D&D4 ist kein Rollenspiel. Es tut zwar so (und tatsächlich basiert es auf einem), ist es aber nicht. Wahr ist vielmehr, D&D4 ist der ultimative Dungeon Crawler, mit Hauptaugenmerk auf Character Development, und einem taktisch ausgerichtetem Kampfsystem.
Wie vom klassischen Rollenspiel gewohnt, basiert ein Character auf sechs Eigenschaften, davon drei körperliche (Strength, Dexterity und Constitution) und drei anderen (Intelligence, Wisdom und Charisma). Von diesen sechs leitet sich alles, was der Character kann ab. Hit points, attack value, armor class, saves, und auch ein paar Skills, um zumindest den Anschein eines Rollenspiels zu wahren (in der Praxis werden diese jedoch kaum gebraucht).
Zum Spielen braucht man zwei Bücher: den Dungeon Master's Guide und das Player's Handbook, sowie einen Game-Master und ein paar Mitspieler (auch einer würde schon reichen). Im GM Guide wird der GM mit vielen guten Tipps versorgt und auch mit etlichen Anregungen, eigene Abenteuer zu entwerfen (in diesem Fall braucht man allerdings auch das Monster Manual). Der Player's Guide beinhaltet die Spielregeln und die Character Generation Regeln, und letztere sind schlichtweg imposant: es stehen 8 Rassen und 8 Klassen zur Verfügung; schon alleine damit kann man sich eine riesige Vielfalt von Charakteren bauen; von schwer gerüsteten Kämpfern, die mit ihrer Waffe die Schädel der Gegner zertrümmern, über Magier die von hinten ihre Flächenzauber und Feuerbälle werfen, bis hin zu frommen Klerikern mit einem Pool von Heilzaubern (wem das nicht genügt, der kann auch zum Player's Guide 2 und 3 greifen, wodurch sich die Rassen & Klassen dann vervielfältigen). Diese Charaktere beginnen bei Level 1 und können im Laufe der Zeit bis zu Level 30 aufsteigen … wenn man sich die Zeit für solch epische Kampagnen nehmen will. Aber wie in D&D üblich, ist die Charakter-Entwicklung eines der Herzstücke des Systems, und seinen gewählten Helden mit immer neuen Fähigkeiten und Zauber auszustatten und diese dann auch auszuprobieren macht einfach extrem viel Spaß.
Das Spiel selbst ist erstaunlich simpel, aber nichtsdestotrotz spannend und taktisch. Das gewählte Szenario gibt eine (üblicherweise recht dünne) Story vor, die mehr oder weniger nur aus zusammenhängenden Dungeons besteht, in welchem die Spieler mit Monstern, Fallen, Rätseln und anderen Hindernissen konfrontiert werden, wobei: hauptsächlich mit Kampf. Und dieser ist auch, wo das System alle anderen Dungeon Crawler überstrahlt (das, und die Charakter-Entwicklung, falls ich es noch nicht erwähnt habe). Um die Spielsituationen ohne Spielbrett nachstellen zu können, braucht man nur eine einfache, blanke Karte (abwaschbar – z.B. Bigger Basic Terrain von Paizo), zwei oder drei White-board Marker und ein paar Miniaturen (oder man lädt sich ein paar Aufsteller aus dem Netz herunter). Der GM zeichnet den Dungeon Raum für Raum – die Spieler haben also üblicherweise keine Ahnung, was auf sie zukommt – und die Helden bewegen ihre Figuren entsprechend den Movement-Regeln über die Quadrate (dabei tappen sie natürlich in Fallen, werden von Monstern überrascht, oder finden ganz einfach des Drachens Schatzkammer (wenn sie Pech haben, auch gleich den Drachen dazu). Der GM übernimmt die Gegner (und findet in den Szenarien auch gleich die taktischen Hinweise, wie sich diese denn verhalten). Das funktioniert perfekt und bietet eine unschlagbare Flexibilität. Für bestandene Abenteuer gibt's XP, und die kann man dann auch gleich zum Level Up verwenden, womit man seinen Helden mit neuen Fähigkeiten ausstatten kann. Und das gefundene Gold kann man sofort in magische Ausrüstung stecken, von der eine große Vielfalt schon im Grundbuch alleine zur Verfügung steht.
Das imposanteste an diesem Spiel ist aber die ungeheure Menge an Szenarien, die es gibt. Abgesehen von den großen, offiziellen, epischen Abenteuern, gibt es eine Fülle von Abenteuern für mehr Abende, als man Lebenszeit übrig hat (viele davon sind für's Sanctioned Play erstellt worden (ein offizielles Wizards of the Coast Format in welchem Spieler aus aller Welt miteinander gespielt haben; diese Dinger flattern auch im Netz herum). Auch das Dungeon Magazine hat sich natürlich D&D4 gewidmet: von Ausgabe 154 bis zum bitteren Ende des Magazines (Ausgabe 221) finden sich in jedem Heft zwei bis drei Szenarien zum Spielen – das Magazin kann man auch ganz legal von diversen Seiten herunterladen.
Fazit: Wer Dungeon Crawler mag, sollte auf jeden Fall einmal D&D4 ausprobieren. GM und Player's Guide kann man bei den üblichen Quellen zu kaufen (z.B. DriveThru RPG für schmucke 8 Euro pro Buch; aber auch gebrauchte Bücher in Toter-Baum-Form finden sich für normale Preise genug im Netz). Freunde von Abenteuer-Brettspielen – insbesondere Dungeon-Crawler – werden ihre helle Freude damit haben. Für wahre Rollenspieler ist es allerdings weniger geeignet