Mal meine Erfahrungen mit VR-Headsets niedergeschrieben:
Habe die Kickstarter-Kampagne der Oculus Rift (Developer Kit V1.0) damals leider verpasst. Also nachträglich per Webseite bestellt und irgendwann im Frühjahr / Sommer 2013 wurde die dann auch geliefert. Die Auflösung war allerdings eher bescheiden, das Fliegengitter zwischen den Pixeln deutlich sichtbar. Zudem war nur ein Display verbaut und das waagerecht, so dass der Bildaufbau von links nach rechts erfolgte. Zudem gab es damals noch kein Position Tracking im Raum, es wurden nur Drehbewegungen erfasst, aber eben nicht, wenn man sich vorbeugte oder zurücklehnte.
In Summe war das für mich die reinste Kotzschleuder. Bis auf wenige Spielerfahrungen nach wenigen Minuten Motion Sickness, der einen für etliche Stunden aus dem Leben warf. Faszinierend von der Technik, aber in der Praxis kaum brauchbar. Zudem stank der benutzte Kleber extrem, so dass ich diesen Geruch negativ abgespeichert habe und eine regelrechte Abneigung gegen das Developer Kit 1.0 entwickelte. Musste mich damals fast schon zwingen, es wieder mal zu nutzen. Kurz bevor das Devolper Kit 2.0 angeküdigt wurde, habe ich es dann verkauft ohne gross Minus gemacht zu haben.
Das Developer Kit 2.0 von Oculus Rift war da schon wesentlich besser. Die Auflösung jetzt Full HD statt nur HD, allerdings weiterhin auf beide Augen aufgeteilt und mit nur einem Display umgesetzt. Durch das insgesamt bessere Display mit weniger Nachzieheffekte und zudem Position Tracking per externer Kamera war das schon ein gutes Erlebnis. Endlich konnte man um virtuelle Objekte im Raum herumschauen. So wirklich viel Software gab es dazu allerdings nicht, zwar etliche kleine Demos in arg unterschiedlichen Qualitäten, aber die Entwickler waren immer noch in der Experimentierphase, wie man so ein Headset denn jetzt nutzen konnte. Denn 1:1-Umsetzungen funktionierten schlicht nicht. Highlight war damals Elite Dangerous, weil man damit die enorme Grösse von Raumstationen erleben konnte. Ein Vorgeschmack, was künftige Spiele mit verbesserter Hardware leisten würde können.
Irgendwann war das Developer Kit 2.0 allerdings langweilig geworden. Das Niveau der Spiele lag eher auf kurzen Erlebniserfahrungen oder miesen Technikdemos. Motion Sickness war nur noch ein Problem, wenn die Entwickler es mit den Bewegungen übertrieben, besonders plötzliche Seitwärtsbewegungen waren übel. Zudem fehlte etwas: Man sah durch ein Fenster in eine virtuelle Welt, konnte aber nicht wirklich damit interagieren. Zudem war der Aktionsradius extrem eingeschränkt, mal eben ein wenig zur Seite drehen und nach hinten schauen und das war es dann auch, wollte man nicht aus dem Erkennungsbereich der Kamera kommen, was dann wieder zu unangenehmen Rucklern führte, wenn die virtuelle Welt auf einmal still stand. Das Developer Kit 2.0 habe ich dann auch wieder verkauft, fast zum Kaufpreis damals.
Durch das Developer Kit 2.0 hatte ich eine bevorzugte Vorbestelloption aus das Oculus Rift CV1 (Consumer Version 1). Also bestellt und gewartet. Derweil hatte HTC Vive einen Konkurrenten angeküdigt, der sogar noch eher auf den Markt kommen sollte. Also dieses VR-Headset auch bestellt, wusste ich doch, dass ich als einer der ersten Käufer in Deutschland das auch wieder problemlos und ohne Verlust loswerden würde. Zudem wollte ich wirklich beide VR-Headsets in Ruhe austesten, um herauszufinden, auf welchen Hersteller ich setzen würde.
Das HTC Vive war zuerst da. Am 23. April 2016. Vorab hatte ich mir diverse Preview-Live-Übertragungen angeschaut, von amerikanischen VR-Testern, die das HTC Vive schon ein paar Wochen eher hatten. Aber Bilder und Videos können schlicht nicht das beschreiben, was VR mit der HTC Vive wirklich ausmacht. Endlich kann man sich frei in einem rund 4x4 Meter Raum bewegen, nur durch das Kabel zwischen Headset und PC ein wenig eingeschränkt. Die 4x4 Meter sind durch mein leergeräumtes Wohn-Spielezimmer bestimmt.
Dazu kommt, dass mit den Vive Controllern endlich auch Manipulationen in der virtuellen Welt möglich sind, wobei die Controller 1:1 in Bewegung und Drehung wie ihre realen Abbilder in VR vorhanden sind. Es ist immer ein grandioses Erlebnis, wenn man jemand in einer Erstdemo diese Controller reicht, er die aber nur virtuell sieht, aber ganz genau entgegennehmen kann. Man hat ein reales Objekt in der virtuellen Welt gegriffen.
