Beiträge von Smuntz im Thema „Spiel '22 - Ersteindrücke gespielter Spiele“

    Galileo Project, von Sorry We Are French, entwickelte sich ja gefühlt zum "Geheimtipp" der SPIEL 2022.

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    Den inoffiziellen Vorgänger des Spiels, namens Ganymede, kenne ich persönlich nicht. Daher kann ich leider keine Vergleiche ziehen.

    "Geheimtipp"? Nee, nicht wirklich. Das Spiel stand auffallend im Rampenlicht wie wenige auf dieser SPIEL '22.

    Ganymede - das war ein Geheimtipp in 2018. Und wie Geheimtipps funktionieren, das hatte ich hier aufgeschrieben - eine interessante Anekdote, die mir zeigte, was ein paar Zeilen auf unknowns so ausrichten können ^^ Auch nach vier Jahren noch zur Lektüre empfohlen.

    Schlägt für mich vom Spielgefühl her in den Bereich von z.B. Res Arcana, ...

    Siehst Du, da habe ich eine Spiele-Bildungslücke, das ist mir nie auf den Tisch gekommen.

    Gut ausgeschlafen hab ich noch was für Euch. Nicht eben ein Spiel, sondern eine besondere Knobelei. Die Rede ist von

    Nodus

    aus dem Haus Knotiverse. Dahinter steht Murray Heasman, ein sympathischer Ire, den ich seit den Neunzigern persönlich kenne, als wir uns in Essen bei einem TwixT-Turnier begegneten und er sein erstes Spiel in Entwicklung hatte. Ein Jahr später war er damit auf der SPIEL in Essen, der ersten Collectors Edition von The Game of Kells- The High Kings of Tara, die von der heute erhältlichen noch etwas abwich, aber nicht minder edel aussah, spielerisch recht reizvoll ist und seitdem eines meiner wenigen Prunkstücke in der großen Spielesammlung darstellt.

    Die keltischen Knotenmuster haben Murray nie losgelassen. Aktuell bietet er mit Nodus in zwei Editionen (hellblau und dunkelblau) eine tolle Puzzelei an. Enthalten sind jeweils 25 Teile in 5 unterschiedlichen Formen, mit denen man 30 vorgegebene Formen ausknobeln kann oder einfach frei spielen. Die Teile beider Editionen unterscheiden sich nur in der Farbe. Unterschiedlich sind jedoch die enthaltenen Aufgaben, nicht immer in der Form, wohl aber im Mix der zu verwendenden Teile. Und hat man beide Ausgaben, so warten 24 weitere zweifarbige Challenges auf den Tüftelfreund.

    Auch wenn Murray ein persönlicher Hobbyfreund von mir ist, nehmt meine Werbung für dieses Knobelspiel bitte uneingeschränkt ernst, ich bin davon selbst sehr begeistert, habe jetzt schon mehr als ein Stündchen nach dem Frühstück getüftelt und nur für den Griff zur Tastatur hier mal eben unterbrochen. Und kauft bei Interesse gleich beide Boxen, man bekommt ja mehr als nur den doppelten Knobelspaß.

    Nodus gibt es an Stand 4-F119 für jeweils 20€, die 40€ habe ich gerne angelegt. So Ihr das in Essen mitnehmt, könnt Ihr Murray gerne einen "Gruß von Hartmut" bestellen. Er hätte es verdient, wenn Ihr ihn ausverkauft ^^ und Ihr belohnt Euch mit einem außerordentlichen Puzzle.

    Nachtrag 09.10.2022 : Nodus wird von einem deutschen Verlag vertrieben. Dieser hat einen eigenen Online-Shop, so dass ein Kauf abseits der Messe kein Problem sein sollte. https://www.quecke-verlag.de/

    #Nodus

    Den Thread hatte ich gestern abend nicht gleich entdeckt und Regeln und Eindruck von East Indian Company schon im Wochenbericht ausführlich vorgestellt. Wer sich dafür interessiert, lese bitte dort nach.

    Machen wir weiter mit ein paar Spielen, die wir heute erprobt haben.

    Basilica

    ist ein Zweipersonenspiel von Portal. Große bedruckte Holzfiguren, zwei Holzmünzen, jede Menge stabile Pappteile und ein für das Spielmaterial angepasstes Tiefziehteil-Insert machen schon mal einen sehr guten materiellen Eindruck.

