Aktuell ist wahrscheinlich einer der unglücklichsten Zeitpunkte, zu dem man einen öffentlichen Spieletreff betreiben kann. Wenn bei mir gespielt wird, dann entweder solo oder nur noch privat mit einem engen Freund, der ebenfalls vorsichtig und symptomfrei ist. Einem regelmäßigen Spieletreff muss ich leider nicht hinterhertrauern, da es so etwas hier gar nicht erst gibt. Dafür ist aktuell ein idealer Zeitpunkt die Planung eines neuen offenen Brettspieltreffs anzugehen – zumindest aus meiner Sicht.
Ich liebe Brettspiele und Brettspielen als solches. Das große Problem in meiner Heimat ist einfach, dass es so gut wie keine Mitspieler gibt. Ja, es gibt in Marburg oder Kassel einen Spieletreff, aber diese beiden sind für viele Personen aus meinem Landkreis unattraktiv, da die Anfahrtszeit bei bis zu einer Stunde liegt. Plattformen zur Mitspielerspielersuche sind ebenfalls so gut wie tot, sodass der Zugang zum Hobby entweder privat stattfindet oder gar nicht erst gegeben ist. Genau hier möchte ich ansetzen, denn ich bin überzeugt, dass es durchaus viele Leute gibt, die gerne spielen würden, aber entweder keine Möglichkeit dazu haben oder noch nicht wissen, dass moderne Brettspiele weit mehr als die angestaubten Abende sein können, die viele dahinter zu vermuten meinen.
Wir hatten im Forum die Diskussion ob Brettspiele Statussymbole sein können. Theoretisch können sie das sein, wenn mein Gegenüber ebenfalls im Hobby ist und eine Rarität oder ein teures Spiel in meinem Regal entdeckt und für sich beschließt, dies als Statussymbol zu sehen. Oftmals sind sie aber vielmehr Auslöser für ein halb verstecktes Augenrollen und das indirekte Abstempeln als Nerd, wenn neue Leute das erste Mal einen Blick auf die mit Spielekartons gefüllten Regalbretter werfen. In der Stadt ist das Hobby gefühlt mehr angekommen, da es offene Spieletreffs gibt. Hier bei uns findet so etwas noch „heimlich“ im Privaten statt. Viele Leute bleiben daher bei den gesellschaftlich gängigen Spielen und wagen den Einstieg ins Hobby erst gar nicht. Schließlich muss man ja erst noch andere ansprechen und das sind vielleicht genau die Personen, welche ein paar Wochen vorher noch etwas abfällig über die Partie Karten zuhause oder den spielenden Arbeitskollegen geredet haben, der sein halbes Monatsgehalt in irgendwelche Plastikminiaturen steckt.
In der Wohnung unter mir wohnt ein Junge, der gerade seine Konfirmation hinter sich hat und – auch Corona bedingt – sehr viel Zeit alleine vor dem PC verbringt. Die (Groß-)Eltern haben schon darüber mit uns gesprochen und ich denke, dass speziell in solchen Situationen ein offener Brettspieltreff in der Nähe ein neues Hobby eröffnen könnte. Ich habe selbst viel vor dem PC gesessen in meiner Jugend, zumindest dann, wenn niemand anders Lust hatte auf dem Bolzplatz zu kicken oder ich genug alleine auf das Tor geschossen hatte. Damals haben wir zuhause auch gespielt, so ist es nicht, aber hätte ich gewusst, was da alles im Hobby auf mich wartet, hätte ich nicht gezögert, den PC zumindest an einem Abend in der Woche auszulassen.
Ich möchte anderen Leuten das Hobby näherbringen und mich in der Gemeinde auf meine Art einbringen. Aus diesem Grund habe ich die Idee, die mir schon länger durch den Kopf gegangen ist, jetzt einfach in Angriff genommen. Gestern habe ich die Verwaltungen meines aktuellen und ehemaligen Wohnortes angeschrieben und gefragt, ob es die Möglichkeit gäbe, einen passenden Raum mit Tischen und Regalen für regelmäßige Spieletreffen zu stellen. Aus meiner Sicht ist aktuell der ideale Zeitpunkt. Es wird nicht gespielt und ich kann die Planung in Angriff nehmen. Sollte es Optionen geben, werde ich mir diese anschauen und die passendste Lokalität wählen. In dem Fall, dass sich nichts finden lässt, werde ich weitersuchen, denn zwischen diesen beiden Städten gibt es auch noch weitere kleinere Städte oder Dörfer, die gut angebunden sind, relativ zentral zwischen den nächsten größeren Städten liegen und passende Räume bieten sollten. Das Anschreiben von Verlagen, Bewerben des Spieleabends und Ähnliches kann danach kommen und hat „Dank“ Corona Zeit. Ich kann mich voll darauf fokussieren, die aus meiner Sicht ideale Basis zu finden.
