Bei uns kam diese Woche die Messeneuheit von Uwe Rosenberg auf den Tisch: Arler Erde.
Das Spielmaterial ist qualitativ sehr hochwertig und auch sehr reichlich. Die Illustration von Dennis Lohausen weiß zu gefallen. Thematisch sind wir diesmal in Ostfriesland und gehen dort dem landwirtschaftlichen Treiben nach. Es gilt Getreide und Flachs anzubauen, Tiere zu züchten, Fuhrwerke zu bauen, Orte zu bereisen, den Deichbau voranzutreiben (um aus Wattland nutzbares Land entstehen zu lassen) oder auch Moorland zu entwässern und Torf zu stechen. Ausdrücklich erwähnt werden soll hier noch das 60 Seiten umfassende Beiheft, in dem Uwe Rosenberg von seiner Heimat berichtet, autobiografische Details preisgibt und erklärt, wie die diversen Dinge sich im Spiel wiedergefunden haben. Sehr schön! Die Holzfiguren der Tiere unterscheiden sich auch ein wenig: so sind die Pferde natürlich Friesen (schwarze Kaltblüter) und die Kühe dank Aufkleber "Deutsche Schwarzbunte".
Das Spiel benötigt auf jeden Fall einen etwas größeren Tisch. So liegt vor den Spielern zum einen der große Spielplan, der die 30 verschiedene Aktionen und die Gebäudeauslage bereithält und die aktuelle Anzahl der Handwerksgebäude der Spieler anzeigt. Dazwischen dann noch ein Ablageplan (aus 2 Puzzleteilen) für diverse Plättchen und Marker (Äcker, Wälder, Ställe/Stallungen, Stoffe/Kleidung und Fuhrwerke). Die Spieler selbst haben vor sich einen Heimatplan ausliegen sowie einen Plan mit Reisezielen und der Scheune. Wie man an den angehängten Fotos erkennen kann, mussten wir schon etwas improvisieren am Küchentisch.
Auf dem Heimatplan gibt zu Spielbeginn viel Moorland, dass entwässert und kultiviert werden will (ansonsten gibt es am Ende Minuspunkte, außerdem gewinnt man neue Nutzfläche). 9 Felder sind zu Spielbeginn noch Wattland und können durch Verschieben des Deiches nutzbar gemacht werden. Auf dem Heimatland zeigt man auch den aktuellen Bestand der diversen Waren an (Getreide, Flachs, Wolle, Tierhäute, Nährwerte) - das ist auf jeden Fall praktisch. Holz, Lehm und Torf gibt es daneben noch als Waren. Durch besuchte Orte baut man am linken Rand des Planes einen Reisepfad, der am Ende Punkte bringt (er zeigt die Reiseerfahrung an).
Das Spiel verläuft dann über 9 Halbjahre. In jedem Halbjahr habe ich genau 4 Aktionen, die ich in bekannter Worker-Placement-Manier aktiviere. Interessant ist, dass im Sommer und Winter jeweils 15 andere Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Als Sonderaktion kann dann genau einer der 8 Arbeiter beider Spieler eine Aktion der anderen Jahreszeit nutzen, dadurch gibt man jedoch den Startspieler ab. Nach den jeweils 4 Aktionen folgt dann eine "Bestandsaufnahme", eine Art Erntezeit. Thematisch schön ist hier auch, dass diese je nach Halbjahr unterschiedlich abläuft. Im Herbst werden Tiere gemolken und man erhält Nährwerte. Außerdem kommt das typische Ernten dazu (Getreide, Flachs, Holz). Dann gilt es 3 Nährwerte und 2 Torf (Heizen für den Winter) abzugeben. Im Frühjahr vermehren sich die Tiere (minimal anders als bei Rosenberg gewohnt) und Schafe werden geschoren (man erhält Wolle). Versorgt werden muss wieder mit 3 Nährwerten.
Auf die Aktionen - es sind eine ganze Menge - will ich hier nicht detailliert eingehen. Man kann beispielsweise Plüge bauen und Äcker bestellen, am Deich bauen, einen Forst anlegen, Wolle zu Stoff, Flachs zu Leinen und Tierhaut zu Leder verarbeiten, kann an Waren und Tiere gelangen, Moore entwässern und Torfstechen, Fuhrwerke errichten und Gebäude bauen oder seinen Bestand an Handwerksgebäuden (Äxte, Schaufeln, Öfen, usw.) erhöhen.
