Hier gab es an Ostern so einiges:
#Cascadia: Mal wieder bin ich einer der letzten, die einen der gehypten Jahrestitel ausprobieren, und so liegt es vielleicht auch an den Vorschusslorbeeren, dass ich nur zu einem "guten" Fazit komme: Es ist ein gutes Plättchenlegespiel mit Suchtpotential, wir haben auch gleich fünf Partien in zwei Tagen gespielt. Wie in vielen anderen Spielen seiner Art legt man möglichst zusammenpassende Landschaften aus und platziert Tiere darauf, die nach bestimmten (veränderlichen) Regeln Punkte generieren. Mit den komplexeren Wertungskarten wird es allerdings auch schnell eine üble Knobelorgie, und die anfangs noch so geschätzte Leichtigkeit ist dahin. Ich mag es, sehe es aber überhaupt nicht als ernsthaften Anwärter fürs SdJ oder KdJ, denn eine wichtige Sache geht dem Spiel doch wirklich völlig ab: Nichts, aber auch wirklich gar nichts daran ist in irgendeiner Weise originell oder noch nicht da gewesen. Innovation kann ich in diesem Spiel nun wirklich überhaupt nicht finden, mir fielen gleich mehrere Legespiele post-Carcassonne ein, die fast genauso funktionierten. Was den Spielspaß jetzt nicht mindert, aber eine Preiswürdigkeit sehe ich da einfach nicht.
#DrJekyllandMrHyde: Und noch ein brauchbares Stichspiel zu zweit. Dr. Jekyll versucht in drei Runden die Hälfte von 10 Stichen zu bekommen, während Hyde dieses Equilibrium aufbrechen will, indem er entweder kaum oder alle Stiche bekommt. Problem aus meiner Sicht ist, dass Dr. Jekyll es deutlich leichter hat, denn daraufhin zu steuern ungefähr die Hälfte der Stiche zu bekommen ist in meinen Augen auch dank der Trunkkarten doch um einiges leichter. Macht Spaß, aber Fuchs im Wald überzeugt mich dann doch mehr.
Edit: Nach zwei weiteren Runden revidiere ich das etwas: Gegen geübte Stichspieler ist das doch deutlich ausgewogener als gedacht. Ein paar Runden auf BGA belehren einen da schnell vom Gegenteil. Fuchs im Wald finde ich aufgrund der Variabilität trotzdem besser, aber es ist schon sehr gut.
#Azul: Habe meiner Spielepartnerin, die das Spiel noch nicht kannte, vorab erklärt, dass ich Azul noch nie gewonnen habe - und dann hole ich zum allerersten Mal mehr als 120 Punkte. Ich glaube, Azul wurde bisher in meinem Umfeld vorrangig gegeneinander gespielt; fällt dieser kompetitive Faktor weg, gefällt es mir deutlich besser (was vor 20 Jahren auch schon für Carcassonne galt). Mein Lieblingsspiel wird das zwar nicht mehr, aber immerhin sehe ich jetzt endlich mal das Potential des Spiels als Familientitel.
#Yspahan: Zwei Runden zu zweit. Was mir an Yspahan bis heute gefällt, ist dass man für ein Familienspiel auf erstaunlich unterschiedliche Weisen gewinnen kann. Das Ausliefern der Waren in die Basare bringt ebenso viele Punkte wie die Karten, die Gebäude oder die Karawande. Selbst die vermeintlich negative Interaktion des "Zur-Karawane-Schickens" spielt oft eher dem Mitspieler in die Hand. Und es ist immer wieder schön wenn Mitspieler verstehen, dass man eine einseitig beladene Karawane einfach nicht bis zur Wertung liegen lassen darf, sondern vorher sabotieren muss. Zu zweit spielt es sich überraschend gut dafür, dass dieser Spielmodus ursprünglich gar nicht vorgesehen war.
#Babel: Immer noch der ultimative Test, wieviel negative Interaktion MitspielerInnen so auszuhalten bereit sind. Was für unglaublich fiese Moves einem dieses kleine, miesepetrige Kartenanlegespiel von Uwe Rosenberg doch ermöglicht - herrlich.
