[Kurze Erklärung]
Zielgruppe, an die sich das Spiel in der Frage richtet: Kinder-/Familienspiele(r)
Warum? Für die ist eine niedrige Einstiegshürde hauptsächlich von Bedeutung. Mit genügend spielerischer Sozialisation stellt dann kaum eine Regel eine unüberwindbare Hürde mehr dar.
Beispiel für ein Spiel, das dem Gesuchten („einfach und komplex“) nahekommt: Carcassonne
Warum? Ein einziges Startplättchen. Die Komplexität, der im Verlauf des Spiels langsam anwachsenden gemeinsamen Auslage, ist zunächst (im Stapel) verborgen. Es ist möglich, das Spiel direkt zu starten und alle relevanten, für die Spielsituation jeweils wichtigen Informationen (und Regeln) sukzessive, Plättchen für Plättchen zu erklären. – Cascadia ist da bspw. mit vier allgemein ausliegenden Plättchen- und Tier-Kombinationen, den verschiedenen Wertungskarten (mit wechselnden Spielbedingungen), dem persönlichen (und auch noch unterschiedlichen) Startplättchen ungleich komplizierter.
Wenn ich es richtig verstanden habe, soll die Komplexität ja von Mechanismen und Dingen kommen, die man den Spiel hinzufügt und nicht von Dingen die schon immer da, aber zuerst verborgen waren (…)
Ja, im Idealfall (wenn es den gibt, das ist hier die Frage), aber nicht nur. „Zuerst verborgen“ ist eine Möglichkeit, die funktioniert und sich bewährt hat. Möglicherweise sind solche Lösungen mit Umschlägen (Schachteln und sonstigem Spielmaterial), die während des Spiels geöffnet und bei Folgepartien freigespielt werden, dadurch behutsam die Komplexität erhöhen, auch die einzig sinnvollen. Das versuche ich zu ergründen.
[Lange Erklärung]
Nach dem Brainstorm(ing)
Mit der langen Erklärung habe ich mir bewusst etwas mehr Zeit gelassen. Damit unbewusst noch ein paar Einsichten im Frontallappen auftauchen konnten. Betrachtet das folgende bitte als „gedankliches Strandgut“. Manches davon lässt sich mit ein bisschen Liebe zum Detail (fachkundig) aufpolieren, zurechtbiegen und wiederverwenden. Vielleicht erfüllt sie „nur“ den ursprünglich vorgesehenen Zweck – eine Annäherung an eine schwierige Frage. Die Antwort ist womöglich altbekannt (aus der Spieltheorie) und kalter Kaffee. Zumindest möchte ich damit zum kreativen Weiterdenken anregen. Wenn ich damit nur diesen Zweck erfüllen sollte, wäre ich schon glücklich.
Dieser Beitrag enthält Fragmente, Optionen, Gabelungen, Kreuzungen; führt durch Hohlwege und über dünnes Eis; zeigt verlassene Komfortzonen, offenbart manch unvollständigen Gedanken, Blitze und Ideen. Tendenziell könnte er (Selbst-)Täuschung, Vermutungen, Halbwissen (haarsträubend aber ungefährlich) enthalten; außerdem Spielewahnsinn (den es auch außerhalb von Herne gibt); gute wie schlechte Erfahrungen; versteckte Ironie; Perspektiv- und Spielerwechsel; Kontrolle und Verlust; mind. 51% ehrliche Gewinnabsicht; intrinsische Motivation – also endlosen Spaß (ach, wie schön). Und ein anderes Wort für gegeneinander Kooperieren: Diskussionsbedarf.
Mit dem Warnhinweis unter dem Startbeitrag habe ich offensichtlich einige verwirrt. Mit Ironie ist das ja auch so eine Sache. Wird diese übersehen, und sind die Hintergründe nicht bekannt, dann kann das leicht missverstanden werden. Ich möchte hier niemanden unnötig verstören oder abschrecken. Darum versuche ich mal etwas (mehr) Licht ins Dunkel zu bringen, und mich und meine Motivation zu erklären. Ich bin jedenfalls ein gebranntes Kind was derartige Klischees betrifft, vor denen ich augenzwinkernd warnen muss. Daran nicht ganz unschuldig sind die vielen Werbeleute, denen ich in meiner Zeit in Werbeagenturen begegnet bin. Und auf „Werbung“ in Form von (penetrant wiederholten) Werbebotschaften, -sprüchen und -floskeln reagiere ich nun mal damals wie heute ziemlich allergisch. Für mich ist das „Easy to learn, (but) hard to master“ ein Etikett, das man (sich) nur allzu leichtfertig anheftet, und das dann quasi als vermeintliches Gütesiegel (zur Selbstvermarktung bspw. bei Crowdfunding-Kampagnen) herhalten muss. Dabei ist die Aussage ja nicht grundsätzlich falsch. Ich möchte in den Singsang nur nicht mit einstimmen und aufgewärmt serviert bekommen. Ich will mich an Regeln halten, aber Gewohnheiten aufbrechen.
