Wie sind eure Eindrücke von Haspelknecht?
Meinen Ersteindruck hatte ich im Wochenthread beschrieben: (Link)
Mir hat es viel Spaß gemacht. Es ist im positiven Sinne etwas "unmodern". Moderne Spiele sind oft eher mechanisch als thematisch geprägt und die Schwere kommt eher durch komplizierte Regellastigkeit. Haspelknecht ist da ein Gegenentwurf. Es ist komplex, ohne kompliziert zu sein. Holt aus recht einfachen Mitteln schön knifflige Grübelproblemchen raus.
(Zitat aus Wochenthread, zum Problem "konstanter Mangel":)
Du kannst ja mit Getreide auch noch ein paar Aktionsfelder aktivieren. Dadurch kannst du dir ein wenig Abhilfe schaffen und brauchst hier und da mal weniger gelbe Aktionsscheiben...
Ja, das ist so eine der typischen fiesen kleinen Gemeinheiten im Design: Getreide ersetzt mir die gelbe Scheibe beim Bezahlen des Kohlengräbers. Aber ich brauche am Ende des Jahres Getreide auch als Abgabe an den adeligen Ausbeuter, sonst gibt's Minuspunkte. Später, nach Ersetzung der Pinge durch Schacht und Stollen ganz ähnlich: Bezahlung von Haspelknecht und Hauer mit Getreide oder Taler, wovon ich auch immer zu wenig habe, gerade bei den Talern, die ich in der Regel nur mit Einmalaktionen kriege. Überall klemmt's, was beim Nehmen der Scheiben -- eigentlich einer ganz simplen Aktion -- schon schöne Entscheidungsdilemmata aufbaut, gerade in Kombination damit, dass es gleichzeitig auch die Spielerreihenfolge für das nächste Scheibennehmen bestimmt, für die man schon die Hälfte der Auswahl vorab kennt. Hohe Komplexität aus eher einfachen Regeln und ohne dass man hintereinander ein Dutzend unterschiedlichster Phasen und Unterphasen der Reihe nach abarbeiten muss. Scheibennehmen bestimmt die Reihenfolge fürs nächste Scheibennehmen, fertig, ohne weitere unnötig verkomplizierende Entscheidungsschritte. Das gefällt mir ausgezeichnet.
Ich bin sowieso der Meinung, das jedes wirklich gute Spiele einen tollen, knackigen und auf den Punkt gebrachten Hauptmechanismus braucht. Das hat Haspelknecht mit dem Scheibennehmen, das nur auf den ersten Blick ziemlich unscheinbar daher kommt. "Auf den Punkt gebracht" dabei bitte nicht mit "Streamlining" verwechseln. Streamlining nur für den Rest. Der eine, zentrale Hauptmechanismus darf auch ruhig den Kopf kräftig rauchen lassen, und das ist bei Haspelknecht definitiv der Fall. Wie im Wochenthread beschrieben: wir wollten eigentlich unser Kennenlernspiel nur flott aus dem Bauch raus runterspielen, aber dann sitzt man vor den vier Scheibenpools, soll einfach nur alle Scheiben einer Farbe aus einem davon nehmen ... und die Zahnrädchen im Gehirn fangen immer schneller an zu rotieren...
wie sieht es mit der Komplexität und der Spieldauer aus ?
Thema Spieldauer: 3 "Jahre" x 3 "Jahreszeiten" = 9 Aktionsplanungen pro Spieler im gesamten Spiel. Jeder verteilt dann maximal fünf (oft auch vier, seltener drei) zuvor genommene Aktionsscheiben auf seine Arbeiter. Das ist dabei auch gewissen Einschränkungen unterworfen (man hat maximal zwei von drei Scheibenfarben und darf pro Arbeiter in der Regel nur eine Farbe zuweisen), so dass das Verteilen auch keine überbordende Komplexität hat. Zumal man beim Nehmen idR schon eine recht gute Vorstellung hat, was man mit den Scheiben machen will. Außerdem geschieht das Verplanen der Scheiben simultan.
Mal überschlägig rechnen: zwei Minuten für Nehmen + Auflösen der Aktionen pro Spieler, ein bisschen Aufschlag dazu, gibt 20 min / Spieler für die individuell durchzuführenden Züge. Dazu großzügig bemessene 15 Minuten pro "Jahr" (Aufbau pro Jahreszeit, simultanes Verplanen, Winter-Jahreszeit-Verwaltung am Ende) und 5 Minuten für die Schlussabrechnung am Ende. Gibt 50 Minuten + 20 min/Spieler. Also 1:30 h zu zweit bis 2:10 h zu viert. Jo, dürfte nach meinem Ersteindruck so in etwa hinkommen, wenn kein extremer Grübler am Tisch sitzt. Bei schnellen und erfahrenen Spielern vermutlich auch merklich weniger.