Eine besondere Bedeutung kommt den Fuhrwerken im Spiel zu. In diversen Größen und Formen kann ich diese bauen und in meiner Scheune platzieren. Als kostenlose Jederzeit-Aktion kann ich diese beladen und meine Waren veredeln (aus Stoff/Leinen/Leder werden Kleidung, aus Lehm wird Ziegel und aus Holz wird Bauholz). Die veredelten Waren erhalte ich immer in der ersten Phase der Bestandsaufnahme zurück. Daneben kann ich mit den Fuhrwerken reisen und diverse Orte anfahren. Dort tausche ich alle möglichen Waren gegen Nährwerte (diese erhält man sofort). Ist ein Ort einmal bereits worden, kommt er gewendet auf den Reisepfad, so dass die eigene Reiseerfahrung steigt.
Das Spiel endet dann nach 9 Halbjahren mit einer großen Schlusswertung. Dafür gibt es den bekannten Wertungsblock und es gibt für etliche Dinge Punkte (Stoff/Kleidung/Baumaterial, Fuhrwerke, Reiseerfahrung, Handwerksgeräte, Tiere, Waren, Gebäude/Stallungen/usw.). Diese Wertung ist vergleichbar mit Caverna, da alle Kategorien offen sind und nicht etwas wie bei Agricola limitiert. Mir persönlich gefällt das gut, da es auch das Probieren von Extremstrategien ermöglicht. Neu ist die Tierwertung insofern, dass ich möglichst von allen Tiere gleichviel haben sollte: die Tierart, von der ich am wenigsten Tiere habe, bringt 2 Punkte pro Tier. Die nächst bessere Kategorie noch 1 Punkt pro Tier. Die Sorte, von der ich am meisten Tiere habe, bringt keine Punkte.
Im Fazit möchte ich mich auf das Spielgefühl und den Vergleich (der sich m.E. aufdrängt) zu anderen Titeln von Uwe Rosenberg beschränken. Wer bis hierhin gelesen hat und andere Titel des Autors kennt, der wird einfach viel wieder erkannt haben. Die Handschrift ist unverkennbar, auch wenn es Neuerungen wie die Fahrten gibt. Im Kern kennt man alles und kann beim Blick auf das üppige Spielmaterial schon an vielen Stellen auch ohne Spielanleitung erahnen, wie das Spiel funktioniert.
Ansonsten ist Arler Erde ein Spiel, dass einem keine wirkliche Richtung vorgibt. Ok, dass ich das Land nutzbar mache, ist logisch und passiert nebenbei. Ansonsten habe ich viele Freiräume und kann mich austoben. Das Spiel lässt das auch zu, indem es eigentlich keine Zwänge und Nöte schafft. Ich kann machen, wonach mir gerade der Sinn steht - ich komme mir ein wenig vor wie bei Minecraft. Und alles was ich tue, bringt mich irgendwie voran, alles bringt Punkte. So richtig etwas falsch machen kann man nicht, sich ins Abseits spielen schon gar nicht. Nein, es ist vielmehr ein friedliches Aufbauen, was hier stattfindet. Jeder baut und kriegt seine Punkte und nach 9 Runden haben beide etwas geschaffen, frei nach dem Motto "der Weg ist das Ziel". Einen Sieger gibt es dann auch - mehr Punkte bekommt man vor allem, wenn man Synergien nutzt und Kombinationen erkennt, denke ich.
Das Spielgefühl unterscheidet sich ganz frappierend von Titeln wie LeHavre, Agricola oder Caverna. Wie bereits geschrieben: es gibt keine Nöte, keine Zwänge, ich kann nur vorwärts kommen und werde für alles belohnt. Es stellt sich auch kein richtiges Mangelgefühl ein. Ein Spielgefühl, dass schon einzigartig ist unter den entsprechenden Rosenberg-Titeln. Bei BGG schrieb jemand ganz treffend "It's like Uwe was infected by a Feld virus..." - große Zustimmung! Ein Bubu-Gefühl kommt auf. Es ist nahezu egal, was ich tue, ich komme vorwärts und werde belohnt. Natürlich kann man das schlechter oder besser hinbekommen, keine Frage. Im Ergebnis ein wenig eine Mischung aus Caverna und dem (beispielsweise bei Bubu vorhandenem) Feld-Punktesalat. Wer also mal Lust hast, den typischen Rosernberg'schen Landwirtschaftstreiben nachzugehen (und dazu auch wirklich Thema bekommt), aber den gewohnten Druck nicht braucht, sollte es auf jeden Fall mal probieren.
Solo spielt es sich ürigens völlig problemlos ohne Sonderregeln - die von Uwe in der Anleitung angegebenen 110 Punkte habe ich leider direkt in der ersten Solopartie geknackt....
Edit: Möchte noch erwähnen, dass wir aktuell so ca. 40-45 Minuten pro Spieler brauchen.