    Beide Spieler bauen gemeinsam an einer Basilika. Das geschieht durch Ablage quadratischer Teile in 5 Reihen, entweder in die Startreihe oder angrenzend an ein anderes Teil. Wie weit sich die Auslage von der Startreihe entfernt, spielt dabei keine Rolle.

    Die Teile dürfen aus einer Auslage von 3 Plättchen gewählt werden. Sie zeigen eine von vier Farben, manche Plättchen auch zwei Farben. Ein Spieler hat in seinem Zug drei Aktionen, das Legen eines solchen Teils wäre eine mögliche. Das Setzen eines von fünf eigenen Bauhandwerkern darf nur auf das soeben gelegte Plättchen in einer weiteren Aktion geschehen. Die Lücke in der Auslage der drei Bauteile wird sogleich gefüllt mit dem dahinter liegenden der drei Teile, die noch auf der Rückseite liegen - das Teil wird also beim Nachrücken umgedreht und ein Teil vom Vorrat mit Rückseite nach oben in die Lücke der zweiten Reihe gelegt.

    Nun ja, Rückseite klingt so passiv, das stimmt nicht. Auf den Rückseiten sind sog. Anweisungen an die Bauhandwerker abgebildet - nochmal von Aktion zu sprechen, würde wohl eher verwirrend. Diese Plättchen können als Aktion gewählt und direkt geeignet gespielt werden. Da kann man Handwerker ein Feld verschieben, zurückrufen, Bauteile ohne Handwerker entfernen usw. Manche Teile gestatten danach sogar unmittelbare Eingriffe des Mitspielers, der dafür aber eine Münze an den aktiven Spieler abtreten muss. Da jeder nur eine solche Münze zu Beginn besitzt, ist klar, dass man das nur dann erneut machen kann, wenn der Mitspieler davon ebenfalls irgendwann Gebrauch macht. Und diese gegnerischen Aktionsmöglichkeiten muss man einkalkulieren, denn die können je nach Spielsituation gewaltig dazwischenfunken.

    Im Spiel strebt man danach, in Farbbereichen aus ein oder mehreren aneinandergrenzenden Teilen die Mehrheit an Handwerkern zu besitzen. Manche Teile zeigen Kronen. Immer wenn diese ins Spiel kommen, schreitet die Königin - groß und hölzern - majestätisch voran und nach 10 Schritten erfolgt sofort eine Wertung. Der führende Spieler bekommt Punkte nach Flächengröße, der zweite (sofern anwesend) so viele, wie er Handwerker eingesetzt hat. Bei Gelichstand geschieht nichts, wär in einem Zweierspiel auch nicht sinnvoll.

    Die Anweisungen sind das Salz in der Suppe dieses Spiels. Manche Anweisungen gestatten eine Beförderung eines Handwerkers mit einem von vier Chips, dann arbeitet er für zwei, bricht Gleichstände in der Wertung, verdoppelt die Wertung in dem Gebiet (wenn es dumm läuft, auch für den Mitspieler, wenn der die Mehrheit erlangt) oder gibt dem Feld eine dritte Farbe zur Wertungsphase. Andere erlauben das Legen zweier Gerüstteile, also Plättchen, die keine Farbe tragen und so den Mitspieler in der Expansion von Gebieten mit sicheren Mehrheiten aufhalten. Glasfenster bringen 2 Punkte extra in der Wertung. Alles kleine aber mächtige Einflüsse, die taktisch klug genutzt werden wollen.

    Nach der Wertung werden alle Handwerker zurückgerufen, die ersten zwei Reihen der Teileauslage entfernt und weitergespielt. Nach drei Wertungen oder falls der einmalig durchgemischte und neu aufgelegte Teilestapel verbraucht ist (dann ist ebenfalls noch eine Wertung), endet das Spiel.

    Das Spielgefühl hat uns gut gefallen. Nichts ist so ganz sicher, ein Zug mit drei Aktionen beinhaltet fast immer irgendwelchen Elemente, die einem selbst helfen und dem Gegner möglichst Knüppel zwischen die Spielbeine legen. Wir haben nach vollendeter Partie nicht lange gezögert und uns ein Exemplar gekauft. Am Stand von Portal wird es auf der SPIEL mit Gamemat und deutscher Regel (nicht im Karton, ggf. nach fragen) für 32€ verkauft.