#T-RexHoliday: Der Beweis, dass ein Roll&Write alles andere als solistisch sein muss. Dabei legt der Würfler zwei Würfel offen aus, den dritten aber erst versteckt und dann hinterher, um so möglichst vielen Mitspielern ihr zuvor Angekreuztes kaputt zu machen. So ziemlich das einzige total destruktive (und dabei auch direkt negativ steuerbare) Roll&Write, das ich kenne. Eher ein Partyspiel denn Punkteoptimierung, aber wenn man es darauf anlegt seine Mitspieler so richtig zu ärgern, ist das hier eine sehr gute Wahl - fast schon so etwas wie ein Ameritrash-Roll&Write.
#ParisLetoile Ich mag Paris (Kramer/Kiesling) ja gern, es ist ein etwas aus der Zeit gefallenes Design, das an alte Tage der beiden erinnert, ohne jeden modischen Schnickschnack (sprich: Das hätte man genau so auch schon 2010 veröffentlichen können, und mit Asara gibt es zumindest einen ähnlichen Titel der beiden aus diesem Jahr). Aber es ist ein schönes Spiel mit einigen strategischen Tiefen, die man erst im dritten oder vierten Spiel so richtig erfasst. Die Erweiterung wirkt aber eher wie ein Kickstarter-Extra: Es gibt ein paar neue Bonus-Teile, die etwas Varianz reinbringen, und Startbonus-Plättchen, und das war's. Dafür kostet die natürlich jetzt im Handel auch nur 13 Euro, aber hätte ich das damals auf Gamefound gefördert, würde ich mir jetzt schon ziemlich in den Popo beißen. Also, Varianz bringt es rein und macht das Spiel auch nicht schlechter, aber ob das wirklich jemand gebraucht hat wage ich fast zu bezweifeln; will sagen: Irgendwie fehlt hier das Fleisch am Gerippe dieser fast-schon-Mini-Erweiterung. Man wollte wohl vorrangig über die Erweiterung noch einige Restexemplare des Grundspiels verkaufen.
#BrassBirmingham: Ganz ehrlich, ich sehe einfach nicht wirklich die Vorteile dieser Brass-Version gegenüber der alten. Ich find's einfach nur komplizierter, ohne dass mein Spaßfaktor beim Spielen dadurch irgendwie steigt. Auch - und das ist jetzt natürlich völlig individuell - mag ich es nicht, erst einmal 15 Minuten den Plan nach dem Aufbau zu studieren, um mir mögliche Strategien bereits vor dem Loslegen zu überlegen. Dann lieber die geringere Variabilität von Kohle/Lancashire. Und es passt für mich auch nicht zum restlichen Spielablauf, der bei Birmingham nunmal viel stärker durch taktische Entscheidungen geprägt ist (die Scout-Aktion ist einfach verdammt stark). Ich bin froh, den Vergleich gehabt zu haben, bleibe aber fürderhin dann doch eher bei Lancashire.
#Sylla: Ich wurde von ein paar neuen Mitspielern gefragt, was wohl das am meisten unterschätzte Spiel in meiner Sammlung sei - und meine Antwort war das gute alte Sylla von Ystari, das 2008 komplett untergegangen ist, auch bei mir, der damals sich lieber mit dem flotteren und moderner wirkenden Dominion einließ. Sylla ist eines dieser Spiele, deren wirklichen Charme man erst nach einer Handvoll Partien sieht - zunächst wirkt es nur wie ein über verschiedene Auktionen gesteuerter Engine Builder, bei dem es wie so oft von zentraler Bedeutung ist, rechtzeitig vom Bauen der Engine auf das Erreichen von Siegpunkten umzuschwenken. Zwischendurch gibt es aber noch geheime Abstimmungen und gemeinsam aufzuhaltende (negative) Ereignisse. Sylla wirkt für mich spielerisch immer ein wenig wie das uneheliche Kind von "Im Jahr des Drachen" und "Sankt Petersburg", die Verbindung der Mechanismen erlaubt aber ein deutlich tieferes Spielgefühl, und es ist dabei tatsächlich hochthematisch. Der Anteil an negativer Interaktion ist sehr hoch, zumal man sich auch gegen Mitspieler verbrüdern kann - das bringt das Spiel durchaus in die Nähe eines Tribuns oder Time of Crisis, obwohl es von den Mechanismen her kein Area Control beinhaltet. Also, wenn das Spiel in Eurem Regal vor sich hinvegetiert, probiert es aus, es lohnt sich!