Thema Komplexität: Bei Haspelknecht hängt das meiner Meinung nach auch stark vom Erklärer ab. Warum das? Ich kenne Leute, die erklären absolut jedes Spiel rein über die Mechanismen. Uarghh. Das geht bei Haspelknecht ziemlich sicher schief. Dann käme dieses schöne Spiel nur als reine Mechanismensammlung rüber. Andersrum funktioniert's dagegen super. Wenn man das Spiel auch thematisch erklärt, dann greift alles wunderbar ineinander. Beispiel Errungenschaften (wer Fotos kennt: das sind die Hexagon-Plättchen). Entweder kostenfrei eine Technologie erforschen, die benachbart zu einer bereits von einem selbst erforschten Technologie liegt, oder dem Mitspieler, der diese Technonologie zuletzt entdeckt hat, dafür eine Ressource zahlen. Ich habe das so erklärt, dass man beim Nachbarbauernhof vorbeischaut und sagt: "Sag mal, Horst, du hast da so ein tolles Gerät, mit dem du dir Licht in deinem Stollen machen kannst, Öllampe oder so ähnlich nennst du es. Kannst du mir erklären, wie das funktiert, kriegst von mir auch einen Eimer Kohle dafür."
Ein paar potentiell missverständliche Kleinigkeiten gibt's auch in der Ikonografie. Jahreszahl und Siegpunkte könnten z.B. unterschiedlicher sein und die Farbgebung ist auch nicht 100% einheitlich. Darauf sollte man gleich am Anfang hinweisen. Bei den Arbeitern steht als Ertrag, mit dem üblichen Schrägstrich für "oder" gekennzeichnet: Getreide / Holz / Kohle / Wasser(entfernung). Richtig ist: gelbe Scheibe -> Getreide, braune Scheibe -> Holz, schwarze Scheibe -> Kohle / Wasser. Der Schrägstrich ist nur bei Kohle/Wasser komplett richtig, nur die beiden Aktionen fallen funktional wirklich in eine oder-verknüpfte Gruppe mit freier Auswahl durch den Spieler, wenn die passende Scheibe gelegt ist.
Mit Erklärungen und Aufbauten kann man etwas "nachhelfen". Ich habe das so gelöst, dass ich die Ressourcen in drei Kartenboxen getan und auf den Tisch gestellt habe, dabei (restliche) Kohlenwürfelchen und Wasser ganz bewusst in eine Box, um sie so zu gruppieren und vom Rest abzusetzen. Dazu die drei Ressourcenboxen auf dem Tisch so sortiert, wie es der Reihenfolge der Wertigkeit ihrer zugehörigen Scheiben bzgl. der Zugreihenfolge entspricht. Thema Reihenfolge: habe ich so erklärt, dass Feldarbeit (-> gelbe Scheibe) am aufwändigsten ist und man deshalb in der Reihenfolge nach hinten rutscht, wenn man viele gelbe Scheiben nimmt, während man die Kohle (-> schwarze Scheibe) am Anfang einfach als schwarze Steine von seinem Feld aufsammelt, was weniger Zeit kostet, was weniger Zeit kostet, so dass man in der Reihenfolge nach vorn rutscht.
In Sachen Thema bietet Haspelknecht schon viel, aber es ist dann durchaus auch Aufgabe des Erklärers, das entsprechend so rüberzubringen, so dass sich die spielmechanischen Zwänge aus dem Thema logisch ergeben. Ich nehme mir dabei dann auch gerne mal das Recht heraus, das etwas auszuschmücken, wenn's der logischen Begründung dient. Das mit der gelbe Scheibe = Feldarbeit steht so z.B. nicht in der Anleitung drin, genauso wenig wie das "dem Bauernkollegen die Technologie abkaufen". Aber ich bilde mir ein, mit meiner Art des Spieleerklärens mehr Erfolg zu haben als wenn man das rein auf Mechanismen reduziert oder gar nur Anleitungen vorliest. Haspelknecht ist eines von den wenigen Spielen, die ihr zugrunde liegendes Thema wirklich zu 100% ausleben. Das muss man meiner Meinung nach dann als Spieleerklärer auch mit ausleben. Dann (und vielleicht auch nur dann) ist das Spiel zwar komplex, aber überhaupt nicht mehr kompliziert, weil es mit wenigen, aber sehr logischen Regeln auskommt. Mit der richtigen Erklärung ist es problemlos für jede Gruppe machbar, die Spiele wie Orléans schafft.
Mal sehen, ob ich die nächsten Tage nochmal dazu komme, Haspelknecht auch mal als 2er zu spielen. Würde mich sehr interessieren, wie das wird. Ich erwarte ein deutlich anderes Spiel, wenn nicht mehr alle Errungenschafts-Plättchen im Spiel sind. Manche Strategien, die auf das gezielte Sammeln der Technologien eines bestimmten Typs setzen (was mich in meiner Erstpartie zum Sieger gemacht hat), werden dann notwendigerweise schwächer. Ich bin mir nicht sicher, ob Haspelknecht genauso gut auf unterschiedliche Spielerzahlen skaliert, wie ich mir das z.B. bei einem großen Spiel von Stefen Feld wäre. Haspelknecht hat schon ein paar Ecken und Kanten mehr und ich glaube nicht, dass das Spiel ohne Schwächen ist. Es sind z.B. Situationen konstruierbar, die nicht von den Regeln erfasst werden (mehr als 6 Scheiben im Pool). Aber es hat zumindest mal soviele völlig unterschiedliche strategische Wege zum Punktemachen, dass es da noch sehr viel zu entdecken gibt.