Wo fange ich am besten an... Keine Ahnung. Das wird chaotisch, aber vielleicht spiegelt es die Spielerfahrung der ersten Erweiterung „Der letzte Ritter“ wieder.
Die ursprüngliche Idee war die Erweiterung zu 2 zu spielen, aber mein Spielpartner ist abgesprungen und ich habe nach einem Neustart mit 2 Charakteren im Solo Spiel mich der Aufgabe zu stellen. Die ersten Erfahrungen habe ich bereits hier geschildert: RE: Tainted Grail: The Fall of Avalon (Awaken Realms)
Was danach kam war eine Abwechslung zwischen Wut auf unnötiges kleinteiliges Spielmanagement, ständiges Umblättern, Kämpfe, die wenig Optionen bieten, außer ein Rätsel zu sein, wie ich unter der Berücksichtigung der Reaktion des Gegners die beste Ausbeute an Schaden erzeugen kann und totaler Begeisterung für die neuen alternativen Geschichten aus der Arthur Saga.
Es gab Passagen, die sich gezogen haben. Obwohl wie schon von anderen geschildert die Geschichte relativ geradlinig ist (man hat trotzdem einige Entscheidungen zu treffen, die die Ereignisse, bzw die Umgebung beinflussen könnten) liest sie sich gut und ist spannend. Wenn da nur nicht das Micromanagement wäre...
Tainted Grail ist für mich ein perfektes Beispiel warum weniger mehr wäre. Ja, ich verstehe warum AR es in diesem Umfang veröffentlichte. Die Minis lassen sich gut verkaufen, die Optik des Spiels ist ebenfalls ein Verkaufsargument und die Gewinnmarge bei der Produktion dieser Art fällt entsprechend höher aus.
Gleichzeitig stellt das Spiel in seinem Umfang die Spieler vor große Herausforderung. Zunächst Faktor Zeit. Um es voll zu genießen, sollte man nicht hetzen, sondern gemütlich lesen, die Worte auf sich wirken lassen, Kopfkino anwerfen. Das braucht Zeit. Leider braucht man noch mehr Zeit für alles drumherum. Die Folge: viele Spieler werden vom Umfang direkt abgeschreckt, oder geben irgendwo auf der halben Strecke (oder früher) auf.
Wie fantastisch wäre das Spielerlebnis reduziert aufs Wesentliche? Mehr Stift und Papier, weniger Würfel, Scheiben, Karten.... Karten... Such dies, such das, kaufe dies, kaufe das, drehe hier, drehe da. Das geht einfacher, kompakter.
Es ist nicht das erste mal, dass ich mich dabei ertappe, dass ich AR Spiele vom Produktionswert und Qualität absolut top finde. Das ist wirklich 10/10. Ideen, Geschichten und Thema sind immer herausragend. Ebenfalls 10/10. … und dann kommt die mechanische Umsetzung verbunden mit dem Spielgefühl und Spielfluss. An dieser Stelle zerfällt das wunderschöne Kartenhaus. Ein wohlgemeintes „ok“, vielleicht „gut“ an manchen Stellen. Es geht aber nicht um die einzelnen technischen Mechanismen. Die sind alle wirklich gelungen. Das Problem entsteht, wenn man sie alle zusammen als Antriebsmotor für die Spiele nimmt, mischt und das Spielgefühl zerstört.
Warum muss immer das Versprechen für 120 Stunden Unterhaltung mit Wiederspielbarkeitswert angepriesen werden? Mir reichen 40 Stunden in den ich einmaliges, unvergessliches Abenteuer erlebe von dem ich noch oft erzählen kann.
Nach ca. 3 Monaten und ca. 50 Stunden an reiner Spielzeit habe ich die erste Erweiterung abgeschlossen. Glücklicherweise musste ich fast nie aufräumen und „speichern“. Das wäre extrem nervig extra Zeit in die Vorbereitung und Aufräumen investieren zu müssen.
Ich kann jeden verstehen, der das Spiel ungeöffnet, oder ungespielt verkauft. Man braucht gutes Sitzfleisch und viel Zeit. Am besten auch noch Platz.
Gleichzeitig finde ich es schade, dass die wunderbaren Erzählungen, das Hauptkaufargument für dieses Spiel den Leuten entgehen.
Würde ich das Spiel heute kaufen? Ja, aber nur das Grundspiel ohne irgendwelche Extras und Erweiterugen. Dann hätte ich die Grundgeschichte kennengelernt und damit abgeschlossen.
Werde ich trotzdem die weiteren Erweiterungen durchspielen? Ja, aber nicht jetzt. Das kann bis zum nächsten Winter warten. Kalte Nächte sind glaube ich ein besseres Ambiente für das Spiel als heiße, sonnige Tage.
Gibt es eine Lektion, die ich dabei gelernt habe? Auf alle Fälle. Ich kaufe keine Spiele mehr, die mir eine Geschichte erzählen wollen. Egal wie gut sie ist, es ist eine Zeitinvestition, die ich nicht mehr tätigen möchte. In der Wartschlange habe ich noch Frosthaven und Chroniken von Drunagor und das reicht für die nächsten Jahre. Keine Geschichten, keine Kampagnen mehr. Der Fokus geht zu abwechslungsreichen Spielen, die nach einer Partie abgeschlossen sind. Ob sie 30, oder 300 Minuten dauert, ist irrelevant. Hauptsache ein Beginn und ein Ende.
Habe ich noch irgendwelche Tipps, die ich teilen möchte? Auf alle Fälle.
Voller Fokus auf das was zu tun ist. Immer der Aufgabe folgen. Nicht durch die Gegend rennen. Lieber rasten und ausruhen, als unnötiges Risiko im Kampf eingehen. Eigentlich min-max Aufbau der Charaktere ist vom Vorteil, aber letztendlich waren meine Charaktere doch recht ausgewogen. Die höheren Stufen in den Attributen sind aber immer nur einem der Charaktere vorbehalten. Von den Werten her Dagan mehr „linkslastig“ mit Fokus auf Agression und Mut, Sloan „rechtslastig“ ausgewogen.
Falls ihr mit dem Metzger spielt - Achtet bei Dagan auf ausreichende Anzahl der Karten im Deck. Der arbeitet sich da ziemlich schnell durch.
Die Erfahrung ist auch eine Ressource, genau wie die Nahrung, oder euer Ansehen. Auch wenn es vom Vorteil ist sie zu investieren um die Charaktere zu entwickeln, eine kleine Reserve bei einem der Charaktere kann unter Umständen für zusätzliche Optionen sorgen.
Die „Buchführung“. Es gibt nichts schlimmeres als ein vergessenen Kreuz, das dafür sorgt, dass man plötzlich nicht vorankommt, weil die Mindestvoraussetzungen an einem der Orte nicht erfüllt sind. Wenn ihr euch erinnert, dass ihr es bekommen habt und nur vergessen habt es einzutragen: herzlichen Glückwunsch! Wenn nicht... viel Spaß bei der Suche, bzw. um ehrlich zu sein das ist kein Spaß mehr. Die Texte nicht überfliegen, sondern genau auf die Informationen achten, ankreuzen, Status festhalten, gerne extra Notizen machen.
Wenn ich euch nicht abgeschreckt habe, dann genießt das Abenteuer. Ich finde es von der Geschichte her sehr gut gelungen.
Wenn ich euch aber doch vergrault habe, dann habt ihr vielleicht mehr Zeit für andere Spiele. Dann hat es sich auch gelohnt diesen langen Text zu schreiben