Für diejenigen, die von der Frage „Was will das Spiel?“ verwirrt sind, möchte ich darum noch ein paar der angesprochenen Hintergründe näher beleuchten. Etwas anders formuliert, ist das eine von Redakteur*innen gern gebrauchte Floskel. Um zu beurteilen, was das (dem Verlag vom Autor angebotene) Spiel bietet, wird sinngemäß gesagt, das Spiel sei „unnötig kompliziert für das, was das Spiel will“; oder „das sind aber ein Haufen Spielkomponenten für ein Kinder- und Familienspiel“. Das kann natürlich trotzdem eine zutreffende Beurteilung sein, wenn es nicht das ist, was gewünscht ist bzw. der Verlag will! Dann wird eben diese Suggestivfrage gestellt, eine Schublade aufgezogen, und das Spiel landet in dieser mit der Aufschrift „Spiele (und Autoren), die zu viel wollten“. Dem möchte ich auf den Grund gehen, um diese Vorgänge besser zu verstehen. Ja, das ist ein egoistisches Motiv, da ich der Meinung bin, dass diese Schublade falsch (beschriftet) ist. Um herauszufinden, ob ich damit richtig oder falsch liege, habe ich diesen Thread gestartet. Und es ist auch ein altruistisches Motiv, weil ich nicht nur Autor, sondern hauptsächlich Spieler bin, wie die meisten hier. Als Spieler habe ich die Frage am Anfang umgedreht und um Informationen ergänzt, die da lauten: „Was will das (neue) Spiel? Was sollte es anders machen? Bringt es all das mit, was ich an Spielen (und dem Hobby) so schätze? Und was kann ich beitragen?“ Ein leichter Einstieg und intuitiv zu erfassende Regeln sind mir am liebsten. Ebenso zusätzliche Regeln, wie sie Module meist mitbringen, und die zum Einstieg zunächst weggelassen werden können.
Lassen sich zwei gegensätzliche Merkmale vielleicht doch verbinden (wie einfach und komplex), die im Widerspruch zueinander stehen? Was verbindet bspw. Wasser und Öl? – Die Komplexität (durch weitere Mechanismen) muss ja nicht schon am Anfang bestehen. Das Hinzufügen kann in Form von Modulen, wie hier mehrfach erwähnt, auch erst später erfolgen. Wenn sie dann hinzugefügt werden, sollte es sich aber so anfühlen, als ob sie nie gefehlt hätten. Indem sie „nahtlos ineinandergreifen“, sich im Gesamtgefüge wie eine Brausetablette auflösen, eine (natürliche) Symbiose bilden, wie mithilfe von Emulgatoren ein stabiles Wasser-Öl-Gemisch: Creme. Oder indem sie eben ein „neues“ Gewürz, wie das von mir genannte Curry ergeben und zu einem neuen Mechanismus verschmelzen. Interessant wird das dann, wenn sich eigentlich ausschließende Mechanismen auf kreative Weise zusammenbringen lassen, wie bei The Crew, das hier ebenfalls schon genannt wurde. Dieses Kombinieren wird ja tatsächlich auch sehr häufig (mehr oder wenig erfolgreich) versucht, also Bekanntes auf neuartige Weise aufeinander loszulassen, es zu „matchen“.
Mit Komplexität ist nicht nur die Spieltiefe gemeint (siehe Startbeitrag). Komplexität entsteht durch Mechanismen, Abläufe und Optionen, die ineinandergreifen, wie z.B. bei dem genannten Säulen der Erde und/oder nebeneinander stehen können wie eben beim Schach. Natürlich könnte/dürfte sich die Diskussion hier auch um Letzteres drehen. Weil sie m.E. aber wegführt von der flüchtigen Ahnung und dem wonach ich suche, habe ich (u.a. Go) aus der Betrachtung ausgeklammert.
Um die Frage zu beantworten und in die Nähe einer Antwort zu kommen, wage ich mich hier auf dünnes Eis, weil das ein Bereich ist, vornehmlich der Mathematik, in dem ich vergleichsweise Laie bin. Meine Stärken und (berufliche) Qualifikation liegen in einem anderen Bereich. – Zur Info: Ich bin Grafik-Designer und (seltener als früher) Illustrator. – Ich mag bspw. das kreative Chaos und eine bildhafte Sprache; einen bunten Haufen, in dem ich wühlen kann; ich liebe Geschicklichkeitsspiele, weil bei diesen nicht automatisch jene/r gut spielt und daraus einen Vorteil zieht, die/der seine Gewinnchancen ausrechnen kann. Kenner-/Expertenspiele, bei denen überwiegend optimiert werden soll, spiele ich trotzdem gerne mit –meine Frau optimiert allerdings deutlich besser als ich, und gewinnt darum mit schöner Regelmäßigkeit. Viele der üblichen und beliebten Optimierspiele haben häufig Spielpläne und Tableaus mit vielen Einsetzfeldern, die für eine „ausgebreitete“ Komplexität sorgen, und die, um sinnvoll spielen zu können auch alle zunächst erklärt werden müssen. Dieses Nebeneinander an Informationen gleich zu Beginn macht solche Spiele nicht unbedingt einfach für Einsteiger, sondern eben mitunter sehr kompliziert.
