Beiträge von SebastianW im Thema „[Kickstarter] Burgle Bros 2“

    Klar ist das ein Unterschied. Aber ich denke mir immer: ey, da sind Profis am Werk. Da kann/sollte man schon mal mehr wie ne halbe Seite am Tag schaffen. Logo, jedes Spiel ist anders und ein gesondertes Projekt ( ist in anderen Berufen aber auch immer so ), aber dennoch sind einzelne Texte auf Karten z.B. sehr simpel und kurz. Die würde selbst ich schaffen in absehbarer Zeit. Und bei komplexen Sachen wiederholen sich doch Schlüsselwörter häufig.

    Disclaimer: Ich spreche im Folgenden weder für dieses Kickstarter-Projekt noch konkret über andere. Ich möchte nur einen Einblick in einen typischen Ablauf einer Lokalisierung geben. Natürlich geht es hier nicht um ein Spiel mit 4 oder 8 Seiten Anleitung und 20 Karten. Ich rede von großen Projekten. Und es ist nur ein beispielhafter Prozess, natürlich gibt es auch andere Herangehensweisen. (Je nach Projekt sucht man sich natürlich die sinnvollste Herangehensweise raus.)


    Grundsätzlich ist schon mal die Frage (wie Peer schon angedeutet hat), wann man überhaupt mit der Lokalisierung beginnen kann. Sprich wann man alle nötigen Materialien und Informationen erhält. Da kann schon mal massiv Zeit verloren gehen, ohne dass man Einfluss darauf hat.

    Dann geht um die Qualität der Materialien. Reines Textwerk ohne Illustrationen? Bereits die fertigen Druckdaten? Nur die Anleitung, aber noch kein anderes Material? In solchen Fällen kann man zwar bereits beginnen, befindet sich aber durchgehend in einem "Subject to change"-Stadium, in dem man noch nichts für gesichert nehmen kann.


    Das nur vorweg. Nehmen wir an, man hat nun (vermeintlich) alle notwendigen Daten vorliegen. Und ich nehme weiter an, dass der lokalisierende Partner/Bearbeiter auch für das Layout zuständig ist, also nicht nur Texte abgegeben werden.

    Dann muss man sich mit allem vertraut machen, um nicht nur die einzelnen Texte, sondern "das große Ganze" zu sehen, Abhängigkeiten zu entdecken etc.

    Dann schaut man sich die Layoutdaten an, die InDesign-Dateien, die Grafiken etc. Dort trennt sich häufig die Spreu vom Weizen. Es gibt Projekte, deren Daten schlicht nicht so angelegt sind, dass sie gut zu lokalisieren sind. Dadurch könnten waschechte Mehraufwände entstehen, die man von außen überhaupt nicht sehen (und dann auch nicht nachvollziehen) kann. Oder es gibt Grafiken, die Text enthalten, die aber nicht mehr bearbeitbar sind etc. Dann fängt schon mal die erste Diskussionsrunde mit dem Partner an.


    Gerade im Kickstarterbereich, bei Verlagen, die über noch nicht so viel Erfahrung verfügen, kann hier der Hase im Pfeffer liegen.


    Schieben wir diese Themen mal beiseite und stellen uns vor, dass man nun Vollgas geben kann. Zunächst also die Übersetzung. Wenn man einen anderen Anspruch als Google Translate hat, dann bedeutet das: Text verstehen, Glossar aufbauen (sprich Schlüsselwörter und sich wiederholende Formulierungen definieren), sprachliche Konzepte erstellen und dann eigene deutsche Texte schreiben. Hier beginnt schon das Eingemachte. Lokalisiert man einen Einzeltitel oder ist das womöglich der Beginn einer ganzen Reihe? Falls Letzteres, ist dieser Part deutlich anspruchsvoller, weil es schon zukünftige Erweiterungen zu berücksichtigen gilt, die man noch nicht kennt (Quadratur des Kreises und so). Mit sprachlichen Konzepten meine ich, dass jede Sprache andere Fähigkeiten hat. Jeder kennt das beim Wortschatz. In der einen Sprache gibt es ein tolles Wort, dass es im Deutschen vielleicht nicht gibt, oder umgekehrt. Das Gleiche gilt jedoch auch Konstruktionen/Satzbau etc., die im Englischen (und demnach in der Vorlage) wunderbar funktionieren, im Deutschen jedoch nicht.

    Hier ist also auch viel Konzeptarbeit enthalten.


    Dann hat man also die Grundlagenarbeit fertig und kommt richtig auf Geschwindigkeit, durchaus mit mehr als einer halben Seite am Tag ;)

    Nun ist es so, dass die Vorlage selten perfekt ist. Schlüsselwörter werden eben nicht einheitlich verwendet, eben so wenig wie Formulierungen. Dann ergeben sich Regelfragen oder es nicht klar immer, was mit bestimmten Dingen gemeint ist, oder oder oder. Also geht es in die Aufbereitung solcher Fragen und in die Diskussion mit dem Partner. Selten gibt es eine 24//7-Hotline: hier kann also auch Zeit verloren gehen.


    Noch was zu Kartentexten: Insbesondere Karten können eine echte Herausforderung sein, weil hier Präzision, Konsistenz und Kürze noch viel wichtiger sind.


    Nun sind also alle Texte übersetzt, ggf. redaktionell bearbeitet und die Fragen geklärt.

