Beiträge von MetalPirate im Thema „[2017] Inis“

    Im Fußball würde man sagen: ein von Taktik geprägtes Spiel. Nicht schön für die Zuschauer, aber für Experten sehr interessant

    Ja, das passt größtenteils. Nur ist Fußball die falsche Sportart für einen Vergleich, zumindest mit den aktuell gültigen Fußballregeln. Wenn da nämlich ein Sieger gefunden werden muss, z.B. in einem Pokalspiel, dann gibt's erst Verlängerung und wenn das auch nicht reicht, dann ist spätestens nach dem Elfmeterschießen Schluss.


    Inis fühlt sich dagegen so an, als wäre das Elfmeterschießen noch nicht erfunden und man würde immer wieder 30-minütige Verlängerungen dran hängen, bis irgendwann mal vielleicht doch ein Sieger gefunden ist. Wenn das Spiel in einer halbwegs normalen Spielzeit beendet ist: wunderbar. Wenn nicht, ist das hier die Visualisierung dessen, was ab der zweiten Stunde Spielzeit einsetzt:


    :D:):|X(:|:crying::/:S:huh:||(X(:cursing::thumbsdown::rotkart:

    Kann man bei INIS denn überhaupt so spielen, dass man aus einer Vorbereitung in seinem Zug den Sieg einfahren kann, ohne dass die gesammelten Mitspieler die Chance haben, den Sieg zu verhindern?

    Sicherer Sieg? Nein. Im eigenen Spielzug darf man eine Karte spielen, ein Anwärterplättchen nehmen oder passen. Ganz wesentlich dabei: Wer gepasst hat, darf auch später wieder einsteigen. Die Runde endet erst, wenn nacheinander alle vier Spieler gepasst haben.


    Solange also noch jemand eine Karte vor sich liegen hat, kann derjenige noch quer schießen. Und weil man Heldenkarten in die nächste(n) Runde(n) mitnehmen kann, wird de facto nie eine Situation auftreten, in der außer einem selbst keine mehr Karten hat. Nur dann wäre man sicher.


    Am nähesten dran ist man, wenn man relativ früh eine Siegbedingung erfüllt, ein Anwärterplättchen nimmt und dann immer wieder passt, in der Hoffnung, dass die anderen ihre Karten runterspielen und damit Reaktionsmöglichkeiten verlieren. Ich war auch einmal so weit. Hatte noch drei Karten auf der Hand, Anwärterplättchen vor mir und die anderen waren runter auf 1 oder 2 Karten. Mit meinen drei Karten hätte ich meine Siegbedingung auf drei Arten stützen können. Dann kamen hintereinander drei Angriffe, die mir wieder alles zerschossen haben, und die zuvor mühsam gesammelten Heldenkarten waren dann auch alle wieder mal komplett verballert.

    Wir haben definitiv richtig gespielt. Auch das Brenn-Plättchen wurde eingesetzt beim Versuch, damit per Tie-Breaker zu gewinnen. Hat alles nicht funktioniert.


    Wie oben geschrieben, hatte ich in der Runde vor dem Abbruch mein zweites Harfenplättchen geholt (heißen die offiziell "Auszeichnungen"?) und ich denke, die anderen hätten mich nicht mehr lange vom Sieg abhalten können, selbst wenn sie es gewollt hätten. Aber sie wollten nicht mehr, das ist das Problem. Das Spiel war in einem Zustand, wo irgendjemand eine Runde später genauso gut auch hätte sagen können: ich mache jetzt Spieler X zum Gewinner, weil der so eine schöne Nase hat, Hauptsache, es ist endlich vorbei. King Making - The Game.


    Ich habe ja weiter oben schon mal begründet, warum Spiele mit Spieler-getriggerten Endbedingungen oft kritisch sind in reinen Anfängerrunden. Wenn man nicht weiß, wie man so eine Endbedingung effektiv erreicht, dann dauert's automatisch länger. Auch bei Inis bin ich ziemlich sicher, dass mit hinreichend Spielerfahrung die Spielzeit deutlich kürzer werden kann. Nicht zuletzt ist ja auch Glück dabei. Unser Spiel hätte auch nach 45 Minuten vorbei sein können. Von da bis zum Abbruch stand regelmäßig irgendjemand kurz vor dem Sieg. Gereicht hat es dennoch nie.