    #Basilica

    Chai: Tea for Two

    hatte ich gestern schon auf dem Tisch. Jeder Spieler hat so ein "Manöverdiagramm". Dieses ist in Felder geteilt und zeigt an den Grenzlinien an, welche Teile in welchen der sechs Farben dort passieren können. Seitlich und unten kann man Karten anlegen, die den Durchlauf der unten einzusetzenden Teile beschleunigen helfen können. Karten Teile, Schritte, ... all das gibt es in einem zentralen Spielbereich, den man in Worker-Placement-Manier mit seinen bei Rundenbeginn geworfenen sieben Würfeln je Spieler bearbeitet. Manche Felder sind exklusiv, andere erfordern Zahlenreihen oder gleiche Würfel, wenn stärker verdrängt man schon mal den Mitspieler. U.a. werden dort auch Schiffskarten gekauft. Diese kommen oben an unser Chart und landen dort die gewünschten Teile, legt das Schiff ab und hinterlässt ein paar Siegpunkte.

    Was soll ich nun über das Spiel sagen? Es funktioniert und ist mechanisch gesehen in Teilbereichen sogar originell. Soweit das Positive. Aber zu keiner Zeit hat man das Gefühl, auf einer Teeplantage tätig zu sein, da hilft auch das Hintergrundbild nicht weiter. Nimmt man es als taktisches Teile-Wett-Schieben-Geplänkel, kann man seinen Spaß haben. Spielerischen Tiefgang hat es aber auch dann nicht. Das Spiel soll wohl im November per Kickstarter unters Volk gebracht werden, da kann ich mich mühelos zurückhalten.

    #ChaiTeaForTwo

    Spacecraft

    So heißt das neue Spiel von Granna. nachdem sie mich letztes Jahr mit Gutenberg abgeholt hatten, warfen wir nun einen Blick auf das nächste große Spiel.

    Von einem Schrottplatz können wir uns mit einem großen Arbeiter Teile sammeln gehen, müssen dabei gewisse Bewegungsregeln beachten und haben somit nicht immer auf alles Zugriff, was da so herumliegt. Die sieben verschiedenen Teile haben einen Wert von 1 bis 3 und spätestens, wenn wir Teile in Summe von 7 gesammelt haben, steht diese Aktion nicht zur Verfügung.

    Dann nehmen wir die Figur vom Schrottplatz und müssen in einem Markt Teile für unser Weltraumgefährt kaufen. Da gibt es Spitzen, Stufen, Sockel, Triebwerke, Flügel und seitliche Verbindungen.

    Alles lässt sich mit Puzzle-Nasen zusammenfügen und das muss es auch, wollen wir ein Teil nicht verlieren. Umbau ist aber jederzeit möglich, so nur alles zusammenhängt. Jedes Teil hat einen Preis und ein bestimmtes Teil vom Schrottplatz muss im gezahlten Preis enthalten sein. Ansonsten wäre es ja auch belanglos, welche Teile wir da auf dem Schrottplatz sammeln würden. Schrottplatzteile, die man nicht zum Kauf braucht, kann man für später aufbewahren.

    Eine Kartenauslage zeigt vier Anforderungen, z.B. 2 rote und 2 blaue Teile oder 4 Flügel oder vertikal 4 Teile gebaut oder 5 Teile breit oder .... Erfüllt man diese, bekommt man die Karte mit ihren Siegpunkten und eine Karte aus einer offenen Reihe dahinter rückt nach, dort wird nachgefüllt. Bis zu 2 Karten kann man so nach einem Kauf abgreifen.

    Hat ein Spiele die Endebedingungen - Besitz eines bestimmten Teilemix - erfüllt, läuft das Spiel noch 3 Runden (Kartencountdown mit startender Rakete) und dann erhält dieser Spieler 10 SP extra und alle, die diesen Teilemix auch noch erreicht haben 5 SP. Dazu die Punkte der gesammelten Karten gerechnet ermittelt man den Sieger.

    Spielgefühl: das ist kein zweites Gutenberg, sondern "nur" ein hübsches Familienspiel. Wer sowas sucht, warum nicht.