    Nun geht es in die Korrektur. Daraus resultieren häufig mehrere hunderte Kommentare und Anmerkungen. Konzepte und Schlüsselwörter werden evtl. infrage gestellt etc. Nach dieser ersten, umfangreichen Korrekturschleife geht alles ins Layout. (Verweis auf die Ausführung von oben: Wenn die zur Verfügung gestellten Daten gut aufbereitet sind, kann so etwas schnell gehen, andernfalls kann es sich ziehen wie Kaugummi.)


    Nun hat man (hoffentlich) schicke deutsche PDFs. Nun gilt es diese zu prüfen: Im Layoutschritt können Fehler passieren; Texte sind vielleicht zu lang; nun, da der Text und die Gestaltung zusammen sichtbar sind, funktionieren manche Dinge doch nicht so gut, wie man dachte, etc. Hier kann es also zu Änderungen kommen.

    Wenn die alle durchgeführt sind, geht das alles noch mal in eine Vollkorrektur, man möchte ja schließlich nichts übersehen haben.


    Dann erstellt man irgendwann die Druckdaten und gibt sie an den Partner zurück. Der lässt sie dann vom Produzenten verarbeiten und schickt Proofs zurück. Das kann natürlich auch schon wieder dauern, man hat ja keinen Einfluss drauf. Die Proofs werden dann auch wieder gecheckt, hoffentlich ohne Fehler, denn sonst ziehen noch mal schnell 1–2 Wochen ins Land. Irgendwann sind die Proofs dann freigegeben und die Produktion nimmt Fahrt auf.


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    Hmm, das ist nun recht viel Text geworden. Eigentlich wollte ich nur sagen: a) Das eigentliche Übersetzen ist nur ein Teil des Ganzen; professionelle Lokalisierungen umfassen deutlich mehr. b) Der gesamte Prozess beinhaltet Setupschritte, Diskussionen, Abstimmungen, Fragerunden, Wartezeiten. Durch diese Faktoren kann sich der Prozess im Kalender als deutlich länger weisen, als die eigentliche Bearbeitungszeit vermuten ließe.

    ey, da sind Profis am Werk. Da kann/sollte man schon mal mehr wie ne halbe Seite am Tag schaffen.

    Sehe ich nicht ganz unähnlich (muss man aber leise sagen :) ). Story-Text sollte für einen Übersetzer nicht das große Thema sein. Regeltexte sind sicher schwieriger, da braucht man Verständnis vom Spiel, sonst kommen komische Konstrukte bei raus. Will heißen: Ich denke ml, der Kartentext ist schwieriger als das Storybook.

    Das kommt sicherlich auf die bearbeitende Person an, es sind durchaus verschiedene Dinge, Regeltexte und Story-/Flufftexte zu schreiben. Ich stimme dir zu, dass man für Regeltexte Verständnis vom Spiel benötigt. Ebenso gilt, dass man für Story-/Flufftexte Verständnis der Spielwelt benötigt. In beiden Fällen kommen weitere Dinge hinzu, z. B. die Identifikation und Kenntnis der Zielgruppe. Natürlich schreibe ich meine Texte für ein Kinderspiel anders als für ein Familienspiel als für ein Nerdspiel. Und zwar unabhängig davon, wie das Original das macht. (Weshalb das eigentliche Übersetzungen immer nur ein [teilweise sogar kleiner] Teil der Lokalisierung ist.)


    Für Regeltexte sind z. B. folgende Punkte wichtig: Präzision, Konsistenz, Verständlichkeit, Kürze (zumindest bei EN->DE, da Deutsch länger ist und häufig nicht viel Platz zur Verfügung steht. Allerdings ist es durchaus möglich, nicht viel länger zu werden, das kostet dann allerdings weitere Zeit. (Bei "schnellen" Übersetzungen ist der Text häufig länger als wenn man sich mehr Zeit nehmen kann.)

    Bei Storytexten kommt es auf andere Dinge an: Atmosphäre, Stimmigkeit, die Konsistenz zu illustrierten Komponenten (der Text sollte zu dem passen, was man auf Abbildungen sieht. Und nein, das ist nicht immer der Fall.). Wenn ich Charaktere im Spiel habe, die nennenswerte Textanteile habe, dann muss man auch den Charakter und dessen Wesen verstehen, um diesen z. B. durch die wörtliche Rede des Charakters darzustellen.


    Und dann gibt es natürlich noch Spezialfälle wie Lizenzen oder auch popkulturelle Referenzen. Hier gilt es, jegliche Lore-Begriffe (also Begriffe, die aus der fiktiven Welt stammen) und Anspielungen korrekt zu identifizieren und dann auch die entsprechend deutsche Variante zu verwenden. Es ist leider mitnichten so, dass der Lizenzgeber immer ein Glossar zur Verfügung stellt. Und selbst wenn, dann gibt es keine Garantie für Vollständigkeit oder Korrektheit. Manchmal steht auch zunächst ein kleines Studium von Primärquellen an: Sei es das Lesen von Büchern (noch mal den Herr der Ringe auffrischen, um den Sprachstil präsent zu haben), das Spielen eines Computerspiels (kürzlich z. B. bei God of War nötig gewesen), das Gucken einer Serie (Star Wars ...) etc.


    Allen Textarten wiederum ist gemein, dass sie auf auf einem sauberen technischen Vehikel (aka Orthografie, Typografie, Grammatik etc.) fußen sollten.