Mal ein paar Worte zur Erstkontakt-Erfahrung mit High Frontier 4 All: Das Spiel ist komplex. Das ändert sich auch mit der 4th Edition nicht. Allerdings gibt es nun 5 verschiedene Reglhefte, welche das Spiel verdaulicher machen sollen.
Los geht es mit dem Regelheft "Read me first", das eigentlch nur eine doppelseitige Übersicht ist, wie man High Frontier spielen kann und wo man mit welchem Vorwissen starten sollte. Der Rest des Heftes listet die Unterschiede zur dritten Edition auf und wer die nicht gespielt hat, der braucht diesen Teil auch nicht. Als Startpunkt für das High Frontier Erlebnis wird Unwissenenden Space Diamonds empfohlen. Auch wenn ich mir High Frontier vor Jahren schon mal erarbeitet (und etliche Details längst wieder vergessen) hatte, habe ich zur Auffrischung auf einen einfachen Wiedereinstieg erhofft - und wurde leider enttäuscht. Nicht von dem Spiel an sich, sondern von der Art des Space Diamonds Regelheftes.
Space Diamonds ist ein eigenständiges Spiel, welches das High Frontier Spielbrett nutzt und die grundlegenden Bewegungsregeln beschreibt. Ein Spiel, bei dem man zufällig verteilte Entdeckungsmarker mit verdeckten Siegpunkten anzusteuern und vorab verteilte Missonskarten erfüllen soll. Wir reisen also durchs Weltall und lernen die Besonderheiten der Delta-V-Karte von High Frontier kennen. Bis auf die rudimentären Bewegungsregeln kann man nach dem Spiel aber den ganzen Rest wieder vergessen, denn die 95 Entdeckungsmarker, die den meisten Platz auf dem Stanzbogen eingenommen haben, braucht man danach genauso wenig mehr wie die Missionskarten. (Ok, es gibt mit V11 eine der vielen Varianten der Core Rules, die auch die Entdeckungsmarker nutzt, aber bis dahin braucht man die nach Space Diamonds lange Zeit nicht mehr).
Dabei ist Space Diamonds ein einfaches Spiel. Sofern man es verstanden hat. Weil das Regelheft zu Space Diamonds beschreibt nur das Spiel, erklärt aber wenig Zusammenhänge. Dabei ist der Aufbau des Regelheftes gleich zu den kommenden Regelheften, was auch schon im "Read me first" angekündigt wird, was ich da aber noch nicht als Warnung verstanden habe. So begegnet uns viel Text, aufgeteilt in kleine Kapitel mit Verweisen auf andere Kapitel. Wargamer kennen das und verspeisen so etwas im Halbschlaf. Mit den typischen Eurogamer-Anleitungen hat das hier aber nichts gemeinsam. Es gibt zwar Beispiele, aber keine Abbildungen dazu. Das muss man sich per Finger-Flug auf dem Spielbrett selbst erarbeiten. Es gibt Abbildungen, aber ohne Erklärtexte, sondern nur mit Verweis auf einen Kapitel und was man hier sehen soll. Hintergrundwissen, das die Zusammenhänge dieser Regeln erläutern, sind als Fussnotentexte ausgelagert.
In Summe sind das 7 Seiten Regelheft, wovon man gut die Hälfte nochmals überspringen kann, wenn man nur auf Sonnensegel statt Raketenantriebe setzt, um den Einstieg nochmals zu erleichtern. Aber an Einsteiger in das High Frontier Erlebnis werden trotz oder gerade aufgrund der geringen Seitenanzahl hohe Erwartungen gestellt. Auch in der 4th Edition muss man sich High Frontier erarbeiten - mit aufgebautem Spiel dabei, um die einzelnen Regelpassagen durchdenken und nachvollziehen zu können.
Ein Einsteigerregelwerk ist Space Diamonds nicht. Dazu macht es eigentlich alles falsch und schreckt mit den Phil Eklund bekannten Satzkonstrukten voller Detailinformationen ab, die eigentlich in einem kurzen Absatz verständlicher erklärt gehörten - für ein solches Einsteigerregelwerk. Aber wir wurden ja vorgewarnt im "Read me first" und spätestens jetzt versteht man diese Warnung auch. Also einmal Space Diamonds komplett lesen, um einen Gesamtüberblick zu bekommen und dann nochmal lesen, den jeweiligen Verweisen folgen, hin- und herblättern, damit sich das Regelwerk erschliesst. Wer unschlüssig ist, ob High Frontier für einen taugt, sollte sich die Space Diamonds Regeln herunterladen und dann selbst entscheiden, ob er damit zurecht kommt oder verzweifelt. Hier die Living Rules Version mit Verständnisergänzungen: Ihre Arbeit | Adobe Creative Cloud
Space Diamonds ist leider aus der wissenden Perspektive geschrieben. Klar, alle Regeldetails sind sicher in ihren Kapiteln vorhanden. Aber warum gibt es kein ausführliches und Schritt-für-Schritt bebildertes Beispiel, wie die Bewegung in High Frontier funktioniert mit Erklärungen, warum die so funktioniert? Stattdessen gibt es ein Kapitel "Movement Rules on the Map and the Cards" mit a bis i Unterpunkten, die Details auflisten, aber wenig erklären und schon gar nicht den Zusammenhang.
Die Chance für einen einfachen Einstieg, die wurde leider vertan. So wirkt Space Diamonds für mich wie ein zusätzliches Einsteigerspiel, ohne aber Einsteigern das Spiel verdaulich zu erklären. Stattdessen wird man auf die Erklärart von High Frontier vorbereitet, wobei das wirkliche High Frontier Einsteigerspiel mitsamt extrem ausführlichem und deshalb gutem Tutorial sich im Regelheft "Race for Glory" wiederfindet. Das hat 27 Erklärseiten und benötigt das Core Rulebook als Referenz nebenbei. Da ist dann aufgrund des Umfangs direkt klar, dass man sich dafür wirklich Zeit nehmen muss.
Das als Warnung an alle, die meinen, dass High Frontier jetzt "für alle" geeignet sein könnte, wie das "4 All" im Titel andeutet. Stattdessen ist es eher als vierte Version mit dem ganzen Umfang aller bisherigen Versionen zu verstehen und als Basis für noch mehr Erweiterungsmodule. High Frontier ist und bleibt ein Erlebnisspiel, eine Simulation, eine Erfahrung und das mit Hilfe von einem komplexen Regelwerk, das in "4 All" nur in kleinere Häppchen zerteilt wurde. An Space Diamonds wird sich so manch einer verschlucken.
Schaut Euch als wirklichen Einstieg lieber eines der diversen Erklärvideos an, welche das Spielsystem mit eigenen Worten und in der nötigen Ausführlichkeit vorstellen. Leider habe ich bisher keines gefunden, das nur und explizit auf Space Diamonds zielt und sich darauf beschränkt, das dafür wenige nötige Wissen, wirklich einsteigerfreundlich zu präsentieren.