Ich mag beides: einfache und komplexe Spiele. Dazwischen liegt aber ein großer „Regel-Graben“. Wenn ein Spiel 30 Minuten (und länger) erklärt werden muss, kann es nicht mehr einfach sein. Oder doch? Denn es gibt ja trotzdem Spiele – und das können für jeden hier andere sein – bei denen die vielen Regeln in der Erinnerung nicht versickern (wie Wasserkraft für Dee ). Ich vermute stark, dass es der thematische Kitt ist, der alles sinnvoll zusammenhält; vielleicht sind es ganz bestimmte Mechanismen, oder Kombinationen davon, die sich besonders gut dafür eignen …
Wie erkläre und lerne ich Glück – oder Fahrradfahren?
(Achtung, Logiklöcher!) Deren Zufälligkeit und Komplexität hat mal mehr, mal weniger mit Mathematik zu tun. In jedem „Fall“ sind die Erfolgsaussichten [dieser Erklärung] nicht komplett vorherseh- und berechenbar. Wahrscheinlichkeit 0 für das perfekte Wurfergebnis und die optimale Pedalumdrehung … (Wie bitte?) Die psychologische Spieltiefe, die durch das Einschätzen der Mitspieler*innen und des „Spielgeräts“ entsteht, sind entscheidende Faktoren für den Erfolg … (Hä?) Komplexität, die durch Heterogenität der Interessen, Vorlieben und Spielerfahrung entsteht; die durch die kognitiven Voraussetzungen zunimmt; oder die infolge der Konditionierung durch z.B. die aktuellen Lebensumstände, der Stimmung in der Gesellschaft und dem persönlichen Umfeld auch abnehmen kann … (Aha.) Das Gespür für Glück und die nötige Geschicklichkeit fürs Fahrradfahren sollte sich am besten langsam entwickeln (dürfen). Das Laufrad ist dabei eine hilfreiche Vorstufe. Stützräder sind dagegen zwar eine Hilfe damit das Kind nicht umkippt, aber weniger hilfreich (als das Laufrad), weil der Gleichgewichtssinn sich nicht in demselben Maß entwickeln kann. Das Fahrradfahren gelernt zu haben, heißt schließlich nicht, dass man damit schon sofort die „Tour de France“ gewinnen kann; Schach gelernt zu haben, befähigt nicht gleich zu großen Taten. Es sind jedoch erste Schritte in die richtige Richtung … (Puh, Glück gehabt!) Gedanklicher Brückenschlag zu den ebenfalls schon aufgeführten Spielhilfen. Eine Losspiel- ist wie eine Losfahr-Anleitung.
Weitere Gedankensplitter (und lose „Spielenden“)
Wird komplex einfacher, wenn es spielerisch angegangen wird, und gleich nicht mehr (so) komplex ist? Welche Rolle spielen dabei zufällige Entscheidungen – Versuch und Irrtum? Ist der Komplexität (Herausforderung) gewachsen zu sein, gleichbedeutend mit der zur Bewältigung der Aufgabe erforderlichen „Kondition“ (also genügend Ausdauer zu haben für die Bergetappe)?
Das „easy“ (= einfach zu lernen und zu spielen) steht in Relation zum Anspruch (wenig komplex bis hochkomplex). Die Komplexität ergibt sich aus der Spieltiefe (die verschachtelt ist), sowie aus der Anzahl an Komponenten und dem Spektrum an Zugmöglichkeiten (die ausgebreitet sind). Das „hard to master“ bezieht sich nicht in erster Linie auf „komplex“, sondern beschreibt den Schwierigkeitsgrad (die „Challenge“) und damit den Gegner (Großmeister). Wenn nicht einfach, dann kompliziert (zu meistern).
Diesen Beitrag werde ich (vielleicht) editieren, wenn mir Fehler auffallen oder ich darauf hingewiesen werde. Vielleicht ist das auch nicht nötig*. Was ist schon sicher falsch oder richtig? Es gibt Fragen, die einen unentwegt begleiten. Es gibt darauf nicht die eine einzige richtige Antwort. Je nach Standpunkt, Erfahrung, Lebensumständen und Alter wird sich die Antwort im Laufe der Zeit verändern. Was will das Spiel? Diese Frage ist vom Anfang bis zum Ende eine Variable. Für das Leben.