    Bei Inis ist es den Spielern selbst überlassen, wie offensiv oder defensiv sie spielen. Wir hatten einen Spieler in der Runde, der viele Heldenkarten gesammelt hat. Er war nie selbst wirklich nahe dran am Sieg, konnte aber jeden Sieganwärter immer noch rechtzeitig mit irgendeiner superstarken Heldenkarte abschießen. Genau sowas geht bei anderen Spielen mit Längenproblem wegen Spieler-getriggertem Ende nicht. Da reicht ein Spieler, der effizient spielt, und der gewinnt dann eben in normaler, vorgesehener Zeit wegen eigenem guten Spiel. Bei Inis reichen umgekehrt 1-2 eher destruktiv spielende Spieler in der Runde, um das Spiel in ein endloses, unbefriedigendes Patt zu befördern, bei dem am Ende mindestens genauso Glück wie Können über den Sieg endscheidet. Das "destruktiv" ist dabei gar nicht negativ gemeint. Dieses destruktive Element ist fest so vorgesehen im Spiel, so soll man (auch) spielen, es gibt einen Haufen "Take That!"-Element, und eine gewisse Fokussierung darauf ist sicher auch der Unerfahrenheit der Erstspieler geschuldet. Safety first. Anderen dazwischen zu grätschen ist nun mal wesentlich einfacher als selbst Kartenkombinationen zu sammeln, die einem Gewinnchancen von 5-10% oder so geben (ansteigend durch die Harfenplättchen). Das Problem von Inis ist dann, dass man wiederholt seine starke Kombinationen von Heldenkarten verballert für nichts und wieder nicht und dann kann man die nächten Runden erstmal wieder neu sammeln für den nächsten Anlauf mit ebenso geringen Erfolgschancen.


    Es wäre falsch zu sagen, dass sich in den letzten 90 Minuten unseres Spiels nichts mehr getan hätte. Völlig falsch, es ging heiß her. Richtig ist aber, dass es in diesen 90 Minuten für keinen in der Runde mehr irgendwelche befriedigenden Spielerlebnisse gab. Sammeln, sammeln, vorbereiten, Angriff auf den Sieg, scheitern, alles von vorne. Immer und immer wieder. Das ist das Problem von Inis.


    Wir waren eine Runde von erfahrenen Vielspielern. Ich denke, wir haben alle nicht schlecht gespielt. Mit 1-2 schwachen Spielern am Tisch wär's wahrscheinlich nach der Hälfte der Zeit vorbei gewesen. Aber wo bei anderen Spielen ein starker Spieler das Spiel irgendwie gen Ende bringt, führt das bei Inis nur dazu, dass er sich regelmäßig alleine-gegen-drei-Prügelattacken ausgesetzt sieht, was ihm das Beenden des Spiels eben nicht erlaubt. Warum hat Inis nicht sowas drin wie "3 Anwärterplättchen = 1 Harfe"? So wie beim Bolzplatz-Fußball zu meinen Jugendzeiten das "3 Ecken = 1 Tor". Ja, sowas wäre befriedigend, weil es gutes Spiel belohnen würde, auch wenn der Versuch letztlich gescheitert ist, und es würde das Spiel mit jedem Versuch auch ein Stückchen gen Ende treiben. Man würde das Gefühl haben, vorwärts zu kommen. Genau das fehlt Inis. Es ist ein absolut instabiles Spieldesign. In der richtigen Runde sicher toll, aber hohes Risiko für einen totalen Flop. Spätestens nach dem 10. oder 15. clever eingefädelten Versuch, König zu werden, der genauso clever und geschickt zerschossen wurde, hatte einfach keiner mehr Lust, noch weiter zu spielen. Da hole ich doch lieber andere Spiele aus dem Regal, die garantiert jedem am Tisch Spaß machen.

