung nach dann als Spieleerklärer auch mit ausleben. Dann (und vielleicht auch nur dann) ist das Spiel zwar komplex, aber überhaupt nicht mehr kompliziert, weil es mit wenigen, aber sehr logischen Regeln auskommt. Mit der richtigen Erklärung ist es problemlos für jede Gruppe machbar, die Spiele wie Orléans schafft.




    Mal sehen, ob ich die nächsten Tage nochmal dazu komme, Haspelknecht auch mal als 2er zu spielen. Würde mich sehr interessieren, wie das wird. Ich erwarte ein deutlich anderes Spiel, wenn nicht mehr alle Errungenschafts-Plättchen im Spiel sind. Manche Strategien, die auf das gezielte Sammeln der Technologien eines bestimmten Typs setzen (was mich in meiner Erstpartie zum Sieger gemacht hat), werden dann notwendigerweise schwächer. Ich bin mir nicht sicher, ob Haspelknecht genauso gut auf unterschiedliche Spielerzahlen skaliert, wie ich mir das z.B. bei einem großen Spiel von Stefen Feld wäre. Haspelknecht hat schon ein paar Ecken und Kanten mehr und ich glaube nicht, dass das Spiel ohne Schwächen ist. Es sind z.B. Situationen konstruierbar, die nicht von den Regeln erfasst werden (mehr als 6 Scheiben im Pool). Aber es hat zumindest mal soviele völlig unterschiedliche strategische Wege zum Punktemachen, dass es da noch sehr viel zu entdecken gibt.