Motion Sickness ist absolut kein Problem mehr und durch zwei Displays ist auch die Bildauflösung ausreichend fein, eine Pixelstruktur zwar immer noch vorhanden, aber nur zu erkennen, wenn man sich darauf konzentriert. Die VR-Welt ist aber so galubwürdig und faszinierend, dass einem diese Unzulänglichkeiten wie eingeschränkter Blickwinkel (wie durch eine Taucherbrille), leichtes Fliegengitterraster und Godrays völlig egal sind. Godrays sind Blendungseffekte, die durch den besonderen Linsenschliff entstehen. Die sorgen bei extremen Kontrasten für eine Art Strahlenkranz um helle Objekte auf schwarzen Hintergrund.
Die Spielerlebnisse bis komplette Spiele sind zudem wesentlich besser von der Technik und vom langfristigen Spielspass geworden. Beschreiben kann man die aktuelle VR-Generation kaum, man muss die schon selbst erleben, um mitreden zu können. Alles andere ist nur Theorie. Allerdings braucht es einen leistungsstarken PC mit GeForce 1070+ Grafikkarte und 4Kern-Prozessor mit mindestens 4 GHz. Zumal durch Supersampling die Bildqualität noch erhöht werden kann. Dabei wird eine höhere Auslösung errechnet als ausgegeben werden kann, was in der Praxis für erstaunlich feiner aufgelöste Grafiken sorgt, aber eben auch enorm Rechenpower frisst.
Im Direktvergleich konnte die Oculus Rift CV1 da nicht mithalten mit dem HTC Vive Erlebnis. Die Rift kam bei mir im Mai 2016 an, bot damals aber kein raumgreifendes VR sondern nur eine sitzende oder stehende Erfahrung. Im Raum erfasste VR-Controller fehlen ebenso und zurück zum Joypad wolte ich nicht mehr, wenn man einmal die Vive Controller erlebt hat. Zwar war die Rift komfortabler und etwas leichter, bot aber ein etwas kleineres Sichtfenster in die virtuelle Welt und hatte extreme Godrays. Dafür war das Bild subjektiv besser aufgelöst, aber eben nur minimal. In Summe für mich deutlich schlechter als HTC Vive und deshalb wieder verkauft - sogar mit leichten Gewinn.
Inzwischen gibt es auch für die Rift entsprechende VR Controller. Ob die einem besser gefallen, muss man schlicht austesten. Allerdings braucht es für raumgreifendes VR eine umständlichere Verkabelung und man hat mit der Rift dauernd mehrere Kamera an, die Bilddaten an Facebook schicken können. In deren AGB steht, dass die diese Daten für interne Zwecke auswerten dürfen und auch an Dritte weitergeben. HTC Vive hat hingegen Valve im Rücken und als inhabergeführte Firma haben die eine ganz andere Philosophie. Daten sammeln ja, aber nur für interne Zwecke und keine Weitergabe an Dritte, laut deren AGB. Zumal Valve der eigentliche Motor des modernen VR ist, weil selbst das Oculus Rift auf deren Entwicklungen basiert, bevor sich Oculus an Facebook verkauft hat.
Aktuell wurde für die HTC Vive eine bessere Headset-Kopfhalterung angekündigt, womit die in Sachen Tragekomfort dann mit der Oculus Rift gleichziehen wird. Zudem wird es im Q2/2017 für beide Hardware-Varianten Zusatzkits geben, die drahtlose Verbindungen ermöglichen - Aufpreis rund 250 US-Dollar. Das einschränkende Kabel von Headset zu PC fällt damit weg.
Mein Fazit: VR ist aktuell schlicht teuer in der Anschaffung. In der erlebten Praxis aber absolut faszinierend. Für raumgreifende VR braucht es aber Platz und Freiraum - je mehr, desto besser. Aktuell sehe ich das eher als Hightech-Spielzeug für Freaks an und noch nichts, was den Massenmarkt erobern kann. Dazu ist es noch zu teuer und in Details dann doch immer noch zu tüftelig, um alles so laufen zu bekommen, dass es perfekt ist. Wenn Ihr die Möglichkeit habt, einfach mal ausprobieren im Freundes- oder Bekanntenkreis. Selbst meine Eltern, die mit so einer Technik absolut nichts am Hut haben, waren restlos begeistert. Virtuelle Rifftauchen, Bogenschiessen, Landschaften erkunden, im 3D-Raum malen und und und. Die wirklich heftigen VR-Erfahrungen habe ich allerdings nicht gezeigt, weil wenn bei Raw Data von allen Seiten realitätsechte Roboter (wie bei I, Robot) auf dich zustürmen, dann muss man seine Panikreaktionen schon arg unterdrücken. Denkbar schlechter Einstieg in VR. Auch sollte man nicht versuchen, sich an einer virtuellen Wand abzustützen ...