    Gerade zurückgekommen vom Spieletreff. Inis gespielt. Nach 2,5 Stunden abgebrochen, weil drei von vier Mitspielern keine Lust mehr hatten und sonst noch irgendjemand dafür gesorgt hätte, dass endlich jemand gewinnt, ganz egal wer. Anstatt so, wie es das Spiel von den Spielern verlangt, weiterhin dem jeweiligen Sieganwärter immer munter Knüppel zwischen die Beine zu schmeißen.


    Diese Knüppel gibt es in allen Farben und Formen, das Spiel ist absolut abwechslungsreich und, wie ich finde auch durchaus thematisch (König werden ist nun mal schwer und nur mit ein bisschen Glück schaffbar!) ... allein ... dieses Spiel macht einfach kaum Spaß. Weil die Spannungskurve nicht stimmt. 45 Minuten Aufbau und dann eine Runde nach der anderen, die allesamt ausgehen wie das Hornberger Schießen. Man verbrät mehr oder weniger viele seiner Heldenkarten und am Ende geht's in die nächste Runde, nichts erreicht, bitte wieder alles von vorne.


    Wer zu gewinnen droht, wird von den drei Mitspielern niedergeprügelt und zum kreativen Einprügeln bietet Inis nun mal mehr als genug Optionen. Bei Inis soll man König werden, aber eigentlich ist "King Making - das Spiel". Bzw. das Spiel, bei dem man genauso sehr darauf hinspielt, dass keiner die Siegbedingung erfüllt, wie auf das eigenen Erfüllen. Selten habe ich ein Spiel mit so destruktivem Grundcharakter gesehen.


    Mit mehr oder weniger viel Glück gewinnt vielleicht jemand, irgendwann mal. Ich will dem Spiel auch überhaupt nicht absprechen, dass das meist derjenige sein wird, der besser gespielt hat. Das Spiel hat ein tolles Potential für kreative Spielzüge und geschickte Manöver. Müsste mir eigentlich gefallen und in gewissen Aspekten tut's das auch. Aber... Ach... Es stimmt irgendwas nicht. Zehn Anläufe, zehnmal gescheitert, und beim elften Anlauf, wo man denkt, jetzt muss es aber klappen, da zieht Spieler A in den Kampf gegen einen mit der "klaue eine zufällige Aktionskarte"-Aktionskarte, Spieler B spielt die Heldenkarte "jeder legt eine Heldenkarte auf den Tisch und ich darf mir eine aussuchen, Rest auf Ablagestapel." und Spieler C zerschießt einem auch noch die dritte Absicherung des Angriffs ... hahaha, und wieder alles von vorne ...


    Ich hatte am Ende zwei von den Harfenplättchen und ich glaube, ich hätte gewonnen, wenn wir weitergespielt hätten. 4 Gebiete und/oder 4 Heiligtümer sind auf Dauer schwer zu verhindern. Aber am Ende hatte wirklich keiner Lust mehr, außer vielleicht dem Besitzer des Spiels. Das Lästern über das Spiel hatte schon bedrohliches Niveau angenommen. ("Ab jetzt neue Siegbedingung: ein Mitspieler ist eingeschlafen.")


    Ich würde es sogar nochmal mitspielen (selbst vorschlagen ganz bestimmt nicht; ich finde schon die Grafik furchtbar!), aber da würde ich konsequent darauf spielen, die Harfenplättchen zu sammeln. Den ganzen Rest kann man meiner Meinung nach vergessen, bis es wirklich ernst wird. Irgendeiner der Mitspieler grätscht einem immer dazwischen, gibt ja schließlich drei davon. Dieses Spiel hat zu wenig, was es einem sicheren Ende entgegensteuert. Mehr Spielplanteile, mehr Gebäude, mehr Harfenplättchen, alles okay, das treibt es schon irgendwo dem Ende entgegen, aber das ist einfach zu wenig. Wenn über eine Länge, in der andere Spiele komplett gespielt werden können, bei Inis im Endeffekt gar nicht passiert außer Stellungskrieg mit wechselnden Fronten, dann ist das Spiel für mich tendenziell durchgefallen.