Das Schreiben
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich überlege schon länger einen regelmäßigen Brettspieltreff ins Leben zu rufen. In der aktuellen Situation ist dies nicht möglich, es lässt sich dafür umso besser die Umsetzbarkeit abklopfen.
Brett- und Gesellschaftsspiele sind mittlerweile weit mehr als Phase 10 oder Monopoly. 2019 "pilgerten" alleine 209.000 Menschen aus aller Welt nach Essen, zur größten Spielmesse Deutschlands und der Welt. Brettspiele sind in vielen Haushalten angekommen, bringen fremde Menschen generationsübergreifend an den Tisch und können viel mehr sein als ein netter Zeitvertreib. So gibt es eine unglaublich große Auswahl an verschiedensten Spielerichtungen für unterschiedliche Zielpubllika.
Ich selbst bin in Frankenberg geboren, habe in Gießen studiert und studiere aktuell noch in Frankfurt. In diesen Städten gibt es regelmäßige Brettspieltreffs, die Personen aus allen Gesellschaftsschichten zusammen an einen Tisch bringen. Die Treffen sind frei zugänglich, leben von freiwilligen Spenden für die Lokalität oder angebotene Snacks und haben Einzugsgebiete weit über die Grenzen des jeweiligen Bezirks oder der Stadt hinaus. Im Landkreis Waldeck-Frankenberg sind solche Spieletreffen praktisch nicht existent.
Bei uns im Landkreis ist es schwer Mitspieler zu finden. Im Normalfall kommt man über den Freundeskreis zum Spielen und bleibt in diesem Kreis. So kommt es leider dazu, dass viele Leute nicht die Möglichkeit haben dieses Hobby zu entdecken oder auszuleben. Ein offener Spieletreff ist eine Veranstaltung, die genau dort ansetzen kann. Er bietet die Möglichkeit Mitspieler zu finden, zusammenzukommen und das Hobby zu entdecken oder ihm nachzugehen.
Mir ist bewusst, dass aufgrund des Corona-Virus ein solcher Brettspieltreff auf absehbare Zeit nicht wird stattfinden können, aber ich wollte mich erkundigen, ob es die Möglichkeit gibt, eine passende Räumlichkeit dafür zu stellen. Wichtig wären große Tische, an denen sich gut spielen ließe und (abschließbare) Schränke für Brettspiele.
Sollte die Möglichkeit und Interesse bestehen, würde ich mich an verschiedene Verlage wenden und Spiele anfragen, sodass im Idealfall ein guter Grundstock zur Verfügung stünde, den man anschließend noch ausbauen kann. Mediale Aufmerksamkeit könnte man vor dem ersten Mal durch einen passenden Zeitungsbericht erzeugen.
Mit freundlichen Grüßen
Pascal Benatzy
Beim Verfassen des Anschreibens war ich mir wieder etwas unsicher, wie meine Idee ankommen würde und ob ich alles so umgesetzt bekomme, wie ich es mir erträume. Letztlich geht es aber erstmal darum, dass ich dem Ganzen überhaupt die Chance gebe erfolgreich zu sein. Probleme werden auftreten und ideal wird es garantiert nicht, aber es gibt zumindest etwas, was man stetig entwickeln und verbessern kann.
Vielleicht findet sich auch niemand, der Lust zum Spielen hat und am Ende sitze ich jede Woche alleine in dem Raum. Die Möglichkeit ist gegeben, aber wenn ich es nicht versuche, nehme ich auch allen anderen die Chance zu erkennen, dass Brettspielen vielleicht ein nerdiges oder nischiges Hobby sein mag, aber definitiv ein schönes und lohnenswertes. Ein Hobby, das verbindet und so aktiv zum Gemeinschaftsgefühl oder Zugehörigkeitsempfinden innerhalb einer Gemeinde oder Stadt beitragen kann.
To be continued...