Popcorn-Report(TM) by MetalPirate, Teil II
Ein echt interessantes Studienprojekt zu Risiken und Gefahren beim Crowdfunding. Außerdem zur Kickstarter-Psychologie. Da platzen gerade einige Wunschträume auf allen Seiten, bei Backern wie Machern.
Wir sind am Tag 10 des Projektes. 56% funded. Von den 150K€ funding goal sind erst 84K€ da. Am Tag 8 gab es mit gut 3600€ das dritthöchste Tagesergebnis. Vermutlich dank einer ausführlichen Erwähnung in den BGG News. Oder lag das an den wackligen per Smartphone erstellten Gameplay-Videos, die der bedauernswerte Autor Matthew Dunstan selbst gemacht und am gleichen Tag hochgeladen hat? Vielleicht auch beides. Der Tag gestern brachte jedenfalls dann ein dreistelliges Minus und aktuell für den heutigen Tag steht das Minus sogar aktuell bei über 1000€.
Die Macher verbreiten seit Tagen Durchhalteparolen und bei den Backern kippt gerade die Stimmung. Von "Jeden Tag kommen 2000€ bis 3000€ dazu, dann klappt das schon mit der Finanzierung, und mit dem üblichen Anstieg in den 2 Tagen werden dann auch noch viele Stretch Goals erreicht werden!" zu "Die Kampagne muss neu gestartet werden, und wenn man das richtig aufziehen würde, wären da locker 300K€ bis 500K€ drin!" Bei den Backern wächst die Einsicht, dass es nicht viele Stretch Goals geben wird. Wenn überhaupt. Im dem Moment kommt Kickstarter-Psychologie dazu: man erwartet Stretch Goals und sieht sie als wichtigen Grund für eine Crowdfunding-Unterstützung an. Ohne Stretch Goals keine Unterstützung. Schon sind wir in einer Abwärtsspirale drin...
Die Stimmung zwischen Backern und Machern im Kommentar-Bereich wird auch aggressiver. Von den Machern kommt so irgendwas zwischen Wunsch und Aufforderung, die Kampagne nicht öffentlich schlecht zu reden. Mancher Backer bekennt umgekehrt bei den Kommentaren, seine Förderung auf 1€ gestellt zu haben und fordert mehr oder weniger offen andere dazu auf, es ihm gleich zu tun, um die Macher zu einem besseren Neustart der Kampagne zu zwingen. Es gibt Meta-Diskussionen über Crowdfunding-Management und Funforge im Kommentarbereich, was dem Projekt definitiv nicht hilft.
Man erlebt gerade sehr schön, wie Crowdfundingkampagnen den Bach runter gehen können.
Die (teils wirklich dämlich kommunizierte!) "wir ziehen das jetzt so durch"-Einstellung der Macher erzeugt nachvollziehbaren Widerspruch. Es wirft zum Beispiel die Frage auf, ob die Macher sich dem vermeintlich besseren Neustart verweigern, weil sie einfach nur dringend frisches Geld brauchen. Autsch, das ist gefährlich für Crowdfunding-Macher, die viele Monate vorher ohne jede nennenswerte Absicherung viel Geld für ein unbekanntes Spiel haben wollen! Die Backer entdecken ihre Macht. "We are BACKERS, not CUSTOMERS!" war zu lesen. Tja, das stimmt und stimmt auch wieder nicht. Kickstarter ist zum Vorverkaufskanal geworden, aber Macher sollten schon wissen, auf was sie sich einlassen. Crowdfunding ist dann eben doch etwas Spezielles...
Die beiden Social Media Betreuer der Kampagne (1x in Paris, 1x in Montréal) sind jedenfalls als Krisenmanager derzeit etwas überfordert. Mit Statements wie "We have funded 56%! That’s great and we are confident. We will complete this campaign." macht man sich am Tag 10 einer Kampagne, die aktuell rote Zahlen schreibt, nur lächerlich und gießt bloß weiteres Öl ins Feuer. Ist natürlich auch ein sehr undankbarer Job im Moment.
Das Projekt ist echt spannend aus der Popcorn-Perspektive. Die letzte Hoffnung der Macher ist anscheinend ein Prototyp, der auf dem Weg zu Man vs Meeple ist für ein paid preview, sprich bezahlte Werbung. Nochmal zusätzliche Kosten, die bezahlt werden wollen und damit Risiken für Backer erhöhen. Übrigens ist jetzt schon ein Viertel aller Backer ohne Reward-Pledge, d.h. in der Mehrzahl wohl mit 1 Euro dabei, nur um Updates zu bekommen. Grundsätzliches Interesse, aber keine echte Beteiligung. Spätestens das sollte eigentlich ein gewichtiges Argument sein für einen Abbruch, zeigt es doch deutlich, dass an dieser Kampagne irgendwas nicht stimmt. Mal sehen, wie es weitergeht. Noch ein paar mehr Tage mit negativem Saldo und die Macher werden irgendwie reagieren müssen.
In diesem Sinne: Popcorn für alle!