    #Spacecraft

    Rainforest

    von Funnyfox ist ein schönes taktisches Sammelspiel. Wir nehmen in unserem Zug ein quadratisches Legeteil in einer von fünf Farben (manche zweifarbig) und aus der Tokenauslage darunter alle mit einem bestimmten Tier oder die einer Farbe. Diese können wir dann auf das eben oder zuvor gewählte Plättchen legen, müssen dabei aber aufgedruckte Anforderungen an Farbe oder Tier beachten. Zwei Token kann man zur Not in einem Lager aufbewahren, ansonsten muss man sich davon trennen. Der so geschröpfte Tokenvorrat wird erst dann überall wieder aufgefüllt, wenn unter einem der fünf Teilestapel kein einziger Token mehr liegt.

    Sind die Token-Felder eines Plättchens belegt, wird es oberhalb des Spielerstreifens ausgelegt, und zwar in fest vorgegebener Reihenfolge bis zum neunten Teil. Dann hat man damit ein Quadrat geschaffen und das Spiel endet nach Ablauf der Runde

    Alle fertig bestückten Teile geben Punkte. Ein bestimmtes Tier für jeden Spieler gibt Punkte für alle Token damit. Unterwegs gesammelte Teilziele (a la Splendor) - z.B. drei oder vier zusammenhängende Plättchen einer Farbe - verdoppeln oder verdreifachen die Punkte eines Plättchens. Hat man alle 5 Farben auf seinen Plättchen, zählen alle weiteren 2 SP extra.

    Klingt alles recht abstrakt, ist es irgendwie auch. Und doch machen die taktischen Überlegungen damit Spaß, es läuft natürlich nie ganz nach Plan. Ich würde sagen, es kam so ein wenig Azul-Feeling auf. Wir haben es zu viert gespielt, es gefiel spielerisch und optisch und wurde anschließend gekauft (32€).

    #Rainforest

    Galileo Project

    das neue Spiel bei "Sorry we are French" hatte ich nach dem stilistischen Vorgängerspiel Ganymede vor vier Jahren direkt auf dem Interessenradar. Damals fand ich den Kleinverlag in der hintersten Reihe der hintersten Halle 4 und ich konnte mit Fug und Recht noch von "Geheimtipp" sprechen. Jetzt residiert der Verlag im Vertrieb von Asmodee prominent vorne in Halle 3 mit einem riesigen Werbewürfel unter der Hallendecke - was für eine Karriere!

    Dort ist auch eine überdurchschnittlich große Spielfläche - gleich an etwa acht Tischen kann man Galileo Project erproben. Genau das aber wollte mir weder gestern noch heute gelingen. Asmodee mag ja ein großer Vertrieb sein, aber wenn das Spiel ohne deutsche Regeln daherkommt... ich konnte bei Ad-hoc-Recherche keinen deutschen Versender finden, der es anbietet. Tja, dann eben Blindkauf auf der Messe (55€), die vielen Leute, die das dort spielten und ständig Spiele davon trugen, können doch nicht alle irren.

    Als Schmankerl habe ich mich mit dem erstandenen Spiel sogleich bei der Signierstunde von Autor Adrien Hesling und Grafiker David Sitbon eingefunden.

    Ein Autogramm ist schnell gegeben, aber so billig gingen die beiden nicht zu Werke. Während David eine Kostprobe seines Könnens hinterließ, nahm Adrien sich die Zeit für ein kurzes Gespräch, um anschließend daran eine längere persönliche Widmung zu hinterlassen. In den zwei Stunden dort haben sie vielleicht fünfzehn Spieler glücklich gemacht, für mehr reichte die Zeit nicht. Eine schöne Erinnerung an diese SPIEL '22 und Garant, dass mich dieses Spiel so schnell nicht verlassen wird - gut wird es schon sein ;)

      

    ( Nachtrag: wieder zuhause habe ich dem Spiel sogleich ein paar hilfreiche Trays für die Materialien gebastelt. )

    #GalileoProject

    Ich hoffe, ich habe Euch noch manche Anregung geben können. Einen weiteren Messebericht wird es von mir nicht geben, denn am Wochenende bleiben wir zuhause und spielen ohne Fußstrapazen ^^ Allen, die noch zur Messe gehen, viel Spaß und kauft Euch was Schönes.


    PS: noch ein Bild aus einer Vitrine zum "Sabbern" für die Fans: Pre-Production-Teile der kommenden AR-Special-Edition von Castles of Burgundy