    Wie wohltuend war da letzte Woche beim Spieltreff Energy Empire. Eine Stunde Spielzeit und enorm viel Spiel drin. Ein Worker Placement Spiel, bei dem Worker nicht automatisch zurückkommen, sondern eine Aktion alle Arbeiter zurückholt. Jedes solche Zurückholen irgendeines Spielers treibt den Spieltimer voran. Aber Inis? Nö. Brauche ich nicht zum Glücklichsein. Inis fehlt genau so etwas, was sicher das Spiel in regelmäßigen Abständen ein Stückchen weiter Richtung Ende steuert. Ersteindruck: 6,5/10. Hat wirklich tolle Elemente drin, aber insgesamt alles andere als überzeugend.

    Mal eine etwas spielmechanischere Grundlagenbetrachtung...


    Gibt es bei Inis eine Regel, die sicher dafür sorgt, dass das Spiel irgendwann terminiert? Irgendwas jenseits von "es gibt immer mehr Gebäude auf dem Feld"? Ansonsten sehe ich das Beschriebene als Teil eines größeren Problems unter vielen modernen Spieledesigns. Viele moderne Spiele setzen nicht mehr darauf, eine festgelegte Anzahl von Runden zu spielen, so wie das früher Standard war. Stattdessen nutzen Spielautoren verststärkt Endbedingungen, die von den Spielern selbst ausgelöst werden. Diese Tendenz finde ich im Grunde schön, es ist jedoch immer kritisch, wenn nicht sichergestellt wird, dass diese Endbedingungen auch dann noch zuverlässig und schnell erreicht werden, wenn die Spieler -- und da insbesondere Erstspieler! -- eben nicht so spielen, wie sich Autor und Verlag das vorgestellt haben. Das gilt umso mehr, wenn ein Spiel nur in eingefahrenen Testspielerrunden getestet wird und zu wenig mit Erstspielern.


    Kritik der Sorte "Spiel X dauert viel zu lange! Wir haben ewig gespielt, bis wir fertig waren!" habe ich im letzten Jahr oft gehört und gelesen. Fast alles Fälle von Spieler-getriggerten Endbedingungen. Manchmal waren Regelfehler die Erklärung für das Problem, manchmal war die Packungsangabe für die Spielzeit wirklich etwas daneben, aber den allermeisten Fällen konnte man das mit suboptimalem Spiel (was für Anfänger erlaubt sein muss!) hinreichend gut erklären. Etwa weil Spieler nicht so gezielt und effizient Karten kaufen wie vom Autor geplant und dann die Endbedingung "Kartenstapel leer" in der Anfängerrunde eben erst eine Stunde später erreicht ist als bei den Kennern des Spiels. Das ist ein grundsätzliches Problem solcher Design-Ansätze. Bei der althergbrachten Endbedingung "spiele 8 Runden" passiert das nicht. Die ist davor sicher. Da hat die Anfängerrunde am Ende bloß halb so viele Punkte wie die Expertenrunde, aber die Spielzeit bleibt in etwa gleich.


    Wenn, wie im Falle von Inis, hinzu kommt, dass man als einziger irgendwas erreichen soll und dabei gezielte Blockaden möglich sind, dann verstärkt das die Gefahren solcher Ansätze noch mal deutlich. Blockieren ist immer einfacher als irgendwas trickreich dann doch zu schaffen. Ich habe Inis nie selbst gespielt (die Grafik verursacht bei mir Augenkrebs!), aber ich könnte mir gut vorstellen, dass sich das Problem der langen Spielzeit erledigt, wenn zumindest einer am Tisch das Spiel gut genug kennt. Das wäre jedenfalls das, was ich bei anderen Spielen mit Spieler-getriggerten Endbedingungen beobachten konnte.